Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 12.07.2004
Aktenzeichen: 1Z BR 49/04
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 2258 Abs. 1
Zur Feststellung des Errichtungszeitpunkts bei datumsgleichen Testamenten.
Gründe:

I.

Der im Alter von 48 Jahren zwischen dem 23. und 26.2.2000 verstorbene Erblasser war mit der Beteiligten zu 1 verheiratet; aus der Ehe entstammen zwei Kinder, die Beteiligten zu 2 und 3. Der Beteiligte zu 4 ist ein außereheliches Kind, der Beteiligte zu 5 ist der ältere Bruder des Erblassers.

Der Erblasser litt unter einer langjährigen schweren Alkoholkrankheit mit Arzneimittelabusus (Clomethiazol). Er hielt sich wiederholt zu Entgiftungen und Therapien in verschiedenen Kliniken auf. Allein in dem Krankenhaus für Psychiatrie und Psychotherapie (KPP) wurde er dreizehn Mal über längere Zeit stationär behandelt. Aus dieser Klinik wurde er nach seinem zwölften Aufenthalt am 30.9.1999 entlassen. Er begab sich in sein Wohnanwesen; seine Frau und seine Kinder lebten bereits zu diesem Zeitpunkt von ihm getrennt.

Unter dem Datum 1.10.1999 verfasste der Erblasser zwei privatschriftliche Testamente. In einem Testament setzte er die Beteiligten zu 1 bis 3 als Erben ein, in dem anderen den Beteiligten zu 5. In welcher zeitlichen Reihenfolge die Testamente errichtet wurden, geht aus den Urkunden nicht hervor.

Die Beteiligte zu 1 beantragte zunächst einen Erbschein, der sie und die Beteiligten zu 2 und 3 als Erben zu je 1/3 aufgrund Testaments ausweisen sollte. Diesen Antrag wies das Amtsgericht mit Beschluss vom 22.3.2000 zurück mit der Begründung der Erblasser sei am 1.10.1999 auf Grund seiner langjährigen Alkoholerkrankung nicht mehr testierfähig gewesen; es sei gesetzliche Erbfolge eingetreten. Im Hinblick darauf stellte die Beteiligte zu 1 den Antrag auf Erteilung eines Erbscheins entsprechend der gesetzlichen Erbfolge, der bezeugen sollte, dass sie zu 1/2 und die Beteiligten zu 2 bis 4 zu je 1/6 Erben geworden seien. Der Beteiligte zu 5 beantragte einen Erbschein, der ihn als Alleinerben aufgrund Testaments ausweisen sollte.

Mit Beschluss vom 7.6.2000 wies das Nachlassgericht den Erbscheinsantrag des Beteiligten zu 5 zurück und ordnete die Erteilung eines Erbscheins zu Gunsten der Beteiligten zu 1 (1/2) und der Beteiligten zu 2 bis 4 (je 1/6) auf Grund gesetzlicher Erbfolge an. Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Beteiligten zu 5 wies das Landgericht mit Beschluss vom 12.9.2000 zurück. Das Nachlassgericht erteilte am 17.10.2000 den seinem Beschluss vom 7.6.2000 entsprechenden Erbschein.

Auf erneuten Antrag des Beteiligten zu 5 erholte das Nachlassgericht zur Frage der Testierfähigkeit des Erblassers ein psychiatrisches Sachverständigengutachten. Mit Beschluss vom 26.7.2001 wies das Nachlassgericht den auf Erteilung eines Alleinerbscheins gerichteten Antrag des Beteiligten zu 5 zurück. Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 5 hob das Landgericht mit Beschluss vom 18.1.2002 den Beschluss des Nachlassgerichts auf und wies dieses an, dem Beteiligten zu 5 einen Erbschein als Alleinerben zu erteilen. Das Nachlassgericht zog den Erbschein vom 17.10.2000 ein und erteilte am 11.4.2002 dem Beteiligten zu 5 einen Erbschein an, der ihn als Alleinerben auswies. Auf die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1 bis 3 hob der Senat mit Beschluss vom 23.8.2002 die Entscheidung des Landgerichts auf und verwies die Sache zu neuer Behandlung und Entscheidung an das Landgericht zurück.

Das Landgericht holte über den Zustand des Erblassers nach einem Suizidversuch am 2.10.1999 schriftliche Stellungnahmen der beteiligten Ärzte ein; ferner hörte es den Beteiligten zu 5 erneut an. Mit Beschluss vom 18.11.2003 wies das Landgericht die Beschwerde des Beteiligten zu 5 gegen den Beschluss des Nachlassgerichts vom 26.7.2001 zurück. Das Nachlassgericht zog am 20.1.2004 den Erbschein vom 11.4.2002 ein und erteilte am 28.1.2004 der Beteiligten zu 1 einen Erbschein, der diese als Miterbin zu 1/2, die Beteiligten zu 2 bis 4 als Miterben zu je 1/6 ausweist.

Mit Schriftsatz seines Verfahrensbevollmächtigten vom 4.5.2004 hat der Beteiligte zu 5 gegen den Beschluss des Landgerichts Beschwerde eingelegt mit dem Ziel, einen Erbschein als Alleinerbe zu erhalten. Ferner hat er Prozesskostenhilfe für das Verfahren der weiteren Beschwerde beantragt.

Die Beteiligten zu 1 bis 3 sind der weiteren Beschwerde entgegengetreten und haben ihrerseits Gewährung von Prozesskostenhilfe beantragt.

II.

1. Die weitere Beschwerde ist zulässig; die zwischenzeitliche Erteilung des Erbscheins an die Beteiligten zu 1 bis 4 hat das Rechtsschutzbedürfnis des Beteiligten zu 5 nicht entfallen lassen. Sein Vorbringen ist nunmehr dahin aufzufassen, dass er mit der weiteren Beschwerde das Ziel verfolgt, den erteilten Erbschein einzuziehen und einen neuen Erbschein zu erteilen, der ihn als Alleinerben aufgrund Testaments ausweist (vgl. BayObLGZ 1996, 69/73; Keidel/Meyer-Holz, FGG 15. Aufl. § 27 Rn. 51).

Die weitere Beschwerde ist jedoch nicht begründet.

2. Das Landgericht hat im Wesentlichen ausgeführt:

Es könne auch nach der weiteren Beweisaufnahme nicht mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden, dass der Erblasser am 1.10.1999 testierunfähig gewesen sei. Jedoch könne nicht geklärt werden, welches der beiden Testamente des Erblassers vom 1.10.1999 später verfasst worden sei. Die Testamente seien deshalb als gleichzeitig errichtet anzusehen, so dass sie sich auf Grund ihrer inhaltlich widersprüchlichen Anordnungen gegenseitig aufheben würden.

Es bestehe der Verdacht, dass der Beteiligte zu 5 über die Alkoholisierung des Erblassers falsche Angaben gemacht habe, um Zweifel an dessen Testierfähigkeit zu zerstreuen. Auch den Angaben des Beteiligten zu 5 und seiner Lebensgefährtin zum Zeitpunkt der Errichtung des Testaments könne deshalb nicht gefolgt werden.

3. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung stand (§ 27 Abs. 1 FGG, 546 ZPO).

a) Zutreffend geht das Landgericht davon aus, dass zwei mit dem gleichen Datum versehene Testamente als gleichzeitig errichtet anzusehen sind, wenn nicht geklärt werden kann, welches Testament später errichtet wurde (vgl. Soergel/Mayer, BGB 13. Aufl. § 2258 Rn. 12; Staudinger/Baumann, BGB Bearbeitung 2003, § 2258 Rn. 16).

Die Feststellung, zu welchem Zeitpunkt ein Testament errichtet wurde, ist im wesentlichen tatsächlicher Natur. Der Senat kann die Feststellungen des Landgerichts nur daraufhin überprüfen, ob das Landgericht den maßgeblichen Sachverhalt ausreichend erforscht (§ 12 FGG, 2358 Abs. 1 BGB) hat, ob die Vorschriften über die Beweisaufnahme (§ 15 FGG) verletzt wurden und ob die Beweiswürdigung im Verfahren der weiteren Beschwerde zu berücksichtigende Fehler aufweist. Die Beweiswürdigung kann nur daraufhin überprüft werden, ob das Landgericht bei der Erörterung des Beweisstoffes alle wesentlichen Umstände berücksichtigt (§ 25 FGG) und hierbei nicht gegen gesetzliche Beweisregeln oder die Denkgesetze und feststehende Erfahrungssätze verstoßen hat, ferner ob es die Beweisanforderungen zu hoch oder zu niedrig angesetzt hat (ständige Rechtsprechung, vgl. BayObLGZ 1995, 383/388 m.w.N.).

b) Die vom Landgericht nach der von ihm durchgeführten Beweisaufnahme getroffene Feststellung, der Zeitpunkt der Errichtung des den Beteiligten zu 5 begünstigenden Testaments könne nicht festgestellt werden, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Das Landgericht hat den Sachverhalt ausreichend erforscht, seine Beweiswürdigung begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Der Beteiligte zu 5 wendet sich mit der weiteren Beschwerde vor allem gegen die Beurteilung seiner persönlichen Glaubwürdigkeit und der seiner Lebensgefährtin durch das Landgericht. Damit kann er im Rechtsbeschwerdeverfahren keinen Erfolg haben. Die Beurteilung der persönlichen Glaubwürdigkeit von Zeugen und Beteiligten sowie der Glaubhaftigkeit von deren Sachdarstellung obliegt dem Gericht der Tatsacheninstanz und ist im Rechtsbeschwerdeverfahren grundsätzlich nicht nachprüfbar (ständige Rechtsprechung, vgl. BayObLG FamRZ 1998, 1469/1417; Keidel/Meyer-Holz § 27 Rn. 43).

Insbesondere ist nicht zu beanstanden, dass das Landgericht aus den Widersprüchen zwischen den Angaben des Beteiligten zu 5 und den Angaben der behandelnden Ärzte zum Zustand des Erblassers am 2.10.1999 Rückschlüsse auf sein Aussageverhalten insgesamt - auch zu den Angaben zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung - gezogen und diese als nicht verlässlich eingestuft hat. Das Landgericht hätte diese Einschätzung zusätzlich auch darauf stützen können, dass der Beteiligte zu 5 das in seinem Besitz befindliche Testament gegenüber dem Nachlassgericht erst am 3.3.2000 erwähnt und vorgelegt hat, obwohl er ausweislich des Vermerks der zuständigen Rechtspflegerin vom 16.4.2000 von ihr bereits am 29.02.2000 telefonisch über den Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 1 und das Testament zu deren Gunsten unterrichtet worden war.

c) Zu Recht hat das Landgericht deshalb beide Testamente als gleichzeitig errichtet angesehen mit der Folge, dass sie sich wegen der inhaltlich widersprüchlichen Anordnungen aufheben (vgl. BayObLG FamRZ 1991, 237/238). Auf die Frage der Testierfähigkeit des Erblassers kommt es deshalb nicht an. Der aufgrund gesetzlicher Erbfolge erteilte Erbschein entspricht der Erbrechtslage.

4. Den Beteiligten zu 1 bis 3 war nach § 14 FGG i.V.m. §§ 114, 115 Abs. 2, 119 Abs. 1, 127 Abs. 1 Satz 2 ZPO Prozesskostenhilfe für das Verfahren der weiteren Beschwerde zu bewilligen.

Der Antrag des Beteiligten zu 5 auf Gewährung von Prozesskostenhilfe war zurückzuweisen, da die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet, § 14 FGG i.V.m. § 114 ZPO.

5. Für eine Entscheidung über die Gerichtskosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde besteht kein Anlass, da sich die Kostenfolge aus der Kostenordnung ergibt. Die Entscheidung über die Erstattung der Kosten der Beteiligten zu 1 bis 3 durch den Beteiligten zu 5 beruht auf § 13a Abs. 1 Satz 2 FGG. Der Beteiligte zu 4 ist im Verfahren der weiteren Beschwerde nicht hervorgetreten.

Der Geschäftswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird in Übereinstimmung mit der Entscheidung des Landgerichts entsprechend dem Interesse des Beteiligten zu 5 am Erfolg des Verfahrens der weiteren Beschwerde auf 74137 EUR festgesetzt (§ 31 Abs. 1 Satz 1, § 131 Abs. 2, § 30 Abs. 1, § 107 Abs. 2 Satz 1 KostO).

Ende der Entscheidung

Zurück