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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 11.01.2002
Aktenzeichen: 1Z BR 51/01
Rechtsgebiete: EGBGB, BGB, Türkisches ZGB


Vorschriften:

EGBGB Art. 19 Abs. 1
BGB § 1592 Nr. 2
BGB § 1594 Abs. 2
BGB § 1599 Abs. 2
Türkisches ZGB Art. 141 Satz 2
Türkisches ZGB Art. 241
Türkisches ZGB Art. 259
Sind gemäß Art. 19 Abs. 1 EGBGB für die Abstammung des Kindes zwei Rechtsordnungen alternativ maßgeblich, so bietet diejenige die günstigste Auswirkung, die dem Kind zuerst zu einem Vater verhilft.
Der 1. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung der Richter Kenklies, Rojahn und Zwirlein

am 11. Januar 2002

in der Personenstandssache

beschlossen:

Tenor:

I. Auf die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 3 wird der Beschluss des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 8. Oktober 2001 aufgehoben, insoweit es die Berichtigung des Geburtsnamens des Kindes angeordnet hat. Der Antrag der Beteiligten zu 2 auf Berichtigung des Geburtsnamens des Kindes wird zurückgewiesen.

II. Im übrigen wird die sofortige weitere Beschwerde zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Das im September 1998 in Nürnberg geborene Mädchen ist die Tochter der Beteiligten zu 2 und lebt bei ihr in Nürnberg. Beide sind türkische Staatsangehörige. Die Beteiligte zu 2, eine geborene B., hatte 1997 in der Türkei den türkischen Staatsangehörigen A. (Beteiligter zu 1) geheiratet. Die Ehe wurde mit Entscheidung eines Gerichts der Türkei vom 11.6.1998, rechtskräftig seit 15.6.1998, geschieden.

Die Geburt des Kindes wurde am 9.11.1998 beim Standesamt Nürnberg beurkundet. In dem Eintrag heißt es unter anderem: Das Kind hat die Vornamen ... erhalten und führt den Familiennamen A.

Als Name der Mutter wurde eingetragen "A., geb. B."; weiterhin enthält das Geburtenbuch die Eintragung "Vater des Kindes ist A.". Am 19.11.1998 erkannte der türkische Staatsangehörige C. zu Urkunde des Standesbeamten des Standesamts Nürnberg die Vaterschaft mit Zustimmung der Beteiligten zu 2 an.

Die Beteiligte zu 2 beantragte am 5.5.1999 die Berichtigung des Geburtenbucheintrages vom 9.11.1998 dahin, dass für sie und das Kind ihr Geburtsname B. als Familienname eingetragen werde. Mit Beschluss vom 7.6.1999 ordnete das Amtsgericht an:

Der Eintrag des Standesamtes im Geburtenbuch ist durch Beischreibung folgenden Randvermerks- zu berichtigen:

Die Angaben über den eingetragenen Vater sind zu streichen. Die Mutter und das Kind führen den Familiennamen "B.".

Gegen diesen am 23.6.1999 zugestellten Beschluss legte die Beteiligte zu 3 (Standesamtsaufsicht) sofortige Beschwerde ein mit dem Antrag, die Entscheidung des Amtsgerichts zu bestätigen. Das Landgericht entschied mit Beschluss vom 8.10.2001 wie folgt:

I. Auf die sofortige Beschwerde der Beteiligten zu 3 wird der Beschluss des Amtsgerichts vom 7.6.1999 dahin abgeändert, dass der Randvermerk nur zu lauten hat:

Die Mutter und das Kind führen den Familiennamen "B".

II. Im übrigen wird die sofortige Beschwerde zurückgewiesen.

Gegen diese ihr formlos zugegangene Entscheidung legte die Beteiligte zu 3 am 31.10.2001 sofortige weitere Beschwerde ein, mit der sie nunmehr die Bestätigung der landgerichtlichen Entscheidung anstrebt.

II.

1. Die sofortige weitere Beschwerde ist zulässig (§ 47 Abs. 1 Satz 1, § 49 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, § 48 Abs. 1 PStG, § 27 Abs. 1, § 29 Abs. 1 Satz 1 und 3, Abs. 4, § 22 Abs. 1 FGG). Als Aufsichtsbehörde des Standesbeamten kann die Beteiligte zu 3 Rechtsmittel ohne Rücksicht darauf einlegen, ob sie beschwert ist (§ 49 Abs. 2 PStG). Das Rechtsmittel führt nicht in vollem Umfang zur Bestätigung der landgerichtlichen Entscheidung.

Das Landgericht hat zu Unrecht die Voraussetzungen für die Berichtigung des Geburtsnamens des Kindes angenommen. Diese sind nur bezüglich des Familiennamens der Mutter gegeben. Insoweit hat es die amtsgerichtliche Entscheidung ohne Rechtsfehler bestätigt. Im übrigen hat das Landgericht mit zutreffenden Gründen die Anordnung des Amtsgerichts, die Angaben über den eingetragenen Vater zu streichen, aufgehoben. In den beiden letztgenannten Punkten ist die landgerichtliche Entscheidung zu bestätigen.

2. Das Landgericht hat ausgeführt:

a) Zu Recht habe das Amtsgericht angeordnet, dass als Familienname der Mutter und des Kindes "B." einzutragen sei. Die Beteiligte zu 1 trage nach Scheidung gemäß Art. 141 des türkischen Zivilgesetzbuches wieder ihren Geburtsnamen als Familiennamen.

b) Die Beteiligte zu 1 lebe in Deutschland und könne als Inhaberin der elterlichen Sorge (Art. 21 EGBGB, § 1626a Abs. 2 BGB) bestimmen, dass sich der Familienname des Kindes nach deutschem Recht richte (Art. 10 Abs. 3 Nr. 2 EGBGB). Dies habe die Beteiligte zu 1 zur Niederschrift des Standesbeamten am 5.5.1999 formgerecht getan.

c) Dagegen könne der Eintrag, wonach der Vater des Kindes der Beteiligte zu 1 sei, nicht berichtigt werden. Die Beteiligten hätten hier kein Wahlrecht; vielmehr komme dasjenige Recht zum Zuge, das zum frühesten Zeitpunkt zur Feststellung eines Vaters führe.

3. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Überprüfung nur in den Punkten 2 a) und 2 c) stand (§ 47 Abs. 1 Satz 1, § 49 Abs. 2, § 48 Abs. 1 PStG, § 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO).

a) Das Landgericht hat - stillschweigend - seine internationale Zuständigkeit zur Entscheidung des vorliegenden Falles angenommen. Diese ist tatsächlich gegeben, weil eine Eintragung im deutschen Geburtenbuch betroffen ist; die internationale Zuständigkeit folgt aus der örtlichen Zuständigkeit (vgl. § 50 Abs. 1 PStG; BayObLGZ 1995, 238/240). Aus der internationalen Zuständigkeit ergibt sich die Anwendung des deutschen Verfahrensrechts (lex fori, vgl. BGH NJW-RR 1993, 130; BayObLGZ aaO). Nach deutschem Personenstandsrecht ist somit die Frage zu beurteilen, ob die von der Beteiligten zu 2 beantragte Berichtigung im deutschen Geburtenbuch vorzunehmen ist.

b) Das Landgericht hat die Voraussetzungen für eine Berichtigung des Geburtenbuches zu Recht verneint, soweit die Eintragung der väterlichen Abstammung des Kindes betroffen ist.

aa) Ist - wie hier - die Eintragung in einem Personenstandsbuch abgeschlossen, so kann sie gemäß § 47 Abs. 1 Satz 1 PStG auf Anordnung des Gerichts berichtigt werden, wenn sie von Anfang an unrichtig war (vgl. BGH NJW 1988, 1469/1470; BayObLG FamRZ 2000, 55). Die Eintragung des Namens des geschiedenen Ehemanns der Beteiligten zu 2 als Vater in das Geburtenbuch hat keine rechtserzeugende Wirkung, sondern nur Beweisfunktion. Den erforderlichen Berichtigungsantrag hat die hierzu berechtigte Beteiligte zu 2 (§ 47 Abs. 2 PStG) gestellt. Die Berichtigung eines abgeschlossenen Eintrags setzt voraus, dass die Unrichtigkeit der Eintragung feststeht, (BayObLG Report 2000, 31/32).

bb) Da Mutter und Kind sowie der Beteiligte zu 1 türkische Staatsangehörige sind, ist es notwendig, die für die Abstammung des Kindes maßgebliche Rechtsordnung zu bestimmen (Art. 3 Abs. 1 Satz 1 EGBGB). Nach der die Abstammung eines Kindes regelnden Kollisionsnorm des Art. 19 Abs. 1 EGBGB kommen hierfür im vorliegenden Fall das deutsche Recht (Art. 19 Abs. 1 Satz 1 EGBGB) und das türkische Recht (Art. 19 Abs. 1 Satz 2 EGBGB) in Frage. Die Anknüpfungsmöglichkeit nach dem Ehewirkungsstatut gemäß Art. 19 Abs. 1 Satz 3 EGBGB bleibt außer Betracht, weil die Mutter (Beteiligte zu 2) im Zeitpunkt der Geburt geschieden war.

(1) Gemäß Art. 19 Abs. 1 Satz 1 EGBGB unterliegt die Abstammung eines Kindes dem Recht des Staates, in dem das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Danach ist deutsches Recht anwendbar, weil das Kind in Nürnberg geboren ist und dort bei seiner Mutter lebt. Diese war ausweislich des Scheidungsurteils vom 11.6.1998, das gemäß Art. 7 § 1 Abs. 1 Satz 3 FamRÄndG ohne förmliches Anerkennungsverfahren zu beachten ist, im Zeitpunkt der Geburt vom Beteiligten zu 1 geschieden. Deshalb greift bei Anwendung deutschen Rechts die Vaterschaftsvermutung des § 1592 Nr. 1 BGB nicht ein. Im Zeitpunkt der Geburt am 24.9.1998 stünde auch keine andere Person als Vater fest; der türkische Staatsangehörige C. hat die Vaterschaft erst am 19.11.1998 anerkannt (Art. 19 Abs. 1 Satz 1 EGBGB, § 1592 Nr. 2 BGB). Da die Vaterschaft des Kindes im Zeitpunkt der Geburt nicht festgestanden hat, wäre - in Anwendung des deutschen Rechts - die Eintragung des Beteiligten zu 1 als Vater des Kindes unrichtig.

(2) Gemäß Art. 19 Abs. 1 Satz 2 EGBGB kann die Abstammung eines Kindes im Verhältnis zu jedem Elternteil auch nach dem Recht des Staates bestimmt werden, dem dieser Elternteil angehört. Soweit die Vaterschaft des geschiedenen Ehemanns (Beteiligter zu 1) in Frage steht, ist danach sein türkisches Heimatrecht anwendbar. Dieses enthält dieselbe Regelung, wie sie § 15193 BGB a.F. bis zum 30.6.1998 vorgesehen hat: Gemäß § 241 Satz 1 türkisches ZGB hat ein Kind, das innerhalb von 300 Tagen nach Auflösung der Ehe geboren wird, den Ehemann zum Vater. Danach stünde der Beteiligte zu 1 als Vater mit der Geburt des Kindes fest.

Im Hinblick darauf bliebe die Anerkennung der Vaterschaft durch C. zunächst ohne Bedeutung: Nach § 1594 Abs. 2 BGB ist eine Anerkennung der Vaterschaft nicht wirksam, solange die Vaterschaft eines anderen Mannes besteht. Diese Vorschrift greift auch dann ein, wenn die Vaterschaft nach einer anwendbaren ausländischen Rechtsordnung gegeben ist (MünchKomm/Klinkhardt BGB 3. Aufl. Art. 19 EGBGB n.F. Rn. 14; Soergel/ Kegel BGB 12. Aufl. Art. 20 EGBGB Rn. 12; Hepting/ StAZ 2000, 33/39; Gaaz StAZ 1998, 248/250; Looschelders IPrax 1999, 420/422). Um die Vaterschaftsvermutung zu beseitigen, müsste zunächst die Abstammung des Kindes angefochten werden (Art. 20 EGBGB), bevor der weg frei wäre für die Anerkennung der Vaterschaft durch den Erzeuger des Kindes. Nur für den Fall, dass alle Beteiligten einschließlich des geschiedenen Ehemanns darin übereinstimmen, dass das Kind dem anerkennungswilligen Vater zugeordnet wird, kann in entsprechender Anwendung des § 1599 Abs. 2 BGB die Vaterschaftsvermutung überwunden werden (Hepting aaO S. 39; Gaaz.aaO S. 251; Looschelders aaO S. 422).

cc) Die Anknüpfungsmöglichkeiten nach Art. 19 Abs. 1 Satz 1 EGBGB (deutsches Recht) und Art. 19 Abs. 1 Satz 2 EGBGB (hier türkisches Recht) stehen nach herrschender Meinung im Verhältnis gleichrangiger Alternativität (vgl. BT-Drucks. 10/5632 S. 43 zu Art. 20 EGBGB a.F.; Erman/Holoch BGB 10. Aufl. Art. 19 EGBGB Rn. 17; Palandt/Heldrich BGB 61. Aufl. Art. 19 EGBGB Rn. 2; Soergel/Kegel zu Art. 20 EGBGB a.F. Rn. 10 f.; Hepting aaO S. 38; Gaaz aaO S. 250; Looschelders aaO S. 421).

An welche Alternative anzuknüpfen ist, bestimmt sich nach dem Günstigkeitsprinzip, das sich aus dem Nebeneinander der konkurrierenden Anknüpfungen ergibt (vgl. Hepting/Gaaz PstG [2000] III Bd. 2 IV - 433). Es kommt das Recht zur Anwendung, das für das Wohl des Kindes günstiger ist (vgl. BT-Drucks. 10/5632 S. 43 zu Art. 20 Abs. 1 EGBGB a.F.; OLG Hamm FamRZ 1991, 221/223; KG FamRZ 1994, 986/988; Staudinger/Kropholler 1996 Art. 20 EGBGB Rn. 41).

Die Frage, welche Lösung dem Wohl des Kindes am besten entspricht, wird unterschiedlich beantwortet. Nach der einen Auffassung ist maßgebend diejenige Rechtsordnung, die dem Kind zum frühestmöglichen Zeitpunkt, am besten schon mit der Geburt, einen Vater zuordnet (MünchKomm/Klinkhardt Art. 19 EGBGB n.F. Rn. 14; Palandt/Heldrich Art. 19 EGBGB Rn. 6; Soergel/Kegel Art. 20 EGBGB Rn. 12; Erman/Holoch Art. 19 EGBGB Rn. 17 a.E.). Im vorliegenden Fall hätte hiernach das Heimatrecht des geschiedenen Ehemanns (Beteiligter zu 1) den Vorrang. Nach anderer Auffassung ist die für das Kind günstigste Lösung diejenige, die ihm ohne Umwege möglichst schnell und ohne unnötige Kosten zu seinem wirklichen Vater verhilft (Henrich FamRZ 1998, 1401/1402; StAZ 1998, 1/2). Nach dieser Auffassung wäre vorliegend das deutsche Recht maßgeblich, das nach Scheidung keine Vaterschaftsvermutung vorsieht mit der Folge, dass dem Kind ohne die Blockade des § 1594 Abs. 2 BGB nach Vaterschaftsanerkennung ein Vater zugeordnet werden kann.

Die Meinungsunterschiede beziehen sich auf die Kriterien der Günstigkeit. Ist es für das Kind günstiger, den geschiedenen Ehemann im Zeitpunkt der Geburt generell als vermutlichen - wenn auch unwahrscheinlichen - Vater rechtsverbindlich, anzusehen, oder ist es für das Kind günstiger, im Zeitpunkt der Geburt vaterlos zu sein, um im Falle einer Vaterschaftsanerkennung bzw. -feststellung eine einfache Zuordnung des - wahrscheinlichen - Vaters zu ermöglichen?

dd) Der Senat geht grundsätzlich von der Auffassung der überwiegenden Meinung aus. Sind gemäß Art. 19 Abs. 1 EGBGB für die Abstammung des Kindes zwei Rechtsordnungen alternativ maßgeblich, so bietet diejenige die günstigste Auswirkung, die dem Kind zuerst zu einem Vater verhilft (vgl. BayObLG FamRZ 2000, 699/700; BayObLGZ 2000, 205/208). Denn die rechtliche Zuordnung zu einem Vater nach dem einen Recht ist schon im Hinblick auf die unterhalts- und erbrechtlichen Konsequenzen günstiger als die völlige Vaterlosigkeit nach dem anderen Recht.

In dem Augenblick aber, in dem das Kind im Zeitpunkt seiner Geburt von alternativ maßgeblichen Abstammungsstatuten zwei unterschiedlichen Vätern zugeordnet wird, hat dasjenige Vorrang, das zum wirklichen und nicht lediglich zum gesetzlich vermuteten Vater führt (Abstammungswahrheit). Ein solcher Konkurrenzfall liegt vor, wenn die gesetzliche Vaterschaftsvermutung nach dem einen Recht mit Geburt eintritt und nach dem anderen Recht ein vorgeburtliches Vaterschaftsanerkenntnis (vgl. § 1594 Abs. 4 BGB) vorliegt. In diesem Fall führt das Günstigkeitsprinzip zu der Rechtsordnung, die die Feststellung des wirklichen Vaters ermöglicht (vgl. Gaaz aaO S. 251).

Das in Art. 19 Abs. 1 EGBGB statuierte Günstigkeitsprinzip erlaubt es aber nicht, ebenso zu verfahren, wenn die Vaterschaft nach der Geburt des Kindes anerkannt wird. Die alternativen Anknüpfungen in Art. 19 Abs. 1 EGBGB sollen nach dem Gesetzeszweck die Abstammungsfeststellung im Interesse des Kindes erleichtern. Inhaltliche Widersprüche zwischen den anwendbaren Rechten werden nach dem Günstigkeitsprinzip gelöst. Dabei werden die Ergebnisse verglichen; das Recht mit dem günstigsten Ergebnis setzt sich durch, die anderen werden nicht angewandt. Es kommt allein auf die jeweils günstigste Auswirkung für das Kind an. Da hierbei ein objektiver Maßstab anzulegen ist, besteht entgegen der Auffassung des Amtsgerichts in keinem Fall ein Wahlrecht der Mutter (vgl. Hepting aaO S. 35; a.A. Palandt/Heldrich Art. 19 EGBGB Rn. 6.a.E.).

Hat nach diesen Grundsätzen eines der anwendbaren Rechte zur Feststellung der Abstammung geführt - im vorliegenden Fall aufgrund der Vaterschaftsvermutung des Art. 241 des türkischen ZGB -, ist der Rückgriff auf eine alternativ zur Verfügung stehende Rechtsordnung nicht mehr möglich (Prioritätsgrundsatz). Das Recht, das zuerst zur Bestimmung einer Abstammung geführt hat, ist das verbindlich gewordene Abstammungsstatut. Die Anwendung einer anderen Rechtsordnung kommt erst in Betracht, wenn die bereits vorliegende wirksame Feststellung der Abstammung durch Anfechtung.(vgl. Art. 20 EGBGB) oder auf andere Weise beseitigt worden ist. Erst dann ist die Frage der Abstammung wieder offen, so dass eines der anderen sich aus Art. 19 Abs. 1 EGBGB ergebenden Rechte für eine erneute Bestimmung der Abstammung herangezogen werden kann (Erman/Holoch Art. 19 EGBGB Rn. 17; Palandt/Heldrich Art. 19 Rn. 6; Hepting aaO S. 41).

Das bedeutet für den vorliegenden Fall, in dem das Vaterschaftsanerkenntnis nach der Beurkundung der Geburt abgegeben worden ist, dass das Kind im Augenblick der Geburt dem Beteiligten zu 1 aufgrund der gesetzlichen Vaterschaftsvermutung des anwendbaren türkischen Rechts zugeordnet ist und diese Zuordnung im Hinblick auf § 1594 Abs. 2 BGB (s.o.) durch die Vaterschaftsanerkennung allein nicht beseitigt werden kann. Dies ist erst nach erfolgreicher Anfechtung (Art. 20 EGBGB) oder - ohne gerichtliches Verfahren - in entsprechender Anwendung des § 1599 Abs. 2 BGB möglich, wenn der geschiedene Ehemann der Mutter, der nach türkischem Recht als Vater vermutet wird, der Anerkennung der Vaterschaft des Dritten zustimmt (vgl. Gaaz aaO S. 251).

c) Zu Recht ist das Landgericht davon ausgegangen, dass sich die Namensführung der Beteiligten zu 2 nach ihrem türkischen Heimatrecht richtet (Art. 10 Abs. 1 EGBGB). Gemäß Art. 141 Satz 2 des türkischen ZGB erhält die Beteiligte zu 2 mit der Scheidung ihren früheren Familiennamen zurück. Die am 11.6.1998 ausgesprochene Scheidung der Beteiligten zu 1 und 2 wurde am 15.6.1998 rechtskräftig. Damit hat die Beteiligte zu 2 ihren Geburtsnamen "B." zurückerhalten. Der im Geburtenbucheintrag vom 9.11.1998 für sie eingetragene Familienname "A." ist daher unrichtig, seine Berichtigung ist zu Recht angeordnet worden.

d) Hingegen kommt eine Berichtigung des Geburtsnamens des Kindes "A." nicht in Betracht, weil der entsprechende Geburtenbucheintrag richtig ist. Das Kind ist türkischer Staatsangehöriger und erhält seinen Namen nach türkischem Heimatrecht (Art. 10 Abs. 1 EGBGB). Gemäß Art.-259 türkisches ZGB trägt das eheliche Kind den Namen seines Vaters. Die Vorfrage, ob das Kind im Verhältnis zu seinem Vater als ehelich anzusehen ist, richtet sich ebenfalls nach türkischem Recht. Vorfragen sind im Namensrecht nach bisher herrschender Meinung grundsätzlich unselbständig anzuknüpfen (BGHZ 90, 129). Allerdings hat der BGH die Vorfrage der Ehelichkeit im Kindesnamensrecht ausnahmsweise selbständig angeknüpft (BGH NJW 1986, 3022). Das KindRG hat die Ehelichkeit als Rechtsbegriff abgeschafft. Für die hier maßgebliche Frage der Ehelichkeit des Kindes bietet das deutsche Kollisionsrecht keine Anknüpfung. Danach ist im Wege der unselbständigen Anknüpfung Art. 241 des türkischen ZGB heranzuziehen. Da das Kind innerhalb von 300 Tagen nach Rechtskraft der Scheidung am 15.6.1998 geboren ist, hat es nach dieser Vorschrift den geschiedenen Ehemann zum Vater mit der Folge, dass dessen Name zum Kindesnamen wird.

Der allein sorgeberechtigten Beteiligten zu 2 (Art. 21 EGBGB, § 1626a Abs. 2 BGB) bleibt allerdings unbenommen, gemäß Art. 10 Abs. 3 Nr. 2 EGBGB die von ihr gewünschte Namensänderung nach deutschem Recht herbeizuführen. Die Rechtswahl ist aktenkundig zu machen (§ 270 Abs. 4 Satz 3 DA). Die nach der Beurkundung der Geburt abgegebene Erklärung muss öffentlich beglaubigt werden (Art. 10 Abs. 3 Satz 2 EGBGB). Die Beglaubigung kann auch vom Standesbeamten vorgenommen werden (§ 31a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 PStG). Der öffentlichen Beglaubigung durch den Standesbeamten steht es gleich, wenn er über die Erklärung eine Niederschrift fertigt, die von ihm und den Erklärenden unterschrieben und mit dem Dienstsiegel versehen wird (§ 270 Abs. 4 Satz 4 DA).

Die vom Standesbeamten am 5.5.1999 aufgenommene Niederschrift über die Erklärungen der Beteiligten zu 2 wird diesen Anforderungen nicht gerecht. Die Erklärungen sind nicht auf Rechtswahl und Namensänderung, sondern auf Berichtigung der Geburtenbucheinträge gerichtet. Eine Belehrung über die Rechtswahlmöglichkeit nach Art. 10 Abs. 3 EGBGB ist nicht erfolgt. Die Niederschrift entbehrt auch der Formerfordernisse der öffentlichen Beglaubigung im Sinne des § 31a Abs. 1 PStG in Verbindung mit § 270 Abs. 4 Satz 4 DA. Das Standesamt ist gehalten, der Beteiligten zu 2 Gelegenheit zu geben, die von ihr der Sache nach gewünschte Namensänderung nach Rechtswahl in der erforderlichen Form vorzunehmen.

3. Eine Entscheidung im Kostenpunkt ist nicht veranlasst.



Ende der Entscheidung

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