Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 14.02.2002
Aktenzeichen: 1Z BR 54/01
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 2078 Abs. 2
BGB § 2080 Abs. 2
Zur Frage des Motivirrtums bei einer Testamentserrichtung.
Der 1. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung des Präsidenten Gummer sowie der Richter Seifried und Zwirlein

am 14. Februar 2002

in der Nachlasssache

beschlossen:

Tenor:

I. Die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1 gegen den Beschluss des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 21. September 2001 wird zurückgewiesen.

II. Der Beteiligte zu 1 hat die dem Beteiligten zu 2 im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen Kosten zu erstatten.

III. Der Geschäftswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf 22527,81 EUR festgesetzt. Auf diesen Betrag wird auch die Geschäftswertfestsetzung des Landgerichts für das Beschwerdeverfahren abgeändert.

Gründe:

I.

Die am 18.9.2000 verstorbene Erblasserin war geschieden. Die Beteiligten zu 1 bis 3 sind ihre Kinder.

Mit eigenhändig geschriebenem und unterschriebenem Testament vom 4.10.1999 hat die Erblasserin ihren Sohn A, den Beteiligten zu 2, zu ihrem alleinigen Erben eingesetzt. Im Anschluss an die Erbeinsetzung des Beteiligten zu 2 enthält das Testament folgende Ausführungen der Erblasserin:

"Meine Tochter (Beteiligte zu 3).... und mein Sohn B (Beteiligter zu 1).... haben immer wieder zum Ausdruck gebracht, von mir nichts erben zu wollen."

Das Amtsgericht erteilte auf Antrag des Beteiligten zu 2 am 28.12.2000 einen Erbschein, der den Beteiligten zu 2 als Alleinerben der Erblasserin auswies. Mit Schriftsatz seiner Verfahrensbevollmächtigten vom 19.2.2001 erklärte der Beteiligte zu 1 die Anfechtung des Testaments vom 4.10.1999 wegen Irrtums. Die Beteiligten zu 1 und 3 hätten gegenüber der Erblasserin zu keiner Zeit zum Ausdruck gebracht, von ihr nichts erben zu wollen. Der im Testament der Erblasserin angegebene Grund für den Ausschluss der Beteiligten zu 1 und 3 von der Erbfolge beruhe daher auf einem Irrtum. Der erteilte Erbschein sei nach wirksamer Anfechtung als unrichtig einzuziehen, da gesetzliche Erbfolge eingetreten sei.

Der Beteiligte zu 2 ist der Anfechtung und dem Antrag auf Einziehung des ihm erteilten Erbscheins entgegengetreten.

Die Beteiligte zu 3 hat sich mit dem im Testament vom 4.10.1999 zum Ausdruck gebrachten Willen ihrer Mutter einverstanden erklärt und darauf hingewiesen, dass sich der Beteiligte zu 2 in den letzten Jahren um die Erblasserin gekümmert habe. Allerdings habe sie gegenüber der Erblasserin nicht geäußert, nichts erben zu wollen.

Mit Beschluss vom 10.7.2001 wies das Amtsgericht den Antrag des Beteiligten zu 1 auf Einziehung des Erbscheins vom 28.12.2000 zurück. Hiergegen hat der Beteiligte zu 1 Beschwerde eingelegt. Mit Beschluss vom 21.9.2001 wies das Landgericht die Beschwerde zurück. Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1.

II.

Das mit dem Ziel der Einziehung des Erbscheins vom 28.12.2000 zulässige Rechtsmittel hat in der Sache keinen Erfolg.

1. Das Landgericht hat ausgeführt, ein Motivirrtum der Erblasserin im Sinne des § 2078 Abs. 2 BGB liege nicht vor. Die Erblasserin habe im Testament vom 4.10.1999 angegeben, die Beteiligten zu 1 und 3 hätten "zum Ausdruck gebracht", von ihr nichts erben zu wollen. Aus der Sicht der Erblasserin hätten die Beteiligten zu 1 und 3 ihre Einstellung nicht nur durch ausdrückliche Äußerungen, sondern auch durch ein entsprechendes Verhalten zum Ausdruck bringen können. Im Verhältnis zwischen dem Beteiligten zu 1 und der Erblasserin sei es wegen Streitigkeiten um den Nachlass des 1992 verstorbenen Vaters des Beteiligten zu 1, des geschiedenen Ehemanns der Erblasserin, zu einem endgültigen Bruch gekommen. Der Beteiligte zu 1 habe jahrelang keinen Kontakt mehr mit der Erblasserin gehabt. Angesichts dieser Situation sei es nachvollziehbar, dass der Beteiligte zu 1 aus der subjektiven Sicht der Erblasserin mit ihr nichts mehr zu tun haben wollte. Diese subjektive Sicht stehe mit dem in dem Testament genannten Motiv für die Enterbung des Beteiligten zu 1 im Einklang. Das Verhältnis der Erblasserin zur Beteiligten zu 3 sei für die von dem Beteiligten zu 1 erklärte Anfechtung irrelevant.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung stand. Das Landgericht hat ohne Rechtsfehler die von dem Beteiligten zu 2 erklärte Anfechtung (§ 2078 Abs. 2, § 2080 Abs. 1 BGB) des Testaments vom 4.10.1999 als nicht durchgreifend erachtet.

Die Ausführungen des Landgerichts, ein Motivirrtum der Erblasserin sei nicht feststellbar, liegen auf tatsächlichem Gebiet und sind daher im Verfahren der weiteren Beschwerde nur im beschränktem Umfang, nämlich auf Rechtsfehler, nachprüfbar (BayObLG FamRZ 1997, 1436/1437). Die Entscheidung des Landgerichts lässt jedoch Rechtsfehler nicht erkennen. Das Landgericht hat entscheidend darauf abgestellt, Motiv für die Einsetzung des Beteiligten zu 2 zum Alleinerben sei nicht ein Irrtum der Erblasserin hinsichtlich der Frage gewesen, ob die Beteiligten zu 1 und 3 ausdrücklich geäußert hätten, von ihr nichts erben zu wollen. Motiv sei vielmehr das Verhalten des Beteiligten zu 1 gewesen, aus dem die Erblasserin geschlossen habe, dass dieser mit ihr nichts mehr zu tun haben wolle. Aufgrund dieser Feststellungen des Landgerichts fehlt es an dem von dem Beteiligten zu 1 behaupteten Irrtum für die von der Erblasserin getroffene Verfügung.

Das Landgericht hatte auch keinen Anlass, dem Verhältnis der Erblasserin zur Beteiligten zu 3 unter dem Gesichtspunkt eines etwaigen Motivirrtums der Erblasserin in bezug auf die Beteiligte zu 3 weiter nachzugehen, da der Beteiligte zu 1 gemäß § 2080 Abs. 2 BGB insoweit zur Anfechtung nicht berechtigt wäre. § 2080 Abs. 2 BGB schränkt das Anfechtungsrecht ein, soweit der Irrtum nur eine bestimmte Person betraf. Der Schutzzweck der Anfechtung wird in diesen Fällen auf die vom Irrtum betroffenen Personen beschränkt. Dritte sollen aus einer Fehlmotivation jedenfalls dann keinen Vorteil ziehen dürfen, wenn die Person, auf die sich der Irrtum bezieht, es bei der Gültigkeit der Verfügung belassen will (vgl. MünchKomm/ Leipold BGB 3. Aufl. § 2080 Rn. 5).

3. Eine Entscheidung über die Gerichtskosten ist nicht veranlagt, da sich aus dem Gesetz ergibt, wer diese zu tragen hat. Die Erstattungsanordnung in bezug auf den Beteiligten zu 2 beruht auf § 13a Abs. 1 Satz 2 FGG; einer Entscheidung über eine Kostenerstattung in bezug auf die Beteiligte zu 3 bedarf es nicht, weil diese im Verfahren der weiteren Beschwerde nicht hervorgetreten ist.

4. Für den gemäß § 131 Abs. 2, § 30 Abs. 1, § 31 Abs. 1 Satz 1 KostO zu bestimmenden Geschäftswert der weiteren Beschwerde ist maßgebend die Bedeutung des Rechtsmittels für den Beschwerdeführer, insbesondere das damit verfolgte wirtschaftliche Interesse. Der Beschwerdeführer erstrebt aufgrund gesetzlicher Erbfolge eine Miterbenstellung zu 1/3 zu erlangen, statt aufgrund des Pflichtteilsrechts nur zu 1/6 am Nachlasswert beteiligt zu sein. Von diesen Gegebenheiten ausgehend ist das wirtschaftliche Interesse des Beschwerdeführers mit dem Unterschiedsbetrag zwischen dem Wert der gesetzlichen Miterbenstellung und dem Wert des Pflichtteilsanspruchs und daher mit 1/6 des Reinnachlasses zu bewerten; nach den Angaben des Beteiligten zu 2 beträgt dessen Wert 264363,44 DM. Der Geschäftswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde war somit auf 22527,81 EUR festzusetzen. Entsprechend war auch die Geschäftswertfestsetzung des Landgerichts für das Beschwerdeverfahren abzuändern (§ 31 Abs. 1 Satz 2 KostO).



Ende der Entscheidung

Zurück