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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 24.07.2002
Aktenzeichen: 1Z BR 54/02
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1767
BGB § 1741 Abs. 1 Satz 1
Das Rechtsbeschwerdegericht darf vollumfänglich nachprüfen, ob die vom Tatrichter festgestellten tatsächlichen Umstände den unbestimmten Rechtsbegriff der "sittlichen Rechtfertigung" nach § 1767 Abs. 1 BGB erfüllen.
Gründe:

I.

Mit notarieller Urkunde vom 13.6.2001 haben die Beteiligten beantragt, die Annahme der Beteiligten zu 2 als Kind der Beteiligten zu 1 auszusprechen.

Die jetzt 81 Jahre alte Beteiligte zu 1 hat keine leiblichen Kinder. Ihre beiden Schwestern sind kinderlos verstorben. Zusammen mit ihrem 1975 verstorbenen Mann betrieb sie eine kleine Landwirtschaft. Seit 1970 sind die zu dem Anwesen gehörenden Grundstücke verpachtet. Die Beteiligte zu 1 wohnt noch in dem Anwesen und will dort solange wie möglich bleiben.

Die 50-jährige Beteiligte zu 2 ist eine Nachbarin, die sich - mit Hilfe ihres Mannes und der zwei gemeinsamen, bereits volljährigen Kinder - seit etwa 7 Jahren um die Beteiligte zu 1 - insbesondere auch während ihrer Krankenhausaufenthalte - gekümmert hat.

Das Vormundschaftsgericht hat nach Anhörung der Beteiligten und des Ehemanns der Beteiligten zu 2, der die Einwilligung in die Adoption erklärt hat, mit Beschluss vom 31.10.2001 den Antrag der Beteiligten zu 1 zurückgewiesen. Es hat ausgeführt, nach seiner Überzeugung liege "ein echtes Eltern-Kind-Verhältnis nicht vor, sondern lediglich eine engere freundschaftliche Beziehung der Beteiligten, die sich durch längere Krankenhausaufenthalte der Antragstellerin (gemeint ist die Beteiligte zu 1) gefestigt" habe. "Am echten Eltern-Kind-Verhältnis" fehle es "bereits deshalb, weil die Beteiligten nie zusammengewohnt und -gelebt haben". Die Beteiligte zu 2 sei die - durch eine Vorsorgevollmacht legitimierte - "Betreuerin und Pflegerin" der Beteiligten zu 1. Die engeren Beziehungen der Beteiligten reichten nicht aus, die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Adoption zu begründen. Das Anliegen der Beteiligten zu 1, die Beteiligte zu 2 näher an sich zu binden, sei schon durch die umfassende Vorsorgevollmacht gedeckt.

Die Beschwerde der Beteiligten zu 1 hat das Landgericht mit Beschluss vom 9.4.2002 zurückgewiesen.

Mit der weiteren Beschwerde verfolgt die Beteiligte zu 1 den Annahmeantrag weiter.

II.

Die zulässige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1 hat Erfolg.

Die Entscheidungen beider Vorinstanzen halten der rechtlichen Nachprüfung (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO) nicht stand.

1. Das Landgericht hat ausgeführt: Voraussetzung für den Ausspruch der Annahme eines Volljährigen als Kind sei die sittliche Rechtfertigung insbesondere durch ein Eltern-Kind-Verhältnis. Die sittliche Rechtfertigung müsse feststehen. Schon bei begründeten Zweifeln an sittlich gerechtfertigten Absichten sei die Annahme abzulehnen. Das Vormundschaftsgericht habe im Ergebnis zu Recht das Vorliegen dieser Voraussetzungen verneint. Die Beteiligte zu 2 sei voll in ihre Familie eingebunden, deren sämtliche Mitglieder noch im Familienverband zuhause wohnten. Aus den Ermittlungen sei nicht zu ersehen, dass die Beteiligte zu 1 für die Beteiligte zu 2 die Mutterrolle übernommen habe. Der Wunsch nach Adoption sei nach den Angaben der Beteiligten auch nicht "aus den Bedürfnissen eines Eltern-Kind-Verhältnisses" entsprungen, sondern "deshalb, weil der Beteiligten zu 1 im Krankenhaus diese Möglichkeit aufgezeigt worden" sei. Die Beteiligte zu 1 wolle "offenbar Pflege, aber nicht ohne weiteres die Mutterstelle für die Beteiligte zu 2". Die rechtliche Bedeutung der Vorsorgevollmacht sei der Beteiligten zu 1 "wohl nur bezüglich der tatsächlichen Pflege voll bewusst" gewesen. Aus den Angaben der Beteiligten zu 2 bei ihrer Anhörung gehe hervor, "dass die Möglichkeit der Adoption von einer Information durch Mitpatienten ausging". Bezeichnend sei, dass die Beteiligte zu 1 zunächst die Tochter der Beteiligten zu 2 zur Adoption "ausgewählt" habe und später davon abgelassen habe, weil ihr von dem Rechtsanwalt, durch den sie sich habe beraten lassen, abgeraten worden sei. Es sei "signifikant", dass die Beteiligte zu 1 ohne die Beratung des Rechtsanwalts offenbar auch geneigt gewesen sei, die Tochter der Beteiligten zu 2 zu adoptieren und damit "vergeblich (gemeint wohl: angeblich) ein Mutter-Kind-Verhältnis" entstehen zu lassen. Bei einer Gesamtwürdigung der ermittelten Umstände und der Anhörungen habe die Kammer erhebliche Zweifel daran, dass bei den beiden Beteiligten das Eltern-Kind-Verhältnis gegeben und damit die Annahme als Kind sittlich gerechtfertigt sei.

2. Die Entscheidung des Landgerichts beruht auf einer Verletzung des Gesetzes, nämlich einer Verkennung des unbestimmten Rechtsbegriffs der sittlichen Rechtfertigung der Annahme als Kind (§ 1767 Abs. 1 BGB).

a) Die Zulässigkeit der Erstbeschwerde - die vom Rechtsbeschwerdegericht nachzuprüfen ist (BayObLGZ 1981, 30/32; FamRZ 1982, 644/645) - hat das Landgericht zu Recht bejaht; es hat auch die Beschwerdeberechtigung der Beteiligten zu 1 nach § 20 FGG ohne Rechtsirrtum angenommen. Bei der Annahme eines volljährigen sind sowohl der Annehmende als auch der Anzunehmende Antragsteller (§ 1768 Abs. 1 BGB; BayObLG FamRZ 1982, 644/645) und damit beschwerdeberechtigt.

b) Bei der Frage, ob die Annahme eines Volljährigen als Kind "sittlich gerechtfertigt" ist, wie § 1767 Abs. 1 Halbsatz 1 BGB verlangt, handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff. Das bedeutet, dass die Feststellung der einzelnen Tatumstände dem Tatrichter vorbehalten ist, die Frage aber, ob diese Merkmale in ihrer Gesamtheit ausreichen, um die Merkmale des unbestimmten Rechtsbegriffs zu erfüllen, eine Rechtsfrage darstellt und ihre unrichtige Beantwortung eine Gesetzesverletzung ist. Die vom Tatrichter verfahrensfehlerfrei festgestellten einzelnen Umstände sind für das Gericht der weiteren Beschwerde zwar bindend; ihre Bewertung im Rahmen des unbestimmten Rechtsbegriffs obliegt aber in vollem Umfang seiner Nachprüfung (BayObLG DAV 1980, 503/506; FRES 11, 266/271; FamRZ 1980, 1158/1159).

c) Die Entscheidung des Landgerichts ist schon deshalb rechtsfehlerhaft, weil das Landgericht nur geprüft hat, ob zwischen den Beteiligten ein Eltern-Kind-Verhältnis bereits entstanden ist; denn auch wenn dies nicht der Fall wäre, wie das Landgericht angenommen hat, könnte die Adoption sittlich gerechtfertigt sein, wenn das Entstehen eines Eltern-Kind-Verhältnisses für die Zukunft zu erwarten wäre (vgl. § 1767 Abs. 2 i.V.m. § 1741 Abs. 1 Satz 1 BGB; BayObLG FamRZ 1980, 1158/1159; 2001, 118; KG FamRZ 1982, 641; Staudinger/Frank BGB 13. Bearb. § 1767 Rn. 20, 21, 24). Aber auch die Beurteilung der Frage, ob ein Eltern-Kind-Verhältnis bereits entstanden ist, hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Das Landgericht ist zwar zutreffend davon ausgegangen, dass die Frage, ob die Annahme eines Volljährigen als Kind sittlich gerechtfertigt ist, in Orientierung an dem natürlichen Eltern-Kind-Verhältnis zu beantworten ist, das durch die Adoption nachgebildet wird (BayObLG FamRZ 1980, 1158/1159), weswegen die Annahme ohne weiteres sittlich gerechtfertigt ist, wenn zwischen dem Annehmenden und dem Anzunehmenden ein Eltern-Kind-Verhältnis bereits entstanden ist. Welche rechtlichen Anforderungen sich aber hieraus ergeben, hat das Landgericht weder dargelegt, noch ergibt sich aus seinen Ausführungen, dass es zutreffende rechtliche Anforderungen seiner Beurteilung stillschweigend zugrundegelegt hätte.

aa) Die materielle Nachprüfung des Adoptionsvertrages daraufhin, ob "begründete Zweifel daran bestehen, dass durch die Annahme ein dem Eltern- und Kindesverhältnis entsprechendes Familienband hergestellt werden soll", war erstmals durch § 1754 Abs. 2 Nr. 2 BGB in der Fassung des Gesetzes gegen Missbräuche bei der Eheschließung und der Annahme an Kindes Statt vom 23.11.1933 gefordert worden, um aufgetretenen "Verfallserscheinungen", nämlich dem "Schachern" mit dem Namen alter bekannter Familien, zu begegnen (RGZ 147, 220/222 f.; BGH FamRZ 1957, 126/127). Die Einführung des Kriteriums, dass "die Herstellung des Annahmeverhältnisses sittlich gerechtfertigt" sein müsse, geht auf das Familienrechtsänderungsgesetz vom 11.8.1961 zurück, das die Minderjährigenadoption - durch das Erfordernis, der Anzunehmende müsse, minderjährig sein (§ 1744 Satz 3 BGB in der Fassung dieses Gesetzes) - zur Regel, die Erwachsenenadoption durch die Notwendigkeit der - nur bei Vorliegen dieses Kriteriums möglichen - Befreiung von diesem Erfordernis (§ 1745c BGB in der Fassung dieses Gesetzes) rechtstechnisch zur Ausnahme gemacht hatte (Staudinger/Frank § 1767 Rn. 1; Bosch FamRZ 1964, 401/409; Lüderitz NJW 1976, 1865). Das Adoptionsgesetz von 1976 hat die Ausgestaltung der Erwachsenenadoption als Ausnahmefall der Minderjährigenadoption wieder beseitigt; die beiden Adoptionsformen stehen wieder, wie zuvor, gleichwertig nebeneinander. Ferner hat § 1767 Abs. 1 BGB klargestellt, dass die Annahme eines Volljährigen als sittlich gerechtfertigt anzusehen ist, wenn ein Eltern-Kind-Verhältnis bereits entstanden ist; damit ist das durch die Einführung des (zusätzlichen) Kriteriums der "sittlichen Rechtfertigung" entstandene Problem, wie sich dieses zu dem alten Erfordernis der Herstellung eines dem Eltern-Kind-Verhältnis entsprechenden Familienbandes verhält, im Grundsatz geklärt (Staudinger/Frank § 1767 Rn. 2), nämlich in dem Sinne, dass es sich nicht um zwei verschiedene Kriterien mit unterschiedlichen Anforderungen handelt, sondern dass diese Kriterien in ihrem sachlichen Gehalt übereinstimmen.

Soweit noch in der Literatur der Ausnahmecharakter der Erwachsenenadoption betont und gefordert wird, die ihre Zulässigkeit regelnden Vorschriften "als Ausnahmevorschriften anzuwenden" (MünchKomm/Maurer BGB 4. Aufl. § 1767 Rn. 9, 13), beruht dies offenbar auf der durch das Familienrechtsänderungsgesetz von 1961 geschaffene Ausgestaltung der Erwachsenenadoption als Ausnahmefall der Minderjährigenadoption (vgl. - auch zur Entstehungsgeschichte dieser Regelung - Knur DNotZ 1959, 284/286; DNotZ 1962, 571/575 f.). Nach dem Adoptionsgesetz von 1976 ist diese Betrachtungsweise nicht mehr gerechtfertigt.

bb) Nicht nur die sinngemäße Anwendung des vom Gesetz nur bei Minderjährigen verwendeten Begriffs des Kindeswohls (§ 1741 Abs. 1 BGB) auf die Adoption eines Volljährigen (§ 1767 Abs. 2 Satz 1 BGB) stößt auf die Grenze, dass dieser Begriff von der Voraussetzung der Pflege- und Erziehungsbedürftigkeit des Anzunehmenden nicht gelöst werden kann (Erman/Holzhauer BGB 10. Aufl. § 1767 Rn. 4), so dass dessen Beurteilung dem voll geschäftsfähigen Anzunehmenden überlassen werden muss, der hierüber, indem er den Antrag nach § 1768 Abs. 1 Satz 1 BGB stellt, selbst entscheidet (BayObLG FamRZ 1980, 1158/ 1159; Erman/Holzhauer aaO; RGRK/Dickescheid BGB 12. Aufl. Rn. 6, Staudinger/Frank Rn. 13 jeweils zu § 1767). Auch die Anforderungen, die an die Entstehung eines Eltern-Kind-Verhältnisses zu stellen sind, können naturgemäß im Rahmen der Erwachsenenadoption nicht dieselben sein wie bei der Minderjährigenadoption. Der Fall, dass ein Eltern-Kind-Verhältnis bereits entstanden ist, liegt zwar insbesondere vor, wenn der Anzunehmende schon als Pflegekind in der Familie des Annehmenden gelebt hat, die Eltern-Kind-Beziehung also schon zu einer Zeit entstanden war, als er noch nicht volljährig war, seine Adoption als Minderjähriger aber - gleichviel aus welchen Gründen - unterblieben ist. Der Anwendungsbereich des § 1767 Abs. 1 Halbsatz 2 BGB ist aber auf diese Fallkonstellation nicht zu beschränken; ein Eltern-Kind-Verhältnis kann auch zu einem bereits Volljährigen entstehen (vgl. RGRK/Dikkescheid Rn. 11; Staudinger/Frank Rn. 20 jeweils zu § 1767 BGB). In letzterem Fall kann ein tatsächliches Zusammenleben von Adoptiveltern und Adoptivkindern nicht Wesensmerkmal des Eltern-Kind-Verhältnisses sein (Staudinger/Frank § 1767 Rn. 15). Bei Annahme von Personen vorgerückten Alters sind an die Unterhaltung dauernder Beziehungen weniger weitgehende Anforderungen zu stellen als bei der Adoption minderjähriger Kinder, wie ja auch bei leiblichen Verwandten die Familienbeziehungen sich im Lauf der Jahre zu lockern oder andere Formen anzunehmen pflegen (RGZ 147, 220/224; BGHZ 35, 75/84). Das Eltern-Kind-Verhältnis unter Erwachsenen wird wesentlich durch eine auf Dauer angelegte Bereitschaft zu gegenseitigem Beistand geprägt, wie ihn sich leibliche Eltern und Kinder typischerweise leisten (BayObLG FamRZ 1980, 1158/1159; 1982, 644/645; 1996, 183/184; DAV 1980, 503/506; FRES 11, 266/271 f.; Staudinger/Frank aaO; Erman/Holzhauer Rn. 7; MünchKomm/ Maurer Rn. 5 jeweils zu § 1767). Im Rahmen der Bereitschaft zu gegenseitigem Beistand kommt dem objektiven Interesse des Anzunehmenden kein Primat zu, wie er das Recht, der Minderjährigenadoption beherrscht (Erman/Holzhauer aao Rn. 4). Auch im natürlichen Eltern-Kind-Verhältnis verlagert sich die Pflege- und Unterstützungsbedürftigkeit mit fortschreitendem Alter vom Kind auf die Eltern. Das Bedürfnis nach Fürsorge des Annehmenden für den Angenommenen, das bei der Minderjährigenadoption im Vordergrund steht, tritt bei der Erwachsenenadoption deswegen oft zurück gegenüber dem Bedürfnis des Annehmenden, selbst die Fürsorge, die Kinder ihren Eltern im Alter zukommen lassen oder zukommen lassen sollten, zu erfahren (Knur DNotZ 1962, 571/577). Deswegen kann die Adoption auch, wenn sie im Hinblick auf die Pflegebedürftigkeit des Annehmenden erfolgt, sittlich gerechtfertigt sein (BayObLG NJW 1985, 2094; KG FamRZ 1982, 641; OLG Köln FamRZ 1990, 800 f. Erman/Holzhauer aaO). Eine "Beistandsgemeinschaft" (Münch-Komm/Maurer § 1767 Rn. 5) kann auch bei Pflegebedürftigkeit des Annehmenden und Übernahme der Pflege durch den Anzunehmenden entstehen (RGRK/Dickescheid § 1767 Rn. 10; Beitzke MDR 1957, 414; Bosch Anm. zu OLG Frankfurt FamRZ 1961, 322; Knur DNotZ 1962, 571/577).

cc) Von dieser Auslegung des § 1767 Abs. 1 BGB ausgehend lässt sich die Entscheidung des Landgerichts nicht aufrechterhalten. Das Landgericht setzt sich insbesondere nicht mit dem Vorbringen der Beteiligten auseinander, dass seit etwa 7 Jahren auf der Grundlage der Hilfsbedürftigkeit der Beteiligten zu 1 eine "Beistandsgemeinschaft" praktiziert wird. Die vom Landgericht angeführten Gründe, die - nach seiner Meinung - Zweifel begründen, ob zwischen den Beteiligten ein Eltern-Kind-Verhältnis entstanden ist, rechtfertigen die Versagung der Adoption nicht.

(1) Dass die Beteiligte zu 2 "voll in ihre Familie eingebunden" ist und "deren Mitglieder noch im Familienverband zuhause wohnen", schließt nicht aus, dass sie gegenüber der alleinstehenden Beteiligten zu 1 die Pflichten übernommen hat, die im natürlichen Eltern-Kind-Verhältnis einer Tochter zukommen. Auch im natürlichen Eltern-Kind-Verhältnis gründen die Kinder ihre eigenen Familien, bekommen selbst Kinder und sind "voll in ihre Familie eingebunden", ohne dadurch außerstande zu sein sich um ihre Eltern, soweit sie im Alter unterstützungs- und pflegebedürftig werden, zu kümmern.

(2) Es spricht nicht gegen die Annahme einer dem natürlichen Eltern-Kind-Verhältnis entsprechenden Beziehung einer 81-jährigen kränklichen zu einer 50-jährigen gesunden Frau, dass diese überwiegend von der Pflegebedürftigkeit der älteren und der Übernahme der Pflege durch die jüngere Frau geprägt wird. Es lässt sich weder fordern, dass in dem Verhältnis den Interessen des Anzunehmenden der Primat zukommen muss, noch auch nur, dass ein Gleichgewicht der beiderseitigen Bedürfnisse und ihrer jeweils gegenseitigen Befriedigung bestehen muss.

(3) Das Bestehen einer Vorsorgevollmacht ist eher ein Indiz für das Bestehen einer "Beistandsgemeinschaft" im aufgezeigten Sinn als dagegen. Die Adoption steht nicht zur Betreuung oder anderen Rechtsinstituten in einem Subsidiaritätsverhältnis, und zu den gesetzlichen Voraussetzungen der Adoption gehört nicht, dass diese durch die Interessen der Antragsteller notwendig gefordert sein muss.

(4) Aus dem Umstand, dass die Beteiligte zu 1 erst nach Information durch Dritte und nach anwaltlicher Beratung den Adoptionsantrag gestellt hat, lässt sich nichts gegen dessen sittliche Berechtigung herleiten.

(5) Für den Senat ist nicht erkennbar, warum es für das Bestehen bzw. Nichtbestehen eines Eltern-Kind-Verhältnisses zwischen den Beteiligten "bezeichnend" sein soll, dass die Beteiligte zu 1 für die Adoption zunächst die Tochter der Beteiligten zu 2 in Betracht gezogen, hiervon aber nach anwaltschaftlicher Beratung abgesehen hat. Maßgeblich ist, ob zwischen den Beteiligten, die den Adoptionsantrag gestellt haben, ein Eltern-Kind-Verhältnis entstanden ist. Daran würde der Umstand nichts ändern, dass die Beteiligte zu 1 zunächst wegen der engen Beziehung zur Familie der Beteiligten zu 2 erwogen hatte, deren Tochter zu adoptieren.

3. Die Zurückweisung des Antrags der Beteiligten zu 1 durch das Vormundschaftsgericht ist auch nicht aus den von diesem gegebenen Gründen zu rechtfertigen. Insbesondere kann das Verhältnis der Beteiligten nicht als "lediglich eine engere freundschaftliche Beziehung" charakterisiert und dadurch von einem Eltern-Kind-Verhältnis abgegrenzt werden. Die - nach den bisherigen Ermittlungen anzunehmende - unentgeltliche Übernahme sich aus dem Generationenabstand ergebender Aufgaben und Pflichten durch die Beteiligte zu 2 geht über Freundschaft hinaus; sie ist typisch für eine "Beistandsgemeinschaft" zwischen alt gewordenen Eltern und ihren erwachsenen Kindern (vgl. MünchKomm/Maurer § 1767 Rn.11).

4. Die aufgezeigten Rechtsfehler, auf denen die Entscheidungen beider Vorinstanzen beruhen, führen zur Aufhebung dieser Entscheidungen.

Das Vormundschaftsgericht hat über den von der Beteiligten zu 2 als Anzunehmender gestellten Antrag nicht entschieden; in seinem Beschluss ist lediglich der Antrag der Beteiligten zu 1 zurückgewiesen worden. Es war daher zweckmäßig, die Sache an das Vormundschaftsgericht zurückzuverweisen, das einheitlich über beide Anträge unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats (erneut) zu entscheiden haben wird.

5. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.

Es bedarf auch keiner Festsetzung des Geschäftswerts für das Verfahren der weiteren Beschwerde, da Gerichtskosten nicht anfallen (§ 131 Abs. 1 Satz 2 KostO).

Ende der Entscheidung

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