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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 20.07.2004
Aktenzeichen: 1Z BR 54/04
Rechtsgebiete: BGB, EGBGB


Vorschriften:

BGB § 1616 Abs. 2 Satz 1 (a.F.)
EGBGB Art. 224 § 3 Abs. 4 Satz 2
1. Hat ein eheliches Kind, dessen Eltern keinen Ehenamen führen, unter Geltung der vorläufigen Familiennamensregelung des Bundesverfassungsgerichts vom 5.3.1991 einen aus dem Familiennamen des Vaters und der Mutter zusammengesetzten Doppelnamen wirksam erhalten, so gilt diese Namensbestimmung nicht für weitere Kinder der Ehegatten, die nach dem Inkrafttreten des Familiennamensrechtsgesetzes (1.4.1994) geboren sind oder werden (Bestätigung von BayObLGZ 1995, 316 f.).

2. Jedoch konnten in einem solchen Fall die Eltern eines nach dem 31.3.1994 nachgeborenen Kindes, dessen Geburtsname (Einzelname) in ein deutsches Personenstandsbuch eingetragen wurde, in der Zeit vom 1.7.1998 bis 30.6.1999 den Geburtsnamen des nach dem 31.3.1994 geborenen Kindes in den Geburtsnamen des vor dem 1.4.1994 geborenen Kindes umbenennen.

3. Bei dieser Frist handelt es sich um eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist, gegen deren Versäumung Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht in Betracht kommt.


Gründe:

I.

Das am 13.8.1995 geborene Mädchen ist das zweite eheliche Kind der seit 1992 verheirateten Beteiligten zu 2 und 3. Die Ehegatten führen keinen gemeinsamen Ehenamen; die Beteiligte zu 3 führt den Namen C., der Beteiligte zu 2 den Namen G. Für den am 21.6.1993 geborenen Sohn ist der von ihnen bestimmte, aus ihren Familiennamen zusammengesetzte Doppelname C.-G. im Geburtenbuch eingetragen worden. Die Beteiligten zu 2 und 3 haben am 30.8.1995 bei dem Standesamt die Erklärung abgegeben, dass auch für ihr zweites Kind der Familienname C.-G. eingetragen werden soll. Der Standesbeamte hat sie darauf hingewiesen, dass aufgrund des am 1.4.1994 in Kraft getretenen Familiennamensrechts der für das zweite Kind gewünschte Doppelname nicht eingetragen werden könne. Daraufhin haben die Beteiligten zu 2 und 3 erklärt:

Für den Fall, dass höchstrichterliche Entscheidungen die Führung eines Doppelnamens zur Namensgleichheit der Geschwister nicht zulassen, soll der Name des Vaters "G." Geburtsname werden.

Aufgrund dieser Erklärung hat der Standesbeamte am 5.10.1995 mit Wirkung vom 4.9.1995 den Geburtsnamen "G." für das Mädchen in das Geburtenbuch eingetragen.

Mit Schreiben vom 1.2.2002 an das Standesamt haben die Eltern beantragt, den Familiennamen der Tochter in "C.-G." zu ändern. Sie haben vorgetragen, mit der Erklärung vom 30.8.1995 den Namen "C.-G." bestimmt zu haben, während die zusätzliche Textpassage "Für den Fall ..." rechtlich bedeutungslos sei. Sie sind der Auffassung, die Eintragung des von ihnen gewünschten Doppelnamens hätte nach Inkrafttreten der Übergangsvorschrift zum Kindschaftsrechtsreformgesetz Art. 224 § 3 Abs. 4 Satz 2 EGBGB von Amts wegen erfolgen können; jedenfalls sei Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist des Art. 224 § 3 Abs. 4 Satz 2 EGBGB zu gewähren. Der Standesbeamte hat die Änderung abgelehnt und über die Standesamtsaufsicht (Beteiligte zu 4) den Vorgang dem Amtsgericht mit der Frage vorgelegt, ob der gewünschte Doppelname beurkundet werden kann. Mit Beschluss vom 28.1.2004 hat das Amtsgericht den Antrag der Eltern zurückgewiesen. Gegen diese Entscheidung haben die Beteiligten zu 1 bis 3 Beschwerde eingelegt, die das Landgericht mit Beschluss vom 14.4.2004 zurückgewiesen hat. Mit der weiteren Beschwerde verfolgen die Beteiligten zu 1 bis 3 ihren Antrag auf Änderung des Geburtseintrages weiter.

II.

Die weiteren Beschwerden der Beteiligten zu 1 bis 3 sind statthaft (§ 49 Abs. 1 Satz 2, § 48 Abs. 1 PStG, § 27 FGG) und auch im Übrigen zulässig (§ 29 Abs. 1, Abs. 4 § 20 FGG). Sie sind aber in der Sache ohne Erfolg.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Das Amtsgericht habe die Änderung des eingetragenen Geburtsnamens zu Recht abgelehnt, weil bereits bei der Geburt des zweiten Kindes am 13.8.1995 die Wahl eines Doppelnamens nach Ersetzung der Übergangsregelung des Bundesverfassungsgerichts gemäß seiner Entscheidung vom 5.3.1991 (BVerfGE 84, 9/22) durch das am 1.4.1994 in Kraft getretene Gesetz vom 16.12.1993 zur Neuordnung des Familiennamensrechts nicht mehr zulässig gewesen sei. Gemäß § 1616 Abs. 2 BGB in der vom 1.4.1994 bis 30.6.1998 gültigen Fassung habe nur der Name eines Elternteils gewählt werden können. Der Standesbeamte habe sich infolgedessen auf die hilfsweise abgegebene Erklärung stützen können, derzufolge der Name des Vaters "G." Geburtsname werden solle.

Mit Inkrafttreten des Kindschaftsrechtsreformgesetzes (KindRG) vom 16.12.1997 am 1.7.1998 habe sich in Art. 224 § 3 Abs. 4 Satz 2 EGBGB die gesetzliche Möglichkeit eröffnet, nachträglich den Geburtsnamen des vor dem 1.4.1994 geborenen Kindes zum Geburtsnamen auch des nach dem 31.3.1994 geborenen Kindes zu bestimmen, um eine Angleichung der Geschwisternamen zu erreichen. Diese Möglichkeit sei auf ein Jahr, also bis 30.6.1999 befristet gewesen. Diese Frist sei abgelaufen gewesen, als die Beteiligten zu 2 und 3 erstmals den Antrag auf Namensänderung des einteiligen Geburtsnamens ihrer Tochter in den Doppelnamen des am 21.6.1993 geborenen Bruders beantragt hatten. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung dieser Frist komme nicht in Betracht, da es sich bei dieser Frist um eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist handle. Das Amtsgericht sei auch nicht verpflichtet gewesen, von Amts wegen die gewünschte Namensänderung vorzunehmen. Die zeitlich befristete Namensänderungsmöglichkeit gemäß Art. 224 § 3 Abs. 4 Satz 2 EGBGB habe die entsprechende Erklärung der Eltern gegenüber dem Standesbeamten vorausgesetzt; der entsprechende Antrag sei verspätet gestellt worden. Aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 30.1.2002 (Az. 1 BvL 23/96) sei nicht die generelle Zulässigkeit von Doppelnamen als Geburtsnamen abzuleiten.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung (§ 48 Abs. 1 PStG, § 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO) stand. Gegenstand der gemäß § 45 Abs. 2 PStG zulässigen Vorlage ist die Frage, ob der in das Geburtenbuch mit Wirkung vom 4.9.1995 eingetragene Geburtsname der am 13.8.1995 geborenen Tochter der Beteiligten zu 2 und 3 im Hinblick auf die Erklärungen der Eltern vom 30.8.1995 gegenüber dem Standesbeamten zu berichtigen oder aufgrund der Erklärungen der Eltern vom 1.2.2002 an das Standesamt zu ändern ist. Die Vorinstanzen haben diese Frage ohne Rechtsfehler verneint.

a) Gemäß § 1616 Abs. 2 Satz 1 BGB in der Fassung des seit 1.4.1994 geltenden Familiennamensrechtsgesetzes vom 16.12.1993 bestimmen die Eheleute, die keinen Ehenamen führen, durch Erklärung gegenüber dem Standesbeamten den Namen, den der Vater oder den die Mutter zur Zeit der Erklärung führt, zum Geburtsnamen des Kindes. Mit dieser Neuregelung ist die vom Bundesverfassungsgericht durch Entscheidung vom 5.3.1991 (NJW 1991, 1602 f.) getroffene Übergangsregelung, nach der Eheleute ohne Ehenamen ihrem Kind den aus ihren Familiennamen zusammengesetzten Doppelnamen als Geburtsnamen verleihen konnten, mit Wirkung vom 31.3.1994 entfallen. Das gilt auch, wenn ein früher geborenes Kind unter Geltung der Übergangsregelung des Bundesverfassungsgerichts einen Doppelnamen erhalten hat. Die in § 1616 Abs. 2 Satz 3 BGB a.F. festgelegte Bindungswirkung der Namensbestimmung der Eltern für ihre weiteren Kinder tritt in diesem Fall nicht ein (h.M.; vgl. BayObLGZ 1995, 310/313 f. = FamRZ 1996, 236/237; OLG Hamm FamRZ 1995, 1224/1225; OLG Düsseldorf StAZ 1996, 134/135; OLG Frankfurt a. Main StAZ 1995, 135/137; OLG Köln StAZ 1995, 137; OLG Stuttgart FamRZ 1995, 1601; OLG Zweibrücken StAZ 1996, 134; Palandt/Diederichsen BGB 56. Aufl. § 1616 Rn. 3 a.E.). Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 30.1.2002 (Az. 1 BvL 23/96 = NJW 2002, 1256 f.) den Ausschluss des Kindesdoppelnamens durch § 1616 Abs. 1 BGB a.F. für verfassungsgemäß erklärt.

Der Standesbeamte und die Vorinstanzen haben daher zu Recht angenommen, dass die Erklärung der Beteiligten zu 2 und 3 vom 30.8.1995 zur Bestimmung des aus ihren jeweiligen Namen gebildeten Doppelnamens zum Geburtsnamen ihrer Tochter rechtlich unbeachtlich und nicht geeignet war, auch in der Folgezeit Rechtswirkungen zu erzielen. Hätten die Eltern nicht zugleich - hilfsweise - die im Einklang mit § 1616 Abs. 2 Satz 1 BGB a.F. stehende Erklärung abgegeben, den Vaternamen "G." zum Geburtsnamen ihrer Tochter zu bestimmen, hätte das vormundschaftsgerichtliche Verfahren gemäß § 1616 Abs. 3 BGB a.F. eingeleitet werden müssen (vgl. BayObLGZ aaO S. 316). Der Standesbeamte hat danach zu Recht diese Erklärung zur Grundlage seines Randvermerks im Geburtenbuch vom 5.10.1995 über die Eintragung des Geburtsnamens der am 13.8.1995 geborenen Tochter gemacht.

b) Um der sich aus der Aufeinanderfolge der Übergangsregelung des Bundesverfassungsgerichts und des Familiennamensrechtsgesetzes ergebenden unterschiedlichen Namensführung von Geschwistern in Fällen wie dem vorliegenden abzuhelfen, hat der Gesetzgeber im Rahmen des Kindschaftsrechtsreformgesetzes vom 16.12.1997, in Kraft getreten am 1.7.1998, in Art. 224 § 3 Abs. 4 Satz 2 EGBGB geregelt, dass Eltern den Geburtsnamen ihrer nach dem 31.3.1994 geborenen Kinder, die zwingend einen Einzelnamen als Geburtsnamen erhalten hatten und der auch so in ein deutsches Personenstandsregister eingetragen worden war, in den Doppelnamen des vor dem 1.4.1994 geborenen Erstkindes binnen Jahresfrist umbenennen können. Die Frist ist am 30.6.1999 ausgelaufen (vgl. Staudinger/Coester BGB [2000] § 1617 Rn. 56). Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 30.1.2002 (s.o.) auch diese Vorschrift verfassungsrechtlich unbeanstandet gelassen. Nach der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 13/8511 S. 81) hat der Gesetzgeber die Jahresfrist in den Fällen für erforderlich gehalten, in denen sich die Namensführung eines nach dem 31.3.1994 geborenen Kindes dadurch verfestigt hat, dass es bereits mit einem (Einfach-)Namen in ein deutsches Personenstandsbuch eingetragen worden ist.

Die Beteiligten zu 2 und 3 haben die am 1.7.1998 einsetzende und am 30.6.1999 endende Frist zur Umbenennung nicht wahrgenommen; der mit Schreiben vom 1.2.2002 an das Standesamt angekündigte Änderungsantrag ist vom Standesbeamten zu Recht als verspätet abgelehnt worden. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Jahresfrist gemäß Art. 224 § 3 Abs. 4 Satz 2 EGBGB kommt nicht in Betracht, weil es sich um eine materiell-rechtlich wirkende Ausschlussfrist handelt. Mit Ablauf des 30.6.1999 ist das Recht auf Umbenennung erloschen (vgl. Staudinger/ Coester aaO; Palandt/Diederichsen BGB 63. Aufl. Art. 224 § 3 EGBGB Rn. 5; Palandt/Heinrichs vor § 194 Rn. 13). Den Beteiligten zu 2 und 3 bleibt es unbenommen, von der unbefristeten Möglichkeit gemäß Art. 224 § 3 Abs. 5 EGBGB Gebrauch zu machen, um die Namensgleichheit ihrer Kinder herzustellen. Nach dieser Vorschrift kann hier auch dem vor dem 1.4.1994 geborenen Kind der Vatername als Einzelname nachträglich erteilt werden.

3. Eine Entscheidung im Kostenpunkt ist nicht veranlasst. Der Geschäftswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wurde gemäß § 127 Abs. 2, § 131 Abs. 2, § 30 Abs. 3 und Abs. 2 Satz 1 KostO festgesetzt.

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