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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 12.06.2002
Aktenzeichen: 1Z BR 56/01
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1757 Abs. 1 Satz 1
BGB § 1757 Abs. 4 Nr. 2
BGB § 1767 Abs. 2
Zur Frage, wann eine ins Adoptionsdekret fehlerhaft aufgenommene Bestimmung unter den Umständen des gegebenen Falles nichtig ist.
Gründe:

I.

Der am 23.6.1970 geborene Beteiligte zu 1 ist ledig und deutscher Staatsangehöriger. Er erhielt bei seiner Geburt den Geburtsnamen "M.".

Im Jahr 1989 heiratete seine Mutter Herrn L. Die Eheleute führen den Ehenamen "L."; die Ehefrau hat dem Ehenamen ihren zuvor geführten Namen M. vorangestellt ("M.-L.").

Mit notarieller Urkunde vom 13.12.1996 beantragten der Beteiligte zu 1 und sein Stiefvater die Adoption des volljährigen Beteiligten zu 1 durch Herrn L. Die notarielle Urkunde enthält auch den Antrag, "dem neuen Familiennamen den bisherigen Familiennamen voranzustellen". In der Anhörung vor dem Vormundschaftsgericht hat der Beteiligte zu 1 auf Frage zur zukünftigen Namensführung erklärt, dass er zukünftig weiterhin "M.", geb. L., heißen möchte.

Mit Beschluss vom 11.11.1997 wurde die Annahme des Beteiligten zu 1 als Kind des Herrn L. ausgesprochen. Im Adoptionsdekret heißt es ferner. "Der Angenommene führt nunmehr den Familiennamen "M.", geb. L.".

Am 24.2.1998 schrieb der Standesbeamte dem Geburtenbuch des Beteiligten zu 1 folgenden Randvermerk bei: "Das Kind führt nunmehr den Familiennamen "M., geb. L."."

Am 4.6.1998 wurde der Randvermerk durch einen weiteren Randvermerk dahin "berichtigt", dass das Kind den Geburtsnamen "L." führt.

Dem Beteiligten zu 1 bereitete die Führung des Namens "M." im Verkehr mit Behörden, Versicherungen etc. Schwierigkeiten, da er nunmehr unter dem Namen "L." registriert war. Er wandte sich zunächst an das Vormundschaftsgericht und später an das Standesamt, das seinerseits wiederum an das Vormundschaftsgericht herantrat. Der Beteiligte zu 1 trug vor, ihm sei im Adoptionsverfahren mitgeteilt worden, dass er seinen Namen behalten könne; hierauf habe er sich verlassen. Das Vormundschaftsgericht gab Auskunft, dass der Adoptionsbeschluss gemäß § 56e Satz 3 FGG unanfechtbar und unabänderbar sei; dies gelte auch für die - rechtlich falsche - Namenserteilung. Auch der Standesbeamte sei daran gebunden. Der Angenommene heiße daher M., geb. L.

Im März 2001 beantragte der Beteiligte zu 1 die Berichtigung des Geburtenbuchs dahin, dass der Familienname "M." und der Geburtsname "L." laute. Die Standesamtsaufsicht (Beteiligte zu 2) trat dem Antrag entgegen; der vollständige Familienname des Beteiligten zu 1 sei, wie im Randvermerk vom 24.2.1998 angegeben, "M., geb. L.".

Mit Beschluss vom 27.8.2001 ordnete das Amtsgericht als Personenstandsgericht die Beischreibung eines Randvermerks an, wonach das Kind aufgrund des Adoptionsdekrets den Familiennamen "M." und den Geburtsnamen "L." führt. Zur Begründung ist im wesentlichen ausgeführt, dass das Vormundschaftsgericht im Adoptionsdekret den Familiennamen nicht mit "M., geb. L.", sondern den Familiennamen mit "M." und den Geburtsnamen mit "L." festgelegt habe. Diese Namensführung widerspreche zwar § 1757 Abs. 1 Satz 1 BGB. Die Festlegung sei daher zwar rechtswidrig, aber gleichwohl bindend, da Nichtigkeitsgründe nicht ersichtlich seien.

Gegen diesen Beschluss legte die Beteiligte zu 2 sofortige Beschwerde ein mit dem Antrag, den Beschluss aufzuheben und von einer Anweisung an das Standesamt abzusehen. Die Beteiligte zu 2 stellte sich nunmehr unter Hinweis auf eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Karlsruhe (FamRZ 2000, 115) auf den Standpunkt, dass die namensrechtliche Entscheidung im Adoptionsdekret nichtig sei. Im Geburtenbuch sei daher richtig eingetragen, dass der Beteiligte zu 1 den Geburtsnamen "L." führe, denn diese Rechtsfolge sei gemäß § 1757 Abs. 1 Satz 1 BGB kraft Gesetzes eingetreten.

Mit Beschluss vom 29.10.2001 hob das Landgericht den amtsgerichtlichen Beschluss auf. Die im Adoptionsbeschluss festgelegte Namensführung sei nicht nur rechtswidrig, sondern nichtig. Der am 4.6.1998 beigeschriebene Randvermerk entspreche der gesetzlichen Regelung des § 1757 Abs. 1 Satz 1 BGB.

Mit seiner sofortigen weiter en Beschwerde begehrt der Beteiligte zu 1 die Aufhebung des landgerichtlichen und Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Beschlusses.

II.

Die sofortige weitere Beschwerde ist statthaft und zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt (§ 49 Abs. 1 Satz 1, § 48 Abs. 1 PStG, § 27 Abs. 1, § 29 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2, Abs. 4, §§ 21, 22 Abs. 1 FGG). Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg. Es führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Wiederherstellung der Entscheidung des Amtsgerichts.

1. Das Landgericht hat im wesentlichen ausgeführt:

Lege man das Adoptionsdekret dahingehend aus, das Gericht habe den Familiennamen mit "M." und den Geburtsnamen mit "L." festgelegt, so spreche der Beschluss Rechtsfolgen aus, die § 1757 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht kenne. Nach dieser Vorschrift erhalte das Kind als Geburtsnamen den Familiennamen des Annehmenden. Der Geburtsname eines ledigen Angenommenen sei auch sein Familienname. Die Beibehaltung des ursprünglichen Familiennamens "M." widerspreche der gesetzlichen Vorgabe. Dieser Widerspruch führe zugleich zur Nichtigkeit der Namensbestimmung. Von der Möglichkeit, unter den Voraussetzungen des § 1757 Abs. 4 Nr. 2 BGB den bisherigen Familiennamen dem neuen Namen voranzustellen oder anzufügen, habe der Angenommene keinen Gebrauch gemacht.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO) nicht stand.

a) Gegenstand des Verfahrens nach § 47 PStG ist der Antrag des Beteiligten zu 1 auf Berichtigung der in Vollzug des vormundschaftsgerichtlichen Adoptionsbeschlusses nach § 30 Abs. 1 Satz 1 PStG vorgenommenen Eintragungen im Geburtenbuch. Hinsichtlich dieser Eintragungen sind der Standesbeamte und die Personenstandsgerichte an die Namensbestimmung im Adoptionsdekret gebunden, sofern diese nicht nichtig ist (BayObLG Z 1984, 230/233 = FamRZ 1985, 201; FamRZ 1996, 1034; Keidel/Engelhardt FGG 14. Aufl. § 56e Rn. 26). Dabei kann dahinstehen, ob die Namensbestimmung als solche - im Unterschied zum Ausspruch der Kindesannahme (§ 56e Satz 3 FGG) - anfechtbar und abänderbar ist (vgl. BayObLGZ 1979, 346; OLG Köln StAZ 1982, 278; Keidel/Engelhardt Rn. 24). Selbst wenn dies zu bejahen wäre, könnte die Korrektur fehlerhafter Namensbestimmungen im Adoptionsdekret jedenfalls nicht durch die im Verfahren nach §§ 45 ff. PStG angerufenen Gerichte erfolgen. Diese haben die wirksam gewordene Namensbestimmung auch dann zugrunde zu legen, wenn sie fehlerhaft ist. Hiervon sind die Vorinstanzen zutreffend ausgegangen.

b) Diese Bindung an die Namensbestimmung im Adoptionsdekret hindert jedoch nicht, gegebenenfalls durch Auslegung zu ermitteln, welchen Namen das Vormundschaftsgericht bestimmt hat (vgl. BayObLG Z 1985, 184/187). Das Landgericht hat die Auslegung im Ergebnis offengelassen, weil es von seinem Standpunkt aus nicht darauf ankam. Der Senat teilt die vom Amtsgericht vorgenommene Auslegung, dass das Vormundschaftsgericht für den Angenommenen zwei Namen bestimmt hat, nämlich "M." als Familiennamen und "L." als Geburtsnamen. Die gegenteilige Auffassung, das Vormundschaftsgericht habe die mit Komma-Zeichen und der Abkürzung "geb." aneinandergereihte Namens- und Zeichenfolge "M., geb. L." insgesamt als einen einzigen - gänzlich ungewöhnlichen - Familiennamen bestimmen wollen, ist fernliegend und findet im Adoptionsbeschluss keine Stütze; dort ist nach dem Wort Familienname nur der Name "M." in Anführungszeichen gesetzt.

c) Nicht gefolgt werden kann dem Landgericht darin, dass die Namensbestimmung des Vormundschaftsgerichts nichtig sei. Dies unterliegt als Rechtsfrage der uneingeschränkten Nachprüfung durch den Senat. Die Namensbestimmung im Adoptionsdekret ist fehlerhaft, aber nicht nichtig.

aa) Nach § 1757 Abs. 1 Satz 1 BGB, der auch für die hier vorliegende Volljährigenadoption gilt (§ 1767 Abs. 2 Satz 1 BGB; BayObLGZ 1985, 264/268), erhält der Angenommene als Geburtsnamen den Familiennamen des Annehmenden, hier also - insoweit ist die Namensbestimmung zutreffend - den Geburtsnamen "L.". Fehlerhaft war dagegen die Bestimmung des bisherigen Geburtsnamens 'IM." zum nunmehrigen Familiennamen des Angenommenen; hier für war bei dem ledigen Beteiligten zu 1 kein Raum. Statt dessen hätte das Vormundschaftsgericht prüfen müssen, ob die Voraussetzungen des § 1757 Abs. 4 Nr. 2 BGB für ein Voranstellen des Namens "M." vor den Namen "L." vorlagen; denn entgegen der Annahme des Landgerichts war ein entsprechender Antrag auf Führung des Namens "M.-L." bereits in der notariellen Adoptionsurkunde formwirksam gestellt, wie sich aus den Akten ohne weiteres ergibt und daher vom Senat selbst festgestellt werden kann.

bb) Die Nichtigkeit rechtsgestaltender gerichtlicher Entscheidungen kommt nur in Ausnahmefällen in Betracht. Sie wird etwa angenommen, wenn es an jeder gesetzlichen Grundlage für die Entscheidung fehlt oder wenn die Entscheidung eine der Rechtsordnung ihrer Art nach unbekannte Rechtsfolge ausspricht (vgl. BayObLG Z 1984, 230; Jansen FGG 2. Aufl. § 7 Rn. 28 f.; Keidel/Zimmermann § 7 Rn. 42b). Nach diesen Grundsätzen, die auch für den Adoptionsbeschluss gelten, ist eine Nichtigkeit unter den hier gegebenen Umständen zu verneinen.

(1) Allerdings wird die Auffassung vertreten, dass eine in das Adoptionsdekret aufgenommene Bestimmung, wonach der Angenommene seinen bisherigen Namen weiterführt, nichtig sei (OLG Karlsruhe FamRZ 2000, 115; MünchKomm/Maurer BGB 4. Aufl. § 1757 Rn. 11; Liermann FamRZ 2000, '722). Ob dem zu folgen ist, bedarf hier keiner Entscheidung. Anders als in dem der Entscheidung des OLG Karlsruhe zugrunde liegenden Fall ist hier keine schlichte Weiterführung gegeben; die Namensbestimmung enthält vielmehr die Änderung des Geburtsnamens des Angenommenen entsprechend der Vorschrift des § 1757 Abs. 1 Satz 1 BGB. Im konkreten Fall fehlerhaft war die Bestimmung des davon abweichenden Familiennamens. Die dadurch eingetretene Rechtsfolge, dass der Angenommene trotz Änderung seines Geburtsnamens einen vom Namen des Annehmenden abweichenden Familiennamen führt, ist der Rechtsordnung aber jedenfalls nicht völlig fremd, wie schon die Regelung für verheiratete Angenommene in § 1757 Abs. 3 BGB zeigt (vgl. auch BayObLG NJW-FER 2000, 141). Dass zwischen den Namen des Annehmenden und des Angenommenen nicht in jedem Fall Namensidentität herrschen muss, ergibt sich auch aus der Regelung in § 1757 Abs. 4 Nr. 2 BGB. Im übrigen wird der vom Gesetz in erster Linie angestrebten Namensgleichheit unter dem Blickwinkel der damit bezweckten Förderung der Integration in die Familie des Annehmenden im Bereich der Erwachsenenadoption ohnehin nicht das gleiche Gewicht zukommen wie bei der Adoption minderjähriger Kinder.

(2) Im vorliegenden Fall ist ferner zu berücksichtigen, dass der Beteiligte zu 1 - auch dies unterscheidet den Sachverhalt von dem der Entscheidung des OLG Karlsruhe zugrunde liegenden Fall - die nach dem Gesetz eingeschränkt mögliche Namenskontinuität durch Beifügung seines bisherigen Namens (§ 1757 Abs. 4 Nr. 2 BGB) von vornherein angestrebt hat. Dieser Möglichkeit kommt im Erwachsenenadoptionsrecht besondere Bedeutung zu. Es liegt auf der Hand, dass ein wie hier zum Zeitpunkt der Adoption 27jähriger Erwachsener ein starkes berechtigtes Interesse daran haben kann, jenen Namen, unter dem er in Beruf und sozialem Umfeld bekannt ist, nicht völlig aufzugeben. Das Gesetz trägt dem durch die Möglichkeit der Namensbeifügung Rechnung, deren restriktive Voraussetzung ("aus schwerwiegenden Gründen zum Wohl des Kindes erforderlich") nach verbreiteter Auffassung bei der Erwachsenenadoption großzügig zu handhaben ist (vgl. Staudinger/Frank BGB 2001 § 1757 Rn. 21 m. w. N.; MünchKomm/Kaurer § 1757 Rn. 8; Soergel/ Liermann BGB 13. Aufl. § 1757 Rn. 31). Von offiziellen Anlässen abgesehen könnte sich der Angenommene, dessen bisheriger Name beigefügt wird, im täglichen sozialen Leben sogar darauf beschränken - wie nicht selten von Doppelnamensträgern praktiziert -, allein seinen bisherigen Namen weiterzuführen (vgl. OLG Celle FamRZ 1997, 115/116, das diese Möglichkeit zur Namensführung als wesentliches Argument für die Verfassungsmäßigkeit der Namensregelung heranzieht).

Über den Antrag des Beteiligten zu 1 auf Beifügung seines Namens ist fehlerhaft nicht befunden worden. Das belastet ihn solange nicht, als die vom Vormundschaftsgericht vorgenommene Namensbestimmung, mit der er ebenso einverstanden ist, Bestand hat. Im Falle der Nichtigkeit dieser Namensbestimmung würde die ihm zugefügte Rechtsverletzung, deren mögliche Grundrechtsrelevanz nicht von vornherein von der Hand zu weisen ist (vgl. BVerfGE 78, 38/49; BVerfG StAZ 2002, 72), dagegen voll zum Tragen kommen. Auch könnte hier eine etwaige Nichtigkeit der Namensbestimmung nach dem insoweit anwendbaren Rechtsgedanken des § 139 BGB unter Umständen die Nichtigkeit des gesamten Adoptionsbeschlusses zur Folge haben (vgl. BayObLG Z 1961, 229/237; Keidel/Zimmermann § 7 Rn. 18 m. w. N.; Liermann FamRZ 2000, 722). All dies spricht dafür, bei der Prüfung der Nichtigkeit einen strengen Maßstab anzulegen und die Nichtigkeit nicht ohne eindeutig und unzweifelhaft durchgreifenden Grund anzunehmen. Sie ist hier im Ergebnis zu verneinen.

Sonach war die Entscheidung des Landgerichts aufzuheben und die Erstbeschwerde der Beteiligten zu 2 gegen den Beschluss des Amtsgerichts, der sich als richtig erweist, zurückzuweisen.

3. Eine Gerichtskostenentscheidung ist entbehrlich. Die Anordnung der Kostenerstattung beruht für das landgerichtliche Beschwerdeverfahren auf § 13a Abs. 1 Satz 2 FGG. Es entsprach der Billigkeit, auch für das Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde eine Kostenerstattung anzuordnen (§ 13a Abs. 1 Satz 1 FGG), da der Randvermerk vom 4.6.1998, der das vorliegende Verfahren ausgelöst hat, auch verfahrensrechtlich nicht korrekt zustande gekommen war, wie die Beteiligte zu 2 selbst einräumt. Einer Geschäftswertfestsetzung bedarf es nicht.

Ende der Entscheidung

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