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Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 07.07.2004
Aktenzeichen: 1Z BR 67/04
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1618
Die Einbenennung des Kindes nach § 1618 Satz 1 BGB bedarf nicht der Einwilligung des verstorbenen anderen Elternteils, mithin auch nicht deren Ersetzung durch das Familiengericht (Fortführung von BayObLGZ 2002, 288).
Gründe:

I. Der Minderjährigeist das Kind aus der Ehe der Beteiligten zu 1 mit R. Er erhielt als Geburtsnamen den Ehenamen der Eltern R. Die Ehe der Eltern wurde geschieden. Im September 2000 heiratete die Beteiligte zu 1 den Beteiligten zu 2, dessen Geburtsname S. zum Ehenamen bestimmt wurde. Der Vater des Kindes verstarb im Dezember 2000.

Die Beteiligten zu 1 und 2 erklärten am 16.8.2001 in standesamtlich beglaubigter Form, dass dem Kind der Ehename S. als Familienname erteilt wird. Der Standesbeamte hat Zweifel, ob die Erteilung des Ehenamens S. ohne die Ersetzung der Einwilligung des Vaters durch das Familiengericht wirksam ist. Er hat hierzu gemäß § 45 Abs. 2 PStG gerichtliche Entscheidung beantragt. Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 20.3.2002 den Standesbeamten angewiesen, den erteilten Familiennamen S. ohne Ersetzung der Einwilligung des Vaters beizuschreiben.

Auf die sofortige Beschwerde der Standesamtsaufsicht (Beteiligter zu 3) hat das Landgericht mit Beschluss vom 24.6.2002 die Entscheidung des Amtsgerichts aufgehoben (Ziff. I) und den Standesbeamten angewiesen, den erteilten Familiennamen erst nach Ersetzung der Einwilligung des verstorbenen Vaters beizuschreiben (Ziff. II). Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Standesamtsaufsicht, mit der sie eine obergerichtliche Klärung der Frage erstrebt, ob die Einwilligung des verstorbenen Vaters nach § 1618 Abs. 4 BGB ersetzt werden muss.

II. Die sofortige weitere Beschwerde ist statthaft und zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt (§ 49 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, § 48 Abs. 1 PStG, § 27 Abs. 1, § 29 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 4, § 22 Abs. 1 FGG). Sie führt zur Aufhebung der landgerichtlichen Entscheidung und zur Zurückweisung der Erstbeschwerde.

1. Der Senat, der das Rechtsmittel zunächst dem Bundesgerichtshof nach § 28 Abs. 2 FGG vorgelegt hatte (Beschluss vom 5.9.2002 - 1Z BR 91/02, BayObLGZ 2002, 288 = FamRZ 2002, 1734 = StAZ 2003, 12 = Rpfleger 2003, 26), ist gemäß Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 19.5.2004 (XII ZB 155/02) selbst zur Entscheidung über das Rechtsmittel zuständig (vgl. BGHZ 111, 119/201).

2. Gegenstand der gemäß § 45 Abs. 2 PStG zulässigen Vorlage des Standesbeamten an das Amtsgericht ist die Frage, ob aufgrund der Erklärungen vom 16.8.2001, mit denen die Beteiligten zu 1 und 2 gemäß § 1618 Satz 1 BGB dem Kind ihren Ehenamen erteilen, eine Eintragung im Geburtenbuch vorzunehmen ist (§ 31a Abs. 1 Satz 1 Nr. 6, Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 PStG). Durch derartige namenserteilende Erklärungen wird - bei Vorliegen aller Wirksamkeitsvoraussetzungen - die Namensänderung beim Kind unmittelbar herbeigeführt; die spätere Eintragung als Randvermerk im Geburtenbuch hat nur deklaratorische Bedeutung (vgl. BayObLG FamRZ 1964, 457/458; Staudinger/Coester BGB [2000] § 1618 Rn. 40; MünchKomm/v. Sachsen Gessaphe BGB 4. Aufl. § 1618 Rn. 27). Die Entscheidung über die vom Standesbeamten vorzunehmende Amtshandlung hängt davon ab, ob hier zur Wirksamkeit der Einbenennung neben den formgerecht abgegebenen (§ 1618 Satz 5 BGB, § 31a PStG) Erklärungen der Beteiligten zu 1 und 2 und des Kindes (§ 1618 Satz 3 BGB) eine die Einwilligung des verstorbenen Vaters ersetzende Entscheidung des Familiengerichts (vgl. § 1618 Satz 4 BGB) notwendig ist.

3. Das Landgericht hat - im Gegensatz zum Amtsgericht - diese Frage bejaht. Zur Begründung hat es sich weitgehend auf die Entscheidung des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Zweibrücken vom 5.2.1999 (FamRZ 1999, 1372) bezogen. Dieses Gericht hält die Ersetzungsentscheidung aus folgenden Erwägungen für erforderlich: Ausgehend vom Wortlaut des § 1618 Satz 4 BGB sei auch bei fehlender Einwilligung wegen Todes des anderen Elternteils eine Situation gegeben, in der es an der erforderlichen Einwilligung fehle, mithin diese zu ersetzen sei. Denn nach dem Willen des Gesetzgebers schütze das Zustimmungserfordernis ausschließlich das Interesse des anderen Elternteils am Fortbestand des namensrechtlichen Bandes zwischen ihm und seinem Kind. Solche schützenswerten Interessen könnten ebenso nach dem Tod des anderen Elternteils bestehen. Auch wenn die Zustimmung des anderen Elternteils als höchstpersönlicher Akt nach dessen Tod nicht durch den Rechtsnachfolger erklärt werden könne, erscheine es nicht ausgeschlossen, dass sich nach dem Tod namensrechtliche Interessen aus sonstigen Umständen herleiten ließen, wie etwa dem Testament oder anderen schriftlichen Unterlagen des Verstorbenen. Berechtigte Interessen könnten sich aus dem Namen selbst ergeben, z.B. wenn dieser eine besondere Abstammung erkennen lasse.

4. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO). Die Namenserteilung ist wirksam, ohne dass es einer familiengerichtlichen Ersetzungsentscheidung bedarf.

Die aufgeworfene Rechtsfrage wird in Rechtsprechung und Literatur allerdings nicht einheitlich beantwortet. Teilweise wird eine Ersetzungsentscheidung des Familiengerichts (§ 1618 Satz 4 BGB) als Voraussetzung der Wirksamkeit der Namenserteilung nach dem Tod des anderen Elternteils für erforderlich gehalten (vgl. OLG Zweibrücken, 3. Zivilsenat, aaO.; OLG Hamm - obiter - StAZ 2000, 213; Henrich/Wagenitz/Bornhofen Deutsches Namensrecht Stand 2000 § 1618 BGB Rn. 61; Lipp/Wagenitz Das neue Kindschaftsrecht § 1618 BGB Rn. 17). Der Senat, der die Frage im Beschluss vom 25.5.1999 (FamRZ 2000, 252) noch offen gelassen hatte, verneint demgegenüber mit der herrschenden Meinung das Erfordernis der Ersetzungsentscheidung (vgl. BayObLGZ 2002, 288; OLG Zweibrücken, 5. Zivilsenat - Familiensenat, FamRZ 2000, 696; OLG Stuttgart NJW-RR 2001, 366; OLG Frankfurt - obiter - NJW-RR 2001, 1443; AG Bremen StAZ 1999, 242; AG Kiel, AG Lübeck StAZ 2000, 21; AG Limburg a.d. Lahn StAZ 2000, 81; Staudinger/Coester § 1618 Rn. 24; MünchKomm/v. Sachsen Gessaphe § 1618 Rn. 18; Bamberger/Roth/Enders BGB § 1618 Rn. 4; Palandt/Diederichsen BGB 63. Aufl. § 1618 Rn. 19; FamRefK/Wax § 1618 Rn. 5; Sachse StAZ 2000, 22). Nach dieser Auffassung beschränkt sich der Normzweck des § 1618 Satz 3 BGB, soweit er das Erfordernis der Einwilligung des anderen Elternteils regelt, auf den Schutz der lebzeitigen Interessen des anderen Elternteils; mit dessen Tod entfällt das Einwilligungserfordernis.

Für eine Ersetzung ist nur dort Raum, wo eine erforderliche Erklärung nicht abgegeben wird. Der logische Normaufbau ist dreistufig: eine Erklärung ist erforderlich; die erforderliche Erklärung wird nicht abgegeben; sie kann unter bestimmten Voraussetzungen ersetzt werden. Hier fehlt es schon an der ersten Stufe, der Erforderlichkeit der Erklärung. Bei der in § 1618 Satz 3 BGB geforderten Einwilligung des anderen Elternteils handelt es sich nach allgemeiner Meinung um einen höchstpersönlichen Akt, der weder durch einen Stellvertreter noch durch den Rechtsnachfolger erklärt werden kann (vgl. OLG Zweibrücken, 3. Zivilsenat, aaO.; Staudinger/Coester § 1618 Rn. 25, § 1617 Rn. 26; MünchKomm/von Sachsen Gessaphe § 1618 Rn. 18; Palandt/Diederichsen § 1618 Rn. 11). Dann kann aber nicht angenommen werden, dass § 1618 Satz 3 BGB ein Zustimmungserfordernis über den Tod des anderen Elternteils hinaus normiert. Anderenfalls hätte es einer ausdrücklichen gesetzlichen Zuweisung bedurft, wessen Zustimmung anstelle des Verstorbenen erforderlich ist (etwa namensgleiche andere Angehörige, ein Rechtsnachfolger oder das Familiengericht, vgl. OLG Frankfurt aaO.). Eine solche Regelung fehlt; sie ist insbesondere nicht in § 1618 Satz 4 BGB zu erblicken, der als Ersetzungsregelung erst dann eingreift, wenn eine Einwilligung an sich notwendig, aber nicht abgegeben ist. Fehlt es schon am Erfordernis der Einwilligung, kommt eine Ersetzung nicht in Betracht.

Die Entscheidung des Amtsgerichts, den Standesbeamten zur Beischreibung der Namenserteilung im Geburtenbuch anzuweisen, erweist sich somit als zutreffend. Die hiergegen gerichtete Erstbeschwerde war unter Aufhebung der entgegenstehenden Entscheidung des Landgerichts zurückzuweisen.

5. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.



Ende der Entscheidung

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