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Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 02.10.2002
Aktenzeichen: 1Z BR 68/02
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 134
BGB § 138
BGB § 2229 Abs. 4
BGB § 2247
BGB § 2358
Zur Frage der gerichtlichen Aufklärungspflicht, wenn die Testierfähigkeit des Erblassers und der Eigenhändigkeit des Testaments bezweifelt wird.
Gründe:

I.

Der am 22.7.1999 im Alter von 65 Jahren verstorbene Erblasser war nicht verheiratet und hatte keine Kinder. Er hatte mit eigenhändigem Testament vom 19.3.1992 seinen ebenfalls unverheirateten und kinderlosen Bruder zu seinem Alleinerben eingesetzt. Dieser verstarb am 4.2.1999.

Neben dem Testament vom 19.3.1992 liegt ein weiteres eigenhändiges Testament des Erblassers vom 15.2.1999 vor. Dieses hat folgenden Wortlaut:

"Im Falle meines Ableben soll ... (Beteiligte zu 1) alleiniger Ebe sein."

Zwischen der Beteiligten zu 1, dem Erblasser und seinem Bruder bestand seit etwa 30 Jahren eine Bekanntschaft. Nach dem Tod des Bruders organisierte die Beteiligte zu 1 dessen Beerdigung und bot dem Erblasser ihre weitere Unterstützung bei Erledigung seiner persönlichen und geschäftlichen Angelegenheiten an. Außerdem vermittelte sie dem Erblasser einen in ihrer Nachbarschaft wohnenden Rechtsanwalt als Berater in vermögensrechtlichen und geschäftlichen Fragen sowie zur Erledigung von Steuerangelegenheiten. Am 9.2.1999 erteilte der Erblasser der Beteiligten zu 1 eine uneingeschränkte Vollmacht zur Erledigung seiner privaten und geschäftlichen Angelegenheiten und am 25.2.1999 erneut der Beteiligten zu 1 sowie seinem Rechtsanwalt eine umfassende, über den Tod hinaus gültige Vollmacht zur Vertretung in persönlichen und finanziellen Angelegenheiten.

Der Erblasser befand sich zur stationären Behandlung eines Krebsleidens im Krankenhaus, in dem die Beteiligte zu 1 als Verwaltungsangestellte tätig war.

Die Beteiligte zu 1 beantragte gestützt auf das Testament vom 15.2.1999 die Erteilung eines Erbscheins, der sie als Alleinerbin ausweisen sollte.

Die Beteiligten zu 2 bis 10 machen geltend, der Erblasser sei aufgrund gesetzlicher Erbfolge von ihnen beerbt worden. Sie sind der Ansicht, das Testament vom 15.2.1999 stamme nicht vom Erblasser; jedenfalls sei dieser bei Testamentserrichtung nicht testierfähig gewesen. Außerdem werde das Testament angefochten, weil der Erblasser von der Beteiligten zu 1 bei Errichtung des Testaments unter Druck gesetzt worden sei.

Die Beteiligte zu 11 trägt vor, ihr stünden aus einem Testament des Erblassers aus dem Jahre 1998, das nicht aufgefunden worden sei, Erbansprüche zu.

Das Amtsgericht hat zu den in bezug auf die Urheberschaft des Testaments vom 15.2.1999 und die Testierfähigkeit des Erblassers aufgeworfenen Fragen Beweis erhoben durch Vernehmung von Zeugen, Anhörung von Beteiligten und Erholung von Sachverständigengutachten. Die mit der Erstattung eines Sachverständigengutachtens zu der Frage, ob das Testament vom 15.2.1999 vom Erblasser eigenhändig geschrieben wurde, beauftragte öffentlich bestellte und beeidigte Sachverständige für Handschriftenvergleichung kam in ihrem Gutachten zu dem Ergebnis, dass das Testament mit hoher Wahrscheinlichkeit von der Hand des Erblassers geschrieben und unterschrieben wurde. Es erscheine jedoch aufgrund des Gesundheitszustands und der Handschrift des Erblassers am 15.2.1999 ausgeschlossen, dass das Testament an dem im Datum angegebenen Tag gefertigt wurde. Das daraufhin zur Frage des Zeitpunkts der Testamentserrichtung erholte Gutachten eines Sachverständigen für Urkundentechnik ergab, dass mit urkundentechnischen Mitteln der Zeitpunkt der Testamentserrichtung nicht festgestellt werden kann.

Zur Frage der Testierfähigkeit erholte das Amtsgericht Stellungnahmen der behandelnden Ärzte und beauftragte einen Facharzt für Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin mit der Erstellung eines psychiatrischen Gutachtens. Der Sachverständige kam zu dem Ergebnis, für den seinem Gutachtensauftrag zugrundeliegenden Zeitraum vom 4.2.1999 bis 21.2.1999 bestünden keine hinreichenden oder sicheren Anhaltspunkte dafür, dass bei dem Erblasser eine krankhafte Störung der Geistestätigkeit, eine Geistesschwäche oder Bewusstseinsstörung vorgelegen habe.

Mit Beschluss vom 14.5.2001 kündigte das Amtsgericht im Wege des Vorbescheids entsprechend dem Antrag der Beteiligten zu 1 die Erteilung eines Erbscheins an, wonach der Erblasser von der Beteiligten zu 1 allein beerbt worden sei. Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Beteiligten zu 2 wies das Landgericht mit Beschluss vom 22.4.2002 zurück und ordnete an, dass die außergerichtlichen Kosten der Beteiligten zu 1 von der Beteiligten zu 2 nicht zu erstatten seien.

Gegen die Zurückweisung ihrer Erstbeschwerde wendet sich die Beteiligte zu 2 mit ihrer weiteren Beschwerde. Ferner beantragt sie, ihr Prozesskostenhilfe zu bewilligen.

Die Beteiligte zu 1 beantragt, die weitere Beschwerde und den Prozesskostenhilfeantrag zurückzuweisen und der Beteiligten zu 2 auch die der Beteiligten zu 1 im Beschwerdeverfahren entstandenen Kosten aufzuerlegen.

II.

Die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2 ist zulässig, aber unbegründet. Prozesskostenhilfe kann ihr nicht bewilligt werden, da die weitere Beschwerde von vornherein ohne Aussicht auf Erfolg war (§ 14 FGG i.V.m. § 114 ZPO).

1. Das Landgericht ist in Übereinstimmung mit dem Amtsgericht zu dem Ergebnis gekommen, dass die Beteiligte zu 1 aufgrund des Testaments vom 15.2.1999 Alleinerbin des Erblassers sei. Das Landgericht hat im wesentlichen ausgeführt, das eigenhändige Testament entspreche den Formvorschriften des § 2247 Abs. 1 BGB. Es bestünden keine Zweifel daran, dass der Erblasser das Testament eigenhändig geschrieben und unterschrieben habe. Weder das handschriftvergleichende noch das urkundentechnische Gutachten hätten Anhaltspunkte dafür ergeben, dass das Schriftstück nicht vom Erblasser stamme. Solche Zweifel könnten auch nicht aus der Feststellung der Schriftsachverständigen herrühren, dass das angegebene Datum "15.2.99" unzutreffend sein müsse. Aus einem unrichtigen Datum ergäbe sich nicht die Unwirksamkeit des Testaments, sondern die in § 2247 Abs. 5 BGB beschriebenen Rechtsfolgen.

Auch an der Testierfähigkeit des Erblassers bestünden nach der Beweisaufnahme keine Zweifel. Zwar stehe der genaue Zeitpunkt der Testamentserrichtung nicht fest, doch sei davon auszugehen, dass das Testament zwischen dem 4.2.1999 (Tod des Bruders) und dem 21.2.1999 (Übergabe des Testaments an den Rechtsanwalt) errichtet worden sei. Für den gesamten in Betracht kommenden Errichtungszeitraum bestünden keine Zweifel an der Testierfähigkeit des Erblassers. Sämtliche Zeugen, auch soweit sie von der Beschwerdeführerin benannt worden seien, hätten ausgesagt, dass der Erblasser zwar in schlechter körperlicher Verfassung gewesen sei, eine geistige Einschränkung jedoch nicht vorgelegen habe. Entsprechende Aussagen fänden sich in den Stellungnahmen der behandelnden Ärzte sowie in den vorgelegten Krankenunterlagen. Der psychiatrische Sachverständige habe auch unter Berücksichtigung einer Alkoholerkrankung des Erblassers keine hinreichenden oder sicheren Anhaltspunkte dafür festgestellt, dass bei dem Erblasser im Zeitraum vom 4.2.1999 bis 21.2.1999 eine krankhafte Störung der Geistestätigkeit, eine Geistesschwäche oder Bewusstseinsstörung vorgelegen habe.

Die von Seiten der gesetzlichen Erben erfolgte Anfechtung des Testaments gemäß § 2078 Abs. 2 BGB greife nicht durch. Die Behauptung, der Erblasser sei von der Beteiligten zu 1 unter Druck gesetzt worden, habe sich in der Beweisaufnahme nicht bestätigt. Es lägen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass das Testament vom 15.2.1999 gemäß § 138 Abs. 1 BGB wegen Sittenwidrigkeit nichtig sein könnte. Es sei nicht festzustellen gewesen, dass auf die letztwillige Verfügung des Erblassers in anstößiger Weise Einfluss genommen worden sei. Der Gültigkeit einer Erbeinsetzung durch ein etwaiges bisher nicht aufgefundenes Testament aus dem Jahre 1998 stehe jedenfalls der Widerruf durch das neue Testament vom 15.2.1999 entgegen.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung stand (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO).

a) Die Feststellungen hinsichtlich der Echtheit und des Errichtungszeitpunkts des Testaments vom 15.2.1999 liegen auf tatsächlichem Gebiet. An rechtsfehlerfrei getroffene Tatsachenfeststellungen des Landgerichts ist das Rechtsbeschwerdegericht gebunden (§ 27 Abs. 1 Satz 2 FGG i.V.m. § 559 Abs. 2 ZPO). Die Beweiswürdigung, insbesondere auch die Würdigung eines Sachverständigengutachtens und die Beurteilung der Glaubwürdigkeit eines Beteiligten oder eines Zeugen, ist Teil der Tatsachenfeststellung. Diese darf vom Rechtsbeschwerdegericht nur auf Rechtsfehler überprüft werden, nämlich darauf, ob das Beschwerdegericht den maßgeblichen Sachverhalt ausreichend erforscht und alle wesentlichen Umstände berücksichtigt hat, nicht gegen gesetzliche Beweisregeln, gegen Denkgesetze oder feststehende Erfahrungssätze verstoßen hat und ob es die Beweisanforderungen zu hoch oder zu niedrig angesetzt hat (ständige Rspr., z.B. BayObLG FamRZ 1992, 1206; BayObLGZ 1998, 314/317).

Die Vorinstanzen haben den für die Frage der Echtheit des Testaments maßgeblichen Sachverhalt ausreichend ermittelt (§§ 12, 15 FGG, § 2358 Abs. 1 BGB). Das Amtsgericht hat eine öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige für Handschriftenvergleichung beauftragt, die in ihrem Gutachten zu dem Ergebnis gekommen ist, dass das Testament mit hoher Wahrscheinlichkeit von dem Erblasser eigenhändig geschrieben und unterschrieben worden ist. Das Landgericht hat die in sich schlüssige Argumentation der Sachverständigen selbständig und eigenverantwortlich überprüft. Es konnte das Ergebnis des Sachverständigengutachtens als bestätigt ansehen durch die Aussage des Rechtsanwalts, der bekundet hat, der Erblasser habe ihm das auf den 15.2.1999 datierte Testament am 21.2.1999 im Krankenhaus in einem unverschlossenen Umschlag mit der Bemerkung, er habe etwas neues geschrieben, persönlich übergeben.

Die auf dieser Beweislage beruhende Überzeugung des Landgerichts, dass das auf den 15.2.1999 datierte Testament von dem Erblasser stammt, lässt ebenso wenig Rechtsfehler erkennen wie die Entscheidung, von einem Errichtungszeitpunkt im Zeitraum zwischen dem 4.2.1999 und dem 21.2.1999 auszugehen. Nachdem das Landgericht aufgrund des Gutachtens der Schriftsachverständigen zum Schriftbild des Erblassers am 15.2.1999 und der Aussage der Zeugin S. zum Gesundheitszustand des Erblassers an diesem Tag seiner Entscheidung nicht zugrundelegen konnte, dass die Datumsangabe auf dem Testament zutreffend ist, hat es den tatsächlichen Errichtungszeitraum zutreffend eingegrenzt. Das Anfangsdatum (4.2.1999) ergibt sich schlüssig daraus, dass an diesem Tag der durch das Testament vom 19.3.1992 zum Alleinerben eingesetzte Bruder des Erblassers verstorben ist und der Erblasser bei der Übergabe des auf den 15.2.1999 datierten Testaments an den Rechtsanwalt nach dessen Bekundungen gesagt hat, er habe jetzt et was neues geschrieben, da sein Bruder verstorben sei. Das Enddatum (21.2.1999) ergibt sich aus der Aussage des Rechtsanwalts, wonach ihm das Testament an diesem Tag vom Erblasser persönlich übergeben worden ist.

Eine (zutreffende) Datumsangabe ist, wie sich aus § 2247 Abs. 5 BGB ergibt, nicht Voraussetzung der Wirksamkeit eines Testaments. Aufgrund des vom Landgericht ermittelten für die Entstehung des Testaments in Betracht kommenden Zeitraums steht jedenfalls fest, dass etwaige vor diesem Zeitraum errichtete Testamente nach Maßgabe des § 2258 BGB aufgehoben wurden. Insoweit musste das Landgericht auch den bezüglich eines Testaments des Erblassers aus dem Jahre 1998 aufgestellten Behauptungen nicht weiter nachgehen.

b) Auch die Beurteilung der Frage der Testierfähigkeit des Erblassers durch das Landgericht gibt zu Beanstandungen keinen Anlass. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist ein Erblasser nach dem Grundsatz, dass die Störung der Geistestätigkeit die Ausnahme bildet, solange als testierfähig anzusehen, als nicht die Testierunfähigkeit zur Gewissheit des Gerichts nachgewiesen ist. Deshalb trifft die Feststellungslast für die Testierunfähigkeit des Erblassers grundsätzlich denjenigen, der sich auf die darauf beruhende Unwirksamkeit des Testaments beruft (BayObLGZ 1982, 309/312; BayObLG FamRZ 1996, 1438/1439 m. w. N.).

Die Testierfähigkeit (§ 2229 Abs. 4 BGB) setzt die Vorstellung des Testierenden voraus, dass er ein Testament errichtet und welchen Inhalt die darin enthaltenen letztwilligen Verfügungen aufweisen. Er muss in der Lage sein, sich ein klares Urteil zu bilden, welche Tragweite seine Anordnungen haben, insbesondere welche Wirkungen sie auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Betroffenen ausüben. Das gilt auch für die Gründe, welche für und gegen die sittliche Berechtigung der Anordnungen sprechen. Nach seinem so gebildeten Urteil muss der Testierende frei von Einflüssen Dritter handeln können (BayObLGZ 1995, 383/388).

Auch die Frage, ob die Voraussetzungen der Testierfähigkeit gegeben sind, liegt auf tatsächlichem Gebiet. Sie kann vom Rechtsbeschwerdegericht nur in beschränktem Umfang, nämlich auf Rechtsfehler überprüft werden (vgl. BayObLGZ 1995, 383/ 388). Solche Fehler lässt die angefochtene Entscheidung nicht erkennen.

Die Vorinstanzen haben die Beweisaufnahme zur Frage der Testierfähigkeit auf den gesamten in Betracht kommenden Errichtungszeitraum vom 4.2.1999 bis zum 21.2.1999 erstreckt. Sie haben sich, wie dies geboten war, im Rahmen der Ermittlungen soweit möglich Klarheit über den medizinischen Befund des Erblassers verschafft. Es wurden Stellungnahmen der behandelnden Ärzte erholt sowie Beteiligte und Zeugen zum gesundheitlichen Zustand im Zeitraum zeitnah der Testamentserrichtung befragt. Dabei wurde der Erblasser zwar als in schlechtem körperlichen Zustand, aber geistig-seelisch nicht stark beeinträchtigt, insbesondere nicht desorientiert und nicht verwirrt beschrieben. Dem psychiatrischen Sachverständigengutachten zufolge lassen sich auch unter Berücksichtigung einer Alkoholerkrankung keine Hinweise dafür finden, dass beim Erblasser im Zeitraum der Testamentserrichtung eine schwere Beeinträchtigung geistig-seelischer Funktionen vorgelegen habe. Insbesondere ergaben sich keine Anhaltspunkte für Desorientiertheit, Verwirrtheitszustände, Verkennungen der Realität oder psychotische Symptomatik. Die im Testament enthaltenen Schreibversehen sind nicht von erheblichem Gewicht. Somit begegnet es keinen Bedenken, dass das Landgericht nicht von einer Testierunfähigkeit des Erblassers im Zeitpunkt der Testamentserrichtung ausgegangen ist.

c) Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung auch insoweit stand, als es die tatsächlichen Voraussetzungen für eine Anfechtung des Testaments nach § 2078 BGB für nicht gegeben erachtete, weil die Beweisaufnahme keine Anhaltspunkte für die von Seiten der gesetzlichen Erben aufgestellte Behauptung erbracht hat, die Beteiligte zu 1 habe auf den Erblasser Druck ausgeübt, insbesondere mit der Einweisung in ein Pflegeheim gedroht, um hierdurch eine testamentarische Begünstigung durch den Erblasser zu erreichen.

Soweit aus dem Kreis der als gesetzliche Erben in Betracht kommenden Verwandten vorgetragen wurde, ihr Verhältnis zum Erblasser sei so gestaltet gewesen, dass eine aus freiem Willen erfolgte Nichtberücksichtigung aller Verwandten im Testament kaum vorstellbar sei, hätte das Landgericht ergänzend darauf hinweisen können, dass der Erblasser in seinem Testament vom 19.3.1992 der Einsetzung seines vorverstorbenen Bruders zum Alleinerben ausdrücklich die Worte angefügt hatte: "Damit sind sämtliche Verwandte jeglichen Grades von der Erbschaft ausgeschlossen!!!". Diese mit mehreren Ausrufezeichen versehene Aussage deutet darauf hin, dass es der Persönlichkeit des Erblassers keinesfalls fremd war, andere Verwandte als seinen Bruder testamentarisch nicht zu bedenken.

d) Rechtsfehlerfrei ist das Landgericht auch davon ausgegangen, dass das Testament des Erblassers vom 15.2.1999 nicht gemäß § 134 BGB i.V.m. § 14 HeimG oder nach § 138 BGB als nichtig angesehen werden kann.

Der Senat hat sich bereits eingehend mit der Frage befasst, ob § 14 HeimG auf das Verhältnis zwischen Betreuer und Betreutem analog anwendbar ist, und hat diese Frage verneint (vgl. BayObLGZ 1997, 374/376 f.). Im hier zu entscheidenden Fall bestand allerdings kein Betreuungsverhältnis im Sinne der §§ 1896 ff. BGB; vielmehr war der Beteiligten zu 1 von dem Erblasser eine umfassende Vorsorgevollmacht erteilt worden, aufgrund derer sich die Beteiligte zu 1 um die Angelegenheiten des Erblassers kümmern konnte. Auch in einem solchen Fall scheidet eine analoge Anwendung des § 14 HeimG wegen des darin liegenden Eingriffs in die durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG geschützte Testierfreiheit aus (vgl. BayObLG aaO).

Die Grenzen für die Zulässigkeit einer Zuwendung von Todes wegen zugunsten einer Person, die vom Erblasser umfassende Vorsorgevollmacht erhalten hat, sind anhand der allgemeinen Vorschriften, insbesondere des § 138 Abs. 1 BGB zu bestimmen. Bei der "Inhaltskontrolle" letztwilliger Verfügungen nach § 138 Abs. 1 BGB ist vom Grundsatz der Testierfreiheit auszugehen (vgl. Staudinger/Sack BGB 13. Aufl. § 138 Rn. 437). Diese ist das bestimmende Element der Erbrechtsgarantie (Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG; vgl. BVerfGE 67, 329/341). Die Einschränkung der Testierfreiheit durch die Anwendung der Generalklausel des § 138 Abs. 1 BGB kommt nur in Betracht, wenn sich das Verdikt der Sittenwidrigkeit auf eine klare, deutlich umrissene Wertung des Gesetzgebers oder allgemeine Rechtsauffassung stützen kann (BGHZ 123, 368/378; BayObLZ 1996, 204/225; 1997, 374/376).

Aus den Feststellungen der Tatsacheninstanz zum Verhalten der Beteiligten zu 1 ergeben sich jedoch keine Anhaltspunkte dafür, dass diese die ihr vom Erblasser eingeräumte Vertrauensposition dazu missbraucht hat, dem Erblasser entgegen allgemein anerkannten Anforderungen an die Rechts- und Sozialmoral zu einer sie begünstigenden letztwilligen Verfügung zu bewegen. Insbesondere ist das Vorbringen der Beteiligten zu 1, erst nach dem Tod des Erblassers von dem Testament, mit dem sie zur Alleinerbin eingesetzt wurde, erfahren zu haben, unwiderlegt geblieben.

3. Im Hinblick auf die sich aus dem Gesetz ergebende Kostenfolge bedarf es keiner Entscheidung über die Gerichtskosten im Verfahren der weiteren Beschwerde. Die Erstattungsanordnung beruht auf § 13a Abs. 1 Satz 2 FGG.

Das Landgericht hat bei seiner Entscheidung, der Beteiligten zu 2 die Erstattung der Kosten, die der Beteiligten zu 1 im Beschwerdeverfahren entstanden sind, nicht aufzuerlegen, die zwingende Vorschrift des § 13a Abs. 1 Satz 2 FGG nicht beachtet. Insoweit war der Beschluss des Landgerichts vom 22.4.2002 in Ziffer II. auf die Anschlussbeschwerde der Beteiligten zu 1 (vgl. Keidel/Zimmermann FGG 14. Aufl. § 20 a Rn. 4) entsprechend abzuändern.

4. Von der Festsetzung des Wertes der weiteren Beschwerde (§ 131 Abs. 2, § 30 KostO), für die es wesentlich aus dem Wert des Nachlasses nach Abzug der Nachlassverbindlichkeiten im Zeitpunkt des Erbfalls und das wirtschaftliche Interesse der Rechtsbeschwerdeführerin am Erfolg ihres Rechtsmittels ankommt, sieht der Senat derzeit ab. Da der Wert des Nachlasses nicht feststeht, hat auch das Landgericht im Beschwerdeverfahren noch keine Wertfestsetzung vorgenommen. Außerdem wird die Tatsacheninstanz zur Bemessung des wirtschaftlichen Interesses der Beschwerdeführerin noch Feststellungen zur Höhe der Erbquote zu treffen haben, welche die Beschwerdeführerin aufgrund der von ihr geltend gemachten gesetzlichen Erbfolge erstrebt.

Ende der Entscheidung

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