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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 27.07.2001
Aktenzeichen: 1Z BR 73/00
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 2247 Abs. 1
Zur Frage, inwieweit die auf einem Sachverständigengutachten gestützte Beweiswürdigung des Landgerichts hinsichtlich der Echtheit eines eigenhändigen Testaments überprüft werden kann.
Der 1. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung des Präsidenten Gummer sowie der Richter Seifried und Zwirlein

am 27. Juli 2001

in der Nachlasssache

beschlossen:

Tenor:

I. Die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 2 gegen den Beschluss des Landgerichts Schweinfurt vom 13. März 2000 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass in Abänderung von Nr. 3 dieses Beschlusses der Beschwerdewert auf 50000 DM festgesetzt wird.

II. Der Geschäftswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf 50000 DM festgesetzt.

Gründe:

I.

Der am 11.3.1999 im Alter von 69 Jahren verstorbene Erblasser war in zweiter Ehe mit der Beteiligten zu 1 verheiratet. Der Beteiligte zu 2 ist sein Sohn aus erster, mit Urteil vom 24.10.1989 geschiedener Ehe.

Der Erblasser hatte mit seiner ersten Ehefrau am 17.8.1966 einen Ehe- und Erbvertrag geschlossen, mit dem sich die Eheleute gegenseitig zu alleinigen und ausschließlichen Erben eingesetzt hatten. Das Nachlassgericht hat außerdem ein handschriftlich verfasstes Testament vom 24.8.1990 eröffnet, das mit dem Namen des Erblassers unterzeichnet ist und lautet:

Ich... verfüge hiermit, dass mein gesamtes Vermögen nach meinem Tode meiner Frau... (Beteiligte zu 1) gehört.

Die Beteiligte zu 1 hat einen Erbschein beantragt, der bezeugen soll, dass der Erblasser aufgrund des Testaments vom 24.8.1990 von ihr allein beerbt wurde.

Der Beteiligte zu 2 bestritt die Echtheit dieses Testaments. Das Nachlassgericht hat nach Einholung eines Sachverständigengutachtens, das zu dem Ergebnis kam, das Testament sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vom Erblasser eigenhändig geschrieben worden, am 14.10.1999 den von der Beteiligten zu 1 beantragten Erbschein erteilt.

Die vom Beteiligten zu 2 eingelegte Beschwerde "mit dem Ziel der Anweisung an das Nachlassgericht zur Einziehung des Erbscheins" hat das Landgericht mit Beschluss vom 13.3.2000 zurückgewiesen.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die mit Anwaltsschriftsatz vom 7.4.2000 eingelegte weitere Beschwerde des Beteiligten zu 2.

II.

Die zulässige weitere Beschwerde (§ 27 Abs. 1, § 29 Abs. 1 und 4, § 20 FGG) hat in der Sache keinen Erfolg. Die angefochtene Entscheidung hält der rechtlichen Nachprüfung (§ 27 Abs. 1 FGG, §§ 550, 561 Abs. 2 ZPO) stand.

1. Das Landgericht ist ohne Rechtsfehler von der Zulässigkeit der Erstbeschwerde des Beteiligten zu 2 ausgegangen. Mit seinen Einwendungen gegen die Echtheit des Testaments vom 24.8.1990 beansprucht er die Stellung eines gesetzlichen Miterben zu 1/2 (§§ 1924, 1931, 1371 Abs. 1 BGB). Der erteilte Erbschein würde sein Recht als Miterbe zu 1/2 nicht ausweisen und es dadurch beeinträchtigen (§ 20 Abs. 1 FGG).

2. Das Landgericht hat ferner rechtlich zutreffend angenommen, dass der Erbvertrag des Erblassers mit seiner ersten Ehefrau vom 17.8.1966 infolge der Scheidung unwirksam geworden ist (§§ 2279, 2077 Abs. 1 BGB) und daher der Wirksamkeit einer späteren Verfügung von Todes wegen nicht entgegensteht (vgl. § 2289 Abs. 1 Satz 2 BGB).

3. Die Feststellung des Landgerichts, dass das Testament vom 24.8.1990 das Formerfordernis des § 2247 Abs. 1 BGB erfüllt, also vom Erblasser eigenhändig geschrieben und unterschrieben wurde, und seine Auslegung im Sinne einer Einsetzung der Beteiligten zu 1 zur Alleinerbin begegnen keinen rechtlichen Bedenken.

a) Die Frage, ob ein als letztwillige Verfügung in Betracht kommendes Schriftstück vom Erblasser eigenhändig geschrieben und unterschrieben wurde und somit als formgültiges Testament angesehen werden kann (§ 2247 Abs. 1 BGB), liegt auf tatsächlichem Gebiet (BayObLG FamRZ 1992, 1206). Die hierzu vom Gericht der Tatsacheninstanz getroffenen Feststellungen können im Verfahren der weiteren Beschwerde nur daraufhin überprüft werden, ob sie auf einem Rechtfehler beruhen (vgl. BayObLG aaO). Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn der Sachverhalt nicht ausreichend ermittelt und damit gegen § 12 FGG verstoßen wurde, oder wenn die Beweiswürdigung fehlerhaft ist (BayObLG aaO).

b) Die Beschwerdekammer hat ihre Überzeugung, das Testament vom 24.8.1990 sei vom Erblasser eigenhändig geschrieben und unterschrieben worden, im wesentlichen auf das Gutachten des Sachverständigen für Handschriftenvergleich Dr. H. gestützt. Das ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

aa) Sachverständigengutachten unterliegen der freien Beweiswürdigung. Aus den Darlegungen des Landgerichts geht hervor, dass es das Gutachten auf seinen sachlichen Gehalt und seine logische Schlüssigkeit überprüft und für überzeugend befunden hat. Es hatte aus Rechtsgründen keinen Anlass, das dem Sachverständigen vorliegende Vergleichsmaterial für unzureichend zu halten, da es dem Sachverständigen genügte, um das Testament mit höchstmöglicher Wahrscheinlichkeit als echt beurteilen zu können und nicht ersichtlich war, dass das Vorliegen weiterer Vergleichsschriften im original die Sicherheit der Beurteilung hätte erhöhen können; dem Gutachter lagen ohnehin vier Seiten von der Hand des Erblassers im original vor und weitere 13 Seiten in Kopie, so dass er beurteilen konnte, ob das Vorliegen dieser Seiten im original die Begutachtung der Echtheit erleichtern würde. Da das Gutachten keinen entsprechenden Hinweis enthält, vielmehr aufgrund des vorhandenen Materials zu einem Urteil mit höchstmöglicher Wahrscheinlichkeit kommt, konnte das Landgericht davon ausgehen, dass es dem Sachverständigen weiteres Vergleichsmaterial (im Original) nicht zur Verfügung stellen musste.

Aus dem gleichen Grund verstieß das Landgericht auch nicht gegen seine Ermittlungspflicht, wenn es die Heiratsurkunde des Erblassers vom 24.8.1990 nicht zuzog, auf der sich eine weitere Unterschrift des Erblassers befunden hätte. Zu einer Erschöpfung aller überhaupt möglichen Ermittlungen ist das im Beschwerdeverfahren an die Stelle des Nachlassgerichts tretende Landgericht nicht verpflichtet. Es darf die Ermittlungen abschließen, wenn es den Sachverhalt für so vollständig aufgeklärt erachtet, dass von weiteren Ermittlungen kein sachdienliches, die Entscheidung beeinflussendes Ergebnis mehr zu erwarten ist (BayObLGZ 1979, 256/262; 1956, 377/384; Keidel/Kayser FGG 14. Aufl. § 12 Rn. 86). Der Schriftsachverständige hatte für alle charakteristischen Merkmale der Schrift des Testaments vom 24.8.1990 Parallelen in den ihm vorliegenden Original-Vergleichsschriften des Erblassers gefunden mit Ausnahme lediglich der Form des "T" und "F", die so in den Vergleichsschriften - unter Einschluss der 13 nur in Kopien vorliegenden Seiten - nicht vorkam; dafür aber konnte der Sachverständige eine analoge Bewegungsführung im "P" und "J" der Vergleichsschriften feststellen, woraus sich ergab, dass auch die von den Vergleichsschriften abweichende Formung des "T" und "F" der Schrift des Erblassers nicht fremd war. Zudem sprach ganz entscheidend für die Echtheit des Testaments, dass es keine Anzeichen aufwies, wie sie bei einer Fälschung zu erwarten gewesen wären; insbesondere stimmte die Schreibdruckgebung mit der der verglichenen Schriften überein, was bei einer Freihandfälschung nach den Ausführungen des Sachverständigen praktisch unmöglich gewesen wäre. Es war daher für das Landgericht durchaus nachvollziehbar, dass der Sachverständige bereits mit dem ihm vorliegenden Vergleichsmaterial zu der Beurteilung des Testaments als echt mit höchstmöglicher Wahrscheinlichkeit kommen konnte, und es lag deswegen kein Rechtsfehler darin, dass es zur Beschaffung weiteren Vergleichsmaterials keinen Anlass sah.

bb) Das Landgericht musste auch aus Rechtsgründen dem Antrag des Beteiligten zu 2, ein Obergutachten des Sachverständigen W. zur Frage der Echtheit des Testaments zu erholen, nicht stattgeben. Die Anordnung, durch einen anderen Sachverständigen ein neues Gutachten erstatten zu lassen (§ 15 Abs. 1 FGG, § 412 Abs. 1 ZPO), liegt im pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts; es ist an einen entsprechenden Beweisantrag nicht gebunden. Die Anordnung eines weiteren Gutachtens könnte bei besonders schwierigen Fragen oder groben Mängeln des vorliegenden Gutachtens in Betracht kommen sowie dann, wenn Zweifel an der Sachkunde des bisherigen Gutachters bestünden, wenn dessen Gutachten Widersprüche enthielte oder wenn ein neuer Sachverständiger über Forschungsmittel verfügte, die denen des früheren überlegen wären (BayObLG NJW-RR 1991, 1098/ 1101). Es begegnet keinen rechtlichen Bedenken, dass das Landgericht keinen solchen Grund zur Anordnung eines weiteren Gutachtens für gegeben erachtete, insbesondere, dass es den ,mit Schriftsatz des Beteiligten zu 2 vom 2.3.2000 vorgelegten Unterlagen über den Sachverständigen W. nicht entnehmen konnte, dass dieser über bessere Erkenntnisse und eine bessere Methodik verfüge, als der Sachverständige Dr. H..

cc) Die vom Beteiligten zu 2 gegen die Echtheit des Testaments angeführten "äußeren Umstände" hat das Landgericht gewürdigt; sie haben aber seine Überzeugung von der Echtheit des Testaments nicht erschüttern können. Auch insoweit ist die Beweiswürdigung aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Insbesondere musste das Landgericht die Formulierung- "Alles weitere steht dann in meinem Testament" im Schreiben des Erblassers an die Raiffeisenbank vom 29.3.1998 nicht als zwingenden Hinweis auf das Nichtvorhandensein eines Testaments zu diesem Zeitpunkt werten, wie der Beteiligte zu 2 meint, sondern konnte sie ohne Rechtsfehler auch als möglichen Hinweis auf die Absicht des Erblassers werten, ein anderes Testament zu errichten.

4. Das Landgericht hat im Ergebnis zu Recht auch dem aus den Briefen des Erblassers ersichtlichen Umstand keine rechtserhebliche Bedeutung beigemessen, dass die Beteiligte zu 1 im Juni 1998 aus der gemeinsamen Ehewohnung ausgezogen war und seither getrennt vom Erblasser lebte. In den Schreiben des Erblassers wird zwar insoweit, ebenso wie in der Begründung der weiteren Beschwerde, von einem "Scheidungsverfahren" gesprochen. Das Nachlassgericht hat aber ermittelt, dass kein Scheidungsverfahren anhängig gemacht worden war, vielmehr lediglich ein Unterhaltsverfahren, was die Beteiligte zu 1 mit ihrem Schreiben vom 26.1.2000 bestätigt hat. Es liegt daher keiner der Unwirksamkeitsgründe des § 2077 Abs. 1 BGB vor.

5. Eine Entscheidung über die Gerichtskosten ist nicht veranlasst, da sich unmittelbar aus der Kostenordnung selbst ergibt, dass sie vom Beteiligten zu 2 als demjenigen, der das erfolglose Rechtsmittel eingelegt hat, zu tragen sind.

Auch einer Anordnung der Kostenerstattung nach § 13a Abs. 1 Satz 2 FGG bedarf es nicht, weil die Beteiligte zu 1 im Verfahren der weiteren Beschwerde nicht hervorgetreten ist (Keidel/Zimmermann § 13a Rn. 16).

6. Für den gemäß § 131 Abs. 2, § 30 Abs. 1, § 31 Abs. 1 Satz 1 KostO zu bestimmenden Geschäftswert der weiteren Beschwerde ist die Bedeutung des Rechtsmittels für den Beschwerdeführer maßgebend. Der Beschwerdeführer erstrebte mit diesem, eine Miterbenstellung zu 1/2 zu erlangen, statt aufgrund des Pflichtteilsrechts nur zu 1/4 am Nachlasswert beteiligt zu sein (vgl. oben unter 1). Sein Interesse kann daher mit 1/4 des Reinnachlasses bewertet werden, also - ausgehend von dem Nachlassverzeichnis vom 11.3.1999 mit aufgerundet 50000 DM.

Entsprechend war die Geschäftswertfestsetzung des Landgerichts für das Beschwerdeverfahren abzuändern (§ 31 Abs. 1 Satz 2 KostO).

Ende der Entscheidung

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