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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 23.09.2004
Aktenzeichen: 1Z BR 75/04
Rechtsgebiete: BNotO, WEG


Vorschriften:

BNotO § 15 Abs. 2 Satz 1
WEG § 18
WEG § 19
WEG § 53
WEG § 58
1. Gegen den Beschluss des Notars, mit dem das Versteigerungsverfahren nach §§ 53 ff. WEG eingestellt wird, ist die Beschwerde nach § 15 Abs. 2 Satz 1 BNotO gegeben.

2. Der Notar darf die Fortsetzung des Versteigerungsverfahrens trotz freihändiger Übertragung des Wohnungseigentums durch den Verurteilten auf einen Dritten nicht verweigern, wenn zwischen den Verfahrensbeteiligten Streit über die Erfüllungswirkung der Übertragung besteht.


Gründe:

I.

Die Beteiligten zu 1 bis 4 haben gegen den Beteiligten zu 5 das rechtskräftige Endurteil des Amtsgerichts München (Az. 483 C 2/97 WEG) vom 28.1.1999 erwirkt, mit dem der Beteiligte zu 5 verurteilt wurde, sein Wohnungseigentum zu veräußern. Die Beteiligten zu 2 und 3 haben beantragt, die freiwillige Versteigerung des Wohnungseigentums durchzuführen. Zur Sicherung des Anspruchs auf Übertragung des Eigentums an den künftigen Ersteigerer wurde am 5.9.2002 eine Vormerkung im Grundbuch eingetragen. Der Beteiligte zu 5 hat mit notarieller Urkunde vom 23.3.2004 die Auflassung an den Beteiligten zu 6, seinen Sohn, erklärt; diese wurde am 29.3.2004 im Grundbuch eingetragen. Mit Beschluss vom 6.4.2004 hat der Notar das Verfahren der freiwilligen Versteigerung eingestellt.

Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1 bis 4 hat das Landgericht München I mit Beschluss vom 15.7.2004 den Beschluss des Notars vom 6.4.2004 aufgehoben und diesen angewiesen, das Versteigerungsverfahren fortzusetzen. Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 5 und 6.

II.

1. Die weitere Beschwerde ist zulässig (§ 15 Abs. 2 BNotO, §§ 27, 29 FGG). Gegen den Beschluss des Notars, das Verfahren der freiwilligen Versteigerung einzustellen, ist die Beschwerde nach § 15 Abs. 2 Satz 1 BNotO statthaft. Das Verfahren der sofortigen Beschwerde nach § 58 Abs. 1 WEG, in dem eine weitere sofortige Beschwerde nicht gegeben ist, findet nur statt gegen die Verfügung des Notars, durch die die Versteigerungsbedingungen festgesetzt werden, sowie gegen seine Entscheidung über den Zuschlag. In allen sonstigen Fällen verbleibt es bei der Beschwerdemöglichkeit nach § 15 Abs. 2 Satz 1 BNotO (vgl. KG FGPrax 2004, 91; Niedenführ/Schulze WEG 7. Aufl. § 58 Rn. 1; Merle in Bärmann/Pick/Merle WEG 9. Aufl. § 58 Rn. 2; Soergel/Stürner BGB 12. Aufl. § 58 WEG Rn. 1; Staudinger/Kreuzer BGB 12. Aufl. § 58 WEG Rn. 1; a.A. Bärmann/Pick WEG 15. Aufl. § 58 Rn. 1; Palandt/Bassenge BGB 63. Aufl. § 58 WEG Rn. 1; MünchKomm BGB/Commichau 4. Aufl. § 58 WEG Rn. 5). § 58 Abs. 1 WEG ist als Sonderregelung nur auf die in dieser Vorschrift ausdrücklich genannten Maßnahmen anwendbar. Sie schließt die Beschwerde nach § 15 Abs. 2 Satz 1 BNotO gegen andere Maßnahmen im Rahmen des Verfahrens der freiwilligen Versteigerung nicht aus.

2. Das Landgericht hat ausgeführt: Die Beschwerde sei zulässig. Eines vorherigen Beschlusses der Eigentümergemeinschaft bedürfe es nicht, da die Beschwerdeführer aus eigenem Recht einen zu ihren Gunsten ergangenen Titel vollstreckten und sich deshalb als Verfahrensbeteiligte im Versteigerungsverfahren aus eigenem Recht gegen dessen Einstellung wenden könnten. Die Beschwerde sei auch begründet, da dem Notar eine Entscheidung über die Einstellung des Versteigerungsverfahrens bei Veräußerung des Wohnungseigentums an einen Dritten jedenfalls dann nicht zustehe, wenn die Erfüllungswirkung dieser Veräußerung zwischen den Beteiligten streitig sei. Dem Notar komme in entsprechender Heranziehung der zum Klauselerteilungsverfahren nach § 52 BeurkG entwickelten Grundsätze auch im Verfahren über die freiwillige Versteigerung von Wohnungseigentum regelmäßig nur ein formelles Prüfungsrecht zu. Die Entscheidung, ob infolge der Eigentumsumschreibung auf einen Dritten der Anspruch aus dem weiterhin vollstreckbaren Titel erloschen sei, obliege nach § 767 ZPO dem Prozessgericht im Rahmen einer vom Titelschuldner zu erhebenden Vollstreckungsgegenklage. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz bestehe im Rahmen des § 52 BeurkG nur dann, wenn es offensichtlich sei, dass ein zu vollstreckender Anspruch nicht mehr bestehe. Ein solcher Fall liege nach der Rechtsprechung aber bereits dann nicht mehr vor, wenn ungeklärte Rechtsfragen im Raume stünden. Hier gebe es darüber hinaus Anhaltspunkte dafür, dass die Veräußerung an den Beteiligten zu 6 keine Erfüllungswirkung entfalte. Die Rechtsauffassung des Notars, wonach der Vollzug der Auflassung an einen Dritten im Grundbuch in jedem Fall die Beendigung des Verfahrens bewirke, führe im Ergebnis dazu, dass gesetzeswidrig die Last zur Klage vom Schuldner auf den Gläubiger verlagert werde.

3. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung stand (§ 15 Abs. 2 Satz 2 BNotO, § 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO).

a) Zutreffend hat das Landgericht die Zulässigkeit der Erstbeschwerde bejaht. Für die Einlegung der Beschwerde ist ebenso wenig ein Beschluss der Eigentümergemeinschaft erforderlich wie für den Antrag auf Versteigerung des Wohnungseigentums. Der auf das rechtskräftige Entziehungsurteil gestützte Antrag auf Versteigerung kann nach § 54 Abs. 1 WEG von jedem derjenigen Wohnungseigentümer gestellt werden, die das Urteil erwirkt haben. Einer Beschlussfassung der Eigentümergemeinschaft bedarf es nur zur Erhebung der Entziehungsklage (§ 18 Abs. 3 WEG), nicht jedoch für den Antrag auf Versteigerung aufgrund des rechtskräftigen Urteils (vgl. Merle aaO § 54 Rn. 2).

Es bestand auch keine Unklarheit über die Identität der Beschwerdeführer. In der Beschwerdeschrift vom 16.4.2004 wird ausdrücklich auf den Schriftsatz vom 7.4.2004 Bezug genommen, in dem die Beteiligten zu 1 bis 4 als Beschwerdeführer, der Beteiligte zu 5 als Beschwerdegegner bezeichnet sind.

b) Zu Recht geht das Landgericht auch davon aus, dass der für die Durchführung des Versteigerungsverfahrens nach § 53 Abs. 1 WEG, § 20 Abs. 3 BNotO zuständige Notar nicht berechtigt ist, das Versteigerungsverfahren endgültig einzustellen, wenn zwischen den Beteiligten streitig ist, ob die Verpflichtung aus dem rechtskräftigen Entziehungsurteil durch die Übertragung des Eigentums an einen Dritten Erfüllungswirkung hat. Das Landgericht ist insoweit der Rechtsprechung des Kammergerichts (FGPrax 2004, 91) gefolgt, der sich auch der Senat anschließt.

aa) Das Verfahren nach §§ 53 ff. WEG dient der Vollstreckung eines rechtskräftigen Urteils, mit dem ein Wohnungseigentümer zur Veräußerung seines Wohnungseigentums verpflichtet wird. Die freiwillige Versteigerung kommt einer Vollstreckungshandlung gleich, der Notar wird im Versteigerungsverfahren als Vollstreckungsorgan tätig (vgl. Merle in Bärmann/Pick/Merle WEG § 53 Rn. 1). Der Notar ist deshalb nicht befugt, einen Streit der Beteiligten über Einwendungen zu entscheiden, die den durch das Urteil festgestellten Anspruch selbst betreffen. Die materielle Rechtslage ist nicht im Vollstreckungsverfahren zu klären, der Schuldner muss vielmehr Einwendungen gegen den vollstreckbaren Anspruch mit Vollstreckungsgegenklage geltend machen und gegebenenfalls eine einstweilige Anordnung des Prozessgerichts nach § 769 Abs. 1 ZPO erwirken (KG aaO S. 92 m.w.N.). Das entspricht dem im Vollstreckungsrecht geltenden Grundsatz, wonach der streitige Erfüllungseinwand grundsätzlich vom Schuldner im Rahmen der Vollstreckungsgegenklage geltend zu machen ist (vgl. OLG München NJW-RR 2002, 1034/1035 ; Zöller/Stöber ZPO 24. Aufl. § 775 Rn. 12; Thomas/Putzo ZPO 26. Aufl. § 887 Rn. 4). Auch die Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung nach § 52 BeurkG kann der Notar nur dann verweigern, wenn zweifelsfrei feststeht, dass der titulierte Anspruch nicht mehr besteht.

bb) Entsprechend diesen Grundsätzen kann der Notar als Vollstreckungsorgan von der weiteren Durchführung des Versteigerungsverfahrens nur dann absehen, wenn unstreitig ist oder zweifelsfrei feststeht, dass die titulierte Verpflichtung erfüllt ist.

Das ist hier nicht der Fall: Zwar kann die titulierte Veräußerungsverpflichtung auch durch die bis zur Erteilung des Zuschlags mögliche freihändige Übertragung des Eigentums auf einen Dritten erfüllt werden (vgl. Soergel/Stürner § 19 WEG Rn. 1; Niedenführ/Schulze § 19 Rn. 1). Es sind jedoch auch Fälle denkbar, in denen die freihändige Eigentumsübertragung nicht zur Erfüllung des titulierten Anspruchs führt, weil es sich um ein Umgehungsgeschäft handelt, das der Gläubiger gemäß § 242 BGB nicht als Erfüllung gegen sich gelten lassen muss. Diese Möglichkeit kommt hier jedenfalls in Betracht. Auch bestreiten die Beteiligten zu 1 bis 4, dass der Beteiligte zu 5 mit der Übertragung des Eigentums auf seinen Sohn die Verpflichtung aus dem vollstreckbaren Titel erfüllt hat.

cc) Die Entscheidung darüber, ob die Verpflichtung aus dem Vollstreckungstitel durch Erfüllung erloschen ist oder weiterhin besteht, hat nicht der Notar zu treffen, der (nur) als Vollstreckungsorgan tätig wird. Der Notar ist deshalb nicht befugt, das Verfahren der freiwilligen Versteigerung schon dann endgültig einzustellen, wenn eine Eigentumsübertragung auf einen Dritten erfolgt ist, deren Erfüllungswirkung von den Gläubigern bestritten wird. Diese Frage ist vielmehr im Rahmen der vom Schuldner zu erhebenden Vollstreckungsgegenklage zu klären. Eine endgültige Einstellung der freiwilligen Versteigerung vor der rechtskräftigen Entscheidung über die Vollstreckungsgegenklage kommt deshalb nicht in Betracht.

c) Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer trägt der Notar mit der Fortführung des Versteigerungsverfahrens auch nicht zum Abschluss eines unwirksamen Rechtsgeschäfts bei. Für den Erwerber aufgrund der freiwilligen Versteigerung ist eine Vormerkung im Grundbuch eingetragen, die im Rang der Auflassung an den Beteiligten zu 6 vorgeht. Diese Vormerkung sichert den materiell-rechtlichen Anspruch der Titelgläubiger auf Eigentumsübertragung an den Ersteigerer, und zwar gemäß § 883 Abs. 2 BGB auch in Ansehung einer anderweitigen Eigentumsübertragung, soweit diese den gesicherten Anspruch vereiteln würde. Die nach Eintragung der Vormerkung erfolgte Übertragung des Eigentums auf den Beteiligten zu 6 macht deshalb eine Eigentumsübertragung auf den Ersteigerer nicht unmöglich. Der Beteiligte zu 6 ist vielmehr nach § 888 Abs. 1 BGB verpflichtet, seine Zustimmung zur Eigentumsumschreibung auf den Ersteigerer zu erteilen.

d) Der Notar hat den Fortgang des Verfahrens im Rahmen des ihm nach § 53 ff. WEG eingeräumten Ermessens zu bestimmen. Es steht ihm frei, zunächst eine Frist zu bestimmen, innerhalb welcher der Beteiligte zu 5 eine Entscheidung des Prozessgerichts über die vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung nach § 769 ZPO beibringen kann.

4. Eine Entscheidung über die Gerichtskosten ist nicht veranlasst, da sich aus der Kostenordnung ergibt, wer sie zu tragen hat. Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 131 Abs. 2, § 30 Abs. 2 KostO. Das Interesse der Rechtsbeschwerdeführer, die endgültige Einstellung des Verfahrens der freiwilligen Versteigerung zu erreichen, schätzt der Senat auf 50.000 EUR.

Die Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten beruht auf § 13a Abs. 1 Satz 2 FGG.



Ende der Entscheidung

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