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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 16.03.2005
Aktenzeichen: 1Z BR 77/04
Rechtsgebiete: BGB, FGG


Vorschriften:

BGB § 133
BGB § 2084
BGB § 2087
BGB § 2267
BGB § 2358
FGG § 12
1. Auslegung eines gemeinschaftlichen Testaments, in dem die kinderlosen Ehegatten ihr Immobilienvermögen nach dem Tod des Letztversterbenden unter Übergehung der Schwester der Ehefrau den drei Familienstämmen der Kinder der Schwester zuwenden.

2. Zur Pflicht der Tatsacheninstanzen, Beweisangeboten zur Ermittlung des Erblasserwillens nachzugehen.


Gründe:

I.

Die am 24.11.2001 im Alter von 86 Jahren verstorbene Erblasserin war verwitwet und kinderlos. Ihre nächsten noch lebenden Verwandten sind ihre ältere und einzige Schwester A. (Beteiligte zu 11) sowie deren drei Kinder B. (Beteiligter zu 1), H. (Beteiligte zu 4) und R. (Beteiligte zu 8) und Kindeskinder (Großneffen und Großnichten der Erblasserin: Beteiligte zu 2 und 3, Beteiligte zu 5 bis 7, Beteiligte zu 9 und 10). Der 1988 vorverstorbene Ehemann der Erblasserin hatte keine lebenden nahen Verwandten.

Ein handschriftliches gemeinschaftliches Testament der Eheleute vom 31.3.1977 hat im Wesentlichen folgenden Wortlaut:

Sterbe ich ... (Ehemann) vor meiner Frau (Erblasserin), so fallen Haus und Grundstück, L. an meine Frau und soll sie ihr mütterliches und väterliches Erbe allein erben. Sterbe ich (Erblasserin) vor meinem Mann, so soll mein Anteil an Haus und Grundstück U. an B. mit Kindern und H. mit Kindern fallen. Die meinem Mann zufallenden Grundstücke würden im Fall seines Ablebens wieder an meine Schwester, A. bzw. ihre Kinder zurückgehen.

Für die Zeit seines Lebens soll mein Mann das Nutzrecht an solchen Äckern, Wiesen und Wäldern haben. Außerdem gilt, daß Haus und Grundstück L. ganz an meinen Mann fallen.

Wir bestimmen hiermit, daß nach dem Tode des zuletzt Versterbenden unser Grundstück und Haus L. an R. und ihre Kinder M. und N. zu gleichen Teilen fallen soll. Den Inhalt des Hauses mag A. mit ihren Kindern und Kindeskindern teilen. Wir bestimmen ferner, daß der Anteil von (Erblasserin) an Haus und Grundstück U. zu gleichen Teilen an B. mit Kindern und H. mit Kindern fallen soll, daß der Anteil von (Erblasserin) an den übrigen Grundstücken (Wiesen, Äcker, Wäldern) zu möglichst gleichen Teilen an B. mit Kindern, an R. mit Kindern und an H. mit Kindern fallen soll. Familie H. soll für ihren Hausbau 20.000 DM erhalten.

31. März 1977

(Unterschriften)

1. Zusatz:

In Folge der Scheidung von R. verfügen wir, daß die oben genannten Anteile für sie ihr zufallen sollen, nicht aber ihrem geschiedenen Mann, oder einem ihm zugeschriebenen Kind.

Außerdem soll unser Patenkind M. 10.000 DM aus unseren Wertpapieren (Sparbriefe) bei der Sparkasse H. und Hypobank H. und soll unser Patenkind N. 20.000 DM aus unserem Sparguthaben bei der Sparkasse bekommen.

Bausparkasse und Lebensversicherung sollen dem Straßenbauanteil L. dienen.

31.03.1977

(Unterschriften)

2. Zusatz:

Wir sind übereingekommen, daß auch im Falle einer zweiten Eheschließung des verbleibenden Partners unser Haus und Grundbesitz nicht auf die Seite des eventuellen zweiten Ehepartners fallen soll, sondern an R. mit Kindern.

1.4.1977

(Unterschriften)

Der Nachlass besteht im Wesentlichen aus dem Anwesen L., dessen Wert das Landgericht mit 500.000 DM angenommen hat, dem 1/2-Anteil der Erblasserin am Anwesen U. (190.000 DM) und dem 1/2-Anteil der Erblasserin am Grundbesitz "Äcker, Wiesen, Wald" (252.000 DM) sowie Geldvermögen in Höhe von rund 300.000 DM. Das Anwesen L. war von den Eheleuten als Miteigentum zu je 1/2 erworben worden, ob der Anteil des Ehemannes bei dessen Tod auf die Erblasserin übergegangen ist und damit in den Nachlass fällt oder nicht (vgl. Satz 1 des gemeinschaftlichen Testaments), ist zwischen den Beteiligten streitig. Bei dem Anwesen U. und dem Grundbesitz "Äcker, Wiesen, Wald" handelt es sich um von den Eltern ererbtes Vermögen der Erblasserin und ihrer Schwester A., der, abgesehen von zwei Ackergrundstücken, die übrigen Anteile gehören.

Die Beteiligten streiten über die Auslegung des Testaments. Während die Beteiligten B. und H. und ihre Kinder von einer Erbeinsetzung der drei Familienstämme ausgehen, ist die Beteiligte R. mit ihren Kindern der Auffassung, das Testament enthalte für den Tod des Letztversterbenden nur Vermächtnisse und keine Erbeinsetzung. Nach dieser Auffassung, die in der Folgezeit vom Amtsgericht und vom Landgericht geteilt wurde, soll gesetzliche Erbfolge eingetreten und die Schwester A. der Erblasserin gesetzliche Alleinerbin geworden sein.

Für die Vertretung der hochbetagten und unter Betreuung stehenden Schwester der Erblasserin im Nachlassverfahren wurde eine Ergänzungsbetreuerin bestellt. Es ist Nachlasspflegschaft angeordnet.

Mit Beschluss vom 22.5.2003 wies das Amtsgericht die Anträge der Familienstämme B. (Beteiligte zu 1, 2, 3) und H. (Beteiligte zu 4, 5, 6, 7), ihnen Erbscheine zu im Einzelnen durch das Amtsgericht zu bestimmenden Erbquoten zu erteilen, zurück. Zugleich kündigte es für den Fall, dass ein entsprechender Antrag gestellt wird, die Erteilung eines Alleinerbscheins zugunsten der Schwester der Erblasserin an.

Gegen die Entscheidung des Amtsgerichts legte der Beteiligte zu 1 Beschwerde ein, verbunden mit dem Antrag, ihm einen Teilerbschein zu erteilen, der ihn als Erben zu 1/9, hilfsweise zu 1/10, ausweist. Das Landgericht wies die Beschwerde mit Beschluss vom 12.1.2004 zurück und ergänzte diesen Beschluss am 31.3.2004 um eine Kostenentscheidung. Nachdem zunächst kein Rechtsmittel eingelegt worden war, stellte die Ergänzungsbetreuerin für die Schwester der Erblasserin Antrag auf Erteilung des angekündigten Alleinerbscheins. Der Beteiligte zu 1 gab bekannt, er wolle bis Ende 2004 doch noch Rechtsmittel einlegen. Daraufhin fasste das Amtsgericht am 1.6.2004 den Beschluss, dass der beantragte Alleinerbschein erteilt werde, wenn nicht bis 1.9.2004 gegen die Entscheidung des Landgerichts vom 12.1.2004 ein Rechtsmittel eingelegt wird. Nunmehr legten der Beteiligte zu 1 sowie die Beteiligten zu 4, 5, 6 und 7 weitere Beschwerde ein. Die Beteiligten zu 8, 9 und 10 wenden sich gegen die weitere Beschwerde; sie haben im Hinblick auf einen von ihnen vor der streitigen Gerichtsbarkeit gegen die Beteiligten zu 1 bis 7 anhängig gemachten Zivilprozess, mit dem sie die Feststellung des Alleinerbrechts der Beteiligten zu 11 begehren, die Aussetzung des Verfahrens der weiteren Beschwerde beantragt.

II.

Die zulässigen weiteren Beschwerden führen zur Aufhebung der landgerichtlichen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.

1. Das Landgericht hat das Testament dahin ausgelegt, dass insgesamt nur Vermächtnisanordnungen getroffen worden seien, und dies im Wesentlichen wie folgt begründet:

Die Erblasserin habe gemeinsam mit ihrem vorverstorbenen Ehemann den Verbleib der Grundstücke geregelt. Auch bei Abfassung des Testaments sei ein Barvermögen vorhanden gewesen, das über den Barzuwendungen, die im Testament aufgeführt sind, gelegen habe. Auch die Eheleute seien zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung hiervon ausgegangen, wie sich aus der Formulierung ergebe, dass das Patenkind M. 10.000 DM "aus unseren Wertpapieren" und das Patenkind N. 20.000 DM "aus unserem Sparguthaben" erhalten solle. Die Eheleute hätten darüber hinaus mit Ausnahme der Zuwendung von 20.000 DM für die Familie H. keine Verfügung über ihr Barvermögen getroffen. Den Einwand des Beschwerdeführers, das Barvermögen zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung sei im Hinblick auf den Wert der Immobilien zu vernachlässigen gewesen, teile die Kammer nicht. Die Eheleute seien zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung 68 und 62 Jahre alt gewesen. Tatsächliche Vorstellungen über die weitere Entwicklung des Vermögens und die voraussichtliche Zusammensetzung des Nachlasses seien zu berücksichtigen. Im Testament selbst spreche nichts dafür, dass das Barvermögen einem oder mehreren oder allen der Bedachten zufallen solle. Die Testierenden hätten vielmehr lediglich ihre drei Grundstücke verteilt; eine Vermächtnisanordnung hinsichtlich der Grundstücke komme dem Willen der Testierenden am nächsten. Die Auffassung, dass insgesamt nur Vermächtnisanordnungen getroffen worden seien, und zwar nicht nur im Hinblick auf den Tod des zuletzt Verstorbenen, decke sich auch mit der Erklärung der Erblasserin im Nachlassverfahren nach dem Versterben ihres Mannes, bei Abfassung des Testaments seien beide Eheleute davon ausgegangen, dass im Falle des Ablebens des Ehemannes sie, die Ehefrau, Alleinerbin sein solle.

Es sei auch nach dem Wortlaut des Testaments nicht davon auszugehen, dass die Eheleute nach ihrem beiderseitigen Versterben die jeweiligen Stämme zu gleichen Teilen begünstigen wollten. Die Zuwendung der jeweiligen Grundstücke sei vielmehr konkret an einen Stamm erfolgt, dem wiederum untereinander zu gleichen Teilen dieser Vermögensgegenstand zufallen sollte.

Die Testierenden seien sich im Übrigen bewusst gewesen, dass die Schwester der Erblasserin deren gesetzliche Erbin ist; dies zeige die Formulierung "Den Inhalt des Hauses L. mag A. mit ihren Kindern und Kindeskindern teilen". Lediglich Haus und Grundstück ohne Inventar habe daher an R. und ihre Kinder zu gleichen Teilen fallen sollen, während das Inventar bei A. als gesetzliche Erbin verbleiben sollte.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO). Das Landgericht hat bei der Auslegung des gemeinschaftlichen Testaments wesentliche Umstände nicht berücksichtigt und den für die Auslegung der letztwilligen Verfügung maßgeblichen Sachverhalt nicht ausreichend ermittelt.

a) Die Auslegung des Landgerichts, dass die Ehegatten in ihrem gemeinschaftlichen Testament (§ 2267 BGB) insgesamt nur Vermächtnisanordnungen getroffen hätten, "und zwar nicht nur im Hinblick auf den Tod des zuletzt Verstorbenen", begegnet schon aus sich heraus durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Sie lässt jedenfalls für den hier zu beurteilenden zweiten Todesfall völlig außer Acht, dass die Eheleute nicht wissen konnten, wer von ihnen zuletzt verstirbt, mithin wessen gesetzliche Erben nach dem Tod des Letztversterbenden ohne letztwillig verfügte Erbeinsetzung zum Zuge kommen würden. Im hier eingetretenen Fall des Nachversterbens der Ehefrau wäre das die Schwester (§ 1925 BGB), im Falle des Nachversterbens des Ehemannes aber irgendwelche unbekannten entfernten Verwandten auf seiner Seite oder der Fiskus (§§ 1928 ff., 1936 BGB). Es kann ohne weiteres ausgeschlossen werden, dass die Eheleute dergleichen gewollt und etwa bewusst auf eine Erbeinsetzung für den zweiten Todesfall verzichtet haben, um gesetzliche Erbfolge eintreten zu lassen, wie das Landgericht offenbar annimmt. Der Wille der Eheleute war ganz offensichtlich darauf gerichtet, dass sowohl das Vermögen des Mannes als auch das der Erblasserin letztendlich - spätestens nach dem zweiten Todesfall - in die Verwandtschaftsseite der Erblasserin fließen soll, was vor dem Hintergrund fehlender naher Verwandter des Mannes und der Herkunft des Vermögens der Ehefrau aus deren elterlichem Erbe auch plausibel ist. Das aber ließ sich aus damaliger Sicht im Hinblick auf die Ungewissheit der Person des Letztversterbenden nur durch eine Erbeinsetzung erreichen. Das Landgericht scheint diesen gegen seine Auslegung sprechenden Gesichtspunkt gar nicht gesehen zu haben; jedenfalls hat es sich damit nicht auseinandergesetzt.

b) Die vom Beschwerdeführer geltend gemachte Auslegung des gemeinschaftlichen Testaments geht dahin, dass als Schlusserben des Letztversterbenden die drei Stämme der zwei Nichten und des Neffen der Erblasserin zu gleichen Teilen, d.h. auf gemeinschaftliche Erbteile (§ 2093 BGB) zu je ein Drittel, eingesetzt sind. Diese Auslegung ist möglich, wenn nicht nahe liegend. Jedenfalls hätte das Landgericht den auf diese Auslegung zielenden Beweisangeboten des Beschwerdeführers nachgehen müssen (§ 12 FGG, § 2358 BGB).

aa) Die Eheleute haben ihre Grundstücke bzw. Grundstücksanteile auf die drei Stämme nach der Schwester der Erblasserin verteilt (vgl. den Wortlaut des Testaments, der jeweils eines der drei Schwesterkinder nennt mit dem Zusatz "mit Kindern" oder "und ihre Kinder"). Sie haben die Bedachten aber nicht ausdrücklich als Erben bezeichnet. Das spricht nach der Auslegungsregel des § 2087 Abs. 2 BGB für eine Vermächtnisanordnung. Diese Auslegungsregel ist jedoch dann nicht anzuwenden, wenn sich ein abweichender Wille des Erblassers feststellen lässt. Ein solcher abweichender Wille des Erblassers liegt in der Regel nahe, wenn die zugewendeten Vermögensbestandteile das im Testament nicht weiter genannte Vermögen an Wert erheblich übertreffen, insbesondere wenn angenommen werden kann, der Erblasser habe in diesen Gegen-ständen - wie dies gerade bei Immobilienvermögen häufig der Fall ist - im Wesentlichen seinen Nachlass erblickt (BayObLGZ 1992, 296/299; BayObLG FamRZ 1995, 246/248; 1997, 1177/ 1178; 1999, 62/63; 2000, 60/61). Für die Feststellung, in welchem Verhältnis der Wert des zugewendeten Gegenstands zum übrigen Vermögen des Erblassers steht, sind insoweit, also hinsichtlich der Frage einer Erbeinsetzung, die Vorstellungen des Erblassers zur Zeit der Testamentserrichtung maßgebend (BayObLG FamRZ 1997, 251/252, und 1177/1178). Da eine Erbeinsetzung auf einen bestimmten Gegenstand dem deutschen Recht fremd ist, ist die Erbquote in diesem Fall in der Regel nach dem Wertverhältnis der zugewendeten Gegenstände zum Gesamtnachlass zu bestimmen; zugleich kann eine Teilungsanordnung (§ 2048 BGB) vorliegen. Ob für die Erbquote bei wesentlichen Wertveränderungen zwischen Testamentserrichtung und Erbfall der Wert im Zeitpunkt der Testamentserrichtung oder derjenige im Zeitpunkt des Erbfalls maßgebend ist, hängt davon ab, ob der Erblasser durch die Zuwendung der Gegenstände auch eine wertmäßige Verteilung des Nachlasses zum Ausdruck bringen wollte, oder ob er die Gegenstände den jeweils Bedachten zuwenden wollte, ohne dass diesen gegebenenfalls eine wertmäßige Ausgleichsverpflichtung treffen sollte.

bb) Der Beschwerdeführer hat unter Beweisantritt vorgetragen, dass die Eheleute die drei Stämme mit gleichen Erbteilen bedenken wollten. Der Wert des Grundstücks L. und des 1/2-Anteils U. sei zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung im Jahr 1977 so gewesen, dass bei der im Testament vorgenommenen Aufteilung jeder Stamm ungefähr einen gleich großen Wert erhalten würde (wie dies hinsichtlich der Wiesen, Äcker und Wälder auch ausdrücklich angeordnet ist). Die seit 1977 eingetretene Wertentwicklung habe bei der Erblasserin die Befürchtung geweckt, dass das von den Eheleuten verfolgte Ziel der Gleichbehandlung der Stämme nicht mehr erreicht werde, vielmehr der Stamm R. infolge großer Wertsteigerung des Grundstücks L. zu viel bekäme. Die Erblasserin habe sich deshalb bei einem Notar erkundigt, ob sie das Testament ändern könne, aber von diesem unter Hinweis auf die Unabänderlichkeit wechselbezüglicher Verfügungen im Ehegattentestament eine verneinende Antwort erhalten. Das entsprechende Antwortschreiben des Notars vom 2.4.1996 hat der Beschwerdeführer in Kopie vorgelegt; es nimmt Bezug auf ein (bisher nicht zu den Akten gelangtes) Schreiben der Erblasserin an den Notar vom 25.3.1996. Möglicherweise kann der Notar hierzu weiterführende Auskünfte geben. Jedenfalls bietet das - hier nur verkürzt wiedergegebene - Vorbringen des Beschwerdeführers hinreichende Anhaltspunkte für Ermittlungen des Erblasserwillens, die nicht von vornherein aussichtslos erscheinen, denen das Landgericht aber bisher nicht nachgegangen ist.

cc) Das Vorbringen des Beschwerdeführers ist auch nicht, wie die Beteiligten des Stammes R. meinen, deshalb in sich widersprüchlich, weil es bei Annahme der Prämisse, die drei Stämme seien zu gleichen Teilen eingesetzt, einer Änderung des Testaments gerade nicht bedurft hätte. Das ist zwar rechtlich richtig, verkennt jedoch, dass hier die Vorstellung der nicht juristisch ausgebildeten Erblasserin (und ihres Mannes) inmitten steht. Diese kann durchaus die laienhafte - außerhalb juristischer Fachkreise häufig anzutreffende - Vorstellung gehabt haben, dass eine Erbeinsetzung auf konkret vermachte Grundstücke möglich ist, mithin eine nach Testamentserrichtung etwa eingetretene überproportionale Wertsteigerung des einen Grundstücks gegenüber dem anderen zu einer dem gemeinsamen Willen der Eheleute nicht mehr entsprechenden (und deshalb mittels Testamentsänderung zu korrigierenden) Wertverschiebung führt.

dd) Die vom Beschwerdeführer für richtig gehaltene Auslegung wäre mit dem Wortlaut des Testaments, den allgemeinen Auslegungsgrundsätzen und den bisher ermittelten sonstigen Umständen durchaus vereinbar. Allerdings ist der Wert des im Testament nicht eigens vermachten Geldvermögens zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung nicht festgestellt und möglicherweise nicht mehr aufklärbar, so dass das damalige Verhältnis des vermachten Immobilienvermögens zum nach Abzug der Geldvermächtnisse verbleibenden Geldvermögen offen bleibt. Es ist jedoch nichts dafür ersichtlich - und auch das Landgericht geht nicht davon aus -, dass Geldvermögen in einer Größenordnung vorhanden war, die dem Grundstücksvermögen auch nur nahe kommt. Die Annahme des Landgerichts, die zum Zeitpunkt des Testierens 68 und 62 Jahre alten Eheleute hätten mit einer Vermehrung ihres Geldvermögens gerechnet und diese Entwicklung in ihre Überlegungen einbezogen, ist eine bloße, von keiner Tatsachenfeststellung getragene Spekulation. Im Übrigen würden selbst die zum Zeitpunkt des zweiten Todesfalls festgestellten Vermögenswerte eine Auslegung dahin, dass die Eheleute in ihrem - wertmäßig deutlich überwiegenden - Grundstücksvermögen, dessen Verteilung sie sich im Testament ausdrücklich und mit besonderer Sorgfalt widmen, den Schwerpunkt ihres Nachlasses gesehen haben und die so Begünstigten als Erben einsetzen wollten, keineswegs ausschließen. Das Landgericht wird ferner zu erwägen haben, ob für die Auslegung als Erbeinsetzung nicht auch der Wortlaut angeführt werden kann, wonach die Grundstücke an die jeweils bezeichneten Stämme "fallen" sollen, während im Gegensatz dazu die mit Geldbeträgen begünstigten Personen diese Zuwendungen "erhalten" oder "bekommen"; der Ausdruck, dass ein Vermögensgegenstand an eine Person "fallen" soll, drückt eher einen für die Erbeinsetzung charakteristischen unmittelbaren Rechtsübergang aus, und hebt sich schon in der Wortwahl von den Geldvermächtnissen ab. Schließlich stünde auch die vom Landgericht herangezogene Klausel "Den Inhalt des Hauses mag A. mit ihren Kindern und Kindeskindern teilen" der vom Beschwerdeführer geltend gemachten Auslegung nicht entgegen; denn diese Klausel kann ohne weiteres als Vermächtnis ausgelegt werden, wohingegen sie als vom Landgericht gebrauchtes Argument dafür, die Eheleute hätten gesetzliche Erbfolge eintreten lassen wollen, schon deshalb nicht taugt, weil zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung gar nicht feststand, dass A. gesetzliche Erbin des Letztversterbenden sein würde.

c) Für die Auslegung eines Testaments gemäß §§ 133, 2084 BGB sind alle Umstände, auch solche außerhalb der Testamentsurkunde, heranzuziehen und als Ganzes zu würdigen (BGHZ 86, 41/45 f.; BayObLGZ 1976, 67/75; 1981, 79/81 f.; 1982, 159/164 f. und st. Rspr.). Da es sich um ein gemeinschaftliches Testament handelt, kommt es nicht allein auf den Willen der Erblasserin an, um deren Verfügung es hier geht. Vielmehr ist auch zu prüfen, ob eine nach ihrem Verhalten mögliche Auslegung auch dem Willen ihres Ehemannes entsprochen hat (vgl. BGH NJW 1993, 256; BayObLGZ 1995, 197/201). Insoweit sind Erklärungen, die der überlebende Ehegatte nach dem Tod des Erstversterbenden abgegeben hat, als Anzeichen für einen im Zeitpunkt der Errichtung des gemeinschaftlichen Testaments vorhandenen Willen der Testierenden zu berücksichtigen (BayObLG FGPrax 1998, 187). Das Landgericht hätte daher den Beweisangeboten des Beschwerdeführers nachgehen müssen (§ 12 FGG, § 2358 BGB). Auf diesem Rechtsfehler beruht die Entscheidung des Landgerichts; denn es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Entscheidung bei vollständiger Aufklärung des Sachverhalts anders ausgefallen wäre. Die Sache war daher unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen.

d) Der Senat weist noch auf Folgendes hin: Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist der angefochtene Vorbescheid vom 22.5.2003 sowie der Erbscheinsantrag des Beteiligten zu 1, ihm einen Teilerbschein zu erteilen, der ihn als Miterben zu 1/9, hilfsweise zu 1/10, ausweist. Dieser neue Erbscheinsantrag, der ersichtlich an die Stelle des ursprünglich gestellten, vom Nachlassgericht zurückgewiesenen Antrags treten soll, ist als Verfahrensgegenstand beim Landgericht angefallen, obwohl er erst zusammen mit der Beschwerdeeinlegung gestellt worden ist. Der Beschwerdeschriftsatz vom 3.6.2003, der den neuen Erbscheinsantrag enthält, wurde beim Nachlassgericht eingereicht und lag dem Nachlassrichter im Zeitpunkt der Nichtabhilfeentscheidung vom 23.6.2003 vor. Das reicht nach allgemeiner Meinung aus verfahrensökonomischen Gründen aus (vgl. BayObLG FamRZ 1991, 988/989 m. w. N.).

Zur Rüge der Beteiligten des Stammes R., der Beteiligte zu 1 habe bisher die in § 2357 BGB vorgesehenen Erklärungen nicht abgegeben, ist zu bemerken, dass § 2357 BGB nur für Anträge auf Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins gilt, hier der Beteiligte zu 1 aber, was grundsätzlich zulässig ist, nur einen Teilerbschein beantragt hat.

e) Soweit das Nachlassgericht im Beschluss vom 22.5.2003 auch einen (angeblichen) Erbscheinsantrag des X. zurückgewiesen hat, geht der Beschluss ins Leere, da - wie aus den Akten ohne weiteres ersichtlich ist und vom Senat selbst festgestellt werden kann - X. im Nachlassverfahren nur als Bevollmächtigter seiner Ehefrau, der Beteiligten zu 4, aufgetreten ist und einen eigenen Erbscheinsantrag nicht gestellt, eine eigene Erbenstellung im Übrigen auch gar nicht behauptet hat. Insoweit ist auch der landgerichtliche Tatbestand unrichtig.

3. Ob die Voraussetzungen für eine Aussetzung des Verfahrens der weiteren Beschwerde im Hinblick auf den zwischen einem Teil der Beteiligten vor der streitigen Gerichtsbarkeit anhängigen Feststellungsrechtsstreit über das Erbrecht vorliegen (vgl. BayObLG FamRZ 1999, 334), kann offen bleiben; denn der Senat hält eine Aussetzung, selbst wenn sie möglich wäre, im Verfahren der weiteren Beschwerde nicht für angebracht. Eine das Erbscheinsverfahren abschließende Entscheidung wird mit vorliegendem Senatsbeschluss nicht getroffen.

4. Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht. Gerichtskosten sind im Verfahren der weiteren Beschwerde nicht angefallen (§ 131 Abs. 1 Satz 2 KostO). Über die Erstattung der außergerichtlichen Kosten wird das wieder mit der Sache befasste Beschwerdegericht zu befinden haben (vgl. Keidel/Zimmermann FGG 15. Aufl. § 13a Rn. 36, 38 ff.). Unter diesen Umständen ist auch eine Festsetzung des Geschäftswerts für das Verfahren der weiteren Beschwerde nicht erforderlich.

Ende der Entscheidung

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