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Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 30.10.2003
Aktenzeichen: 1Z BR 80/03
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 2200
Die Ernennung eines Testamentsvollstreckers aufgrund Ersuchens des Erblassers steht im pflichtgemäßen Ermessen des Nachlassgerichts (Bestätigung von BayObLGZ 1964, 153/157).
Gründe:

I.

Der im Alter von 78 Jahren verstorbene Erblasser hat mit notariellem Testament vom 1.8.1991 seine zwei Töchter, die nachverstorbene frühere Beteiligte zu 1 und die Beteiligte zu 2, zu gleichen Teilen als Erben eingesetzt. Testamentsvollstreckung ist angeordnet. Zum Testamentsvollstrecker hat der Erblasser M ernannt, die als Rechtsbeistand zugelassen war. Ferner heißt es in dem Testament auszugsweise:

"Für den Fall, daß M nicht Testamentsvollstrecker sein kann oder will oder als solcher später wegfällt, ersuche ich das Nachlaßgericht einen anderen Testamentsvollstrecker zu ernennen.

Die Testamentsvollstreckung ordne ich als Dauervollstreckung bis zum Ableben der längerlebenden der beiden Miterbinnen an.

Aufgabe des Testamentsvollstreckers ist nur die Verwaltung der Eigentumswohnung ...

Der Testamentsvollstrecker erhält für seine Tätigkeit die verkehrsübliche Vergütung."

M, die zur Betreuerin der Beteiligten zu 1 bestellt war, lehnte die Übernahme des Amtes des Testamentsvollstreckers ab. Auf Antrag der Erbinnen ernannte das Amtsgericht den Rechtsbeistand A zum Testamentsvollstrecker. Nach dessen Tod ernannte das Amtsgericht mit Beschluss vom 7.12.1995 Rechtsanwalt B zum Testamentsvollstrecker. Mit Schreiben vom 26.5.2001 beantragten die Erbinnen die "Auflösung der Verwaltung". Nach Hinweis des Amtsgerichts, dass dem Schreiben kein Grund für eine Entlassung des Testamentsvollstreckers und Aufhebung der Verwaltung zu entnehmen sei, beantragten die Erbinnen, anstelle von Rechtsanwalt B den Rechtsanwalt C (ihren späteren Verfahrensbevollmächtigten) zu ernennen. Das Amtsgericht gab wiederum den Hinweis, dass ein Grund für die Entlassung des Testamentsvollstreckers nicht ersichtlich sei. Nunmehr wollten die Erbinnen anstelle von Rechtsanwalt B den zwischenzeitlich zum Betreuer der Beteiligten zu 1 bestellten D als Testamentsvollstrecker; dieser lehnte das Ansinnen ab.

Mit Schriftsatz vom 11.3.2002 kündigte der Testamentsvollstrecker B die Niederlegung seines Amtes an, wenn an seiner Stelle die neue Betreuerin der Beteiligten zu 1, Rechtsanwältin E, zur Testamentsvollstreckerin ernannt werde. Die Erbinnen erklärten sich mit diesem Wechsel in der Person des Testamentsvollstreckers einverstanden. Mit Beschluss vom 21.3.2002 entließ das Amtsgericht den bisherigen Testamentsvollstrecker und ernannte Rechtsanwältin E zur Testamentsvollstreckerin. Diese zeigte mit Schriftsatz vom 18.9.2002 an, dass ein Betreuerwechsel stattgefunden habe; sie halte es für sinnvoll, wenn der neue Betreuer der vormaligen Beteiligten zu 1, Rechtsanwalt F (Beteiligter zu 3), auch das Amt des Testamentsvollstreckers übernehme. Die Beteiligte zu 2 nahm dahin Stellung, dass sie mit F nicht einverstanden sei; sie schlage den Heilpraktiker G als Betreuer und Testamentsvollstrecker vor. Rechtsanwalt F teilte mit, dass er nicht Betreuer, aber zur Übernahme der Testamentsvollstreckung bereit sei. Mit Schreiben vom 27.10.2002 bat die Beteiligte zu 2 um Aufhebung der Testamentsvollstreckung, da eine Testamentsvollstreckung nicht mehr notwendig sei, die Rücklagen aufgebraucht und die Kosten für einen Rechtsanwalt als Testamentsvollstrecker nicht mehr tragbar seien.

Mit Beschluss vom 3.12.2002 entließ das Amtsgericht Rechtsanwältin E als Testamentsvollstreckerin und bestellte Rechtsanwalt F zum Testamentsvollstrecker. In den Gründen ist ausgeführt, dass Rechtsanwältin E das Amt des Testamentsvollstreckers aus beruflichen Gründen habe zurückgeben müssen. Rechtsanwalt F habe sich zur Übernahme des Amtes bereit erklärt; Gründe, die gegen seine Bestellung sprächen, seien nicht ersichtlich.

Gegen diesen Beschluss legten die Erbinnen Beschwerde ein, die im Wesentlichen damit begründet ist, dass sie Rechtsanwalt F "nicht kennen" und sich Rechtsanwaltskosten auch nicht leisten könnten. Sie bäten darum, G, der ihnen bekannt sei und die Beteiligte zu 1 bestens betreue, als Testamentsvollstrecker einzusetzen. Sodann bestellte sich für die Erbinnen Rechtsanwalt C als Verfahrensbevollmächtigter und beantragte - unter Hinweis auf einen entsprechenden früheren Vorschlag der Erbinnen -, ihn zum Testamentsvollstrecker für die Beteiligte zu 2 zu ernennen.

Am 18.4.2003, also während des Beschwerdeverfahrens, verstarb die Beteiligte zu 1; sie wurde von der Beteiligten zu 2 allein beerbt.

Mit Beschluss vom 21.7.2003 wies das Landgericht, das vom Tode der Beteiligten zu 1 keine Kenntnis erlangt hatte, die Beschwerden der Beteiligten zu 1 und 2 zurück. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2, mit der sie ihr Ziel, anstelle von Rechtsanwalt F ihren Verfahrensbevollmächtigten Rechtsanwalt C zum Testamentsvollstrecker zu bestellen, weiterverfolgt.

II.

Die sofortige weitere Beschwerde ist statthaft und auch im Übrigen zulässig; sie ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt (§ 81 Abs. 1, § 27 Abs. 1, § 29 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 4, § 22 Abs. 1 FGG). Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung der Beschlüsse der Vorinstanzen und zur Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht.

1. Das Landgericht hat im Wesentlichen ausgeführt: Das Amtsgericht sei bei der Auswahl des Testamentsvollstreckers nicht an den Vorschlag der Erbinnen gebunden gewesen, zumal sich deren Vorstellung, wer Testamentsvollstrecker werden solle, sogar noch im Beschwerdeverfahren geändert habe. Der Beteiligte zu 3 sei als Rechtsanwalt grundsätzlich für das Amt geeignet. Gründe, die gegen seine Person sprächen, hätten die Erbinnen nicht vorgetragen. Die Kosten für die Testamentsvollstreckung würden auch bei dem nunmehr vorgeschlagenen Rechtsanwalt C anfallen. Der bloße Umstand, dass die Beschwerdeführerinnen den Beteiligten zu 3 bisher nicht kannten und noch kein Vertrauensverhältnis zu ihm hätten, stehe seiner Ernennung nicht entgegen.

2. Das Rechtsmittel führt im Ergebnis zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidungen (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO).

a) Gegenstand des Verfahrens ist die auf § 2200 BGB beruhende, mit sofortiger Beschwerde (§ 81 Abs. 1 FGG) fristgerecht angefochtene und noch nicht bestandskräftig gewordene Ernennung des Beteiligten zu 3 zum Testamentsvollstrecker. Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass ein für die nachlassgerichtliche Ernennung erforderliches Ersuchen des Erblassers vorliegt. Keinen Bedenken begegnet auch die Annahme des Landgerichts, dass die Aufgaben des Testamentsvollstreckers noch nicht vollständig erledigt sind (was ebenfalls Voraussetzung einer Ernennung ist, vgl. BGH NJW 1974, 1316), da der Erblasser Dauervollstreckung (§ 2209 BGB) - beschränkt auf den Nachlassgegenstand der Eigentumswohnung - bis zum Ableben der Längerlebenden der beiden Miterbinnen angeordnet hat.

b) Auch bei Vorliegen dieser Voraussetzungen muss eine Ernennung nicht unbedingt erfolgen, sondern ist in das pflichtgemäße Ermessen des Nachlassgerichts oder des an seine Stelle tretenden Beschwerdegerichts gestellt (BayObLGZ 1964, 153/157; KG KGJ 45, 114; KG JW 1937, 475; OLG Hamm Rpfleger 1984, 316/317; OLG Hamm OLGZ 1984, 282/288; Staudinger/Reimann BGB [1996] § 2200 Rn. 10; RGRK/Kregel BGB 12. Aufl. § 2200 Rn. 2; Soergel/Damrau BGB 13. Aufl. § 2200 Rn. 5; Palandt/Edenhofer BGB 62. Aufl. § 2200 Rn. 2; a.A. MünchKomm/Brandner BGB 3. Aufl. § 2200 Rn. 5). Das ergibt sich aus dem Wortlaut der Vorschrift ("kann ernennen") und entspricht der Intention des Gesetzgebers, der diese Fassung - anstelle der im Entwurf zunächst vorgesehenen Worte "hat zu ernennen" - gerade auch deshalb gewählt hat, um keine unbedingte Verpflichtung des Gerichts bei "einer grund- und zwecklosen Anordnung des Erblassers" zu schaffen (KG KGJ 45, 114; Soergel/Damrau aaO je unter Hinweis auf Protokolle V, S. 251). Dem gemäß hat das Nachlassgericht nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, ob es dem Ersuchen des Erblassers tatsächlich nachkommt. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass eine ursprünglich wohlbedachte Anordnung durch eine Veränderung der Umstände ihren Sinn verlieren kann. Das Nachlassgericht kann von einer Ernennung absehen, wenn die Anordnung oder die Fortdauer der Testamentsvollstreckung im Hinblick auf die Verhältnisse des Nachlasses und das Interesse der Nachlassbeteiligten nicht (mehr) zweckmäßig erscheint (KG KGJ 45, 114).

c) Eine solche Prüfung drängt sich hier angesichts der besonderen Umstände des Falles jedenfalls nach dem Ableben der Beteiligten zu 1 auf, von dem das Landgericht allerdings keine Kenntnis erlangt hat. Durch deren Tod besteht die Erbengemeinschaft, deren Auseinandersetzung der Erblasser in Ziff. 3 seines Testaments ausgeschlossen hatte, nicht mehr fort; vielmehr ist die Beteiligte zu 2 Alleinerbin. Nach Aktenlage drängt sich kein Gesichtspunkt dafür auf, dass die Fortdauer der Testamentsvollstreckung im wohlverstandenen Interesse der Beteiligten zu 2 oder im schützenswerten Interesse dritter Personen geboten wäre. Im übrigen haben die Erbinnen in den vergangenen zehn Jahren bereits einen ungewöhnlich häufigen (keineswegs nur durch eigene Anträge verursachten) Wechsel in der Person des Testamentsvollstreckers hinnehmen müssen. Die Testamentsvollstreckung verursacht Kosten, die aus dem der Testamentsvollstreckung unterliegenden Nachlassgegenstand - der selbst genutzten Eigentumswohnung - nicht erwirtschaftet werden können. Die ursprünglich vorhandenen Rücklagen sollen nach dem Vortrag der Erbinnen aufgebraucht sein. Bei dieser Sachlage wird das Nachlassgericht sorgfältig zu erwägen haben, ob die Ernennung eines Testamentsvollstreckers jetzt noch zweckmäßig ist.

d) Da die Tatsacheninstanzen die hiernach gebotene Prüfung nicht vorgenommen haben, waren die Vorentscheidungen aufzuheben. Sollte das Nachlassgericht nach Durchführung der Prüfung und pflichtgemäßer Ermessensausübung ein Bedürfnis für die Fortdauer der Testamentsvollstreckung bejahen, bestünden gegen die Auswahl des Rechtsanwalts F keine Bedenken, wie das Landgericht rechtsfehlerfrei dargelegt hat; insoweit bleiben die Einwendungen der weiteren Beschwerde ohne Erfolg.

3. Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht. Das Verfahren ist in zweiter und dritter Instanz gerichtsgebührenfrei (§ 131 Abs. 1 Satz 2 KostO). Über die Erstattung der außergerichtlichen Kosten wird die wieder mit der Sache befasste Vorinstanz zu befinden haben (vgl. Keidel/Zimmermann FGG 15. Aufl. § 13a Rn. 36 f.).



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