Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 23.09.2004
Aktenzeichen: 1Z BR 80/04
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1617 Abs. 1 Satz 3
BGB § 1757 Abs. 2 Satz 1
Nimmt ein Ehegatte (hier: der Vater) ein Kind eines anderen Ehegatten (hier: der Mutter) an und führen die Ehegatten keinen Ehenamen, so ist eine in das Adoptionsdekret aufgenommene Bestimmung, dass das Kind als Geburtsnamen seinen bisherigen Geburtsnamen, der zugleich der von der Mutter geführte Name ist, behält, zwar fehlerhaft, soweit die Ehegatten zuvor bereits für ein weiteres Kind einen anderen Geburtsnamen gewählt haben, aber nach den Umständen des Einzelfalles nicht nichtig.
Gründe:

I.

Die Beteiligte zu 1, eine Tochter von N. aus deren geschiedener Ehe führt seit ihrer Geburt im Jahr 1984 den Geburtsnamen "N.". Ihre Mutter ist seit 1994 mit H. (Beteiligter zu 2) verheiratet. Die Ehegatten führen keinen Ehenamen. Für eine 1999 geborene gemeinsame Tochter der Ehegatten wurde der Name des Vaters "H." zum Geburtsnamen bestimmt.

Mit Beschluss des Amtsgerichts vom 17.6.2002 wurde die Annahme der Beteiligten zu 1 als Kind des Beteiligten zu 2 ausgesprochen. Im Adoptionsdekret wurde auf der Grundlage der von den Beteiligten zu 1 und 2 sowie der Mutter der Beteiligten zu 1 gegenüber dem Vormundschaftsgericht abgegebenen Erklärungen angeordnet: "Das Kind behält als Geburtsnamen den Namen "N.".

Der Standesbeamte ist der Auffassung, es sei unzulässig, dass die Beteiligte zu 1 weiterhin den Geburtsnamen "N." führe, weil bereits das 1999 geborene Kind aus der Ehe des Beteiligten zu 2 mit der Mutter der Beteiligten zu 1 vorhanden sei, für das der Name des Vaters "H." zum Geburtsnamen bestimmt worden sei; er hat hierzu gemäß § 45 Abs. 2 PStG gerichtliche Entscheidung beantragt.

Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 27.2.2003 angeordnet, dass im Randvermerk über die Adoption der Beteiligten zu 1 als Geburtsname "H." einzutragen ist.

Auf die sofortige Beschwerde der Beteiligten zu 1 hat das Landgericht mit Beschluss vom 3.8.2004 den amtsgerichtlichen Beschluss aufgehoben und den Standesbeamten angewiesen, im Randvermerk über die Adoption der Beteiligten zu 1 als Geburtsnamen "N." einzutragen.

Hiergegen wendet sich die Standesamtsaufsicht (Beteiligte zu 3) mit ihrer sofortigen weiteren Beschwerde. Sie begehrt die Aufhebung des landgerichtlichen und die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Beschlusses.

II.

Die sofortige weitere Beschwerde ist zulässig (§ 49 Abs. 1 Satz 1, § 48 Abs. 1 PStG, § 27 Abs. 1, § 29 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 4, § 22 Abs. 1 FGG), hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

1. Das Landgericht hat im Wesentlichen ausgeführt, die Bestimmung des Geburtsnamens "N." im Adoptionsbeschluss vom 17.6.2002 sei zwar wegen Verstoßes gegen § 1617 Abs. 1 Satz 3 BGB fehlerhaft, gleichwohl jedoch nicht als nichtig anzusehen und daher für den Standesbeamten bindend.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO) stand.

a) Gegenstand des Verfahrens nach § 45 Abs. 2 PStG ist die Frage, welcher Geburtsname im Vollzug des Adoptionsbeschlusses nach § 30 Abs. 1 Satz 1 PStG in den Randvermerk im Geburtenbuch einzutragen ist. Hinsichtlich dieser Eintragung sind der Standesbeamte und die Personenstandsgerichte an die Namensbestimmung im Adoptionsdekret gebunden, sofern diese nicht nichtig ist (BayObLGZ 2002, 155/157 = FamRZ 2002, 1649 m.w.N.; Keidel/Engelhardt FGG 15. Aufl. § 56 e Rn. 26). Dabei kann dahinstehen, ob die Namensbestimmung als solche - im Unterschied zum Ausspruch der Kindesannahme (§ 56 e Satz 3 FGG) - anfechtbar und abänderbar ist (vgl. BayObLGZ 1979, 346; OLG Köln StAZ 1982, 278; Keidel/Engelhardt § 56 e Rn. 24). Selbst wenn dies zu bejahen wäre, könnte die Korrektur fehlerhafter Namensbestimmungen im Adoptionsdekret jedenfalls nicht durch die im Verfahren nach §§ 45 ff. PStG angerufenen Gerichte erfolgen. Diese haben die wirksam gewordene Namensbestimmung auch dann zugrunde zu legen, wenn sie fehlerhaft ist. Hiervon ist das Landgericht zutreffend ausgegangen.

b) Die Namensbestimmung im Adoptionsdekret ist zwar fehlerhaft, aber nicht nichtig.

aa) Nach § 1757 Abs. 1 Satz 1 BGB, der auch in Fällen der Annahme Volljähriger als Kind gilt (§ 1767 Abs. 2 Satz 1 BGB; BayObLGZ 1985, 264/268), erhält das Kind als Geburtsnamen grundsätzlich den Familiennamen des Annehmenden. Nimmt wie hier ein Ehegatte ein Kind des anderen Ehegatten an und führen die Ehegatten keinen Ehenamen, so bestimmen sie den Geburtsnamen des Kindes vor dem Ausspruch der Annahme durch Erklärung gegenüber dem Vormundschaftsgericht; hierbei gilt § 1617 Abs. 1 BGB entsprechend (§ 1757 Abs. 2 Satz 1 BGB).

Nach § 1617 Abs. 1 Satz 1 BGB können Eltern, die keinen Ehenamen führen, bei der Bestimmung des Geburtsnamens des Kindes zunächst zwischen den Namen, die der Vater oder die Mutter führen, wählen. Eine nach § 1617 Abs. 1 Satz 1 BGB durch die Eltern erfolgte Namensbestimmung gilt auch für ihre weiteren Kinder (§ 1617 Abs. 1 Satz 3 BGB). Diese Regelung soll grundsätzlich die Namenseinheit der Geschwister gewährleisten und erstreckt sich auch auf spätere adoptierte Kinder (§ 1757 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 BGB).

Nachdem der Beteiligte zu 2 und die Mutter der Beteiligten zu 1 für die 1999 geborene gemeinsame Tochter nach § 1617 Abs. 1 Satz 1 BGB den Namen des Vaters "H." zum Geburtsnamen bestimmt hatten, galt diese Namensbestimmung gemäß § 1617 Abs. 1 Satz 3 BGB auch für die mit Adoptionsbeschluss vom 17.6.2002 ausgesprochene Annahme der Beteiligten zu 1. Bei der im Adoptionsbeschluss enthaltenen Anordnung, dass die Beteiligte zu 1 den Namen "N." behält, wurde dies nicht beachtet; dennoch ist diese Namensbestimmung für den Standesbeamten und die Personenstandsgerichte bindend.

bb) Die Nichtigkeit rechtsgestaltender gerichtlicher Entscheidungen kommt nur in Ausnahmefällen in Betracht. Sie wird etwa angenommen, wenn es an jeder gesetzlichen Grundlage für die Entscheidung fehlt oder wenn die Entscheidung eine der Rechtsordnung ihrer Art nach unbekannte Rechtsfolge ausspricht (vgl. BayObLGZ 2002, 155/158 m.w.N.; Keidel/Zimmermann § 7 Rn. 42b ). Nach diesen Grundsätzen, die auch für den Adoptionsbeschluss gelten, ist eine Nichtigkeit unter den hier gegebenen Umständen zu verneinen.

(1) Die Namenseinheit der Familie mag zwar noch das Leitbild des Gesetzes (vgl. § 1355 Abs. 1 Satz 1, § 1616 BGB) sein; im Hinblick darauf, dass das Gesetz den Ehegatten die Möglichkeit eröffnet, keinen Ehenamen zu führen (§ 1355 Abs. 1 Satz 3 BGB), kann die gesamtfamiliäre Namenseinheit, auch wenn Kinder zur Familie gehören (vgl. § 1617 BGB), allerdings nicht durchgesetzt werden. Mit der Regelung des § 1617 Abs. 1 Satz 3 BGB soll aber immerhin die Namenseinheit der Kinder gewährleistet werden.

Bei der Bewertung des Gewichts des in § 1617 Abs. 1 Satz 3 BGB festgelegten Grundsatzes der geschwisterlichen Namenseinheit ist zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber die Kennzeichnungskraft des Namens durch wandelbare Anknüpfungspunkte für den Kindesnamen (Elternname, Sorgerecht) und grundsätzliche Folgeänderungen beim Kind (§ 1617 c BGB) erheblich geschwächt hat; auch sonst sieht das Gesetz viele Umbenennungsmöglichkeiten vor (§ 1617 a Abs. 2, § 1617 b Abs. 1, § 1618 BGB). Auch die grundsätzlich angestrebte Namenseinheit der Geschwister kann an der Regelung des § 1617 c Abs. 1 BGB scheitern, da hiernach über eine Folge in elterliche Namensänderungen jedes ältere Kind für sich entscheidet (vgl. Staudinger/Coester BGB [2000] § 1617 Rn. 36). Die vom Gesetz in ihrer Bedeutung geschwächten Grundsätze der familiären Namenseinheit und Namenskontinuität sind somit nicht von solchem Gewicht, dass die unterlassene Anwendung des § 1617 Abs. 1 Satz 3 BGB zur Nichtigkeit der Namensbestimmung führen müsste.

(2) Hinzu kommt, dass der vom Gesetz in erster Linie angestrebten Namensgleichheit unter dem Blickwinkel der damit bezweckten Förderung der Integration in die Familie im vorliegenden Fall nur eingeschränkte Bedeutung zukommt. Nachdem der Beteiligte zu 2 und die Mutter der Beteiligten zu 1 keinen Ehenamen führen, besteht auf Grund der Namensbestimmung im Adoptionsdekret zwar keine Namensidentität zwischen der Beteiligten zu 1 und dem Beteiligten zu 2 als Annehmendem sowie dem jüngeren Geschwister, aber nach wie vor Namensidentität zwischen der Beteiligten zu 1 und ihrer leiblichen Mutter. Die Beteiligte zu 1 führt mit dem Geburtsnamen "N." somit keinen in der Familie fremden Namen.

(3) In der Rechtsprechung wurde allerdings die Auffassung vertreten, dass eine in das Adoptionsdekret aufgenommene Bestimmung, wonach der Angenommene seinen bisherigen Namen weiterführt, nichtig sei (OLG Karlsruhe FamRZ 2000, 115). Ob dem zu folgen ist, bedarf hier keiner Entscheidung, da dem vom Oberlandesgericht Karlsruhe entschiedenen Fall anders als hier ein Sachverhalt zugrunde lag, in dem durch das Adoptionsdekret eine Namensregelung getroffen wurde, die das Gesetz nicht kennt. Dagegen wurde im vorliegenden Fall bei der Bestimmung des Geburtsnamens der Angenommenen zwar die Sonderregelung des § 1757 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 BGB i.V.m. § 1617 Abs. 1 Satz 3 BGB übersehen; die Namensbestimmung entspricht aber im Grundsatz der Regelung in § 1757 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 BGB.

3. Die Anordnung der Kostenerstattung beruht auf § 48 Abs. 1 PStG, § 13 a Abs. 1 Satz 2 FGG (vgl. Keidel/Zimmermann § 13 a Rn. 12 m.w.N.). Der Geschäftswert ergibt sich aus § 131 Abs. 2, § 30 Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 KostO.



Ende der Entscheidung

Zurück