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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 01.10.2002
Aktenzeichen: 1Z BR 83/02
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 133
BGB § 2084
BGB § 2200 Abs. 1
Zur Frage der Auslegung einer letztwilligen Verfügung, in der ein Testamentsvollstrecker namentlich benannt ist, der das Amt aber ablehnt.
Gründe:

I.

Die im Alter von 76 Jahren verstorbene Erblasserin war in zweiter Ehe verheiratet. Der Beteiligte zu 1 ist ihr Sohn aus erster Ehe und einziges Kind. Die Beteiligte zu 2 ist vom Nachlassgericht ernannte Testamentsvollstreckerin.

Die Erblasserin hinterließ mehrere letztwillige Verfügungen, wobei zunächst nur ein Testament vom 2.7.2000, eine "Niederschrift" vom 2.7.2000 sowie Testamente vom 5.2.2001 und 8.2.2001 bekannt waren. Während des landgerichtlichen Beschwerdeverfahrens gelangten ein weiteres Testament vom 10.6.1991 und ein nicht mit Datum versehener "Zusatz zum Testament vom 2.7.2000" zu den Akten.

Im Testament vom 2.7.2000 setzte die Erblasserin ihren Sohn zum "alleinigen Erben" ein. Das Testament vom 8.2.2001 lautet auszugsweise:

"Sollte mein Mann mit den vorhandenen Geldmitteln erforderliche Pflegedienstleistungen nicht mehr bezahlen können, sind von einem weiteren Betrag von DM 300000,-, den der Testamentsvollstrecker für diesen Fall anzulegen hat, die erforderlichen Kosten zu begleichen. Ich ordne Testamentsvollstreckung an, Zu meinem Testamentsvollstrecker bestimme ich RA A."

Der Beteiligte zu 1 hat die Erbschaft angenommen und Erbscheinsantrag gestellt. Der von der Erblasserin benannte Testamentsvollstrecker hat das Amt zunächst angenommen, dies aber später in Abrede gestellt und vorsorglich gekündigt; zur Ausstellung eines Testamentsvollstreckerzeugnisses für ihn und zu einer Tätigkeit dieses Testamentsvollstreckers ist es nicht gekommen.

Am 10.1.2002 verfügte der Nachlassrichter in den Akten "Beschluss über Ernennung von RAin B. (Beteiligte zu 2) zum Testamentsvollstrecker erstellen". Am 14.1.2002 bewilligte und erteilte das Nachlassgericht ein Testamentsvollstreckerzeugnis für die Beteiligte zu 2. Am gleichen Tag wurde ein Erbschein bewilligt und erteilt, der den Beteiligten zu 1 als Alleinerben ausweist und einen Testamentsvollstreckervermerk enthält.

Mit Schriftsatz seiner Verfahrensbevollmächtigten vom 25.1.2002 legte der Beteiligte zu 1 gegen die Ernennung der Beteiligten zu 2 zur Testamentsvollstreckerin, gegen die Erteilung des Testamentsvollstreckerzeugnisses und gegen die Erteilung des Erbscheins mit Testamentsvollstreckervermerk sofortige Beschwerde und Beschwerde ein. Er ist der Auffassung, dass mit Kündigung des Amtes durch den von der Erblasserin namentlich benannten Testamentsvollstrecker keine Testamentsvollstreckung mehr bestehe, hilfsweise, dass sich die Testamentsvollstreckung nur auf die Anordnung der Erblasserin über die Verwendung der 300000 DM beziehe.

Das Landgericht hat mit Beschluss vom 14.5.2002 das Testamentsvollstreckerzeugnis für kraftlos erklärt und das Nachlassgericht angewiesen, das Testamentsvollstreckerzeugnis und den Erbschein einzuziehen und einen neuen Erbschein ohne Testamentsvollstreckervermerk zu erteilen (Ziff. I); es hat ferner den Geschäftswert festgesetzt (Ziff. II) und von einer Kostenentscheidung ausdrücklich abgesehen (Ziff. III). Mit ihrem als weitere Beschwerde bezeichneten Rechtsmittel wendet sich die Beteiligte zu 2 gegen den landgerichtlichen Beschluss.

Das Nachlassgericht hat am 7.6.2002 die Einziehung des Testamentsvollstreckerzeugnisses und des Erbscheins verfügt. Das Testamentsvollstreckerzeugnis und die Ausfertigungen des Erbscheins wurden zu den Akten zurückgegeben. Ein neuer Erbschein für den Beteiligten zu 1 ohne Testamentsvollstreckervermerk wurde am 23.7.2002 erteilt.

II.

1. Das Rechtsmittel der Beteiligten zu 2 ist hinsichtlich aller drei im landgerichtlichen Beschwerdeverfahren angefallenen Verfahrensgegenstände zulässig.

a) Verfahrensgegenstände sind die Ernennung der Beteiligten zu 2 zur Testamentsvollstreckerin, die Erteilung des Testamentsvollstreckerzeugnisses und die Erteilung des Erbscheins. Im Unterschied zu einer vom Erblasser selbst verfügten Ernennung, bei der es keines Ernennungsakts seitens des Nachlassgerichts bedarf, erfordert die Ernennung auf Ersuchen des Erblassers nach § 2200 BGB einen originären Ernennungsakt des Nachlassgerichts. Diese rechtsgestaltende Verfügung muss nicht ausdrücklich ausgesprochen werden. In der Verfügung des Nachlassrichters "Ernennung vorbereiten" und der nachfolgenden Erteilung des Testamentsvollstreckerzeugnisses liegt hier konkludent die Ernennung der Beteiligten zu 2 zur Testamentsvollstreckerin (vgl. BayObLGZ 1985, 233/239). Auch wenn hier die Ernennung und die Erteilung des Testamentsvollstreckerzeugnisses äußerlich in einer Handlung zusammenfallen, handelt es sich rechtlich um zwei verschiedene Verfügungen des Amtsgerichts, die je gesondert mit unterschiedlichen Rechtsmitteln angefochten werden können.

Hier umfasste die Erstbeschwerde sowohl die Ernennung (1. Verfahrensgegenstand) - zutreffend mit der sofortigen Beschwerde angefochten (§ 81 Abs. 1 FGG) -, als auch die Erteilung des Testamentsvollstreckerzeugnisses (2. Verfahrensgegenstand). Die auf "Kraftloserklärung des Testamentsvollstreckerzeugnisses" gerichtete "sofortige Beschwerde" des Beteiligten zu 1 war insoweit als (einfache) Beschwerde gegen die Erteilung des Testamentsvollstreckerzeugnisses mit dem Ziel seiner Einziehung auszulegen. Schließlich hatte der Beteiligte zu 1 - zutreffend mit (einfacher) Beschwerde - die Erbscheinserteilung angefochten (3. Verfahrensgegenstand). Dabei hing die Entscheidung in allen drei Verfahren von der Frage ab, ob die Voraussetzungen für eine Ernennung der Beteiligten zu 2 vorlagen. Diese Frage ist für die anderen Verfahren (Testamentsvollstreckerzeugnis, Erbschein) vorgreiflich (vgl. BayObLGZ 1985, 233/238 ff.; zur Bindungswirkung der Ernennungsverfügung für andere Verfahren und für das Nachlassgericht selbst Staudinger/Reimann BGB [1996] § 2200 Rn. 22 ff.).

b) Das Landgericht hat diese verfahrensrechtlichen Zusammenhänge nicht bedacht. Es ist schon zweifelhaft, ob es die Ernennung überhaupt als eigenständigen Verfahrensgegenstand erkannt hat. Sie wird weder im Tenor noch in den Entscheidungsgründen ausdrücklich erwähnt. In den Gründen wird die Beschwerde als mit dem Ziel zulässig erklärt, die Einziehung des Erbscheins und des Testamentsvollstreckerzeugnisses zu erlangen. Die Rechtsmittelbelehrung geht dahin, dass gegen die landgerichtliche Entscheidung die weitere Beschwerde gegeben sei. Von seinem Standpunkt aus hätte das Landgericht im Tenor der Entscheidung die Ernennungsverfügung des Amtsgerichts aufheben müssen. Gegen diesen Teil der landgerichtlichen Entscheidung wäre dann das Rechtsmittel der sofortigen weiteren Beschwerde gegeben (§ 81 Abs. 1, § 29 Abs. 2 FGG). Gleichwohl ist die Entscheidung in ihrem Gesamtzusammenhang so zu verstehen, dass das Landgericht inzident über die sofortige Beschwerde gegen die Ernennung entschieden und der Erstbeschwerde auch insoweit stattgegeben hat. Angesichts der unklaren Entscheidung des Landgerichts hat die zweiwöchige Rechtsmittelfrist gegen die inzidente Aufhebung der Ernennung nicht zu laufen begonnen.

c) Das von der Beteiligten zu 2 eingelegte Rechtsmittel, mit dem sich diese ersichtlich gegen die Entscheidung des Landgerichts insgesamt wenden will, betrifft alle drei Verfahrensgegenstände. Es ist als sofortige weitere Beschwerde gegen die (inzidente) Aufhebung der Ernennungsverfügung statthaft. Als (einfache) weitere Beschwerde ist es statthaft gegen die landgerichtliche Anordnung der Einziehung des Testamentsvollstreckerzeugnisses, nunmehr mit dem Ziel, dass anstelle des bereits zurückgegebenen Testamentsvollstreckerzeugnisses ein neues gleichlautendes Testamentsvollstreckerzeugnis erteilt wird (vgl. BGHZ 40, 54/56). Mit der durchgeführten Einziehung wurde das Testamentsvollstreckerzeugnis von selbst kraftlos (§ 2368 Abs. 3 Halbsatz 1, § 2361 Abs. 1 Satz 2 BGB); die vom Landgericht angeordnete Kraftloserklärung, die mangels öffentlicher Bekanntmachung nicht wirksam wurde (§ 2368 Abs. 3 Halbsatz 1, § 2361 Abs. 2 Satz 2 und 3 BGB), ist gegenstandslos. Der Verfahrensgegenstand "Einziehung des Erbscheins vom 14.1.2002 und dessen Neuerteilung ohne Testamentsvollstreckervermerk" ist insoweit erledigt, als die Einziehung in Frage steht; denn die Ausfertigungen wurden zu den Akten zurückgegeben. Eine Neuerteilung mit gleichlautendem Inhalt wird von der Beteiligten zu 2 mit der weiteren Beschwerde nicht verfolgt. Soweit das Landgericht die Neuerteilung eines Erbscheins ohne Testamentsvollstreckervermerk angeordnet und das Amtsgericht dementsprechend am 23.7.2002 einen Erbschein erteilt hat, ist hiergegen die (einfache) weitere Beschwerde mit dem Ziel der Einziehung dieses Erbscheins statthaft.

2. Das Landgericht hat im wesentlichen ausgeführt: Der von der Erblasserin benannte Testamentsvollstrecker habe sein Amt gekündigt. Die Erblasserin habe im Testament vom 8.2.2001 keinen Ersatztestamentsvollstrecker bestimmt und auch nicht konkludent das Nachlassgericht ermächtigt, gemäß § 2200 Abs. 1 BGB einen Ersatztestamentsvollstrecker zu bestimmen. Mit einer in der Kommentarliteratur vertretenen Meinung (MünchKomm/ Brandner BGB 3. Aufl. § 2200 Rn. 4) sei gegenüber der Annahme eines konkludenten oder mutmaßlichen Ernennungsersuchens Zurückhaltung geboten, wenn das Amt des ernannten Testamentsvollstreckers wegen Kündigung ende. In diesem Fall dürfe eine Zuständigkeit des Nachlassgerichts, den nachfolgenden Testamentsvollstrecker zu ernennen, nur dann bejaht werden, wenn der Wille des Erblassers, das Nachlassgericht zu ersuchen, aus dem gesamten Inhalt des Testaments hergeleitet werden könne. Aus dem Inhalt des Testaments vom 8.2.2001 lasse sich bei verständiger Würdigung keine einzige Andeutung in diese Richtung gewinnen. Der Wortlaut des Testaments erschöpfe sich in diesem Satz: "Ich ordne Testamentsvollstreckung an, Zu meinem Testamentsvollstrecker bestimme ich RA A.". Allein aus dem Umstand, dass diese Verfügung in zwei Hauptsätze aufgeteilt sei, folge noch nicht, dass die Erblasserin in jedem Fall die Testamentsvollstreckung gewollt habe, auch wenn Rechtsanwalt A. die Übernahme des Amtes ablehne oder kündige. Auch in einer Gesamtschau seien hier die Vorstellungen der Erblasserin nicht in dem Sinn eruierbar, dass das Nachlassgericht eine eigene Auswahlkompetenz für einen Ersatztestamentsvollstrecker hätte.

3. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO) nicht stand.

a) Nach § 2200 Abs. 1 BGB kann das Nachlassgericht einen Testamentsvollstrecker ernennen, wenn der Erblasser in seinem Testament darum ersucht hat. Nach allgemeiner Meinung muss der Erblasser ein Ersuchen gemäß § 2200 Abs. 1 BGB nicht ausdrücklich stellen. Es genügt, dass sich durch - gegebenenfalls ergänzende - Auslegung der letztwilligen Verfügung (§§ 133, 2084 BGB) ein darauf gerichteter Wille des Erblassers feststellen lässt (vgl. BayObLG NJW-RR 1988, 387/388; Staudinger/ Reimann § 2200 Rn. 7; MünchKomm/Brandner § 2200 Rn. 4; Soergel/Damrau BGB 12. Aufl. § 2200 Rn. 2). Hat der Erblasser die Testamentsvollstreckung selbst angeordnet und ist der eingesetzte Testamentsvollstrecker wegen Nichtannahme oder Kündigung des Amtes weggefallen, so ist zu prüfen, ob das Testament in seiner Gesamtheit den Willen des Erblassers erkennen lässt, die Testamentsvollstreckung auch nach dem Wegfall der vom Erblasser benannten Person fortdauern zu lassen. Hierbei ist zu prüfen, ob der Erblasser bei Berücksichtigung der später eingetretenen Sachlage mutmaßlich die Ernennung eines Testamentsvollstreckers durch das Nachlassgericht gewollt hätte. Insoweit kann insbesondere von Bedeutung sein, welche Gründe den Erblasser zur Anordnung der Testamentsvollstreckung bestimmt haben, und ob diese Gründe, von seinem Standpunkt aus, auch nach dem Wegfall der im Testament benannten Person fortbestehen (BayObLG aaO; FamRZ 1997, 1569). Zur Feststellung des Erblasserwillens sowie der Gründe, die ihn zur Anordnung der Testamentsvollstreckung bewogen haben, muss der gesamte Inhalt der Erklärung einschließlich aller Nebenumstände, auch solcher, die außerhalb der Testamentsurkunde liegen, als Ganzes gewürdigt werden; auch die allgemeine Lebenserfahrung ist zu berücksichtigen. Erst nach der Ermittlung des Erblasserwillens stellt sich die Frage, ob dieser Wille in der Urkunde wenigstens andeutungsweise zum Ausdruck gekommen und somit formgültig erklärt ist (vgl. BGHZ 86, 41/47; BayObLGZ 1994, 313/318 f.; st. Rspr.).

b) Die Auslegung selbst ist grundsätzlich den Richtern der Tatsacheninstanzen vorbehalten. Die Überprüfung in der Rechtsbeschwerdeinstanz ist auf Rechtsfehler beschränkt.

Dabei kommt es insbesondere darauf an, ob die Auslegung der Tatsacheninstanz gegen gesetzliche Auslegungsregeln, allgemeine Denk- und Erfahrungsgrundsätze oder Verfahrensvorschriften verstößt, ob in Betracht kommende andere Auslegungsmöglichkeiten nicht in Erwägung gezogen wurden, ob ein wesentlicher Umstand - z.B. ein Teil des Testamentswortlauts - übersehen wurde oder ob dem Testament ein Inhalt gegeben wurde, der dem Wortlaut nicht zu entnehmen ist und auch nicht auf verfahrensfehlerfrei getroffene Feststellungen anderer Anhaltspunkte für den im Testament zum Ausdruck gekommenen Erblasserwillen gestützt werden kann (BGHZ 121, 357/363; BayObLG NJWE-FER 2000, 93; MünchKomm/Leipold § 2084 Rn. 84).

c) Nach diesen Grundsätzen kann die Auslegung des Landgerichts keinen Bestand haben. Das Landgericht hat bei der Ermittlung des Erblasserwillens nur auf das Testament vom 8.2.2001 abgestellt und wesentliche Umstände, die sich aus den übrigen Testamenten der Erblasserin ergeben, außer Acht gelassen. Hinsichtlich des Testaments vom 10.6.1991 und des undatierten Zusatzes zum Testament vom 2.7.2000 ist schon zweifelhaft, ob sie vom Landgericht überhaupt zur Kenntnis genommen wurden; denn diese werden nicht einmal im Tatbestand der landgerichtlichen Entscheidung erwähnt. Auf diese Testamente wurde das Landgericht mit Schriftsatz der Beteiligten zu 2 vom 22.4.2002 unter Vorlage entsprechender Kopien aufmerksam gemacht; gleichzeitig wurden die Originale beim Nachlassgericht eingereicht, was dem Landgericht ebenfalls mitgeteilt wurde. Das Landgericht hätte diese und die übrigen Testamente, die sich in weiten Teilen nicht widersprechen sondern ergänzen, in die gebotene Gesamtwürdigung einbeziehen müssen. Es durfte nicht jegliche Andeutung im Testament vom 8.2.2001 für einen etwaigen auf die ersatzweise Ernennung durch das Nachlassgericht gerichteten Willen der Erblasserin verneinen, ohne zuvor den (mutmaßlichen) Willen der Erblasserin und insbesondere die Gründe für die von der Erblasserin angeordnete Testamentvollstreckung zu er mitteln.

4. Der Senat kann die Auslegung der letztwilligen Verfügungen der Erblasserin selbst vornehmen, da der Sachverhalt keine weiteren Ermittlungen erfordert. Sie führt zu dem Ergebnis, dass der Wille der Erblasserin nicht auf die Testamentsvollstreckung ausschließlich durch Rechtsanwalt A., sondern gegebenenfalls auf die ersatzweise Ernennung eines anderen Testamentsvollstreckers durch das Nachlassgericht gerichtet war. Dies beruht auf nachfolgenden Erwägungen:

a) Im Testament vom 10.6.1991 hat die Erblasserin ihrem Sohn nur einen Teil des Nachlasses vermacht. Sie begründet dies im Testament unter anderem damit, dass ihr Sohn sie jahrelang mit Gemeinheiten verfolgt habe. Ein Medizinstudium, welches sie ihm durch starke Entbehrungen ermöglichen wollte, habe er nicht weiterverfolgt. Welche berufliche Tätigkeit er ausübe, wisse sie nicht. Sie fürchte, dass ihr Sohn "nervisch" sehr krank sei. Sie habe ihm auch immer wieder geraten, sich behandeln zu lassen. Ihr Sohn habe sie mit "Erfindungen" und Frechheiten bedroht. Er hasse ihren Mann sehr, habe ihn auch tätlich angegriffen.

Diese Ausführungen offenbaren eine schwierige Familiensituation. Zwischen der Erblasserin und ihrem Sohn bestand ein gespanntes Verhältnis, ebenso zwischen Sohn und Stiefvater. Das belegt auch folgende Passage in dem Testament vom 2.7.2000, mit dem die Erblasserin ihren Sohn zum Alleinerben eingesetzt hat:

"Mein Mann ist berechtigt, bis zu seinem Tode in diesem Haus allein zu wohnen. Fallen Unkosten oder Reparaturen an, muss dies der Erbe unverzüglich bezahlen. Es ist hier ein Fachmann einzuschalten, der bestimmt, wie nötig die Reparatur ist. Die Leibrente von DM 200,- ist bis zum Lebensende an meinen Mann zu bezahlen. Der Erbe muss vorher meinen Mann verständigen, wenn er das Haus betreten will. Einmal monatlich, wenn es mein Mann so bestimmt. Mein Mann darf unter keinen Umständen vom Erben belästigt werden, ist dies der Fall, sofort Hausverbot. Ist mein Sohn mit dem Erbe des Hauses so nicht einverstanden, so kann mein Mann dem das Haus vermachen, der sich ehrlich und ernsthaft im Alter mit Verständnis um ihn kümmert."

Auffällig ist der Wunsch der Erblasserin, ihren Mann vor Belästigungen seitens ihres Sohnes zu schützen. Auch wird ihr Wunsch deutlich, dass ihr Mann im Alter gesichert sein sollte; dieses Anliegen setzt sich im Testament vom 5.2.2001 fort, wenn es dort heißt:

"Vermächtnisweise soll mein Mann einen Betrag von DM 200000,- erhalten. Für den Fall, dass mein Mann die Rückübertragung und Rückauflassung des Grundbesitzes nicht fordert (Urkunde v. 29.12.78) soll er für diesen Grundbesitz mit sämtlichem Inventar das Nutzungsrecht auf Lebenszeit erhalten. Sollte jedoch mein Mann die Rückübertragung und Rückauflassung fordern, entfällt der Vermächtnisanspruch auf Zahlung DM 200000,-".

Der Wunsch der Erblasserin, ihren Mann im Alter, und zwar auch für den - eingetretenen - Pflegefall ausreichend abgesichert zu wissen, zeigt sich sodann erneut in aller Deutlichkeit in dem nur drei Tage später abgefassten Testament vom 8.2.2001. Hier findet sich die Anordnung, dass der Testamentsvollstrecker 300000 DM anzulegen hat, um daraus für ihren Mann erforderliche Pflegedienstleistungen zu bezahlen. In unmittelbarem Anschluss an diese Anordnung steht der Satz "Ich ordne Testamentsvollstreckung an".

Darüber hinaus ist es der Erblasserin darum gegangen, zu verhindern, dass ihr Nachlass jemals von ihrem Sohn an "Frl. H." weitergereicht oder weitervererbt wird. Das ergibt sich aus dem im Krankenhaus geschriebenen, undatierten "Zusatz zum Testament vom 2.7.2000", der insoweit auszugsweise lautet:

"Sollte mein Sohn früher als seine Metresse sterben, darf diese von dem Erbe an mein Kind keinen Pfennig bekommen. Was an Vermögen noch vorhanden ist, muss noch geprüft werden und Frl. H. muss dieses Geld unverzüglich auszahlen.... Mein Sohn ist keineswegs berechtigt, an Frl. H. auch zu seinen Lebzeiten keineswegs einen Pfennig zu geben. Also es ist mein allerletzter Wille, dass Frl. H. nach dem Ableben meines Sohnes nicht einen Pfennig von meinem Vermögen bekommt."

In diesem Zusammenhang wird auch "Verwaltung" angeordnet und bestimmt, wer das "noch verbliebene Vermögen" erhalten soll. Es heißt nämlich weiter:

"Die Verwaltung hätte vorübergehend Rechtsanwalt S., sowie mein Steuerberater. Jeder von diesen Männern darf sich sofort von diesem Geld die Unkosten (Höchstsatz) nehmen. Dieses noch verbleibende Vermögen soll C. für seine Tiere, für die ärmsten, verwenden."

Schließlich trifft die Erblasserin noch Verfügungen bezüglich ihres Hundes.

b) Es bedarf hier keiner Entscheidung, wie die letztwilligen Verfügungen der Erblasserin in ihrem Verhältnis zueinander zu beurteilen und welche Anordnungen im einzelnen ihnen zu entnehmen sind. Im vorliegenden Rechtsbeschwerdeverfahren geht es allein um die Frage, ob den letztwilligen Verfügungen ein Wille der Erblasserin zur ersatzweisen Ernennung eines Testamentsvollstreckers durch das Nachlassgericht entnommen werden kann. Dies ist zu bejahen. Wesentliches Motiv für die angeordnete Testamentsvollstreckung war, dass die Erblasserin die Ausführung der zugunsten ihres Mannes getroffenen Verfügungen durch eine neutrale Instanz sicherstellen und nicht allein dem Erben, ihrem Sohn, überlassen wollte, der den Stiefvater "hasste" und vor dessen "Belästigungen" ihren Mann zu schützen ihr ein Anliegen war. Daneben hat auch die Sicherstellung der übrigen den Erben belastenden Anordnungen eine Rolle gespielt. Für die Erblasserin stand die Testamentsvollstreckung als solche im Vordergrund; für die gegenteilige Annahme, dass es der Erblasserin besonders um die Person des von ihr zum Testamentsvollstrecker ernannten Rechtsanwalts A. gegangen wäre, ist nichts ersichtlich. Nach den Gesamtumständen kann ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass die Erblasserin die Testamentsvollstreckung auch nach dem - von ihr nicht vorausbedachten - Wegfall des namentlich benannten Testamentsvollstreckers fortdauern lassen wollte. Da die Aufgaben des Testamentsvollstreckers noch nicht erfüllt sind - insbesondere lebt ihr betreuungsbedürftiger Mann noch - würde sie, hätte sie den eingetretenen Fall vorausbedacht, die ersatzweise Ernennung eines Testamentsvollstreckers durch das Nachlassgericht gewünscht haben.

Dieser durch Auslegung ermittelte (mutmaßliche) Wille der Erblasserin hat in der ausdrücklichen Anordnung der Testamentsvollstreckung und den die familiären Verhältnisse und das Anordnungsmotiv offenlegenden Verfügungen der Erblasserin in den Testamentsurkunden selbst einen nicht nur andeutungsweisen, sondern deutlichen Niederschlag gefunden.

c) Zutreffend hat das Nachlassgericht die Testamentsvollstreckung auch nicht auf die 300000 DM-Anordnung beschränkt, wie vom Beteiligten zu 1 mit der Erstbeschwerde hilfsweise beantragt. Die dargestellte Motivlage und die verschiedenen Anordnungen der Erblasserin rechtfertigen die Annahme einer solchen Beschränkung nicht. Ob die Erblasserin nach näherer Maßgabe des Zusatzes zum Testament vom 2.7.2000 für den Fall des Eintritts bestimmter Umstände eine weitere beschränkte Testamentsvollstreckung angeordnet und insoweit die dort genannten Personen zu Testamentsvollstreckern ernannt hat, kann im vorliegenden Verfahren offen bleiben.

d) Ein Ersuchen der Erblasserin im Sinne des § 2200 Abs. 1 BGB liegt somit vor. Da auch sonst keine die Wirksamkeit der Ernennung in Frage stellenden Umstände ersichtlich sind, ist die vom Nachlassgericht vorgenommene Ernennung der Beteiligten zu 2 zur Testamentsvollstreckerin wirksam. Das Amtsgericht hatte folglich auch zu Recht der Beteiligten zu 2 ein Testamentsvollstreckerzeugnis erteilt und den Erbschein mit Testamentsvollstreckervermerk versehen. Das Rechtsmittel der Beteiligten zu 2 hat bezüglich aller drei Verfahrensgegenstände Erfolg. Soweit nicht im Hinblick auf die erfolgte Einziehung von Testamentsvollstreckerzeugnis und Erbschein gegenstandslos geworden, ist die landgerichtliche Entscheidung mit Ausnahme der Geschäftswertfestsetzung aufzuheben und die Erstbeschwerde des Beteiligten zu 1 zurückzuweisen.

Einer Neuernennung der Beteiligten zu 2 zur Testamentsvollstreckerin bedarf es nicht, da diese durch den landgerichtlichen Beschluss ihr Amt nicht verloren hat. Die im landgerichtlichen Beschluss enthaltene Aufhebung der Ernennungsverfügung hätte erst mit - nicht eingetretener - formeller Rechtskraft Wirksamkeit erlangt (§ 26 Satz 1, § 81 Abs. 1, § 29 Abs. 2 FGG). Das Amtsgericht war jedoch anzuweisen, der Beteiligten zu 2 ein Testamentsvollstreckerzeugnis zu erteilen, da das alte Testamentsvollstreckerzeugnis mit durchgeführter Einziehung kraftlos geworden ist. Ferner war das Amtsgericht anzuweisen, den Erbschein vom 23.7.2002, der keinen Testamentsvollstreckervermerk enthält, einzuziehen.

Über die Neuerteilung eines Erbscheins hatte der Senat nicht zu befinden. Die Neuerteilung eines dem eingezogenen Erbschein gleichlautenden Erbscheins wird von der Beteiligten zu 2 im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht verfolgt, wie sich aus ihrem Vorbringen, ihrer Auffassung nach sei der Beteiligte zu 1 Vorerbe und C. Nacherbe, ergibt. Ein diesbezüglicher oder sonst anderslautender Erbscheinsantrag müsste von einem hierzu Berechtigten zunächst einmal beim Amtsgericht gestellt werden, das dann im Hinblick auf die nachträglich zu den Akten gelangten Testamente ohnehin in eine erneute Prüfung der Erbrechtslage einzutreten hat.

5. Da das Rechtsmittel der Beteiligten zu 2 Erfolg hat, ist das Verfahren der (sofortigen) weiteren Beschwerde gebührenfrei (§ 131 Abs. 1 Satz 2 FGG). Für das landgerichtliche Beschwerdeverfahren ergibt sich aus dem Gesetz, dass der Beteiligte zu 1, dessen Erstbeschwerde zurückgewiesen wird, die Gerichtskosten zu tragen hat. Insoweit war auch die Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Beteiligten zu 2 durch den Beteiligten zu 1 anzuordnen (§ 13a Abs. 1 Satz 2 FGG). Für das Verfahren der (sofortigen) weiteren Beschwerde verbleibt es bei dem Grundsatz, dass im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit jeder Beteiligte seine außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen hat (vgl. § 13a Abs. 1 Satz 1 FGG; Keidel/Zimmermann FGG 14. Aufl. § 13a Rn. 21). Die Geschäftswertfestsetzung des Landgerichts konnte bestehen bleiben. Einer Geschäftswertfestsetzung für das Verfahren der (sofortigen) weiteren Beschwerde bedarf es nicht.

Ende der Entscheidung

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