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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 07.01.2004
Aktenzeichen: 1Z BR 85/03
Rechtsgebiete: BGB, FGG


Vorschriften:

BGB § 2139
BGB § 2361
BGB § 2363
FGG § 20 Abs. 1
FGG § 20 Abs. 2
Fehlende Beschwerdeberechtigung des Nacherben, wenn der von ihm gestellte Antrag auf Erteilung eines Erbscheins an den Vorerben (mit Nacherbenvermerk) abgelehnt wurde.
Gründe:

I.

Die verwitwete Erblasserin verstarb 1979 im Alter von 86 Jahren. Sie hinterließ ihre 1932 geborene Tochter T., die schwer geistig und körperlich behindert war. In ihrem privatschriftlichen Testament vom 20.5.1975 hatte die Erblasserin verfügt, dass ihre Tochter alleinige Erbin ihres ganzen Besitzes sein sollte. Im Testament heißt es sodann:

Wenn R. (Beteiligter zu 1) ... und seine Mutter, bei seinem Versprechen bleibt, meine Tochter, welche infolge epileptischer Anfälle und geistiger Schwäche dauernd erwerbsunfähig sein wird, in seinem Heim bis zu ihrem Tod aufzunehmen ist er und seine Mutter alsdann Erbe des Besitzes meiner Tochter. Mein Einfamilienhaus ... soll jetzt schon in Besitz von R. übergehen. Mein Grundstück 1 ha groß in Gemeinde O. fällt R. nach dem Tod meiner Tochter ebenfalls R. zu - (vorerst hat er die Nutzungsfreiheit darüber) vorausgesetzt, dass er dafür sorgt, dass meine Tochter dafür nach seinem evt. Ableben in privatem liebevollen Haushalt untergebracht wird. Auch mein Kapital, Aktien, Pfandbriefe, Sparbücher bei Hypobank u. Vereinigte Sparkassen (das dortige Sparbuch ist bereits auf den Namen meiner Tochter) soll nach dem Tod meiner Tochter in Besitz von R. übergehen. Die Zinsen sollen zur Deckung der Lebenshaltungskosten meiner Tochter derjenigen Familie zukommen, in deren Haushalt meine Tochter bis zu ihrem Ende sich befindet ... (es folgen diverse Vermächtnisse).

Der für die geschäftsunfähige T. bestellte Pfleger nahm die Erbschaft für sein Mündel an. Am 28.5.1979 wurde für T. ein Erbschein erteilt, wonach diese die Erblasserin als befreite Vorerbin (allein) beerbt hat. Der Erbschein enthält folgenden Vermerk:

Nacherbfolge ist angeordnet.

Die Nacherbfolge tritt ein mit dem Tode der Vorerbin unter der Bedingung, dass die Nacherben die in dem privatschriftlichen Testament vom 20. Mai 1975 genannten Bedingungen erfüllt haben.

Nacherben sind: ...

T., die unter Vormundschaft bzw. Betreuung stand, lebte nach dem Tod der Erblasserin im Haushalt des Beteiligten zu 1. Ab Februar 1986 wurde sie stationär in einer Behinderteneinrichtung untergebracht.

Am 23.8.2000 verstarb T. Durch Beschluss des Nachlassgerichts vom 19.12.2000 wurde der Erbschein vom 28.5.1979 wegen Unrichtigkeit eingezogen mit der Begründung, die Anordnung der Nacherbschaft entfalle, weil die Bedingung unter der sie eintreten sollte, weggefallen sei. Der Erbschein wurde am 31.3. 2002 für kraftlos erklärt. T. ist ausweislich des Erbscheins des Nachlassgerichts vom 9.1.2002 von den Beteiligten zu 2 bis 5 beerbt worden. Die Beteiligte zu 2 beantragte am 26.2.2002 einen Erbschein, in dem ohne Nacherbenvermerk bezeugt werde, dass die Erblasserin allein von T. beerbt worden sei.

Der Beteiligte zu 1, der seine am 12.6.1981 verstorbene Mutter allein beerbt hatte, legte gegen die Einziehungsanordnung vom 19.12.2000 am 3.6.2002 Beschwerde ein, mit der Begründung, die Bedingung für die Nacherbfolge sei eingetreten, da T. sieben Jahre lang aufopferungsvoll in seinem Haushalt gepflegt worden sei und die anschließende Heimunterbringung aus medizinischen - und nicht von ihm zu vertretenden - Gründen notwendig gewesen sei. In einem für T. zu erteilenden Erbschein sei die bedingte Nacherbfolge von ihm und seiner Mutter aufzunehmen.

Das Nachlassgericht half der Beschwerde mit Beschluss vom 6.11.2002 nicht ab; es war der Auffassung, dass mangels ausreichendem Bemühen um familiäre Unterbringung der von T. die Bedingung für die Nacherbfolge nicht eingetreten sei. Mit Beschluss vom 28.8.2003 wies das Landgericht die Beschwerde des Beteiligten zu 1 zurück. Gegen diese Entscheidung legte der Beteiligte zu 1 weitere Beschwerde ein.

Das Nachlassgericht erteilte am 26.9.2003 den von der Beteiligten zu 2 beantragten Erbschein. Gegen die Erteilungsanordnung legte der Beteiligte zu 1 Beschwerde beim Nachlassgericht ein mit dem Antrag, den Erbschein vom 26.9.2003 einzuziehen und einen Erbschein zu erteilen, der ihn als Alleinerben der Erblasserin ausweise.

II.

1. Die an keine Frist gebundene weitere Beschwerde ist statthaft (§ 27 FGG) und formgerecht eingelegt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 und 2 FGG). Die Berechtigung des Beteiligten zu 1 zur Einlegung der weiteren Beschwerde ergibt sich gemäß § 20 Abs. 1, § 29 Abs. 4 FGG schon aus der Zurückweisung seiner Beschwerde (BayObLG FamRZ 1986, 719/720; Keidel/Meyer-Holz FGG 15. Aufl. § 27 Rn. 10).

2. Das Rechtsmittel ist aber in der Sache ohne Erfolg; das Landgericht hätte die Beschwerde jedoch nicht als unbegründet zurückweisen dürfen, sondern als unzulässig verwerfen müssen.

a) Das Landgericht hat die Beschwerde ohne nähere Begründung als zulässig angesehen und ausgeführt, der Erbschein vom 28.5.1979 sei zu Recht eingezogen worden, weil die Bedingung, unter der die Nacherbschaft eintreten sollte, weggefallen sei. Der Erblasserin sei es darauf angekommen, dass T. bis zu ihrem Tode im Heim des Beteiligten zu 1 aufgenommen werde. Dagegen habe T. nach dem Tod der Erblasserin ihre verbleibende Lebenszeit überwiegend in der Behinderteneinrichtung verbracht. Mag dies auch aus medizinischen Gründen erforderlich gewesen sein, habe eine der familiären Unterbringung entsprechende Betreuung durch den Beteiligten zu 1 nicht festgestellt werden können.

b) Das Landgericht hat zu Unrecht die Beschwerde für zulässig erachtet. Es hat übersehen, dass der Beteiligte zu 1 als Nacherbe nicht berechtigt gewesen ist, die Erteilung eines Erbscheins an die Vorerbin zu beantragen (§ 2353, § 2363 BGB).

aa) Der Beteiligte zu 1 hat sich mit der Beschwerde gegen die Einziehungsanordnung vom 19.12.2000 gewandt. Eine solche Beschwerde ist solange zulässig, wie die Einziehung tatsächlich noch nicht vollzogen ist. Ist dies jedoch der Fall, so kann die Einziehungsanordnung nicht mit dem Ziel der Wiederaushändigung, wohl aber der Neuerteilung eines gleichlautenden Erbscheins angefochten werden (vgl. Staudinger/Schilken BGB 13. Bearb. § 2361 Rn. 27 m.w.N.). So liegt es hier. Der Erbschein vom 28.5.1979, dessen Einziehung am 19.12.2000 angeordnet wurde, ist am 21.3.2001 für kraftlos erklärt worden (§ 2361 Abs. 2 Satz 1 BGB). Das Beschwerdebegehren des Beteiligten zu 1 ist daher dahin auszulegen, dass er die Neuerteilung eines Erbscheins mit dem Inhalt des Erbscheins vom 28.5.1979 anstrebt und sich gegen die insoweit ablehnende Entscheidung des Nachlassgerichts im Nichtabhilfebeschluss vom 6.11.2002 wendet.

bb) Gemäß § 20 Abs. 1 FGG steht die Beschwerde jedem zu, dessen Recht durch die Verfügung beeinträchtigt ist. Diesen Kreis der Beschwerdeberechtigten schränkt § 20 Abs. 2 FGG dahin ein, dass die Beschwerde nur dem Antragsteller zusteht, wenn eine Verfügung nur auf Antrag erlassen werden kann und der Antrag zurückgewiesen worden ist. Gemäß § 2353 BGB ist der Erbe berechtigt, einen Erbschein zu beantragen. Dies gilt auch für den Vorerben, denn er ist (zunächst) Rechtsnachfolger des Erblassers (§ 2363 Abs. 1 BGB). Der Nacherbe wird nicht schon mit dem Tod des Erblassers Erbe. Erst mit dem Eintritt des Nacherbfalls geht die Erbschaft auf den Nacherben über (§ 2139 BGB). Bis zum Nacherbfall hat daher allein der Vorerbe die für die Erteilung des Erbscheins erforderliche Eigenschaft als Erbe im Sinne des § 2353 BGB. Für den Nacherben kommt in dieser Zeit ein eigener Erbschein nicht in Betracht. Er ist auch nicht berechtigt, die Erteilung eines Erbscheins an den Vorerben zu beantragen. (BayObLG NJW-RR 1999, 805/806 m.w.N.; Palandt/Edenhofer BGB 63. Aufl. § 2363 Rn. 9).

cc) Das gilt auch, wenn der Vorerbe bereits verstorben ist. Von diesem Zeitpunkt an kann nur mehr an den Nacherben ein Erbschein nach dem Erblasser erteilt werden, denn dieser ist Rechtsnachfolger des Erblassers und nicht des Vorerben (Palandt/Edenhofer § 2139 Rn. 4; § 2363 Rn. 10). Er kann nunmehr selbst den Antrag auf Erteilung eines Erbscheins als Erbe des Erblassers stellen. In diesem Verfahren wird geprüft, ob Nacherbfolge angeordnet und der Nacherbfall eingetreten ist (§ 2359 BGB). Soweit im vorliegenden Fall der Beteiligte zu 1 den Eintritt des Nacherbfalls durch einen Erbschein auf den Namen der Vorerbin mit Nacherbenvermerk nachweisen will, steht ihm - anders als der Beteiligten zu 2 als (Mit-)Erbeserbin von T. - kein Antragsrecht zu. Überdies wäre nach dem Tod der Vorerbin in einem auf ihren Namen zu erteilenden Erbschein ein Nacherbenvermerk nicht aufzunehmen. Der gemäß § 2363 BGB in den Erbschein aufzunehmende Nacherbenvermerk bescheinigt nämlich nicht das Nacherbrecht, sondern dient nur dazu, die Beschränkungen der Rechtsstellung des Vorerben auszuweisen. Diese Beschränkung besteht nach dem Tod des Vorerben in jedem Fall nicht und kann daher auch nicht mehr gemäß § 2363 Abs. 1 BGB in einen Erbschein eingetragen werden (vgl. BayObLG FamRZ 2000, 1231/1232).

c) Da im Beschwerdeverfahren eine Sachprüfung nicht veranlasst war, kommt der mit der weiteren Beschwerde erhobenen Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs durch das Landgericht keine Bedeutung zu. Das Vorbringen, das nach Auffassung des Beteiligten zu 1 in der Entscheidung des Landgerichts nicht berücksichtigt worden ist, bezieht sich auf die materielle Rechtslage.

Die Beschwerde des Beteiligten zu 1 gegen den nach der Entscheidung des Landgerichts auf Antrag der Beteiligten zu 2 erteilten Erbscheins vom 26.9.2003 ist nicht Gegenstand dieses Verfahrens.

3. Die Erstattung der Kosten war nach § 13a Abs. 1 Satz 2 FGG anzuordnen. Der Geschäftswert für das Verfahren der Beschwerde war nach § 131 Abs. 2, § 30 Abs. 1 KostO unter Berücksichtigung von § 107 KostO (BayObLG RPfleger 1984, 19) auf 34.175 Euro festzusetzen. Für das wirtschaftliche Interesse, das der Beteiligte zu 1 verfolgt, ist nicht der volle Wert des der Nacherbschaft unterliegenden Vermögens maßgebend, sondern der wirtschaftliche Wert des Nacherbenrechts. Dieser ist mit einem Prozentsatz des Wertes des Nachlasses zu schätzen (BayObLG NJW-FER 1989, 108). Maßgeblicher Zeitpunkt ist hierfür der Tod der Erblasserin (vgl. § 107 Abs. 2 Satz 1 KostO). Aus dem um den Wert des Vermächtnisses zu Gunsten des Beteiligten zu 1 (Einfamilienhaus mit Garten im Verkehrswert von DM 220.000) und die Todesfallkosten (DM 6.500) bereinigten Reinnachlasswert (DM 668.403 = 341.749 EUR) setzt der Senat 10% an (34.175 EUR). Dies erscheint angesichts der Unwahrscheinlichkeit einer das Nacherbenrecht beeinträchtigenden Verfügung der unter Vormundschaft bzw. Betreuung stehenden Vorerbin T. gerechtfertigt. Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens richtet sich nach denselben Grundsätzen. Die Festsetzung des Landgerichts wurde daher entsprechend abgeändert (§ 31 Abs. 1 Satz 2 KostO).



Ende der Entscheidung

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