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Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 19.11.2004
Aktenzeichen: 1Z BR 85/04
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 2227
Zur Entlassung eines Testamentsvollstreckers aus wichtigem Grund, wenn dieser ein tatsächlich nicht bestehendes "Vorkaufsrecht" an Nachlassgrundstücken für sich in Anspruch nimmt.
Gründe:

I.

Der Erblasser ist 1999 im Alter von 69 Jahren verstorben. Er war mit der Beteiligten zu 1 verheiratet, die Beteiligten zu 2 bis 4 sind die gemeinsamen Kinder. Der Beteiligte zu 5 ist ein Bruder des Erblassers.

Der Erblasser hat am 6.12.1998 gemeinsam mit seiner Ehefrau ein gemeinschaftliches privatschriftliches Testament errichtet, in dem sich die Ehegatten für den "gemeinsamen Nachlass" gegenseitig zu befreiten Vorerben, den Beteiligten zu 3 zum Nacherben eingesetzt haben. Der Erblasser hat ebenfalls am 6.12.1998 ein weiteres privatschriftliches Testament errichtet, in dem er bezüglich seines Anteils an der "Erbengemeinschaft in W. " die Beteiligten zu 1 bis 4 als Erben zu je 1/4 eingesetzt hat. Ferner hat er bestimmt:

"Der Anrechenwert wird durch Sachverständigengutachten ermittelt, wenn keine andere Einigung erzielt wird. Um die sachgerechte Verwaltung und Auseinandersetzung meines alleinigen Nachlasses in W. zu gewährleisten und die Möglichkeiten der Steuerersparnisse auszuschöpfen, benenne ich meinen Bruder (Beteiligter zu 5) als Testamentsvollstrecker zur Durchführung dieser Aufgaben."

Diese Erbengemeinschaft nach dem 1980 verstorbenen Vater des Erblassers bestand ursprünglich aus dem Erblasser, dem Beteiligten zu 5 und zwei weiteren Brüdern, die jeweils Miterben zu 1/4 waren. Der 1985 verstorbene Bruder wurde vom Erblasser und vom Beteiligten zu 5 zu gleichen Teilen beerbt. Der 2001 verstorbene Bruder wurde kraft Gesetzes von den Beteiligten zu 2 bis 4 zu je 1/6 und dem Beteiligten zu 5 zu 1/2 beerbt. Der Nachlass des Vaters des Erblassers besteht im Wesentlichen aus dem ehemaligen landwirtschaftlichen Anwesen und dem dazu gehörigen Grundbesitz.

Der Beteiligten zu 1 wurde am 18.8.1999 ein Erbschein als Alleinerbin aufgrund des gemeinschaftlichen Testaments vom 6.12.1998 erteilt; die Verfügungen in dem Einzeltestament des Erblassers vom selben Tag wurden als Vermächtnisse angesehen. Der Beteiligte zu 5 hat das Amt als Testamentsvollstrecker angenommen und antragsgemäß am 16.11.1999 ein Testamentsvollstreckerzeugnis erhalten, in dem sein Aufgabenkreis als Vermächtnisvollstrecker bezüglich des Anteils des Erblassers an der Erbengemeinschaft nach seinem Vater beschrieben wurde.

Im Jahr 2000 bot die Gemeinde W. der Erbengemeinschaft an, das Grundstück FlNr. 70 (15.906 qm) zu einem Kaufpreis von 130 DM/qm und das Grundstück FlNr. 927 zu einem Kaufpreis von 9 DM/qm zu erwerben. Das Geschäft kam nicht zustande, da der Beteiligte zu 5 seine Zustimmung verweigerte. In der Folge bot die Gemeinde W. an, eine Teilfläche von 7.500 qm aus dem Grundstück FlNr. 70 zum Preis von 130 DM pro Quadratmeter zu erwerben, ferner wollte eine Gärtnerei im Jahr 2003 eine Teilfläche von 1.000 qm dieses Grundstücks zum Preis von 80 EURO pro Quadratmeter erwerben. Auch diesen Angeboten stimmte der Beteiligte zu 5 nicht zu. Ein vom Beteiligten zu 5 in Auftrag gegebenes Gutachten gab den Verkehrswert für das Grundstück FlNr. 70 als "begünstigtes Agrarland" insgesamt mit 220.000 EURO an, was einem Quadratmeterpreis von knapp 15 EURO entspricht.

Der Beteiligte zu 5 ist der Auffassung, als letzter "leiblicher Erbe" nach seinem Vater sei nur er berechtigt, die Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft zu verlangen. Nur ihm stünden die Rechte als Miterbe zu; er habe bezüglich der Grundstücke ein Vorkaufsrecht, bei dem der Wert zum Todestag seines Bruders zugrunde zu legen sei. Die später abgegebenen Kaufangebote, die ohnehin sittenwidrig überhöht seien, könnten deshalb nicht berücksichtigt werden. Wertsteigerungen nach dem Todestag kämen ausschließlich ihm als Miterben und Testamentsvollstrecker zugute. Er will eine Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft nur in der Weise vornehmen, dass er sämtliche Grundstücke selbst übernimmt und Ausgleichszahlungen nur auf der Grundlage des Wertes zum Todestag leistet. Das Grundstück FlNr. 70 will er dann der Gemeinde im Wege der Erbpacht überlassen, um die Versorgung seiner Kinder sicherzustellen.

Auf Antrag der Beteiligten zu 1 bis 4 hat das Amtsgericht nach persönlicher Anhörung mit Beschluss vom 28.6.2004 den Beteiligten zu 5 als Testamentsvollstrecker entlassen. Gegen diesen Beschluss hat der Beteiligte zu 5 sofortige Beschwerde eingelegt, die das Landgericht nach erneuter persönlicher Anhörung mit Beschluss vom 23.8.2004 zurückgewiesen hat. Hiergegen richtet sich das Rechtsmittel des Beteiligten zu 5, mit dem er - wie schon in den Vorinstanzen - insbesondere geltend macht, bei den Kaufpreisangeboten der Gemeinde und der Gärtnerei handle es sich um "sittenwidrige Spekulationsangebote", durch die die Übernahme des Grundstücks FlNr. 70 ihm als Erben ebenso entzogen werde wie der "erbliche Wertzuwachs"; das ihm zustehende Vorkaufsrecht werde dadurch vereitelt.

II.

Das Rechtsmittel ist als sofortige weitere Beschwerde statthaft. Gegen die Entscheidung des Landgerichts ist die fristgebundene sofortige weitere Beschwerde gegeben, da die Entscheidung des Amtsgerichts der sofortigen Beschwerde unterlag (§ 27 Abs. 1 Satz 1, § 29 Abs. 2, § 81 Abs. 2 FGG). Allerdings ist die zunächst privatschriftlich eingelegte Beschwerde erst nach Ablauf der Frist von zwei Wochen (§ 29 Abs. 4, § 22 Abs. 1 FGG) formgerecht eingelegt worden. Dem Beteiligten zu 5 ist jedoch gegen die Versäumung der Frist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 22 Abs. 2 FGG zu gewähren, da auf Grund der vorliegenden besonderen Umstände von fehlendem Verschulden an der Fristversäumnis auszugehen ist. Eine Belehrung darüber, dass nach der für juristische Laien schwer verständlichen Vorschrift des § 29 Abs. 2 FGG auch gegen die landgerichtliche Entscheidung das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben war, und über die dabei einzuhaltenden Formvorschriften ist dem Beteiligten zu 5 nicht erteilt worden. Nach einem entsprechenden Hinweis durch den Senat hat der Beteiligte zu 5 rechtzeitig (§ 22 Abs. 2 Satz 1 FGG) formgerecht das Rechtsmittel zu Protokoll der Geschäftsstelle eingelegt (§ 29 Abs. 4, § 21 Abs. 2 Satz 1 FGG).

Das Rechtsmittel hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

1. Das Landgericht hat im Wesentlichen ausgeführt:

Es liege ein wichtiger Grund für die Entlassung des Beteiligten zu 5 als Testamentsvollstrecker im Sinne des § 2227 Abs. 1 BGB vor. Der Beteiligte zu 5 habe seine Pflichten grob verletzt und sich auch als unfähig zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung erwiesen. Außerdem habe sein Verhalten zu einem Interessengegensatz gegenüber den Beteiligten zu 1 bis 4 geführt, der sich zur Wahrung von deren Rechten und zur Verwirklichung einer ordnungsgemäßen Abwicklung nicht anders auflösen lasse als durch die Beendigung des Testamentsvollstreckeramtes. Ein wichtiger Grund für die Entlassung liege schon darin, dass sich der Beteiligte zu 5 geweigert habe und nach wie vor weigere, Grundstücke bzw. Grundstücksteile an Dritte zu verkaufen, die äußerst günstige Angebote abgegeben hätten. Allein durch das zögerliche Verhalten des Beteiligten zu 5 sei der Verkauf des Grundstücks FlNr. 70 insgesamt sowie des Grundstücks FlNr. 729 an die Gemeinde gescheitert. Auch die zwischenzeitlich vorliegenden Angebote der Gemeinde sowie der Gärtnerei seien für die Erbengemeinschaft äußerst günstig, da sie mit 60 bis 80 EURO weit über dem vom Beteiligten zu 5 angesetzten Quadratmeterpreis von rund 15 EURO pro Quadratmeter lägen. Die Ausschlagung dieser günstigen Angebote durch den Beteiligten zu 5 widerspreche seiner Verpflichtung zur objektiven Amtsführung. Die von ihm erhobenen Einwände, die Gebote seien sittenwidrig, da sie sein Vorkaufsrecht als Miterbe vereitelten, seien nicht stichhaltig. Dem Beteiligten zu 5 stehe kein Vorkaufsrecht zu, die Vorschrift des § 2034 BGB regele den Verkauf eines Miterbenanteils an einen Dritten, hier gehe es jedoch um die Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft. Im Übrigen wolle der Beteiligte zu 5 die Grundstücke nicht zu dem von den anderen Interessenten gebotenen Preis erwerben, sondern nur zu einem erheblich niedrigeren. Der Beteiligte zu 5 sei zu einer ordnungsgemäßen Amtsgeschäftsführung nicht in der Lage, da er ausschließlich einseitig auf seinen eigenen Vorteil abhebe und die Interessen der anderen Beteiligten außer Betracht lasse. Er lasse sich nicht von seinem Standpunkt abbringen, dass jede Wertsteigerung seit dem Todestag des Erblassers ausschließlich ihm als Testamentsvollstrecker zufließen müsse, er bei einem zwischenzeitlich eingetretenen Wertverlust aber nur den im Zeitpunkt der Auseinandersetzung tatsächlich bestehenden Wert auszugleichen habe. Wer einen solchen Standpunkt vertrete, sei für eine Geschäftsführung zur Abwicklung eines Nachlasses und zur Auseinandersetzung einer Erbengemeinschaft nicht geeignet. Entgegen der Auffassung des Beteiligten zu 5 seien auch dem Einzeltestament des Erblassers keinerlei Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass der Beteiligte zu 5 in irgendeiner Weise privilegiert werden sollte. Zwischen den Beteiligten sei ein unlösbarer Interessenkonflikt entstanden, der ebenfalls die Entlassung des Testamentsvollstreckers rechtfertige, weil bei Fortbestand dessen Amtes eine den Interessen aller Beteiligter objektiv gerecht dienende Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft nicht erreicht werden könne.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung auch unter Berücksichtigung des Vorbringens der weiteren Beschwerde stand (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO). Das Landgericht hat zu Recht das Vorliegen eines wichtigen Grundes gemäß § 2227 Abs. 1 BGB bejaht, der die Entlassung des Beteiligten zu 5 als Testamentsvollstrecker rechtfertigt.

a) Nach § 2227 Abs. 1 BGB kann der Testamentsvollstrecker auf Antrag eines Beteiligten entlassen werden, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Das Gesetz nimmt als Beispiele eine grobe Pflichtverletzung des Testamentsvollstreckers oder dessen Unfähigkeit zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung an.

Neben den im Gesetz genannten Beispielsfällen kann ein wichtiger Grund ohne Rücksicht auf ein Verschulden auch dann vorliegen, wenn der Testamentsvollstrecker durch sein persönliches Verhalten begründeten Anlass zu der Annahme gibt, dass ein längeres Verbleiben im Amt der Ausführung des letzten Willens des Erblassers hinderlich sei oder dass sich dadurch eine Schädigung oder erhebliche Gefährdung der Interessen der an der Ausführung oder am Nachlass Beteiligten ergeben würde. Auch ein nicht nur auf subjektiven Gefühlsmomenten, sondern auf Tatsachen beruhendes Misstrauen eines Beteiligten, zu dem der Testamentsvollstrecker Anlass gegeben hat, kann zur Entlassung des Testamentsvollstreckers führen. Schließlich kann auch ein erheblicher Interessengegensatz zwischen Testamentsvollstrecker und Erben ein wichtiger Grund zur Entlassung sein (BayObLGZ 1985, 298/2303; 2001, 165/170).

b) Von diesen rechtlichen Gegebenheiten ausgehend ist das Landgericht in seiner umfassend begründeten Entscheidung zutreffend zu dem Ergebnis gekommen, dass ein wichtiger Grund für die Entlassung des Beteiligten zu 5 als Testamentsvollstrecker vorliegt.

Ob ein wichtiger Grund im Sinne des § 2227 Abs. 1 BGB vorliegt, ist Tat- und Rechtsfrage. Tatfrage ist die Feststellung des Sachverhalts, der die Entlassung rechtfertigen soll. Diese obliegt den Tatsacheninstanzen; das Rechtsbeschwerdegericht muss von dem Sachverhalt ausgehen, den das Beschwerdegericht rechtsfehlerfrei ermittelt hat (§ 27 Abs. 1 Satz 2 FGG i.V.m. § 559 ZPO). Dessen Tatsachenfeststellung und Beweiswürdigung kann nur auf Rechtsfehler überprüft werden. Ob der vom Beschwerdegericht festgestellte Sachverhalt die Merkmale des Rechtsbegriffs "wichtiger Grund" im Sinne von § 2227 Abs. 1 BGB erfüllt, ist dagegen eine vom Gericht der weiteren Beschwerde ohne Einschränkungen nachprüfbare Rechtsfrage (BayObLGZ 1990, 177/181; FamRZ 2001, 54).

c) Das Landgericht hat zutreffend einen erheblichen Interessengegensatz zwischen dem Beteiligten zu 5 als Testamentsvollstrecker und den übrigen Beteiligten gesehen, der die Entlassung rechtfertigt. Der Beteiligte zu 5 hat in seinen schriftlichen Äußerungen ebenso wie in der ausführlichen Anhörung vor dem Landgericht unumwunden eingeräumt, dass er einen Wertzuwachs bei den Nachlassgrundstücken ausschließlich sich und seinen Kindern zugute kommen lassen will. Wie das Landgericht richtig ausgeführt hat, findet die vom Beteiligten zu 5 beharrlich vertretene Auffassung, er - und kein anderer Miterbe - sei zur Übernahme der Grundstücke zu deren Wert bei Eintritt des Erbfalls berechtigt, weder im Gesetz noch im Testament eine Stütze. Das Vorkaufsrecht nach § 2034 BGB, das der Beteiligte zu 5 für sich in Anspruch nimmt, besteht dann, wenn ein Miterbe gemäß § 2033 Abs. 1 BGB über seinen Anteil am Nachlass, also seine ideelle quotale Berechtigung am Gesamthandsvermögen der Erbengemeinschaft, verfügt. Das ist hier nicht der Fall; die Beteiligten zu 1 bis 4 wollen nicht ihren Anteil am Nachlass veräußern, sondern vielmehr die Erbengemeinschaft insgesamt auseinandersetzen und hierzu die einzelnen Grundstücke veräußern. Auch durch das Testament vom 6.12.1998 werden dem Beteiligten zu 5 nicht die Sonderrechte eingeräumt, die er für sich in Anspruch nimmt.

Zutreffend geht das Landgericht auch davon aus, dass keine überwiegenden Gründe dafür vorliegen, den Beteiligten zu 5 in seinem Amt zu belassen. Das Landgericht hat aus der nachhaltigen Verfolgung eigener finanzieller Interessen zu Lasten der übrigen Beteiligten den Schluss gezogen, dass eine die Interessen aller Beteiligter dienende Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft nicht durchgeführt werden kann, wenn der Beteiligte zu 5 das Amt des Testamentsvollstreckers weiterhin ausübt. Das ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

3. Einer Entscheidung über die Gerichtskosten bedarf es nicht, weil sich unmittelbar aus dem Gesetz ergibt, wer diese zu tragen hat. Gemäß § 13a Abs. 1 Satz 2 FGG hat der Beteiligte zu 5 die den Beteiligten zu 1 bis 4 entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Den Geschäftswert für das Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde setzt der Senat gemäß § 31 Abs. 1 Satz 1, § 131 Abs. 2, § 30 Abs. 1 KostO in Übereinstimmung mit den Vorinstanzen auf 50.000 EURO fest.

Ende der Entscheidung

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