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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 05.09.2002
Aktenzeichen: 1Z BR 91/02
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1618
Zur Wirksamkeit der Einbenennung nach § 1618 BGB ist eine die Einwilligung des anderen Elternteils ersetzende Entscheidung des Familiengerichts nicht erforderlich, wenn der andere Elternteil verstorben ist.(Vorlage an den Bundesgerichtshof wegen Abweichung von OLG Zweibrücken vom 5.2.1999 = FamRZ 1999, 1372).
Gründe:

I.

Das 1992 geborene Kind ist aus der Ehe der Beteiligten zu 1 mit R. hervorgegangen. Es erhielt als Geburtsnamen den Ehenamen der Eltern R. Die Ehe der Eltern wurde geschieden Am 21.9.2000 heiratete die Beteiligte zu 1 den Beteiligten zu 2, dessen Geburtsname S. zum Ehenamen bestimmt wurde. Der Vater des Kindes verstarb am 24.12.2000.

Die Mutter des Kindes und der Stiefvater erklärten am 16.8.2001 in standesamtlich beglaubigter Form, dass dem Kind der Ehename S. als Familienname erteilt wird; das Kind hat eingewilligt. Auf Anfrage des Standesbeamten teilte das Familiengericht mit, dass die Ersetzung der Einwilligung des verstorbenen Vaters nicht möglich sei, weil nur eine notwendige Einwilligung ersetzt werden könne und nach dem Ableben des Vaters dessen Einwilligung nicht mehr erforderlich sei.

Der Standesbeamte hat Zweifel, ob die Erteilung des Ehenamens S. ohne die Ersetzung der Einwilligung des Vaters durch das Familiengericht wirksam ist. Er hat hierzu gemäß § 45 Abs. 2 PStG gerichtliche Entscheidung beantragt. Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 20.3.2002 den Standesbeamten angewiesen, den erteilten Familiennamen S. ohne Ersetzung der Einwilligung des Vaters beizuschreiben.

Auf die sofortige Beschwerde der Standesamtsaufsicht (Beteiligter zu 3) hat das Landgericht mit Beschluss vom 24.6.2002 die Entscheidung des Amtsgerichts aufgehoben und den Standesbeamten angewiesen, den erteilten Familiennamen erst nach Ersetzung der Einwilligung des verstorbenen Vaters beizuschreiben. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Standesamtsaufsicht, mit der sie eine obergerichtliche Klärung der von den Vorinstanzen unterschiedlich beantworteten Zweifelsfrage anstrebt.

II.

Die sofortige weitere Beschwerde ist statthaft und zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt (§ 49 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, § 48 Abs. 1 PStG, § 27 Abs. 1, § 29 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 4, § 22 Abs. 1 FGG).

In der Sache ist nach Auffassung des Senats der Beschluss des Landgerichts aufzuheben und die Erstbeschwerde gegen den amtsgerichtlichen Beschluss zurückzuweisen. An dieser Entscheidung sieht sich der Senat jedoch durch die Entscheidung des Oberlandesgerichts Zweibrücken vom 5.2.1999 (FamRZ 1999, 1372 = StAZ 1999, 241) gehindert. Das Rechtsmittel wird daher gemäß § 28 Abs. 2 FGG dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt. Diese hängt von der Beantwortung der Rechtsfrage ab, ob zur Wirksamkeit der Einbenennung nach § 1618 BGB eine die Einwilligung des anderen Elternteils ersetzende Entscheidung des Familiengerichts erforderlich ist, wenn der andere Elternteil verstorben ist. Im Gegensatz zum Oberlandesgericht Zweibrücken möchte der Senat die Frage verneinen.

1. Gegenstand der gemäß § 45 Abs. 2 PStG zulässigen Vorlage des Standesbeamten an das Amtsgericht ist die Frage, ob aufgrund der Erklärungen vom.16.8.2001, mit denen die Beteiligten zu 1 und 2 gemäß § 1618 Satz 1 BGB dem Kind ihren Ehenamen erteilen, eine Eintragung im Geburtenbuch vorzunehmen ist (§ 31a Abs. 1 Satz 1 Nr. 6, Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 PStG). Durch derartige namenserteilende Erklärungen wird - bei Vorliegen aller Wirksamkeitsvoraussetzungen - die Namensänderung beim Kind unmittelbar herbeigeführt; die spätere Eintragung als Randvermerk im Geburtenbuch hat nur deklaratorische Bedeutung (vgl. BayObLG FamRZ 1964, 457/458; Staudinger/Coester BGB [2000] § 1618 Rn. 40; MünchKomm/v. Sachsen Gessaphe BGB 4. Aufl. § 1618 Rn. 27). Die Entscheidung über die vom Standesbeamten vorzunehmende Amtshandlung hängt davon ab, ob hier zur Wirksamkeit der Einbenennung neben den formgerecht abgegebenen (§ 1618 Satz 5 BGB, § 31a PStG) Erklärungen der Beteiligten zu 1 und 2 und des Kindes (§ 1618 Satz 3 BGB) eine - hier nicht vorliegende - die Einwilligung des verstorbenen Vaters ersetzende Entscheidung des Familiengerichts (vgl. § 1618 Satz 4 BGB) notwendig ist.

2. Das Landgericht hat - im Gegensatz zum Amtsgericht - diese Frage bejaht. Zur Begründung hat es sich weitgehend auf die Entscheidung des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Zweibrücken vom 5.2.1999 (FamRZ 1999, 1312) bezogen. Dieses Gericht hält die Ersetzungsentscheidung aus folgenden Erwägungen für erforderlich: Ausgehend vom Wortlaut des § 1618 Satz 4 BGB sei auch bei fehlender Einwilligung wegen Todes des anderen Elternteils eine Situation gegeben, in der es an der erforderlichen Einwilligung fehle, mithin diese zu ersetzen sei. Nur ein dahingehendes Verständnis der Vorschrift werde auch ihrem Sinn und Zweck gerecht. Denn nach dem Willen des Gesetzgebers schütze das Zustimmungserfordernis ausschließlich das Interesse des anderen Elternteils am Fortbestand des namensrechtlichen Bandes zwischen ihm und seinem Kind. Solche schützenswerten Interessen könnten ebenso nach dem Tod des anderen Elternteils bestehen. Auch wenn die Zustimmung des anderen Elternteils als höchstpersönlicher Akt nach dessen Tod nicht durch den Rechtsnachfolger erklärt werden könne, erscheine es nicht ausgeschlossen, dass sich nach dem Tod namensrechtliche Interessen aus sonstigen Umständen herleiten ließen, wie etwa dem Testament oder anderen schriftlichen Unterlagen des Verstorbenen. Berechtigte Interessen könnten sich aus dem Namen selbst ergeben, z.B. wenn dieser eine besondere Abstammung erkennen lasse.

3. Der Senat möchte die Entscheidung des Landgerichts aufheben.

a) Die aufgeworfene Rechtsfrage ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten. Das OLG Zweibrücken (3. Zivilsenat, aaO) und ihm folgend das OLG Hamm (StAZ 2000, 213 - obiter) halten eine Ersetzungsentscheidung des Familiengerichts (§ 1618 Satz 4 BGB) als Voraussetzung der Wirksamkeit der Namenserteilung nach dem Tod des anderen Elternteils für erforderlich (ebenso Palandt/Diederichsen BGB 61. Aufl. § 1618 Rn. 17; Henrich/Wagenitz/Bornhofen Deutsches Namensrecht Stand 2000 § 1618, BGB Rn. 61; Lipp/Wagenitz Das neue Kindschaftsrecht § 1618 BGB Rn. 17). Die überwiegende Meinung verneint demgegenüber das Erfordernis der Ersetzungsentscheidung (OLG Zweibrücken - 5. Zivilsenat - FamRZ 2000, 696; OLG Stuttgart NJW-RR 2001, 366; OLG Frankfurt - obiter - NJW-RR 2001, 1443; AG Bremen StAZ 1999, 242; AG Kiel, AG Lübeck StAZ 2000, 21; AG Limburg a.d. Lahn StAZ 2000, 81; Staudinger/Coester § 1618 Rn. 24; MünchKomm/v. Sachsen Gessaphe § 1618 Rn. 18; FamRefK/ Wax § 1618 Rn. 5; Sachse StAZ 2000, 22).

b) Nach Auffassung des Senats, der die Frage im Beschluss vom 25.5.1999 (FamRZ 2000, 252) offengelassen hatte, sprechen die überzeugenderen Gründe für die überwiegende Meinung, die das Erfordernis der Ersetzungsentscheidung nach dem Tod des anderen Elternteils verneint. Hierfür sind folgende Erwägungen maßgeblich:

Für eine Ersetzung ist nur dort Raum, wo eine erforderliche Erklärung nicht abgegeben wird. Der logische Normaufbau ist dreistufig: eine Erklärung ist erforderlich; die erforderliche Erklärung wird nicht abgegeben; sie kann unter bestimmten Voraussetzungen ersetzt werden. Hier fehlt es schon an der ersten Stufe, der Erforderlichkeit der Erklärung. Bei der in § 1618 Satz 3 BGB geforderten Einwilligung des anderen Elternteils handelt es sich nach allgemeiner Meinung um einen höchstpersönlichen Akt, der weder durch einen Stellvertreter noch durch den Rechtsnachfolger erklärt werden kann (vgl. OLG Zweibrücken, 3. Zivilsenat, aaO; Staudinger/Coester § 1618 Rn. 25, § 1617 Rn. 26; MünchKomm/von Sachsen Gessaphe § 1618 Rn. 18; Palandt/Diederichsen § 1618 Rn. 10). Dann kann aber nicht angenommen werden, dass § 1618 Satz 3 BGB ein Zustimmungserfordernis über den Tod des anderen Elternteils hinaus normiert. Anderenfalls hätte es einer ausdrücklichen gesetzlichen Zuweisung bedurft, wessen Zustimmung anstelle des Verstorbenen erforderlich ist (etwa namensgleiche andere Angehörige, ein Rechtsnachfolger oder das Familiengericht, vgl. OLG Frankfurt aaO). Eine solche Regelung fehlt; sie ist insbesondere nicht in § 1618 Satz 4 BGB zu erblicken, der als Ersetzungsregelung erst dann eingreift, wenn eine Einwilligung an sich notwendig, aber nicht abgegeben ist. Fehlt es schon am Erfordernis der Einwilligung, kommt eine Ersetzung nicht in Betracht.

Das Argument, § 1618 Satz 4 BGB passe seinem Wortlaut nach auch auf den Fall, dass der andere Elternteil infolge Versterbens seine Einwilligung nicht mehr abgeben könne, greift zu kurz. Es verknüpft nur den zweiten Prüfungsschritt (Erklärung ist nicht abgegeben) mit dem dritten (Ersetzung). Hier geht es aber um die vorgelagerte Frage, ob die nicht abgegebene Erklärung überhaupt erforderlich ist. Dass aus der Existenz einer Ersetzungsregelung für Fälle notwendiger, aber nicht abgegebener Erklärungen nicht auf die Tatbestandsvoraussetzungen der Notwendigkeit geschlossen werden kann, liegt auf der Hand.

Der Senat ist der Auffassung, dass sich der Normzweck des § 1618 Satz 3 BGB, soweit er das Erfordernis der Einwilligung des anderen Elternteils regelt, auf den Schutz der lebzeitigen Interessen des anderen Elternteils beschränkt und dass mit dessen Tod das Einwilligungserfordernis entfällt.

4. Aus den vorgenannten Gründen möchte der Senat die Entscheidung des Landgerichts aufheben und die Erstbeschwerde gegen den amtsgerichtlichen Beschluss zurückweisen. Er will von der Entscheidung des Oberlandesgerichts Zweibrücken (FamRZ 1999, 1372), die auf weitere Beschwerde ergangen ist, abweichen. Die Abweichung betrifft dieselbe Rechtsfrage und die Beantwortung ist für beide Entscheidungen erheblich; die vom Senat beabsichtigte Entscheidung würde auf dieser Abweichung beruhen. Damit ist der Senat gemäß § 28 Abs. 2 FGG zur Vorlage an den Bundesgerichtshof verpflichtet.

Ende der Entscheidung

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