Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 14.12.2000
Aktenzeichen: 1Z BR 95/00
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 133
BGB § 2084
BGB § 2087
Zur Frage, wie ein Testament auszulegen ist, wenn der Erblasser mehreren Personen nur einzelne Gegenstände aus dem Nachlaß zuwendet und bestimmt, dass einer der Bedachten sämtliche Auslagen begleichen und die Beerdigungskosten übernehmen muß.
BayObLG Beschluss

LG Nürnberg-Fürth 13 T 3574/98; AG Hersbruck VI 980/97

1Z BR 95/00

14.12.00

Der 1. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung des Präsidenten Gummer sowie der Richter Kenklies und Zwirlein am 14. Dezember 2000 in der Nachlaßsache

beschlossen:

Tenor:

I. Die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2, 3 und 4 gegen den Beschluss des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 25. April 2000 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten zu 2, 3 und 4 haben die der Beteiligten zu 1 im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen Kosten zu erstatten.

III. Der Geschäftswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf DM 834210,-- festgesetzt.

Gründe:

I.

Der 1997 verstorbene Erblasser war ledig und kinderlos. Die nächste Verwandte des Erblassers ist seine Schwester (Beteiligte zu 1). Der Nachlaß besteht im wesentlichen aus zwei Reihenhäusern, einem 1/2-Anteil an einem Haus, vier Eigentumswohnungen, Bargeld und Bankguthaben.

Der Erblasser hatte am 12.2.1993 ein eigenhändig geschriebenes und unterschriebenes Testament errichtet.. Es besteht aus sechs numerierten Seiten, die jeweils mit Datum und Unterschrift versehen sind und jeweils die Überschrift "Mein Testament" tragen. Das Testament lautet auszugsweise wie folgt:

Auf Seite1:

"l Meine Schwester (Beteiligte zu 1) setze ich zu meiner Erbin ein, für: Sparkassenbuch Konto-Nr. ... sowie mein Giro-Konto Nr.... bei gleicher Bank, damit sollen sämtliche Auslagen wie Beerdigung usw beglichen werden.

Verbrennung, Beisetzung im Familiengrab."

Auf Seite 2:

"2. Frau A (Beteiligte zu 3)... setze ich zu meiner Erbin ein, für das Reihenhaus mit Garage in ... sowie die Eigentumswohnung in... ".

Auf Seite 3:

Frau B (Beteiligte zu 4)... setze ich zu meiner Erbin ein, für die Eigentumswohnung in ... sowie die Eigentumswohnung in ... und mein Auto."

Auf Seite 4:

"4. Herr C (Beteiligter zu 5)... setze ich zu meinem Erben ein, für meinen halben Anteil des Hauses in ....".

Auf Seite 5:

"5. Herr D... setze ich zu meinem Erben ein, für das Reihenhaus in... "

Auf Seite 6:

"Mein stets hilfsbereiter Freund (Beteiligter zu 2)...setze ich zu meinem Erben ein, für die Einzimmerwohnung ... in...".

Auf Seite 6 folgt nach Unterschrift, Ort und Datum der Zusatz:

"Alle die vererbten Gegenstände sind schuldenfrei.

Das ist mein letzter Wille und wünsche, dass mein Testament respektiert wird."

Es folgen nochmals Unterschrift, Ortsangabe und Datum.

Der auf S. 5 des Testaments bedachte ist am 30.9.1995 vorverstorben.

Der Gesamtwert der in dem Testament genannten Immobilien wurde für den Zeitpunkt des Erbfalls auf ca. DM 1472.000,-- und unter Zugrundelegung einer Wertsteigerung von 20 % zwischen Testamentserrichtung und Erbfall für den Zeitpunkt der Testamentserrichtung auf ca. DM 1227.000,-- geschätzt. Das im Testament erwähnte Automobil hatte bei Testamentserrichtung einen Schätzwert von DM 15000,--. Die auf S. 1 des Testaments bezeichneten Bankguthaben beliefen sich bei Testamentserrichtung auf DM 102382,-- (Sparkonto) und DM 6744,37 (Girokonto).

Neben den vom Erblasser in dem Testament, vom 12.2.1993 erwähnten Vermögensbestandteilen war bzw. ist noch folgendes wesentliche Vermögen des Erblassers vorhanden:

Seit 11.9.1992 unterhielt der Erblasser bei einer Tiroler Bank ein Konto mit einem Anfangsguthaben in Höhe von DM 300000,--, dessen Stand bis zum 10.10.1996 auf DM 349870,99 anwuchs; an diesem Tag hob der Erblasser das gesamte Guthaben in bar ab.

Zum Nachlaß gehört ein Wohnhaus im Ausland, das der Erblasser am 8.1.1997 zu einem Preis von ca. DM 60000, - gekauft hat.

er Erblasser war Inhaber eines Schließfaches. Nach dem Eintritt des Erbfalls befanden sich in dem Schließfach DM 400000,-- Bargeld und am 8.11.1995 erworbene, auf DM 226000,-- lautende Wachstumszertifikate, deren Wert sich zum Zeitpunkt des Erbfalls auf DM 235559, - belief.

Die Beteiligte zu 1 beantragte einen Erbschein, wonach der Erblasser von ihr allein beerbt worden ist.

Das Amtsgericht bat mit Beschluss vom 13.3.1998 den Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 1 zurückgewiesen und für den Fall, dass ein entsprechender Antrag gestellt wird, die Erteilung eines Erbscheins in Aussicht gestellt, der die Beteiligten zu 1 bis 5 entsprechend dem Wert der im Testament im einzelnen bezeichneten Vermögensgegenstände zu 12/100, 6/100, 42/100, 21/100 und 19/100 als Miterben ausweisen sollte.

Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1 hat das Landgericht mit Beschluss vom 25.4.2000 den Beschluss des Amtsgerichts vom 13.3.1998 aufgehoben und dem Nachlassgericht aufgegeben, einen Erbschein zu erteilen, der die Beteiligte zu 1 als Alleinerbin ausweist. Einen entsprechenden Erbschein hat das Nachlassgericht am 11.5.2000 erteilt.

Gegen die Entscheidung des Landgerichts richtet sich die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2 bis 4, welche die Einziehung des nach Erlaß der Beschwerdeentscheidung erteilten Erbscheins und ihrem Erbscheinsantrag entsprechend die Erteilung des vom Amtsgericht mit Beschluss vom 13.3.1998 in Aussicht gestellten Erbscheins anstreben.

II.

Die zulässige weitere Beschwerde ist nicht begründet.

l. Das Landgericht hat im wesentlichen ausgeführt, die Auslegung des Testaments ergebe, dass die im Testament als Begünstigte benannten Personen mit Ausnahme der Beteiligten zu 1 nur Vermächtnisnehmer seien. Die Zuwendungen im Testament hätten den Nachlaß nicht erschöpft. Der durchgehenden Bezeichnung aller Begünstigten als Erben sei nicht zu entnehmen, dass der Erblasser damit tatsächlich eine Erbenstellung dieser Personen habe anordnen wollen. Während die Zuwendungen an die neben der Beteiligten zu 1 im Testament. Genannten Personen nur einzelne, vom Erblasser ausdrücklich als schuldenfrei bezeichnete Gegenstände umfaßt hätten, seien der Beteiligten zu 1 Rechte und Pflichten übertragen worden. Nur die Beteiligte zu 1 sei mit der Begleichung von Auslagen beauftragt worden; ein zusätzliches Anzeichen für die Erbeinsetzung sei es, dass der Beteiligten zu 1 vom Erblasser die Besorgung der Bestattung übertragen worden sei.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

Die Testamentsauslegung (§§ 133, 2084 BGB) ist Sache der Tatsacheninstanz. Sie ist vom Gericht der weiteren Beschwerde nur daraufhin zu überprüfen, ob sie nach den Denkgesetzen und der Lebenserfahrung möglich ist, mit den gesetzlichen Auslegungsregeln in Einklang steht, dem Sinn und Wortlaut des Testaments nicht widerspricht und alle wesentlichen Umstände berücksichtigt (ständige Rechtsprechung; vgl. BayObLG FamRZ 1999, 59/60.

Die vom Landgericht vorgenommene Auslegung des Testaments im Sinne einer Alleinerbenstellung der Beteiligten zu 1 weist einen solchen Fehler nicht auf. Die testamentarische Zuwendung bestimmter Gegenstände ist gemäß § 2087 Abs. 2 BGB auch dann, wenn der Bedachte als Erbe bezeichnet ist, im Zweifel als Vermächtnisanordnung und nicht als Erbeinsetzung anzusehen. § 2087 Abs. 2 BGB enthält allerdings nur eine Auslegungsregel, keine gesetzliche Vermutung (BayObLG FamRZ 1999, 1392/1393; OLG Köln FamRZ 1993, 735; Palandt/Edenhofer BGB 59. Aufl. § 2087 Rn. 2). Die Vorschrift greift daher nicht ein, wenn ein anderer Wille des Erblassers festgestellt werden kann (vgl. BayObLGZ 1998, 76 ff.). Hiervon ausgehend durfte das Landgericht bei der Testamentsauslegung unter Berücksichtigung der maßgeblichen Umstände zu dem Ergebnis gelangen, dass die Beteiligte zu 1 nach dem Willen des Erblassers dessen Alleinerbin sein sollte. Dass auch die vom Amtsgericht gefundene Auslegung möglich war, begründet keinen Rechtsfehler der landgerichtlichen Entscheidung.

Das Landgericht hat angesichts dessen, dass neben den im Testament genannten Immobilien und Konten weiteres erhebliches Geldvermögen vorhanden war, das der Erblasser im Testament unerwähnt gelassen hat, zutreffend festgestellt, dass die im Testament genannten Gegenstände nicht das gesamte Vermögen des Erblassers ausschöpfen. Auch unter Berücksichtigung des Grundsatzes, dass entgegen der Auslegungsregel des § 2087 Abs. 2 BGB in Fällen, in denen der Erblasser testamentarisch im Wege der Zuwendung einzelner Gegenstände praktisch über sein gesamtes Vermögen verfügt hat, eine Erbeinsetzung der bedachten Personen in Betracht kommt, weil in diesen Fällen nicht unterstellt werden kann, dass der Erblasser überhaupt keine Erben berufen wollte (vgl. BayObLG FamRZ 1997, 1177/1178; 1999, 1392/1393 jeweils m.w.N.), konnte das Landgericht somit das Testament dahingehend auslegen, dass durch die Zuwendung einzelner - hier den Nachlaß nicht erschöpfender - Gegenstände keine Einsetzung der Beteiligten zu 1 bis 5 als Miterben erfolgt ist.

Obwohl alle Beteiligten im Testament als Erben bezeichnet sind, konnte das Landgericht im Wege der Auslegung auch zu dem Ergebnis kommen, dass nur eine der bedachten Personen zum Erben eingesetzt ist, während den anderen lediglich Vermächtnisse zugewendet sind (vgl. BGH DNotZ 1972, 500; BayObLG FamRZ 1997, 1177/1178; 1999, 59/60; 1999, 1392/1394; Palandt/ Edenhofer aaO § 2087 Rn. 3).

Wenn der Erblasser seine Zuwendung als Veiteilung einzelner Gegenstände formuliert hat, hängt die Beantwortung der Frage, ob eine Erbeinsetzung vorliegt, maßgeblich auch davon ab, ob der Erblasser durch die in dieser Weise bedachten Personen seine wirtschaftliche Stellung fortgesetzt wissen wollte (BayObLGZ 1965, 457/460; BayObLG FamRZ 1997, 1177/1178; OLG Düsseldorf FamRZ 1995, 1299). Entscheidend ist demnach, ob der Erblasser den so Bedachten eine möglichst starke Stellung, also unmittelbare Rechte am Nachlaß verschaffen wollte und ob der Bedachte nach dem Willen des Erblassers auch den Nachlaß zu regeln und Erbschaftsschulden zu tilgen hatte. Ein Vermächtnis liegt dagegen vor, wenn der Erblasser den Bedachten lediglich auf schuldrechtliche Ansprüche gegen den Erben hinsichtlich einzelner Gegenstände verweisen wollte (vgl. BayObLG FamRZ 1986, 835/837; OLC Düsseldorf aaO).

Diese Gegebenheiten hat das Landgericht hinreichend beachtet. Für die vom Landgericht im Wege der Auslegung ermittelte Alleinerbenstellung der Beteiligten zu 1 spricht insbesondere, dass nur diese vom Erblasser mit der Begleichung der den Nachlaß betreffenden Auslagen beauftragt worden ist und dass somit im Gegensatz zu den anderen im Testament bedachten Personen der Beteiligten zu 1 in bezug auf den Nachlaß nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten übertragen worden sind. Das Landgericht konnte daher davon ausgehen, dass es ausschließlich die Beteiligte zu 1 war, durch die der Erblasser seine wirtschaftliche Stellung fortgesetzt wissen wollte. Ein zusätzliches wesentliches Anzeichen für die Erbeinsetzung der Beteiligten zu 1 ergibt sich daraus, dass diese für die vom Erblasser gewünschte Bestattung Sorge tragen sollte (vgl. BayObLG FamRZ 1999, 1392/1394; Palandt/Edenhofer aaO § 2087 Rn. 2).

Entgegen dem Vorbringen der Rechtsbeschwerdeführer konnte das Landgericht von einer Vernehmung des Zeugen H. absehen. Ohne Verstoß gegen die Amtsermittlungspflicht ist das Landgericht nämlich davon ausgegangen, dass die im Beschwerdeverfahren behaupteten Äußerungen des Erblassers gegenüber dem Zeugen H. zur Auslegung des Testaments keinen Beitrag leisten können. Soweit erst im Rechtsbeschwerdeverfahren Behauptungen und Beweismittel ergänzt werden, muß dies unberücksichtigt bleiben.

3. Eine Entscheidung über die Gerichtskosten ist nicht veranlaßt, da sich aus dem Gesetz ergibt, wer diese zu tragen hat. Die Erstattungsanordnung beruht auf § 13a Abs. 1 Satz 2 FGG.

4. Für den gemäß § 131 Abs. 2, § 30 Abs. 1, § 31 Abs. 1 Satz 1 KostO zu bestimmenden Geschäftswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde ist die Bedeutung des Rechtsmittels für die Rechtsbeschwerdeführer maßgebend. Dieses ist im vorliegenden Fall darauf gerichtet, Miterben zu 6/100, 42/100 bzw. 21/100 zu sein. Haben mehrere Beschwerdeführer Rechtsmittel eingelegt, so ist ein einheitlicher Geschäftswert festzusetzen, wenn die Rechtsmittel dasselbe Ziel verfolgen und ihr Gegenstand identisch ist. Dies gilt auch dann, wenn das Interesse der Beschwerdeführer auf verschiedene einander ergänzende Erbteile gerichtet ist; in diesem Fall sind die Interessen zusammenzurechnen (BayObLGZ 1994, 40/36). Der Geschäftswert beträgt somit 69/100 des Werts des nach Abzug der Nachlaßverbindlichkeiten verbleibenden reinen Nachlasses im Zeitpunkt des Erbfalls. Auf der Grundlage das geschätzten Werts der inländischen Immobilien von ca. DM 1472000, der Immobilie im Ausland von ca. DM 60000, der Automobils von ca. DM 15000,-- und eines Geldvermögens in Höhe von ca. DM 636000,-- ergibt sich ein Wert des Aktivnachlasses von ca. DM 2193000,--. Hiervon sind als Nachlaßverbindlichkeiten abzuziehen die nach Absetzung des Sterbegeldes verbleibenden Bestattungskosten in Höhe von ca. DM 19000,-- sowie die den Beteiligten zu 2 bis 5 zugewendeten Vermächtnisse im Gesamtwert von ca. DM 984000,--, so dass bei einem Reinnachlaßwert in Höhe von ca. DM 1209000,-- der Geschäftswert auf DM 834210,-- festzusetzen war.

Ende der Entscheidung

Zurück