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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 17.12.2004
Aktenzeichen: 1Z BR 96/04
Rechtsgebiete: BNotO, BeurkG


Vorschriften:

BNotO § 15
BeurkG § 53
Nach Vollzugsreife der Urkunde über einen Grundstückskaufvertrag darf der Notar von der Einreichung der Urkunde beim Grundbuchamt grundsätzlich nicht auf Weisung nur eines Beteiligten absehen.
Der 1. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung der Richter am Obersten Landesgericht Rojahn und Dr. Kainz sowie der Richterin am Oberlandesgericht Förth am 17. Dezember 2004 in der Notarsache

beschlossen:

Tenor:

I. Die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1 gegen den Beschluss des Landgerichts Memmingen vom 13. September 2004 wird zurückgewiesen.

II. Der Beteiligte zu 1 hat die der Beteiligten zu 3 im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen Kosten zu erstatten.

III. Der Geschäftswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf 200.000 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Beteiligten zu 1 und 2 bilden eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Sie haben mit notariellem Vertrag vom 12.2.2004 ein Grundstück mit dem darauf befindlichen Wasserkraftwerk an die Beteiligte zu 3 veräußert. Der Vertrag enthält die Klausel:

"1. Die Vertragsteile erklären, über den Eigentumsübergang des Vertragsbesitzes auf den Erwerber einig zu sein. Die Erklärung der zum Eigentumsübergang erforderlichen Bewilligung der Auflassung wird ausgesetzt bis zur vollständigen Zahlung des Kaufpreises auf das Anderkonto ohne Zinsen.

2. Der Notar wird von den Vertragsteilen unwiderruflich und unter Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB bevollmächtigt, die Eintragungsbewilligung zur Auflassung zu erklären. Der Notar wird jedoch angewiesen, die Auflassung erst dann zu bewilligen sowie die Eigentumsumschreibung beim Grundbuchamt erst dann zu beantragen, wenn die Zahlung des Kaufpreises - ungeachtet etwaiger Zinsen - bestätigt oder nachgewiesen wurde."

Für das verkaufte Grundstück war seit 25.10.1999 ein Zwangsvollstreckungsvermerk eingetragen; Versteigerungstermin war anberaumt auf den 16.2.2004. In dem Vertrag vom 12.2.2004 wurde vereinbart, dass ein Teilbetrag in Höhe von 2.100.000 EUR auf ein Notaranderkonto gezahlt werden sollte; der Restkaufpreis in Höhe von 400.000 EUR sollte je zur Hälfte an die beiden Veräußerer in monatlichen Raten à 1.111,11 EUR bezahlt werden und von der Erwerberin dinglich abgesichert werden.

Mit Nachtragsurkunde vom 13.2.2004 wurde der sofort zu entrichtende Kaufpreisteil auf 2.090.000 EUR herabgesetzt und vereinbart, dass dieser Betrag nicht auf ein Notaranderkonto, sondern auf ein Treuhandkonto bezahlt werden sollte. Ferner wurde vereinbart, dass die Sicherungshypothek für den Restkaufpreis nicht am Vertragsobjekt, sondern an einem anderen Grundbesitz der Erwerberin nach deren Wahl an erster Rangstelle zur Absicherung gelangen solle. In Ziffer III dieser Urkunde behielt sich die Erwerberin ein Rücktrittsrecht für den Fall vor, dass ihr nicht bis 16.2.2004 eine Finanzierungsbestätigung vorliege.

In der Folge teilte der Beteiligte zu 1 der Urkundsnotarin wiederholt, erstmals mit Schreiben vom 16./17.2.2004, mit, der Kaufvertrag vom 12./13.2.2004 sei fehlerhaft, unvollständig und nicht vollziehbar und erklärte den Rücktritt vom Vertrag. Ferner untersagte er ihr die Weiterleitung der Verträge an das Grundbuchamt.

Die kontoführende Bank hat mit Schreiben an die Urkundsnotarin vom 16.6.2004 bestätigt, dass der Betrag von 2.090.000 EUR auf das Treuhandkonto einbezahlt worden sei. Die Beteiligte zu 3 hat mit notariellen Urkunden vom 17.5.2004 gegenüber den Beteiligten zu 1 und 2 jeweils ein Schuldanerkenntnis über 200.000 EUR abgegeben und die Eintragung entsprechender Sicherungshypotheken an dem im Einzelnen bezeichneten Grundbesitz bewilligt.

Mit Schreiben vom 18.6.2004 hat die Urkundsnotarin angekündigt, den Eigentumsübergang auf die Erwerberin im Grundbuch zu beantragen. Der Beteiligte zu 1 hat dagegen Beschwerde eingelegt, die durch Beschluss des Landgerichts vom 13.9.2004 zurückgewiesen wurde. Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1.

II.

Die weitere Beschwerde ist zulässig (§ 15 Abs. 2 BNotO, §§ 27, 29 FGG), jedoch nicht begründet.

1. Das Landgericht hat im Wesentlichen ausgeführt:

Die von der Notarin im Vorbescheid angekündigte Handlungsweise sei nicht pflichtwidrig. Bei Vollzugsreife dürfe der Notar die Einreichung der in der Kaufvertragsurkunde enthaltenen Auflassungserklärungen nicht schon dann unterlassen, wenn nur einer der Beteiligten den Vollzugsantrag widerrufe oder sonst Weisung zur Nichteinreichung gebe. Nur in Ausnahmefällen und unter ganz besonderen Umständen könne der Notar berechtigt sein, auf einseitige Weisung nur eines von mehreren Beteiligten die Vollzugstätigkeit aufzuschieben. Die Voraussetzungen hierfür seien jedoch nicht gegeben. Bei dem vorliegenden Sachverhalt seien nicht die geringsten Anhaltspunkte dafür zu erkennen, dass der notarielle Vertrag unwirksam sei oder durch seinen Vollzug das Grundbuch mit hoher Wahrscheinlichkeit unrichtig werde. Insbesondere sei das vom Beschwerdeführer behauptete Rücktrittsrecht nicht offenkundig. In der notariellen Urkunde sei ein Rücktrittsrecht für den Beschwerdeführer nicht enthalten. Seine Behauptung, es sei für ihn ein Rücktrittsrecht vereinbart, jedoch nicht protokolliert worden, stehe im Widerspruch zu den Darlegungen der Käuferin. Weder der Einwand hinsichtlich der mangelnden Bonität der Käuferin noch bezüglich der nicht rechtzeitigen Zahlung des Kaufpreises sei schlüssig dargelegt. Vielmehr habe die Käuferin den ersten Teil des Kaufpreises vorzeitig gezahlt.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung stand (§ 15 Abs. 2 Satz 2 BNotO, § 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO).

a) Zu Recht ist das Landgericht von der Zulässigkeit der Erstbeschwerde ausgegangen. Die Beschwerde nach § 15 Abs. 2 BNotO ist auch gegen einen Vorbescheid statthaft, mit dem der Notar ankündigt, er werde die Urkunde zum Vollzug beim Grundbuchamt entgegen der Weisung eines Beteiligten einreichen. Im Beschwerdeverfahren hat der Bescheid des Notars die Wirkung einer erstinstanziellen Entscheidung; der Notar ist weder Beschwerdegegner noch Verfahrensbeteiligter (vgl. BayObLGZ 1998, 6/8 f.). Verfahrensbeteiligte sind deshalb hier die Parteien des Kaufvertrages.

b) Das Landgericht hat zutreffend angenommen, dass es im Rahmen des § 15 Abs. 2 BNotO ausschließlich darüber zu befinden hat, ob die durch den Notar im Vorbescheid angekündigte Handlungsweise pflichtwidrig ist. Das ist hier nicht der Fall.

aa) Nach § 53 BeurkG hat der Notar die Urkunde mit Vollzugsreife beim Grundbuchamt einzureichen, "es sei denn, dass alle Beteiligten etwas anderes verlangen". Ist Vollzugsreife gegeben, darf der Notar die Einreichung der Urkunde beim Grundbuchamt nicht schon dann unterlassen, wenn nur einer der Beteiligten den Vollzugsantrag widerruft oder sonst Weisung zur Nichteinreichung gibt. Nur in Ausnahmefällen und unter ganz besonderen Umständen kann der Notar berechtigt sein, auf einseitige Weisung nur eines von mehreren Beteiligten seine Vollzugstätigkeit aufzuschieben. Ein solcher Sachverhalt kann angenommen werden, wenn der Beteiligte dem Notar einen ausreichend substantiierten und glaubhaften Sachverhalt vorträgt, der einen Anfechtungs- oder Unwirksamkeitsgrund des Kaufvertrages oder einer seiner Bestimmungen als nahe liegend und offensichtlich gegeben erscheinen lässt und der andere Beteiligte dagegen keine durchgreifenden Einwendungen vorbringen kann. Eine Weigerung des Notars kann ferner berechtigt sein, wenn eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass durch den Vollzug der Urkunde das Grundbuch unrichtig würde; ferner, wenn mit höchster Wahrscheinlichkeit feststehen würde, dass der Kaufpreis noch nicht voll bezahlt ist, so dass es an der Vollzugsreife fehlen würde (vgl. BayObLGZ aaO S. 9).

bb) Ein derartiger Ausnahmefall liegt hier nicht vor. Es sind keine Anhaltspunkte dafür zu erkennen, dass der notarielle Vertrag vom 12./13.2.2004 unwirksam wäre oder durch seinen Vollzug das Grundbuch mit hoher Wahrscheinlichkeit unrichtig werden würde.

(1) Ein vertragliches Rücktrittsrecht für den Beteiligten zu 1 ist in den notariellen Urkunden nicht enthalten; die Beteiligte zu 3 bestreitet auch, dass ein solches vereinbart wurde. Im Übrigen handelt es sich bei dem Kaufvertrag vom 12.2.2004 und dem Nachtrag vom 13.2.2004 um öffentliche Urkunden im Sinne des § 415 ZPO, deren formelle Beweiskraft sich darauf erstreckt, dass alle Erklärungen, die Rechtswirkungen erzeugen, vollständig und richtig nach Inhalt und Begleitumständen wiedergegeben sind (vgl. BGH NJW-RR 1998, 1470; Thomas/Putzo ZPO 26. Aufl. § 415 Rn. 5). Der nach § 415 Abs. 2 ZPO zulässige Gegenbeweis ist hier nicht geführt.

(2) Ebenso fehlt es an einem Nachweis dafür, dass der Beteiligte zu 2 bei Erteilung der notariell beurkundeten Vollmacht vom 11.2.2004 nicht geschäftsfähig war. Die Geschäftsfähigkeit ist die Regel, ihr Fehlen die Ausnahme (Palandt/Heinrichs BGB 63. Aufl. § 104 Rn. 8). Auch wenn sich der Beteiligte zu 2 - wie vom Beschwerdeführer vorgetragen - wegen einer Krebserkrankung in Behandlung eines Schmerztherapeuten befunden hat, reicht dies nicht aus, um Geschäftsunfähigkeit anzunehmen.

(3) Die Käuferin hat entsprechend den vertraglichen Vereinbarungen zur Absicherung des Restkaufpreises Sicherungshypotheken an Grundstücken ihrer Wahl zugunsten der Veräußerer bestellt. Meinungsverschiedenheiten über die Werthaltigkeit dieser Grundstücke sind von den Beteiligten im Zivilprozess zu klären und berechtigen den Notar nicht, den Vollzug der Kaufvertragsurkunde zurückzustellen.

c) Soweit der Beteiligte zu 1 beantragt, die Notarin zur Aufnahme eines Rücktrittsrechts für den Verkäufer in Ziffer III der Nachtragsurkunde vom 13.2.2004 anzuweisen, ist hierfür im Verfahren nach § 15 BNotO kein Raum. Zum einen ist diese vom Beteiligten zu 1 verlangte Ergänzung nicht Gegenstand des Vorbescheids und damit auch nicht Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens. Zum anderen ist für den Teil der Beurkundung, der die Erklärungen der Beteiligten umfasst, eine nachträgliche inhaltliche Änderung oder Ergänzung nicht möglich (vgl. Winkler BeurkG 15. Aufl § 44a Rn. 23).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 13a Abs. 1 Satz 2 FGG. Den Geschäftswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde setzt der Senat wie das Landgericht auf 200.000 EUR fest (§ 131 Abs. 2, § 30 Abs. 1, § 31 Abs. 1 Satz 1 KostO).



Ende der Entscheidung

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