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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 14.12.2001
Aktenzeichen: 1Z BRH 1/01
Rechtsgebiete: BGB, EGBGB, RAG-DDR, FGG, ZPO


Vorschriften:

BGB § 133
BGB § 2169 Abs. 1
EGBGB Art. 3 Abs. 3
EGBGB Art. 26 Abs. 5 Satz 1
EGBGB Art. 220 Abs. 1
EGBGB Art. 235 § 1
RAG-DDR § 25 Abs. 2
FGG § 14
ZPO § 114
ZPO § 322
Zur Frage der Ablehnung eines Antrags auf Gewährung von Prozesskostenhilfe mangels hinreichender Erfolgsaussicht der beabsichtigten weiteren Beschwerde.
Gründe:

I.

Der 1980 im Alter von 94 Jahren verstorbene Erblasser war 1961 mit seiner Ehefrau aus der damaligen DDR geflüchtet. Seine Ehefrau ist 1977 vorverstorben. Am 8.3.1970 hatten der Erblasser und seine Ehefrau in getrennten Schriftstücken letztwillig verfügt, wobei der Erblasser seine Ehefrau zur Alleinerbin und die Ehefrau den Erblasser zum Alleinerben einsetzte; die übrigen Verfügungen sind gleichlautend. Das Testament des Erblassers lautet auszugsweise:

"Mein Testament!

Ich setze hiermit meine Frau als meinen alleinigen, unbeschränkten Erben für mein gesamtes Vermögen ein. Sollte meine Frau bei meinem Tode schon verstorben sein, vermache ich mein Vermögen folgenden Erben in folgender Verteilung:

1) Die Landwirtschaft nebst Villa erbt Bruno R., mit lebenden und totem Inventar und dem gesamten Inhalt der Wohnräume. Lebt bei meinem Tode nur noch Frau R., so erbt sie ebenso wie ihr Mann erben sollte. Sollte bei meinem Tode sowohl Herr als Frau R. schon verstorben sein, so erbt die Gemeinde und zwar ebenso wie R.

2) Den gesamten Schmuck meiner Frau erbt die Tochter meiner Nichte,... (Beteiligte zu 7) mit Ausnahme eines Ringes, welchen sich Frau D. nach ihrem Ermessen aussuchen kann und erbt.

3) Mein restliches Vermögen erbt:

a) Zur Hälfte meine Nichte D. Sollte diese bei meinem Tode schon verstorben sein, so erben ihre Kinder diese Hälfte und zwar in folgender Verteilung: Jedes der fünf Kinder meiner Nichte, nämlich (Beteiligte zu 3 bis 7) je ein Fünftel.

b) Zur Hälfte der Sohn meines verstorbenen Neffen ... (Beteiligter zu 2). Sollte dieser bei meinem Tode schon verstorben sein, so erbt diese Hälfte ebenfalls meine Nichte Frau D. und falls auch diese schon verstorben sein sollte, so erben ihre Kinder in der Verteilung wie unter 3 a dieses Testaments bestimmt."

Der Nachlass besteht aus im Gebiet der ehemaligen DDR belegenen, im Testament nicht ausdrücklich aufgeführten Grundstücken sowie Geldvermögen und Schmuck. Der in Nr. 1 des Testaments genannte, ebenfalls im Gebiet der ehemaligen DDR belegene Grundbesitz hatte nicht dem Erblasser, sondern dessen Ehefrau gehört und war 1972 in Volkseigentum der DDR überführt worden.

Am 25.11.1980 erteilte das Amtsgericht Rosenheim auf Antrag des Beteiligten zu 2 einen Erbschein, der D. und den Beteiligten zu 2 als Erben zu je 1/2 ausweist. D. verstarb 1983; sie wurde von ihren fünf Kindern (Beteiligte zu 3 bis 7) beerbt. Nach der deutschen Wiedervereinigung bewilligte das Amtsgericht Rosenheim antragsgemäß am 4.5.1993 eine Ergänzung des Erbscheins um den Zusatz, dass der Erbschein auch für das unbewegliche Vermögen auf dem Gebiet der ehemaligen DDR im Sinne des § 25 Abs. 2 RAG-DDR in Anwendung des ZGB-DDR gilt.

Der in Nr. 1 des Testaments genannte Bruno R. hat den Erbfall erlebt; er verstarb 1985. Seine Ehefrau war bereits am 20.2.1980 vorverstorben. Der Beteiligte zu 1 ist der Neffe und testamentarisch eingesetzte Alleinerbe des Bruno R.

Die Beteiligten hatten zunächst die Regelung in Nr. 1 des Testaments, wonach Bruno R. den Grundbesitz "erben" sollte, als Vermächtnis ausgelegt. Der Beteiligte zu 1 beantragte als Vermächtnisnehmer beim Amt zur Regelung offener Vermögensfragen die Rückübertragung des Grundbesitzes. Der Antrag wurde mit bestandskräftigem Bescheid abgelehnt, da dem Antragsteller als Vermächtnisnehmer nur ein schuldrechtlicher Verschaffungsanspruch zustünde, er aber nicht Berechtigter im Sinne des Vermögensgesetzes sei.

In einem daraufhin vom Beteiligten zu 1 gegen die Beteiligten zu 2 bis 7 erhobenen Zivilrechtsstreit begehrte der Beteiligte zu 1 die Übereignung des Grundbesitzes, hilfsweise die Übertragung bzw. Abtretung des Restitutionsanspruches. Mit rechtskräftigem Endurteil vom 16.11.1995 wies das Landgericht die Klage ab: Dem Kläger stünde kein Anspruch auf Erfüllung eines Vermächtnisses zu, da das Vermächtnis gemäß § 2169 Abs. 1, 1. Halbsatz BGB unwirksam und ein Verschaffungsvermächtnis gemäß § 2169 Abs. 1, 2. Halbsatz, § 2170 BGB von dem Erblasser nicht gewollt gewesen sei.

Im Juni 1998 erhob der Beteiligte zu 1 Beschwerde mit den Anträgen, den Erbschein vom 25.11.1980 in der Fassung vom 4.5.1993 einzuziehen und einen Erbschein zu erteilen, der D., den Beteiligten zu 2 und den Beteiligten zu 1 als Erben zu je 1/3 ausweist. Das Nachlassgericht half der Beschwerde nicht ab; das Landgericht wies die Beschwerde zurück. Für die von ihm beabsichtigte weitere Beschwerde, mit der er sein Ziel weiterverfolgen will, beantragt der Beteiligte zu 1 Prozesskostenhilfe.

II.

Der Antrag auf Prozesskostenhilfe war zurückzuweisen, da die beabsichtigte weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1 keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat (§ 14 FGG i.V.m. §§ 114, 119 Abs. 1 Satz 1, § 127 Abs. 1 Satz 2 ZPO).

1. Zutreffend ist das Landgericht von Nachlassspaltung ausgegangen. Da zum Nachlass des 1980 in der Bundesrepublik verstorbenen Erblassers Grundstücke im Gebiet der ehemaligen DDR gehören, ist entsprechend Art. 28 EGBGB a.F. (Art. 220 Abs. 1 EGBGB, jetzt Art. 3 Abs. 3 EGBGB n.F.), Art. 235 § 1 Abs. 1 EGBGB, § 25 Abs. 2 RAG-DDR Nachlassspaltung eingetreten. Dies hat zur Folge, dass sich die Erbfolge hinsichtlich des im Beitrittsgebiet belegenen Grundbesitzes nach dem Zivilgesetzbuch der ehemaligen DRR (ZGB-DDR) und für den übrigen Nachlass nach dem Erbrecht des BGB richtet (vgl. BGH FamRZ 1995, 481; BayObLG FamRZ 1994, 723 m. w. N.; NJW 2000, 440/441).

2. Zutreffend ist auch die Rechtsauffassung des Landgerichts, dass der Zulässigkeit der Beschwerde nicht das in Rechtskraft erwachsene Endurteil des Landgerichts vom 16.11.1995 entgegensteht. Für den dort im Wege der Leistungsklage geltend gemachten schuldrechtlichen Anspruch war die Frage, ob die Zuwendung in Nr. 1 des Testaments ein Vermächtnis darstellt, nur eine Vorfrage, über die durch das klageabweisende Urteil nicht mit Rechtskraft entschieden wurde (vgl. BayObLGZ 1997, 357/362; Zöller/Vollkommer ZPO 22. Aufl. vor § 322 Rn. 28, 34 m. w. N.).

3. Mit der beabsichtigten weiteren Beschwerde will sich der Antragsteller gegen die vom Landgericht vorgenommene Auslegung wenden, dass die Verfügung in Nr. 1 des Testaments ein Vermächtnis darstellt. Er macht geltend, aufgrund dieser Verfügung Miterbe zu 1/3 des gesamten Nachlasses geworden zu sein. Damit kann der Antragsteller nicht durchdringen.

Zum Zeitpunkt des Testierens war der Erblasser nicht Eigentümer des in Nr. 1 des Testaments genannten Grundbesitzes. Seine Verfügung über diesen damals seiner Ehefrau gehörenden Gegenstand ist im Zusammenhang mit seinen übrigen Verfügungen und dem am gleichen Tag errichteten Testament seiner Ehefrau zu sehen. Ersichtlich haben der Erblasser und seine Ehefrau ihre Testamente aufeinander abgestimmt. Dabei kann dahinstehen, ob es sich um ein gemeinschaftliches Testament im Sinne der §§ 2265 ff. BGB handelt. Jedenfalls haben der Erblasser und seine Ehefrau sich gegenseitig zu Alleinerben eingesetzt und für den Fall des Vorversterbens des jeweils anderen Ehegatten gleichlautende Verfügungen nach Art einer Schlusserbeneinsetzung (vgl. § 2269 BGB) getroffen.

Die Verfügung des Erblassers hinsichtlich des Grundbesitzes stand unter der doppelten Voraussetzung, dass seine Ehefrau vor ihm verstirbt und er im Wege des Erbgangs oder auf andere Weise Eigentümer des Grundbesitzes werden würde. Nur in diesem Fall hätte die Verfügung Wirksamkeit entfalten können. Dieser Fall ist aber nicht eingetreten. Da das Grundstück 1972 enteignet wurde, konnte das Eigentum beim Tode seiner Ehefrau im Jahre 1977 nicht im Wege des Erbgangs auf den Erblasser übergehen. Der Erblasser ist niemals Eigentümer des Grundbesitzes geworden. Damit ist die Verfügung in Nr. 1 des Testaments gegenstandslos und damit unwirksam. Diese Rechtsfolge, von der schon das Landgericht Dessau unter Heranziehung des für Vermächtnisse geltenden § 2169 Abs. 1, 1. Halbsatz BGB ausgegangen ist, tritt unabhängig davon ein, ob die Verfügung als Vermächtnis oder als Erbeinsetzung anzusehen ist. Denn über den ihm nicht gehörenden Grundbesitz konnte der Erblasser im Wege der Erbeinsetzung ebenso wenig verfügen wie durch Vermächtnisanordnung.

Dem Testament lässt sich auch nicht entnehmen, dass der Erblasser dem in Nr. 1 des Testaments Begünstigten für den Fall, dass der dort genannte Grundbesitz nicht zum Nachlass gehört, eine quotale Miterbenstellung am übrigen Nachlass zukommen lassen wollte. Das Landgericht hat im Rahmen der ihm als Tatsacheninstanz zukommenden Testamentsauslegung, die der Senat nur auf Rechtsfehler überprüfen kann (§ 27 Abs. 1 FGG, § 550 ZPO), einen dahingehenden Willen des Erblassers verneint. Es hat insoweit auch die vorgelegte Korrespondenz herangezogen, in der immer nur davon die Rede ist, dass Bruno R. den Grundbesitz bekommen sollte. Diese Auslegung lässt Rechtsfehler nicht erkennen. Sie wird gestützt durch den vom Landgericht an anderer Stelle gewürdigten Umstand, dass in Nr. 1 des Testaments ersatzweise die Gemeinde bedacht ist, was ebenfalls gegen eine vom dort vermachten Grundbesitz losgelöste Miterbenstellung spricht.

Es kann daher offen bleiben, ob die Zuwendung in Nr. 1 des Testaments als Vermächtnis oder als Erbeinsetzung auszulegen ist. Eine Miterbenstellung kann der Antragsteller aus dieser unwirksamen Verfügung in keinem Fall herleiten. Zum gleichen Ergebnis kommt das Landgericht, das einen anderen Lösungsweg gegangen ist und die Zuwendung als Vermächtnis ausgelegt hat. Auch diese Auslegung ist im Ergebnis nicht zu beanstanden, was hier jedoch keiner weiteren Begründung bedarf.

4. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.

Ende der Entscheidung

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