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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Urteil verkündet am 24.06.2002
Aktenzeichen: 1Z RR 235/01
Rechtsgebiete: TZiWG, BGB, ZPO


Vorschriften:

TZiWG Art. 36 Abs. 1
TZiWG Art. 36 Abs. 2 Nr. 1
TZiWG Art. 36 Abs. 2 Nr. 2
TZiWG Art. 36 Abs. 3 Satz 2
BGB § 187 Abs. 1
ZPO § 270 Abs. 3
ZPO § 538 Abs. 1 Nr. 2 (a.F.)
ZPO § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3
Die rechtsfehlerhafte Abweisung einer unzulässigen Klage als unbegründet hindert steht der Zurückverweisung nach § 538 Abs. 2 Nr. 3 ZPO nicht entgegen.
Tatbestand:

1. Der Kläger ist Eigentümer eines landwirtschaftlichen Anwesens, zu dessen Gunsten Holznutzungsrechte und -vergünstigungen an Teilwald- und Zinswaldgrundstücken des Forstamtsbezirks im Forstrechtskataster eingetragen sind; Eigentümer der Waldgrundstücke ist der Beklagte (Freistaat Bayern). Die Bezeichnung "Teilwald" stammt von der im 18. Jahrhundert durchgeführten Aufteilung der entsprechenden Waldungen in Parzellen, auf denen jeweils ein Berechtigter zur ausschließlichen Holznutzung zugelassen war; der Ausdruck "Zinswald" geht auf den Forstzins zurück, der als Gegenreichnis für bestimmte Holznutzungen zu entrichten war.

Zur Bereinigung der Rechtsverhältnisse im Bereich der Teil- und Zinswaldungen wurde das Gesetz über die Teil- und Zins- waldungen in den Forstamtsbezirken Benediktbeuern, Fall, Jachenau und Walchensee vom 27.11.1964 (GVBl S. 205; TZiWG) erlassen; es gilt heute in der Fassung vom 24.3.1969 (GVBl S. 81). Ziel des Gesetzes ist es, die Holznutzungsrechte und -vergünstigungen vom Amts wegen abzulösen und die Berechtigten durch die Übereignung von Grundstücken aus ihrem Teilwald- oder Zinswaldbetrieb zu entschädigen. Die zu übereignende Grundstücksfläche soll dem rechnerischen Anteil der Holznutzungsrechte am Waldertrag des Wirtschaftswaldes im regelmäßigen Betrieb entsprechen; erhält der Berechtigte eine von diesem Wert abweichende Holzboden- (der Holzzucht dienende) Fläche, ist die Differenz in Geld auszugleichen (Art. 5, 11 TZiWG).

Gemäß Art. 36 TZiWG ist gegen die Ablösungsentscheidung der Forstrechtsstelle der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten gegeben (Art. 36 Abs. 1 TZiWG); der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten ist u.a. wegen der Höhe der zu leistenden Ausgleichszahlungen und des Werts der übertragenen Teilwald- oder Zinswaldgrundstücke offen (Art. 36 Abs. 2 TZiWG). Die Klage vor dem ordentlichen Gericht muss innerhalb eines Monats "nach Eintritt der Unanfechtbarkeit der nach Abs. 1 anfechtbaren Teile der Ablösungsentscheidung" erhoben werden (Art. 36 Abs. 3 Satz 2 TMWG).

2. Am 15.10.1965 wurde gemäß Art. 26 TZiWG das Ablösungsverfahren für den Bezirk eingeleitet, in dem die mit den Rechten des Klägers belasteten Grundstücke liegen. Da es zu keiner Einigung mit dem Kläger kam, erging am 28.11.1990 eine Ablösungsentscheidung gemäß Art. 34 TZiWG. Darin ist vorgesehen, dass dem Kläger gemäß Art. 34 Abs. 2 TZiWG acht Grundstücke zu insgesamt 101 ha übereignet werden, während ein weiteres Grundstück mit ca. 14 ha frei, von Holznutzungsrechten und -vergünstigungen im Eigentum des Beklagten verbleibt. Der Kläger sollte eine Ausgleichszahlung von 108413 DM leisten. Der Kläger erhob gegen den Bescheid Klage zum Verwaltungsgericht gemäß Art. 36 Abs. 1 TZiWG. Das Verwaltungsgericht wies die Klage am 20.4.1995 ab. Die Berufung des Klägers wurde durch Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 26.7.1999 zurückgewiesen, seine Nichtzulassungsbeschwerde durch Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 29.10.1999 verworfen. Der Beschluss wurde dem Kläger am Freitag, den 12.11.1999 zugestellt; beim Beklagten ging er am 11.11.1999 ein.

3. Nunmehr hat der Kläger gemäß Art. 36 Abs. 2 TZiWG Klage zum Landgericht erhoben mit dem Ziel, die in der Ablösungsentscheidung genannten Grundstücke und das weitere Grundstück Flst. 1045 ohne Ausgleichszahlung übereignet zu erhalten. Die Klage ging per Fax am Montag, den.13.12.1999 beim Landgericht ein; als Vertretungsbehörde des Beklagten war das Bayerische Staatsministerium der Finanzen angegeben. Aufgrund der Verfügung des Vorsitzenden der zuständigen Zivilkammer vom 28.12.1999 wurde die Klage am 4.1.2000 dem Bayerischen Staatsministerium der Finanzen zugestellt. Dieses wies mit Schreiben vom 14.1.2000, beim Landgericht eingegangen am 18.1.2000, darauf hin, dass es zur Vertretung des Beklagten nicht berufen sei, und sandte die Klage an das Landgericht zurück. Daraufhin wurde die Klage aufgrund richterlicher Verfügung vom 19.1.2000, von der Geschäftsstelle ausgeführt am 24.1.2000, am 28.1.2000 der zuständigen Bezirksfinanzdirektion München zugestellt.

Der Kläger hat beantragt:

1. Der Beklagte wird verurteilt, die Grundstücke... an den Kläger aufzulassen und seiner Eintragung im Grundbuch als Eigentümer zuzustimmen.

Hilfsweise:

2. Es wird festgestellt, dass der Beklagte nicht berechtigt ist, dem Kläger seine Holznutzungsrechte an der Flur-Nr.... zu entziehen und für die Übertragung des Eigentums an den Flur-Nrn.... zu verlangen.

Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 21.6.2000 als unbegründet abgewiesen. Die Frist des Art. 36 Abs. 3 Satz 2 TZiWG sei eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist und bei Klageerhebung bereits verstrichen gewesen. Die Klage sei zwar möglicherweise noch rechtzeitig eingereicht worden, sie sei aber nicht demnächst im Sinn von § 270 Abs. 3 ZPO zugestellt worden. Der Kläger habe eine nicht zur Vertretung des Beklagten berufene Behörde angegeben und es deswegen zu vertreten, dass die Klage nicht am 4.1.2000, sondern erst am 28.1.2000 ordnungsgemäß zugestellt worden sei; die durch seine Nachlässigkeit eingetretene Verzögerung sei nicht mehr geringfügig.

4. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht das landgerichtliche Urteil aufgehoben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen. Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision des Beklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Der Kläger hat die Zurückweisung der Revision beantragt.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Revision hat keinen Erfolg.

1. Das Berufungsgericht hat ausgeführt:

Die Klagefrist des Art. 36 Abs. 3 Satz 2 TZiWG habe nicht vor Zustellung des Ablehnungsbescheides des Bundesverwaltungsgerichts vom 29.10.1999'zu laufen begonnen; zur Auslegung des Art. 36 Abs. 3 Satz 2 TZiWG seien die Grundsätze des Art. 45 Abs. 2 BayEG heranzuziehen, wonach die Frist erst durch die Zustellung in Lauf gesetzt werde. Die Voraussetzungen des § 270 Abs. 3 ZPO seien erfüllt. Von der durch die unrichtige Angabe der Vertretungsbehörde eingetretenen Verzögerung seien dem Kläger maximal 13 Tage zuzurechnen. Das Landgericht habe die Frist des Art. 36 Abs. 3 Satz 2 TZiWG zu Unrecht als materiell-rechtliche Ausschlussfrist angesehen und die Klage als unbegründet abgewiesen. Es handle sich um eine rein prozessuale Frist, daher habe das Landgericht tatsächlich nur über die Zulässigkeit der Klage entschieden. Dies rechtfertige die Zurückverweisung entsprechend § 538 Abs. 1 Nr. 2 ZPO a.F..

2. Die Entscheidung des Berufungsgerichts hält den Angriffen der Revision stand. Es hat zu Recht angenommen, dass die Klage rechtzeitig erhoben wurde und hat dabei zutreffende rechtliche Voraussetzungen zugrunde gelegt.

a) Das Berufungsgericht geht davon aus, dass die Klagefrist des Art. 36 Abs. 3 Satz 2 TZiWG bei Einreichung der Klage am 13.12.1999 noch nicht abgelaufen war. Es legt dabei zugrunde, dass gemäß § 222 Abs. 1, Abs. 2 ZPO, § 187 BGB die Monatsfrist mit Zustellung der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts über die Nichtzulassungsbeschwerde vom 29.10.1999 am Freitag, den 12.11.1999 begonnen und mit Ablauf von Montag, den 13.12.1999 geendet hat. Die Revision stellt diese Fristberechnung im Ergebnis nicht in Frage. Allerdings stellt sie für den Fristbeginn auf die Unanfechtbarkeit der Ablösungsentscheidung ab, die mit der Herausgabe der Nichtzulassungsentscheidung aus dem Gericht an die Post eintritt (BVerwG NVwZ 1994, 1206; Kopp VwGO 12. Aufl. § 133 Rn. 19b). Wäre dieser Zeitpunkt maßgeblich für den Beginn der Klagefrist gemäß Art. 36 Abs. 3 Satz 2 TZiWG, hätte das Berufungsgericht nicht ohne Überprüfung der Postlaufvermerke in der Akte des Bundesverwaltungsgerichts offen lassen dürfen, wann dessen Entscheidung an die Post herausgegeben worden ist. Diese ist nämlich dem Prozessvertreter des Beklagten, der Landesanwaltschaft Bayern, bereits am 11.11.1999 zugegangen, was für einen Postauslauf der Nichtzulassungsentscheidung an beide Parteien am 10.11.1999 spricht. Dies hätte zur Folge, dass die Klagefrist gemäß Art. 36 Abs. 3 Satz 2 TZiWG mit Ablauf des 10.12.1999, also vor Klageeinreichung, verstrichen gewesen wäre.

Das Berufungsgericht hat hingegen zu Recht darauf abgestellt, dass die Klagefrist des Art. 36 Abs. 3 Satz 2 TZiWG erst durch Zustellung des Beschlusses des Bundesverwaltungsgerichts am 12.11.1999, durch den die Ablösungsentscheidung unanfechtbar geworden ist, gemäß Art. 36 Abs. 1 TZiWG in Gang gesetzt worden ist.

Art. 36 Abs. 3 Satz 2 TZiWG stellt nach seinem Wortlaut auf den Eintritt der Unanfechtbarkeit des maßgeblichen Teils der Ablöseentscheidung ab. Im konkreten Fall ist die Unanfechtbarkeit mit Zustellung der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 29.10.1999 eingetreten.

Im Falle einer erfolglosen Nichtzulassungsbeschwerde ist in der Regel der für den Eintritt der Rechtskraft entscheidende Zeitpunkt die Herausgabe der Entscheidung aus dem Geschäftsgang des Gerichts an die Post. Das setzt voraus, dass der Zeitpunkt der Bekanntgabe für die Parteien keinerlei rechtliche Bedeutung hat, von ihm insbesondere keine Rechtsmittelfristen abhängen (vgl. BVerwG NVwZ 1994, 1206). Der Gesetzgeber des TZiWG hat jedoch die unter Frist stehende Klage als Rechtsmittel gegen die unanfechtbare Ablösungsentscheidung ausgestaltet, wie die Gesetzesüberschrift zu Art. 36 TziWG belegt, und die Rechtsmittelfrist des Art. 36 Abs. 3 Satz 2 TZiWG vom Eintritt der Unfanfechtbarkeit der Ablösungsentscheidung abhängig gemacht. Um die Frist wahrnehmen zu können, muss dem Betroffenen der Zeitpunkt ihres Beginns bekannt sein, d.h. ihm muss Gelegenheit gegeben werden, vom fristauslösenden Eintritt der Rechtskraft der Ablösungsentscheidung Kenntnis zu nehmen. Die Herausgabe der letztinstanzlichen Verwaltungsgerichtsentscheidung an die Post als Kriterium für den Eintritt ihrer Rechtskraft ist ein gerichtsinterner Vorgang, der dem Betroffenen ohne eigenes Zutun nicht bekannt wird und nur unter fristzehrenden Schwierigkeiten (Auskunftsersuchen, Akteneinsicht, Beauftragung eines Rechtsanwalts, vgl. Art. 29 VerwVerfG) zu ermitteln ist. Eine solche Einschränkung des Klagerechts wäre mit der Rechtsschutzgarantie des Art. 14 Abs. 3 Satz 4 GG (vgl. Leibholz/ Rinck/Hesselberger GG 1990 Art. 14 Rn. 1206) nicht zu vereinbaren und widerspräche dem Grundsatz, dass die Zustellung einer Entscheidung immer dann geboten ist, wenn an ihre Bekanntgabe prozessuale Wirkungen geknüpft sind, insbesondere eine Frist in Lauf gesetzt wird (vgl. Zöller/Stöber ZPO 23. Aufl. vor § 166 Rn. 1).

b) Die Klage ist auch rechtzeitig erhoben (§ 253 Abs. 1 ZPO). Obwohl die Zustellung der Klage an den Beklagten erst am 28.1.2000 wirksam erfolgt ist, hat das Berufungsgericht die am 13.12.1999 endende Klagefrist des Art. 36 Abs. 3.Satz 2 TZiWG als gewahrt angesehen, weil die Zustellung der an diesem Tag eingereichten Klage "demnächst" im Sinne des § 270 Abs. 3 ZPO durchgeführt worden ist. Die dagegen erhobenen Rügen der Revision bleiben ohne Erfolg.

aa) Gemäß § 270 Abs. 3 ZPO (vgl. § 167 ZPO in der ab 1.7.2002 geltenden Fassung) wirkt der Zeitpunkt der Klagezustellung auf den Zeitpunkt der Klageeinreichung zurück, sofern die Zustellung "demnächst" erfolgt. Nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift soll die Partei von Nachteilen durch Zustellungsverzögerungen innerhalb des gerichtlichen Geschäftsbetriebs bewahrt werden, da derartige Verzögerungen außerhalb ihres Einflussbereichs liegen. Nur solche Verzögerungen sind der Partei zuzurechnen, die sie oder ihr Prozessbevollmächtigter (§ 85 Abs. 2 ZPO) bei gewissenhafter Prozessführung hätten vermeiden können (st. Rspr., vgl. BGH FamRZ 1988, 1154/1155; BayObLG Z 1995, 61/73).

bb) Im vorliegenden Fall hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers in der Klageschrift eine nicht zuständige Behörde als Vertreterin des Beklagten (§ 171 Abs. 1 ZPO) für das gerichtliche Verfahren bezeichnet, weil für das streitgegenständliche Verfahren nicht das Bayerische Staatsministerium der Finanzen, sondern die Bezirksfinanzdirektion München gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, § 3 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 der Verordnung über die gerichtliche Vertretung des Freistaates Bayern (VertrV) die zuständige Vertretungsbehörde ist. Darin liegt eine Nachlässigkeit, die dazu führt, dem Kläger die dadurch eingetretene Verzögerung zuzurechnen. Dem Kläger gereicht aber nur die Zeitspanne zum Nachteil, die in seiner Einflusssphäre liegt und die er bei gewissenhafter Prozessführung hätte vermeiden können. Auf dieser Grundlage hat das Berufungsgericht zu Recht angenommen, dass sich aufgrund des Verschuldens der Klagepartei die Klagezustellung um nicht mehr als 14 Tage verzögert hat, eine Zeitspanne, die nach der ständigen Rechtsprechung der Obergerichte eine Zustellung jedenfalls noch als demnächst im Sinne von § 270 Abs. 3 ZPO erscheinen lässt (BGH FamRZ 1988, 1155/1156; NJW 2000, 2282 m. w. N.; BayObLG aaO S. 75).

(1) Entgegen der Auffassung der Revision ist der Zeitraum der Verzögerung nicht ab Klageeinreichung, sondern ab dem Zeitpunkt der zunächst versuchten, jedoch fehlgeschlagenen Zustellung zu berechnen, vorausgesetzt diese erste Zustellung ist "demnächst" im Sinne von § 270 Abs. 3 ZPO erfolgt. Dass die Zustellung vom 4.1.2000 diese Anforderung erfüllt, wird von den Parteien nicht in Frage gestellt. Dem Kläger ist nur die Zeitspanne anzulasten, um die sich "die ohnehin erforderliche, aber zunächst vergeblich versuchte Zustellung als Folge seiner Nachlässigkeit" verzögert hat (BGH aaO S. 1156; BayObLG aaO S. 74). Das Berufungsgericht geht daher zutreffend davon aus, dass die Zeitdauer der Verzögerung erst von der zunächst fehlgeschlagenen Zustellung am 4.1.2000 an zu berechnen ist.

(2) Zu Recht hat das Berufungsgericht die Frage, ob die spätere erfolgreiche Zustellung noch "demnächst" erfolgt ist, darauf untersucht, um welche Zeitspanne die Klagezustellung hinausgeschoben wurde (vgl. auch BGH NJW 2000, 2282). Der Einwand der Revision gegen die Art und Weise der Fristberechnung des Berufungsgerichts ist unbegründet. Da es darum geht, um welche Zeitspanne die Klagezustellung durch die Nachlässigkeit des Klägers hinausgeschoben wurde, ist - vorausschauend - der hypothetische Verlauf der Zustellung ab dem Zeitpunkt der fehlgeschlagenen Erstzustellung zu ermitteln. Dies erfordert eine Berechnung "von unten", nämlich der unerlässlichen Gerichts- und Postlaufzeit vom Zeitpunkt der Erstzustellung bis zum Zeitpunkt der danach möglichen Neuzustellung. In diesem Zeitraum sind alle Verzögerungen außer Betracht zu lassen, die nicht in der Einflusssphäre des Klägers gelegen haben. Dazu gehört nicht nur ein dem Beklagten zurechenbares zögerliches Verhalten des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen als erstem Zustellungsadressaten (vgl. BayObLGZ 1995, 61/74), sondern auch der über den normalen Geschäftsablauf hinausgehende Zeitaufwand bei Gericht und bei der Post (BGH FamRZ 1998, 1155/1156). Das Berufungsgericht hat nach diesen Grundsätzen die dem Kläger anzulastende Verzögerung berechnet. Es hat für die Bearbeitung und Rücksendung der am 4.1.2000 zugestellten Klage durch das Bayerische Staatsministerium der Finanzen einen Zeitraum bis 10.1.2000, für die erneute Zustellverfügung einen Tag (11.1.2000) und für die Ausführung der Verfügung und die Postlaufzeit vier weitere Werktage (bis 17.1.2000) angesetzt. Soweit es bei der tatsächlichen Zustellung zu weiteren Verzögerungen zwischen der gerichtlichen Zustellungsverfügung vom 19.1.2000, ausgeführt am 24.1.2000, und der erst am 28.1.2000 erfolgten Zustellung gekommen ist, waren diese - weil außerhalb der Einflusssphäre des Klägers - bei der gebotenen Berechnungsweise nicht zu berücksichtigen.

(3) Ausgehend von dem Grundsatz, dass dem Kläger nur der unerlässliche Zeitaufwand der zweiten Klagezustellung zuzurechnen ist, den seine nachlässige Prozessführung verursacht hat, begegnet die Auffassung des Berufungsgerichts, das Bayerische Staatsministerium der Finanzen hätte die fehladressierte, am 4.1.2000 nach § 212a ZPO zugestellte Klage bereits am Folgetag, jedenfalls bis 10.1.2000, zurücksenden können, keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

Nr. 32 der Vollzugsbekanntmachung zur Vertretungsverordnung (VB-VertrV FMB1 1995, 240/243) ordnet für die Bearbeitung einer fehlgeleiteten Klage an:

Wird eine Klage... einer Behörde zugestellt, die zweifelsfrei zur Vertretung des Freistaates Bayern in diesem Rechtsstreit nicht berufen ist, so hat diese Behörde dem Gericht unverzüglich mitzuteilen, dass das fragliche Schriftstück nicht der für die gesetzliche Vertretung des Freistaats Bayern zuständigen Behörde zugestellt worden ist, und gleichzeitig das zugestellte Schriftstück an das Gericht zurückzusenden....

Gemäß § 2 Abs. 2 VertrV kommt das Staatsministerium der Finanzen als allgemeine Vertretungsbehörde des Beklagten nur in Betracht, wenn Auggangsbehörde eine oberste Staatsbehörde oder der Freistaat Bayern Beteiligter eines Entschädigungsverfahrens vor dem Bundesgerichtshof ist. Im übrigen sind nur die Bezirksfinanzdirektionen allgemeine Vertretungsbehörden (§ 2 Abs. 3 VertrV).

Unter diesen Voraussetzungen hat die Unzuständigkeit des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen als Vertretungsbehörde des Beklagten in einer vor dem Landgericht anhängig gemachten Entschädigungssache auf der Hand gelegen. Aufgrund des Gebots der unverzüglichen Benachrichtigung des Gerichts und der Rücksendung der zugestellten Sendung ist die Annahme des Berufungsgerichts, dem Kläger sei lediglich die Bearbeitungs- und Postlaufzeit zwischen dem 5.1. und 10.1.2000 als unerlässlicher Zeitaufwand anzurechnen, rechtlich nicht zu ,beanstanden. Danach ergibt sich auf der Grundlage der Berechnung des Berufungsgerichts, dass bei unverzüglicher Bearbeitung der fehlgeleiteten Klageschrift durch das Bayerische Staatsministerium der Finanzen die Klage am 1 7.1.2000 zugestellt hätte werden können. Da die Verzögerung vom Zeitpunkt des ersten Zustellversuches an zu berechnen ist, ergibt sich eine Zeitspanne von 13 Tagen.

Wenn man mit der Revision im vorliegenden Fall dem Staatsministerium für Finanzen eine Bearbeitungszeit von fünf Tagen zubilligen würde mit der Folge, dass die Rücksendung der Klage und die Benachrichtigung des Gerichts erst am 13.1.2000 bei diesem eingegangen wäre, müsste - den unerlässlichen Zeitaufwand für gerichtliche Bearbeitung und Postlauf unterstellt - als Zeitpunkt der Klagezustellung der 19.1.2000 angenommen werden. In diesem Fall ergäbe sich eine dem Kläger zurechenbare Verzögerung von 15 Tagen. Auch dieser Zeitraum müsste nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs noch als geringfügig im Sinne des § 270 Abs. 3 ZPO angesehen werden, da die Zeitspanne von 14 Tagen nicht eine feste Grenze, sondern einen Regelwert darstellt. Erst wenn dieser merklich überschritten wäre, könnte ein solcher Zeitraum nicht mehr als geringfügig beurteilt werden (vgl. BGH FamRZ 1988, 1154/1155 m. w. N.). Der Senat kann dabei offen lassen, ob nicht im Hinblick auf die Vorschrift des seit 1.1.1992 geltenden § 691 Abs. 2 ZPO, nach der bei Zurückweisung des Mahnantrages eine Rückwirkungsfrist von mehr als einem Monat eröffnet ist, auch im vorliegenden Fall eine Frist von über einem Monat als zumutbarer Rückwirkungszeitraum im Sinne von § 270 Abs. 3 ZPO angesehen werden muss (vgl. Zöller/Greger ZPO 23. Aufl. § 167 Rn. 11).

3. Die Revision rügt ohne Erfolg, das Berufungsgericht hätte den Rechtsstreit nicht an das Landgericht zurückverweisen dürfen.

Das Berufungsgericht rechtfertigt die Zurückverweisung mit einer entsprechenden Anwendung des § 538 Abs. 1 Nr. 2 ZPO a.F. Diese Vorschrift ist auch maßgeblich, denn für die Beurteilung von Verfahrensfragen der Berufung ist das Recht maßgeblich, das im Zeitpunkt des Erlasses der Berufungsentscheidung, hier am 1.3.2001, galt; auf die Überleitungsvorschrift des § 26 EGZPO kommt es nicht an. Das Berufungsgericht durfte danach die Sache zurückverweisen, wenn durch das angefochtene Urteil nur über die Zulässigkeit der Klage entschieden worden war. Entgegen der Auffassung der Revision hat das Landgericht tatsächlich nur über die Zulässigkeit der Klage entschieden, als es diese wegen vermeintlicher Versäumung der Frist des Art. 36 Abs. 3 Satz 2 TZiWG abgewiesen hat.

a) Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass es sich bei dieser Frist nicht um eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist, sondern um eine prozessuale Frist handelt.

aa) Der Wortlaut der Vorschrift gibt insoweit keinen eindeutigen Aufschluss. Allerdings hat der Gesetzgeber durch die amtliche Überschrift "Rechtsmittel" und den in Art. 36 Abs. 3 Satz 1 TMWG enthaltenen Hinweis auf die grundsätzlich gegebene ergänzende Anwendbarkeit des Gesetzes zur Ausführung der Reichs- Zivilprozessordnung und Konkursordnung vom 23.2.1879 (AGZPOKO) angedeutet, dass er die Einhaltung der Frist als Prozessvoraussetzung angesehen hat. Art. 21 AGZPOKO schreibt für den vergleichbaren Fall einer Enteignung nach dem Gesetz, die Zwangsabtretung von Grundeigentum für öffentliche Zwecke betreffend vom 17.11.1837 (ZAG) vor, dass gegen die Feststellung der Entschädigungssumme innerhalb einer Ausschlussfrist von einem Monat Klage erhoben werden kann. Die Einhaltung dieser Ausschlussfrist ist wegen ihres rechtsmittelähnlichen Charakters in ständiger Rechtsprechung als Prozessvoraussetzung angesehen worden; die Versäumung der Frist hat die Unzulässigkeit der Klage zur Folge (BayObLG Z 1967, 104/110; 1968, 155/159; 1975, 184/185). Da der Gesetzgeber dem AGZPOKO ergänzende Bedeutung für das TZiWG beigemessen hat, das in ähnlicher Weise eine Enteignungsentschädigungsregelung vorsieht (vgl. Neidlinger Handbuch des Forstrechts in Bayern Einf. TZiWG II 2 (S. 439)), ist die Frist für die Klage über die Höhe und den Wert der Ausgleichszahlungen und -leistungen nach Art. 36 Abs. 2 Nr. 1 und 2 TMWG nicht anders zu behandeln als die prozessuale Frist des Art. 21 AGZPOKO.

bb) Dieses Ergebnis wird, wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt, dadurch unterstrichen, dass der Gesetzgeber keine für eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist typische Formulierung ("kann nur - erfolgen", "erlischt" oder "ist ausgeschlossen") verwendet hat (vgl. Staudinger/Peters BGB [2001] Vorbem. zu §§ 194 f. Rn. 12).

cc) Im übrigen weist das Berufungsgericht zu Recht auf die Regelung des Art. 45 des am 1.3.1975 in Kraft getretenen BayEG hin, der in Abs. 2 bestimmt, dass die Klage innerhalb eines Monats nach Zustellung des Enteignungsbeschlusses zu erheben ist. Diese im Gesetz (Abs. 2 Satz 3) auch ausdrücklich als Notfrist im Sinne der ZPO bezeichnete Frist ist unstreitig eine solche, die die Klage nach Ablauf der Frist unzulässig macht (vgl. auch Molodovsky/Bernstorff Enteignungsrecht in Bayern Stand: 30.11.2001 - Rn. 3.1 zu Art. 45 BayEG). Das BayEG stellt nach seiner amtlichen Begründung die Zusammenfassung, Fortschreibung und Fortentwicklung des bisherigen in verschiedenen Gesetzen enthaltenen Landesenteignungsrechts dar (vgl. Molodovsky/Bernstorff Einf. zum BayEG Rn. 4.1). Die in Art. 45 BayEG zum Ausdruck gekommene Rechtsentwicklung erlaubt daher den Rückschluss, dass auch die Klagefrist des Art. 36 Abs. 3 Satz 2 TZiWG als eine prozessuale Frist zu verstehen ist.

b) Da es sich bei der Klagefrist des Art. 36 Abs. 3 Satz 2 TZiWG um eine Prozessvoraussetzung handelt, hat das Landgericht tatsächlich nur über die Zulässigkeit der Klage entschieden. Obwohl das Landgericht die Frist des Art. 36 Abs. 3 Satz 2 TZiWG - ohne Begründung - als materielle Ausschlussfrist angesehen und die Klage als unbegründet abgewiesen hat, liegt ein Fall der Zurückverweisung an das Landgericht gemäß § 538 Abs. 1 Nr. 2 ZPO a.F. vor. Maßgeblich ist, dass der die Abweisung tragende Grund richtigem Verständnis nach die Zulässigkeit der Klage betrifft. ob das angefochtene Urteil den Abweisungsgrund richtig einordnet, ist demgegenüber ohne Bedeutung (vgl. BGH WPM 1983, 660; OLG Düsseldorf NJW-RR 1990, 1040; Stein/Jonas/Grunsky 21. Aufl. § 538 Rn. 10; Zöller/Gummer ZPO 23. Aufl. § 538 Rn. 35; Musielak/Ball ZPO 2. Aufl. § 538 Rn. 5). Das Landgericht hätte aus seiner Sicht die Klage als unzulässig abweisen müssen. Dass es demgegenüber die Klage als unbegründet behandelt hat, steht der Anwendung des § 538 Abs. 1 Nr. 3 ZPO bzw. § 538 Abs. 1 Nr. 2 ZPO a.F. nicht entgegen.

4. Gemäß § 97 Abs. 1 ZPO trägt die Beklagte die Kosten des Revisionsverfahrens.

Ende der Entscheidung

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