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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Urteil verkündet am 03.04.2003
Aktenzeichen: 1Z RR 3/03
Rechtsgebiete: BGB, BayEG


Vorschriften:

BGB § 812 Abs. 1 Satz 1
BayEG Art. 35 Abs. 1
Anspruch des Entschädigungsverpflichteten aus ungerechtfertigter Bereicherung gegen den Zahlungsempfänger im Falle einer entgegen der Hinterlegungsverpflichtung nach Art. 35 Abs. 1 BayEG erfolgten Zahlung der Enteignungsentschädigung unmittelbar an einen Entschädigungsberechtigten.
Tatbestand:

Gegenstand des Rechtsstreits ist die Rückzahlung einer Enteignungsentschädigung.

Die Klägerin, die Deutsche Bahn AG, benötigte Teilflächen mehrerer Grundstücke für den Neubau einer S-Bahn-Linie. Eigentümer dieser Grundstücke waren die Beklagten. Für die Streitverkündete, ein Bankhaus, war in der Abteilung III des Grundbuchs unter der laufenden Nummer 1 eine Grundschuld über 220.000 DM eingetragen. Unter der laufenden Nr. 2 bestand eine Vormerkung für eine Fensterfabrik zur Sicherung des Anspruchs auf Eintragung einer Bauhandwerkersicherungshypothek in Höhe von 42316,55 DM.

In dem auf Antrag der Klägerin bei dem Landratsamt durchgeführten Enteignungsverfahren erließ das Landratsamt am 27.6.2000 einen Enteignungsbeschluss, mit dem den Beklagten das Eigentum an Teilflächen der Grundstücke entzogen und teilweise die Klägerin, teilweise die Stadt neue Eigentümer der Grundstücksteilflächen wurden. Als Verfahrensbeteiligte sind in dem Enteignungsbeschluss neben der Klägerin und der Stadt als Enteignungsbegünstigten und den Beklagten als Eigentümer auch das Bankhaus als "Grundschuldinhaberin" und die Fensterfabrik als "Inhaberin einer Vormerkung zur Sicherung des Anspruchs auf Eintragung einer Bauhandwerkersicherungshypothek" genannt. Im Tenor des Enteignungsbeschlusses wird auch ausgesprochen, dass die Grundbuchbelastungen zu Gunsten des Bankhauses und der Fensterfabrik erlöschen, soweit sie die enteigneten Grundstücksteile betreffen.

Zur Entschädigung enthält der Tenor des Enteignungsbeschlusses den Ausspruch, dass die Klägerin für den Eigentumsverlust an den Grundstücksteilflächen den Beklagten eine Enteignungsentschädigung in Geld in Höhe von 64.610 DM zu zahlen hat und dieser Entschädigungsbetrag bis zur Auszahlung mit 2% über dem Diskontsatz der Deutschen Bundesbank jährlich vom 5.5.1997 an zu verzinsen ist. Der Beschlusstenor enthält keine Bestimmung, dass dieser Betrag zu hinterlegen ist.

In den Gründen des Enteignungsbeschlusses ist allerdings Folgendes ausgeführt:

"Der Ausspruch des Erlöschens der in Abteilung III des Grundbuchs unter den laufenden Nummern 1 und 2 eingetragenen Rechte für das Bankhaus und die Fensterfabrik beruht auf Art. 12 Abs. 1 BayEG. Nach dem Wortlaut dieser Vorschrift erlöschen immer solche Rechte, die nicht zum Besitz oder zur Nutzung des zu enteignenden Grundstücks berechtigen oder den Verpflichteten nicht in seiner Nutzung beschränken. Zu diesen Rechten gehören insbesondere die Grundpfandrechte wie Hypotheken, Grundschulden und Rentenschulden ...

Nach Art. 12 Abs. 4 BayEG haben das Bankhaus und die Fensterfabrik jedoch Anspruch auf Ersatz des Wertes ihres Rechts aus der Geldentschädigung für das Eigentum an dem Grundstück, soweit sich ihr Recht auf dieses erstreckt.

Soweit eine Einigung über Auszahlung zwischen den Entschädigungsberechtigten, hier die Antragsgegner (jetzt: die Beklagten), das Bankhaus und die Fensterfabrik, und dem Entschädigungsverpflichteten, hier der Deutschen Bahn AG (jetzt: Klägerin), nicht nachgewiesen ist, ist die Geldentschädigung von diesen unter Verzicht auf das Recht der Rücknahme zu hinterlegen (Art. 35 Abs. 1 Satz 1 BayEG). Nach dem Eintritt des neuen Rechtszustandes kann dann jeder Beteiligte sein Recht an der hinterlegten Summe gegen einen Mitbeteiligten, der dieses Recht bestreitet, vor den ordentlichen Gerichten geltend machen oder die Einleitung eines gerichtlichen Verteilungsverfahrens beantragen (Art. 36 Abs. 1 BayEG)."

Weder das Bankhaus noch die Fensterfabrik, die, wie im Laufe des Rechtsstreits unstreitig wurde, keine offenen Forderungen gegen die Beklagten mehr hat, legten gegen den Enteignungsbeschluss Rechtsmittel ein.

Mit Schreiben vom 19.7.2000 übersandte die Klägerin einen Orderscheck über 73.868,73 DM (dies entspricht 37768,48 EUR) für "Entschädigung S-Bahn" an die Beklagten, den diese einlösten.

Wegen der Höhe der Entschädigung beschritten die Beklagten den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten. Mit Urteil des Landgerichts vom 19.6.2001 wurden den Beklagten in erster Instanz weitere 13.890 DM zuzüglich Zinsen und mit Urteil des Oberlandesgerichts vom 8.11.2001 Gz. 1 U 4009/01 in der Berufungsinstanz weitere 480,01 DM zuzüglich Zinsen zugesprochen. Keines dieser beiden Urteile enthält einen Ausspruch dahingehend, dass die zusätzlich zugesprochenen Beträge zu hinterlegen sind.

Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 29.11.2001 setzte das Landgericht unter Einschluss der Berufungsinstanz die von der Klägerin (damaligen Beklagte) an die Beklagten (damalige Kläger) zu erstattenden Kosten auf 2.365,74 DM fest.

Nachdem das Landratsamt trotz der am 19.7.2000 unmittelbar an die Beklagten geleisteten Zahlung von 73.868,73 DM unter Hinweis auf die bisher unterbliebene Hinterlegung eine Ausführungsanordnung nach dem BayEG verweigert hatte, beantragte die Klägerin am 23.4.2002 bei dem Amtsgericht - Hinterlegungsstelle - unter Verzicht auf das Recht der Rücknahme die Annahme eines Entschädigungsbetrages von 48.618,21 EUR einschließlich aufgelaufener Zinsen zur Hinterlegung. Am 26.4.2002 übergab die Klägerin ihrem Hinterlegungsantrag entsprechend einen Scheck über 48618,21 EUR an das Amtsgericht, das den Betrag unter HL-Nr. 2002 420008 annahm.

Die Klägerin geht davon aus, gemäß Art. 12 Abs. 4, Art. 35 Abs. 1 BayEG sei die Hinterlegung des Entschädigungsbetrages zwingend geboten gewesen. Die Forderung der Beklagten sei daher erst mit Hinterlegung des Entschädigungsbetrages gemäß Antrag vom 23.4.2002 erfüllt worden. Die unmittelbar an die Beklagten erfolgte Zahlung vom 19.7.2000 beruhe auf einem Irrtum und sei ohne Rechtsgrund erfolgt. Der Klägerin stehe daher gegen die Beklagten ein Rückzahlungsanspruch wegen ungerechtfertigter Bereicherung in Höhe von 37.768,48 EUR (= 73.868,73 DM) zu.

Mit einem Teil dieses Rückzahlungsanspruchs hat die Klägerin gegen den Kostenerstattungsanspruch aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts vom 29.11.2001 in Höhe von 1.209,58 EUR (= 2.365,74 DM) und darauf entfallender Zinsen von 13,10 EUR die Aufrechnung erklärt und die Rückzahlung der verbleibenden 36.545,80 EUR verlangt.

Die Klägerin hat in erster Instanz beantragt,

1. die Zwangsvollstreckung der Beklagten gegen die Klägerin aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss vom 29.11.2001 für unzulässig zu erklären;

2. die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner an die Klägerin 36.545,80 EUR nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

Die Beklagten haben Klageabweisung beantragt. Sie sind der Auffassung, die Klägerin habe die Enteignungsentschädigung auf Grund des bestandskräftigen Enteignungsbeschlusses zu Recht an sie bezahlt. Weder im Tenor des Enteignungsbeschlusses noch im Tenor der gerichtlichen Urteile, in denen die Höhe der Enteignungsentschädigung festgelegt wurde, sei eine Verpflichtung der Klägerin zur Hinterlegung ausgesprochen worden. Die Beklagten hätten auf die Berechtigung der an sie erfolgten Auszahlung vertrauen können. Eine etwaige Bereicherung sei weggefallen, da die Beklagten den Betrag in voller Höhe an ihre Tochter weitergeleitet hätten.

Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 26.6.2002 abgewiesen. Hiergegen hat die Klägerin Berufung eingelegt.

Im Verlauf des Berufungsverfahrens erklärten die Beklagten, sie machten in Höhe von 37.768,48 EUR keine Rechte an dem bei dem Amtsgericht hinterlegten Betrag geltend und erklärten die Freigabe dieses Teilbetrages der Hinterlegungssumme mit der Begründung, ein Betrag in Höhe von 37.768,48 EUR sei bereits am 19.7.2000 an sie gezahlt worden. Am 5.2.2003 zahlte die Hinterlegungsstelle bei dem Amtsgericht aus der hinterlegten Summe einen Teilbetrag von 37.768,48 EUR an das Bankhaus aus.

Mit Schriftsatz vom 18.2.2003 verkündete die Klägerin dem Bankhaus den Streit mit der Aufforderung, dem Rechtsstreit auf Seiten der Klägerin beizutreten. Das Bankhaus ist dem Rechtsstreit im Berufungsverfahren nicht beigetreten.

In der Berufungsinstanz hat die Klägerin beantragt,

1. das Urteil des Landgerichts vom 26.6.2002 aufzuheben;

2. die Zwangsvollstreckung der Beklagten gegen die Klägerin aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss vom 29.11.2001 für unzulässig zu erklären;

3. die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner an die Klägerin 36.545,80 EUR nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

4. die Beklagten zu verurteilen, die Freigabe des beim Amtsgericht zu Gunsten der Hinterlegungsbeteiligten Bankhaus und Fensterfabrik hinterlegten Betrages von 10.849,73 EUR gegenüber dem Amtsgericht, Hinterlegungsstelle, zu erklären.

Die Beklagten haben Zurückweisung der Berufung und Abweisung des Antrags auf Abgabe der Freigabeerklärung beantragt.

Das Oberlandesgericht hat mit Urteil vom 3.4.2003 die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts vom 26.6.2002 zurückgewiesen und die weitergehende Klage abgewiesen. Die Revision zum Bayerischen Obersten Landesgericht wurde vom Oberlandesgericht gemäß § 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, § 7 Abs. 1 Satz 1 EGZPO zugelassen.

Mit ihrer gegen die Entscheidung des Oberlandesgerichts gerichteten Revision beantragt die Klägerin die Aufhebung des Urteils des Oberlandesgerichts vom 3.4.2003 und die Verurteilung der Beklagten gemäß den in zweiter Instanz gestellten Anträgen. Die Beklagten haben beantragt, die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

Die Streitverkündete ist im Revisionsverfahren mit Schriftsatz vom 3.8.2004 der Klägerin zu deren auf Zahlung von 36.545,80 EUR nebst Zinsen gerichteten Klageantrag beigetreten.

Entscheidungsgründe:

Die Revision der Klägerin hat überwiegend Erfolg.

1. Die Revision ist zulässig (§ 543 Abs. 1 Nr. 1, § 548, § 549 ZPO). Die Zuständigkeit des Bayerischen Obersten Landesgerichts (§ 8 Abs. 1 EGGVG, Art. 11 Abs. 1 AGGVG) ergibt sich aus der vom Oberlandesgericht nach § 7 Abs. 1 EGZPO getroffenen Zuständigkeitsbestimmung.

2. Das Berufungsgericht hat im Wesentlichen ausgeführt:

Die Klageänderung in der Berufungsinstanz sei gemäß § 533 ZPO zulässig. Der mit der Klageänderung verfolgte Antrag sei jedoch ebenso wie die Berufung unbegründet.

a) Der Klägerin stehe gegen die Beklagten kein Zahlungsanspruch zu. Ein Bereicherungsanspruch nach § 812 BGB sei nicht gegeben. Dies gelte sowohl in Bezug auf den unmittelbar an die Beklagten gezahlten Betrag in Höhe von 37.768,48 EUR als auch für die dem Bankhaus aus dem hinterlegten Betrag in gleicher Höhe zugeflossene Zahlung.

Ein Bereicherungsanspruch bezüglich der am 19.7.2000 an die Beklagten geleisteten Zahlung scheitere nicht bereits an § 818 Abs. 3 BGB, da keine berücksichtigungsfähige Entreicherung der Beklagten vorliege. Die Beklagten hätten hierzu nur vage vorgetragen. Im Termin am 19.12.2002 habe der Beklagte zu 1 erklärt, er habe den Betrag seiner Tochter gegeben, weil er ihr mehr als den Betrag schuldig gewesen sei. Durch die Weitergabe des Betrages an ihre Tochter hätten sich die Beklagten von einer ihr gegenüber bestehenden Verbindlichkeit befreit. Für einen Bereicherungsanspruch nach § 812 BGB bezüglich der am 19.7.2000 erfolgten Zahlung fehle jedoch die Grundlage, da diese Zahlung mit Rechtsgrund erfolgt sei. Rechtsgrund für die Zahlung sei der Enteignungsbeschluss vom 27.6.2000, der im Tenor die Bezahlung einer Enteignungsentschädigung in Höhe von 64.610 DM zuzüglich Zinsen an die Beklagten vorsehe. Die Festlegung der Zahlungsverpflichtung unmittelbar an die Beklagten sei nicht deshalb unwirksam, weil im Tenor fehlerhaft die Anordnung der Hinterlegung des Entschädigungsbetrags unterblieben sei, denn der Enteignungsbeschluss sei bestandskräftig. Eine Auslegung dahingehend, dass der Enteignungsbeschluss eine Hinterlegungsanordnung enthalte, komme nicht in Betracht. Zwar werde in den Gründen des Enteignungsbeschlusses auf Art. 12 Abs. 4 und Art. 35 Abs. 1 Satz 1 BayEG und die dort vorgesehene Hinterlegung hingewiesen. Art. 31 Abs. 1 Nr. 5 Halbsatz 2 BayEG lege jedoch fest, dass Geldentschädigungen, aus denen andere von der Enteignung Betroffene nach Art. 12 Abs. 4 BayEG zu entschädigen sind, von den sonstigen Geldentschädigungen getrennt ausgewiesen werden müssen. Der Enteignungsbeschluss müsse inhaltlich so klar und bestimmt sein, dass aus ihm Inhalt und Umfang der Rechtsänderungen und die Betroffenen zu ersehen seien. Dem werde der Enteignungsbeschluss, aus dem sich nicht ergebe, wie sich die Hauptsacheentschädigung zusammensetze, nicht gerecht. Erst aus der Auswertung der erholten Gutachten lasse sich ersehen, dass der Entschädigungsbetrag aus einer Entschädigung für Substanzverlust und für Wirtschaftserschwernisse bestehe. Gemäß Art. 12 Abs. 4 Satz 2 BayEG hätten Grundpfandrechtsgläubiger Anspruch auf die Folgeentschädigung nach Art. 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BayEG, soweit sie Rechte am Restbesitz haben und dessen Wert durch die Enteignung gemindert wird. In den Gründen des Enteignungsbeschlusses fehlten hierzu aber jegliche Ausführungen, so dass die Reichweite einer hypothetischen Hinterlegungsanordnung unklar sei. Da die Anordnung der Hinterlegung im Enteignungsbeschluss unterblieben sei, stelle die Zahlung vom 19.7.2000 eine wirksame Erfüllung dar. Trotz der fehlerhaften Tenorierung sei der Enteignungsbeschluss als bestandskräftiger Verwaltungsakt grundsätzlich als Rechtsgrund für die Leistung anzusehen. Da den Beklagten der Entschädigungsbetrag durch den zwar fehlerhaften, aber bestandskräftigen Enteignungsbeschluss zugewiesen worden sei, seien die Beklagten zur Entgegennahme des Geldes berechtigt gewesen.

Ein Bereicherungsanspruch der Klägerin bestehe auch nicht bezüglich des am 5.2.2003 an das Bankhaus ausbezahlten Hinterlegungsbetrages. Als Leistungsempfänger sei hier das Bankhaus anzusehen. Wegen des Vorrangs der Leistungskondiktion komme daneben ein Bereicherungsanspruch gegen die Beklagten nicht in Betracht.

b) Da der Klägerin aus den dargelegten Gründen kein Zahlungsanspruch gegen die Beklagten zustehe, könne auch die Aufrechnung gegen den Kostenerstattungsanspruch nicht durchgreifen und die auf Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung gerichtete Vollstreckungsabwehrklage keinen Erfolg haben.

c) Der mit der Klage geltend gemachte Anspruch auf Abgabe der Freigabeerklärung bezüglich des noch hinterlegten Betrages von 10.849,73 EUR bestehe ebenfalls nicht. Dies sei auf der Grundlage der Rechtsauffassung der Klägerin offensichtlich, da die unmittelbar an die Beklagten geleistete Zahlung nach Auffassung der Klägerin ohne Rechtsgrund erfolgt sei und Rechtsgrund für die Hinterlegung der Enteignungsbeschluss gewesen sei. Aber auch dann, wenn man wie das Berufungsgericht diese Auffassung für unrichtig halte, lägen die Voraussetzungen des § 812 Abs. 1 BGB für die geforderte Freigabeerklärung nicht vor, da auf Grund dieser Vorschrift die Klägerin allenfalls die von der Beklagten erlangte Vermögensposition kondizieren, nicht jedoch einen Anspruch auf Abgabe einer Freigabeerklärung gegenüber einem Dritten geltend machen könnte. Im Übrigen stünde insoweit einer etwa bestehenden Forderung der Klägerin ein Zurückbehaltungsrecht der Beklagten gegenüber, da den Beklagten, soweit die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche über die Bezahlung von 37.768,48 EUR hinausgingen, noch Forderungen gegenüber der Klägerin zustünden.

3. Die Entscheidung des Berufungsgerichts hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nur teilweise stand.

a) Die Zulassung der Klageänderung durch das Berufungsgericht war mangels Verfahrensrüge vom Revisionsgericht nicht zu prüfen (§ 557 Abs. 3 Satz 2 ZPO); sie wäre im Übrigen nach § 525, 268 ZPO grundsätzlich mit der Revision nicht anfechtbar (vgl. Musielak ZPO 3. Aufl. § 533 Rn. 23).

b) Das Berufungsgericht hat einen Anspruch der Klägerin wegen ungerechtfertigter Bereicherung (§ 812 Abs. 1 Satz 1 BGB) verneint, weil es den Tenor des Enteignungsbeschlusses vom 27.6.2000 als einen hinreichenden Rechtsgrund für die am 19.7.2000 unmittelbar an die Beklagten geleistete Zahlung angesehen hat. Diese Auffassung des Berufungsgerichts kann keinen Bestand haben.

aa) Die Rechtsprechung hat wiederholt hervorgehoben, es sei grundsätzlich zu berücksichtigen, dass das Bereicherungsrecht in besonderem Maße eine wirtschaftliche und nicht rechtsformale Betrachtungsweise gebiete (vgl. BGHZ 36, 232/234; 105, 365/368). In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist auch immer wieder betont worden, dass sich bei der bereicherungsrechtlichen Behandlung von Vorgängen, an denen mehr als zwei Personen beteiligt sind, jede schematische Lösung verbietet; vielmehr sind in erster Linie die Besonderheiten des einzelnen Falles für die sachgerechte bereicherungsrechtliche Abwicklung zu beachten (vgl. BGHZ 105, 365/368 f. m.w.N.; BGH NJW 1999, 1393/1394). Dies gilt angesichts dessen, dass im Enteignungsverfahren neben der Klägerin und den Beklagten auch das Bankhaus und die Fensterfabrik beteiligt waren und die im Enteignungsbeschluss festgesetzte Entschädigung u.a. deren Rechte betraf, auch hier.

Leistung im Sinne des Bereicherungsrechts ist nach gefestigter Rechtsprechung die bewusste und zweckgerichtete Vermehrung fremden Vermögens (vgl. BGHZ 40, 272/277; BGH NJW 1999, 1393/1394). Hinsichtlich des Rechtsgrundes steht bei der Leistungskondiktion das Erreichen des mit der Leistung verfolgten Zwecks im Vordergrund; die Kondiktion ist die Regulierung einer Zweckverfehlung (Erman/H.P. Westermann BGB 11. Aufl. § 812 Rn. 1; Jauernig/Schlechtriem BGB 10. Aufl. § 812 Rn. 4; Weitnauer JZ 1985, 555/556). Eine Zweckbestimmung kann auch verfehlt werden, wenn eine zu erfüllende Schuld tatsächlich bestand (vgl. BGH NJW 1985, 2700). Die Beantwortung der Frage nach dem Bestehen bzw. dem Fehlen eines Rechtsgrundes einer Leistung hängt nicht allein von dem Kausalverhältnis zwischen Leistendem und Leistungsempfänger, sondern davon ab, ob der mit der Leistung bezweckte Erfolg eingetreten ist (vgl. BGHZ 50, 227/232; Erman/H.P Westermann § 812 Rn. 44; Palandt/Sprau BGB 63. Aufl. § 812 Rn. 70; RGRK/Heimann-Trosien 12. Aufl. § 812 Rn. 44; Reuter/Martinek Handbuch des Schuldrechts Band 4 Ungerechtfertigte Bereicherung § 4 II 5 b). In diesem Zusammenhang wird im Schrifttum auch die Formulierung verwendet, ein Mangel des Rechtsgrundes sei anzunehmen, wenn für den Empfänger zum Zeitpunkt der Leistung ein Grund zum Behaltendürfen nicht besteht (vgl. Bamberger/Roth/Wendehorst BGB § 812 Rn. 24; MünchKommBGB/ Lieb 4. Aufl. § 812 Rn. 174).

bb) Diese Gegebenheiten begründen einen Anspruch der Klägerin gegen die Beklagten aus § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB.

Ziel und Zweck der von der Klägerin an die Beklagten geleisteten Zahlung war die Befreiung von ihrer Verbindlichkeit, die Enteignungsentschädigung zu bezahlen, mit der Folge, dass die Voraussetzungen für eine Ausführungsanordnung der Enteignungsbehörde nach Art. 34 BayEG eintreten konnten. Dieser Zweck wurde jedoch verfehlt.

(1) Bereits unmittelbar aus der gesetzlichen Vorschrift des Art. 35 Abs. 1 BayEG, welche die Hinterlegung der Enteignungsentschädigung bei Beteiligung mehrerer Entschädigungsberechtigter zwingend anordnet, ergibt sich, dass die Klägerin die angestrebte Befreiung von ihrer Verbindlichkeit nur durch Hinterlegung erreichen konnte. Nach Art. 35 Abs. 1 BayEG darf der Entschädigungsverpflichtete nicht zwischen Zahlung und Hinterlegung wählen, sondern kann eine Schuld nur durch Hinterlegung tilgen. Es handelt sich um eine Schutzvorschrift zu Gunsten der Nebenberechtigten, die ohne diese Vorschrift ihre Ansprüche gegenüber demjenigen Entschädigungsberechtigten, an den die Geldentschädigung ausgezahlt worden ist, geltend machen müssten (vgl. Molodovsky/Bernstorff BayEG Art. 35 Rn. 1.1). Soweit das Berufungsgericht der Auffassung war, auch auf Grund im Enteignungsbeschluss enthaltener Unklarheiten hinsichtlich der Zusammensetzung der Hauptsacheentschädigung könne dem Enteignungsbeschluss eine Verpflichtung zur Hinterlegung nicht entnommen werden, vermag dies im Hinblick darauf, dass die Hinterlegungsverpflichtung nach § 35 Abs. 1 BayEG gerade im Falle des Streits über die Höhe der jeweiligen Ansprüche dem Schutz der verschiedenen Berechtigten dient, nicht zu überzeugen; etwaige im Enteignungsbeschluss enthaltene Unklarheiten können kein Rechtsgrund dafür sein, dass die Beklagten den ihnen entgegen § 35 Abs. 1 BayEG zugeflossenen Entschädigungsbetrag behalten dürfen.

(2) Auf die sich unmittelbar aus dem Gesetz ergebende Rechtslage, dass die Klägerin ihre Schuld nur durch Hinterlegung tilgen konnte, wurde auch in den Gründen des Enteignungsbeschlusses mit Zitat des Art. 35 Abs. 1 Satz 1 BayEG ausdrücklich hingewiesen. Dass demgegenüber der Tenor des Enteignungsbeschlusses auf die vom Gesetz vorgegebene Verpflichtung, die Geldentschädigung zu hinterlegen, nicht gesondert eingeht, ändert - da die Pflicht zur Hinterlegung den Entschädigungsverpflichteten ohne Weiteres trifft - nichts an der Rechtslage, wonach die Klägerin Befreiung von ihrer Verbindlichkeit hier nur durch Hinterlegung erlangen konnte. Insoweit kann offen bleiben, ob die Hinterlegung von der Enteignungsbehörde im Enteignungsbeschluss überhaupt anzuordnen gewesen wäre (verneinend zu § 118 BauGB: Reisnecker in Kohlhammer-Komm.BauGB § 118 Rn. 2).

(3) Die von der Klägerin unmittelbar an die Beklagten geleistete Zahlung stellt sich, da mit dieser Zahlung die Befreiung von der Verpflichtung, die Geldentschädigung zu zahlen, nicht erreicht wurde, als ein Fall der Zweckverfehlung dar. Infolge der von der Klägerin mittels Zahlung an die Beklagten nicht erfüllten Verpflichtung unterblieb zunächst die Ausführungsanordnung der Enteignungsbehörde und kam es zu der am 26.4.2002 erfolgten Hinterlegung. Die ohne Rechtsgrund an die Beklagten geleistete Zahlung kann die Klägerin nach § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB kondizieren.

cc) Ohne Rechtsfehler hat das Berufungsgericht erkannt, dass einem gegebenen Bereicherungsanspruch eine nach § 818 Abs. 3 BGB zu berücksichtigende Entreicherung der Beklagten nicht entgegensteht.

dd) Im Ergebnis erweist sich somit die auf Zahlung von 36.545,80 EUR gerichtete Klage in der Hauptsache als begründet. Der Zinsanspruch hat seine Rechtsgrundlage in §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2, 247 BGB.

c) Die gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts vom 29.11.2001 gerichtete Vollstreckungsabwehrklage hat Erfolg, weil die gegen den Kostenerstattungsanspruch der Beklagten aus diesem Kostenfestsetzungsbeschluss erklärte Aufrechnung (§§ 387, 389 BGB) mit den wie oben dargestellt bestehenden Zahlungsanspruch der Klägerin aus § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB durchgreift.

d) Zutreffend hat das Berufungsgericht die Klage abgewiesen, soweit sie auf Abgabe einer Freigabeerklärung für den beim Amtsgericht hinterlegten Betrag gerichtet war. Nach der eigenen Rechtsauffassung der Klägerin, die im Rahmen der revisionsrechtlichen Überprüfung ihre Bestätigung gefunden hat, ist die Zahlung unmittelbar an die Beklagten ohne Rechtsgrund erfolgt, weil die Geldentschädigung zu hinterlegen war. Dies hat zur Folge, dass sowohl der Enteignungsbeschluss des Landratsamts vom 27.6.2000 als auch die weitere Entschädigungsbeträge festsetzenden Urteile des Landgerichts vom 19.6.2001 und des Oberlandesgerichts vom 8.11.2001 Rechtsgrund für die erfolgte Hinterlegung sind und ein Anspruch der Klägerin gegen die Beklagten auf Abgabe einer Freigabeerklärung somit unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt in Betracht kommt.

e) Das Revisionsgericht hatte, auch soweit das Berufungsurteil aufzuheben war, in der Sache selbst zu entscheiden, da die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Rechtsverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO).

4. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 91, 92 Abs. 1 Satz 1, 101 ZPO.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird in Übereinstimmung mit dem von der Vorinstanz für das Berufungsverfahren festgesetzten Streitwert gemäß § 3 ZPO auf 48605,11 EUR festgesetzt. Die Festsetzung eines geringeren Streitwerts für die Nebenintervention beruht darauf, dass die Nebenintervenientin der Klägerin lediglich beschränkt auf den auf Zahlung von 36545,80 EUR gerichteten Klageantrag beigetreten ist.

Ende der Entscheidung

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