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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 20.04.1999
Aktenzeichen: 2 ObOWi 159/99
Rechtsgebiete: OWiG, StVG, StPO


Vorschriften:

OWiG § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2
OWiG § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9
OWiG § 33 Abs. 2 Satz 1
OWiG § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11
OWiG § 46 Abs. 1
StVG § 26 Abs. 3
StPO § 349 Abs. 2
StPO § 473 Abs. 1 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerisches Oberstes Landesgericht

2 ObOWi 159/99

BESCHLUSS

Der 2. Senat für Bußgeldsachen des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Krämer sowie der Richter Dr. Rohlff und Rittmayr

am 20. April 1999

in dem Bußgeldverfahren gegen B E

wegen

Verkehrsordnungswidrigkeit

auf Antrag der Staatsanwaltschaft

beschlossen:

I. Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Haßfurt vom 18. Januar 1999 wird als unbegründet verworfen.

II. Der Betroffene hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht verurteilte den Betroffenen wegen fahrlässigen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaft um mindestens 62 km/h zu einer Geldbuße von 400 DM und verhängte ein Fahrverbot von der Dauer eines Monats.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt. Er ist der Auffassung, die Ordnungswidrigkeit sei verjährt. Im übrigen habe das Amtsgericht trotz Verhängung einer über den Regelsatz der Bußgeldkatalogverordnung hinausgehenden Geldbuße die wirtschaftlichen Verhältnisse nicht ermittelt und dargelegt. Ebensowenig habe das Amtsgericht hinreichend begründet, warum eine Erhöhung der Geldbuße anstelle eines Fahrverbots nicht in Betracht komme.

II.

Das gemäß § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 OWiG statthafte und im übrigen zulässige Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

1. Das Amtsgericht ist im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, daß die Ordnungswidrigkeit nicht verjährt ist. Folgender Verfahrensgang ergibt sich hierzu aus den Akten:

Wegen der am 18.11.1997 begangenen Verkehrsübertretung erließ die Zentrale Bußgeldstelle im Bayerischen Polizeiverwaltungsamt am 4.12.1997 einen Bußgeldbescheid, der am 16.12.1997 zur Post gegeben wurde. Am 20.1.1998 verfügte die Bußgeldbehörde die vorläufige Einstellung des Verfahrens und ordnete die Aufenthaltsermittlung an. Nach mehrfachen vergeblichen Versuchen, den Bußgeldbescheid unter den ermittelten Anschriften zuzustellen, stellte die Bußgeldbehörde am 15.7.1998 das Verfahren wiederum vorläufig ein und ordnete erneut eine Aufenthaltsermittlung an. Die Zustellung des Bußgeldbescheides erfolgte daraufhin am 22.8.1998 unter der nunmehr ermittelten Anschrift des Betroffenen. Am 25.11.1998 bestimmte das Amtsgericht Termin zur Hauptverhandlung auf den 18.1.1999.

Die Wirksamkeit von Handlungen zur Unterbrechung der Verfolgungsverjährung, die vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten und anderer Gesetze vom 26.1.1998 (BGBl F S. 156) - 1.3.1998 - vorgenommen wurden, bestimmt sich nach der Rechtsprechung des Bayerischen Obersten Landesgerichts nach bisherigem Recht (BayObLG NZV 1998, 513 = NJW 1999, 159). Hiernach wäre in der vorliegenden Sache die Verjährung der dem Betroffenen vorgeworfenen Ordnungswidrigkeit vom 18.11.1997 durch den Erlaß des Bußgeldbescheides (§ 26 Abs. 3 StVG, § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9, Abs. 2 Satz 1 OWiG a.F.), und sodann durch die vorläufige Einstellung des Verfahrens und die Aufenthaltsermittlung am 20.1.1998 und 15.7.1998 (§ 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 OWiG) sowie durch die Anberaumung des Termins zur Hauptverhandlung am 25.11.1998 (§ 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 OWiG) rechtzeitig unterbrochen worden.

Dagegen ist nach der Rechtsprechung des Kammergerichts (DAR 1998, 449 = NStZ 1999, 193) die Verjährungsfrage in noch nicht rechtskräftig abgeschlossenen "Altfällen" ausschließlich nach neuem Recht zu beurteilen. Hiernach käme dem Erlaß des Bußgeldbescheides keine verjährungsunterbrechende Wirkung zu, weil er nicht innerhalb der Zwei-Wochen-Frist des neuen § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 OWiG zugestellt worden ist.

Die Ordnungswidrigkeit wäre allerdings dennoch nicht verjährt mit der Folge, daß es auf die Frage der Anwendung neuen oder alten Rechts nicht ankäme, wenn der Erlaß des Bußgeldbescheides unbeschadet der zunächst nicht bewirkten Zustellung gemäß § 26 Abs. 3 StVG die Wirkung gehabt hätte, daß zumindest mit der Einstellung des Verfahrens am 20.1.1998 eine sechsmonatige Verjährungsfrist zu laufen begann. Anders, d.h. zur Annahme einer Verfolgungsverjährung führend, wäre es allerdings, wenn man die Auffassung vertreten würde, daß § 26 Abs. 3 StVG wegen der Neuregelung des § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 OWiG dahin zu interpretieren sei, daß die Frist bei einer Verzögerung der Zustellung des Bußgeldbescheides um mehr als zwei Wochen erst im Zeitpunkt der Zustellung verlängert wird (so Grübner NZV 1998, 230/235 und ihm folgend KG aaO). Im vorliegenden Fall hätte dann nämlich bis zum 22.8.1998 die dreimonatige Verjährungsfrist gegolten, die in der Zeit zwischen den Unterbrechungshandlungen vom 20.1.1998 und 15.7.1998 abgelaufen wäre.

Der Senat kann indes der von Grübner und dem Kammergericht vertretenen Auffassung nicht folgen; er teilt vielmehr diejenige, daß die Sechs-Monats-Frist bereits zu laufen beginnt, wenn nach Erlaß des Bußgeldbescheides und vor der verspäteten Zustellung eine andere Maßnahme zur Unterbrechung der dann noch geltenden Drei-Monats-Frist getroffen worden ist.

Hierfür spricht der Wortlaut der Bestimmung des § 26 Abs. 3 StVG (so Jagusch/Hentschel Straßenverkehrsrecht 35. Aufl. § 26 StVG Rn. 7). Die Auffassung von Grübner, dem Gesetzgeber sei die Problematik bei Erlaß des neuen § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 OWiG offenbar entgangen, verliert schon deshalb an Überzeugungskraft, weil das grundsätzliche Problem auch schon vor der Neuregelung bestand, ohne daß - soweit ersichtlich - jemals eine Korrektur des § 26 Abs. 3 StVG in Erwägung gezogen worden wäre. Auch nach der bisherigen Regelung des § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 OWiG konnten Unterbrechungswirkung und Geltung der Sechs-Monats-Frist des § 26 Abs. 3 StVG auseinanderfallen, nämlich dann, wenn der Bußgeldbescheid nicht alsbald in den Geschäftsgang gelangte. Daß die Problematik praktisch offenbar nicht relevant geworden ist, liegt wohl daran, daß die Gerichte bei der Frage, was noch "alsbald" ist, einen sehr großzügigen Maßstab angelegt haben.

Eine derartige, den Wortlaut des § 26 Abs. 3 StVG korrigierende Auslegung ist auch - entgegen der Auffassung von Grübner - keinesfalls "zwingend" geboten, um ein Konterkarieren des mit der Änderung des § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 OWiG verfolgten Zwecks zu vermeiden. Richtig ist zunächst allerdings, daß im Hinblick auf die eindeutige Regelung des § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 OWiG dem Erlaß des Bußgeldbescheides bei verspäteter Zustellung keine Unterbrechungswirkung zukommen kann. Insoweit ist der Auffassung von Grübner und Kammergericht zuzustimmen. Die dreimonatige Verjährungsfrist läuft daher solange, bis sie durch Zustellung des Bußgeldbescheides oder auf andere Weise unterbrochen wird, d.h. im vorliegenden Fall bis zur vorläufigen Einstellung gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 OWiG am 20.1.1998.

Erst mit dieser Unterbrechung beginnt eine neue Frist zu laufen, die nunmehr, da zwischenzeitlich der Bußgeldbescheid erlassen worden ist, 6 Monate beträgt. Die ab 20.1.1998 laufende Sechs-Monats-Frist ist aber jeweils rechtzeitig bis zur Hauptverhandlung unterbrochen worden. Unabhängig von der Frage der Anwendung alten oder neuen Rechts ist daher Verjährung nicht eingetreten.

Eine Vorlage an den Bundesgerichtshof ist nicht geboten. In der Entscheidung des Kammergerichts fielen erste Unterbrechung der Drei-Monats-Frist und Beginn der Sechs-Monats-Frist zusammen, weil zwischen Erlaß des Bußgeldbescheides und seiner Zustellung keine andere verjährungsunterbrechende Maßnahme getroffen worden war. Der Sachverhalt unterscheidet sich damit wesentlich von dem vorliegenden. Die hier zu entscheidende Frage spielte für das Kammergericht im Ergebnis keine Rolle, so daß seine Ausführungen insoweit nicht entscheidungserheblich sind.

2. Schuld- und Rechtsfolgenausspruch sind ebenfalls nicht zu beanstanden. Zwar drängte sich im Hinblick auf die Höhe der Geschwindigkeitsüberschreitung die Annahme vorsätzlichen Verhaltens auf (vgl. BGH NZV 1997, 529; BayObLGSt 1996, 15/16). Durch die Verurteilung (nur) wegen fahrlässiger Begehungsweise wird der Betroffene indes nicht beschwert.

Die Verhängung einer Geldbuße von 400 DM und die Anordnung eines Fahrverbots von der Dauer eines Monats entspricht der in der Bußgeldkatalogverordnung vorgesehenen Regelahndung. Das Amtsgericht hat in rechtlich nicht zu beanstandender Weise begründet, daß im Hinblick auf die Höhe der Geschwindigkeitsüberschreitung die Verhängung eines Fahrverbots als Denkzettel- und Besinnungsmaßnahme erforderlich ist. Das Amtsgericht war auch nicht gehalten, nähere Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen zu treffen, da kein Anhaltspunkt dafür besteht, daß diese außerordentlich schlecht sind (vgl. OLG Hamm VRS 93, 372). Der Betroffene trägt im übrigen selbst keine Umstände vor, die Anlaß für die Annahme geben könnten, daß eine Geldbuße von 400 DM seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit überschreitet.

III.

Die Rechtsbeschwerde wird daher durch einstimmig gefaßten Beschluß verworfen (§ 349 Abs. 2 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG.

Ende der Entscheidung

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