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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 05.06.2001
Aktenzeichen: 2 ObOWi 208/2001
Rechtsgebiete: StVG, StPO


Vorschriften:

StVG § 24a
StPO § 267 Abs. 1
Liegt einer Verurteilung nach § 24a Abs. 1 StVG die Feststellung einer Atemalkoholkonzentration zugrunde, müssen im Urteil neben dem Mittelwert auch die zugrunde liegenden Einzelmeßwerte der Atemalkoholkonzentration mitgeteilt werden.
Am 4.7.1999 gegen 3.48 Uhr befuhr der Betroffene mit seinem Pkw, Marke VW, amtliches Kennzeichen ..., die M.Straße in S. Eine am 4.7.1999 um 4.10 Uhr mit dem Dräger-Alkotest-Gerät durchgeführte Alkoholüberprüfung ergab eine Atemalkoholkonzentration von 0,40 mg/l.

Eine bereits vorher mit dem Alcomat um 3.49 Uhr durchgeführte Messung ergab eine AAK von 0,91 Promille.

Das Amtsgericht verurteilte den Betroffenen wegen Führens eines Kraftfahrzeuges mit einer Atemalkoholkonzentration von 0,40 mg/l zu einer Geldbuße von 500 DM und einem einmonatigen Fahrverbot.

Mit der Rechtsbeschwerde rügte der Betroffene die Verletzung materiellen Rechts. Das Amtsgericht habe offen gelassen, ob es sich bei der im Urteil festgestellten Atemalkoholkonzentration um einen Mittelwert oder Einzelwert handelte. Sollte eine Mittelwertbildung vorgenommen worden sein, sei diese wegen Verstoßes gegen das Aufrundungsverbot fehlerhaft.

Das Rechtsmittel hatte Erfolg.

Gründe:

Die erhobene Sachrüge führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.

a) Soweit gerügt wurde, das Amtsgericht habe zu Unrecht einen Notstand des Betroffenen verneint, weisen die allein maßgeblichen Urteilsgründe (BGH NJW 1998, 3654/3655) keinen Rechtsfehler auf.

b) Auch der Rechtsbeschwerdevortrag, das Meßverfahren mit dem Meßgerät der Firma Dräger, Alcotest 7110 Evidential sei ungeeignet, ist unbegründet. Die Zuverlässigkeit des Meßverfahrens hat der Senat bereits festgestellt (BayObLG NZV 2000, 295 = DAR 2000, 316) ; diese Rechtsauffassung wurde vom Bundesgerichtshof (Beschluß vom 3.4.2001 - 4 StR 507/00) bestätigt.

c) Vorliegend ist an Hand der Urteilsgründe aber nicht auszuschließen, daß eine fehlerhafte Mittelwertbildung erfolgte. Die Urteilsgründe geben die der Mittelwertbildung zugrunde liegenden Einzelwerte nicht an. Der Senat verlangt aber die Angabe der Einzelmeßwerte (BayObLG aaO), um dem Rechtsbeschwerdegericht die Nachprüfung zu ermöglichen. Soweit das OLG Stuttgart (Justiz 2000, 423 = VRS 99, 286 = DAR 2000, 537 BA 2000, 388) hierauf verzichten will, tritt der Senat dem nicht bei. Bei der bis September 1999 verwandten Software konnte in Einzelfällen eine fehlerhafte Mittelwertbildung durch unzulässige Aufrundung erfolgen (Bulletin der Bayerischen Staatsregierung 20/99 vom 1.10.1999, S.12; Mitteilung des Bayerischen Staatsministerium des Inneren vom 22.9.1999). Aus diesem Grund wurde empfohlen, bis zur Neuprogrammierung der Geräte eine Ahndung nach § 24a Abs. 1 Nr. 1 StVG erst ab 0,41 mg/l vorzunehmen (Bulletin aaO). Entgegen der Annahme des OLG Stuttgart gewährleistet die nunmehr eingesetzte Software nicht zweifelsfrei eine rechtsfehlerfreie Mittelwertbildung.

Der Senat tritt zwar dem Ansatz des OLG Stuttgart bei, wonach bei standardisierten Meßverfahren die Wiedergabe einfacher Rechenvorgänge entbehrlich ist (OLG Stuttgart aaO unter Bezugnahme auf BGHSt 28, 235 f. und KG BA 2000, 115), er geht aber von anderen Tatsachenfeststellungen aus.

Die zwischenzeitlich dem Senat vorliegenden Erkenntnisse zeigen, daß nicht in allen Fällen aufgrund der neuen Software des Gerätes Alcotest 7110 Evidential MK III der Firma Dräger eine fehlerhafte Mittelwertbildung zweifelsfrei ausgeschlossen werden kann. Die nunmehr eingesetzte Software druckt die Einzelwerte mit drei Dezimalstellen aus, den Mittelwert berechnet sie danach unter Angabe von zwei Dezimalstellen. Der Senat hat in anderen Verfahren festgestellt, daß die Mittelwertbildung unter unzulässiger Berücksichtigung der dritten Dezimalstellen der Einzelmeßwerte erfolgte und es in Einzelfällen deshalb zu einem um 0,01 mg/l überhöhten Mittelwert der Atemalkoholkonzentration kam. Dieselbe Feststellung hatte das OLG Köln treffen müssen (OLG Köln VRS 100, 138).

Bei analytischen Meßvorgängen nimmt die Meßgenauigkeit mit zunehmend geringer werdender Größe der Meßeinheit ab. Für die Ermittlung der Blutalkoholkonzentration durch Analyse einer Blutprobe ist anerkannt, daß die dritte Dezimalstelle des Promillewertes keinen Aussagewert mehr hat (BGHSt 28, 1/4 = NJW 1978, 1930). Die dritte Dezimalstelle der Meßwerte ist daher außer Acht zu lassen (BGH aaO; Hentschel Straßenverkehrsrecht 36. Aufl. § 316 StGB Rn. 53 m.w.N. hinsichtlich der obergerichtlichen Rechtsprechung), sowohl für die Einzelwerte als auch für die Berechnung des Mittelwertes (BGH aaO; Hentschel aaO; a.A. Sachs/Zink BA 91, 321). Diese Rechtsprechung ist auf die Feststellung der Atemalkoholkonzentration zu übertragen (OLG Köln VRS 100, 138/139). Auch bei ihr hat die dritte Dezimalstelle außer Betracht zu bleiben, weil sie wegen der von Dezimale zu Dezimale zunehmenden Meßungenauigkeit sowohl analytisch als auch biologisch ohne Bedeutung ist. Für den Bereich der Blutalkoholbestimmung ist teilweise argumentiert worden, es sei ein Meßwert zu finden, der nach naturwissenschaftlich-mathematischen Regeln dem wahren Wert am nächsten komme (Sachs/Zink aaO). Diese Betrachtungsweise würde aber bei einer auch nur geringen Aufrundung eine unzulässige Tatbestandserweiterung darstellen (BGHSt 28, 1/2).

Da auch aufgrund der neuen Software nicht in jedem Fall eine korrekte Bestimmung des Mittelweites der Atemalkoholkonzentration sichergestellt ist, sind die der Mittelwertbildung zugrunde liegenden Einzelmeßwerte weiterhin in den Urteilsgründen aufzuführen.

Das angegriffene Urteil ist daher aufzuheben, unabhängig davon, ob die Bestimmung des Mittelwertes der Atemalkoholkonzentration im Ergebnis zutreffend erfolgt ist. Dem Senat ist es bei der allein erhobenen Sachrüge verwehrt, über das Urteil hinausgehende eigene Feststellungen zu treffen (BGH NJW 1998, 3654/3655 unter Hinweis auf BGHSt 21, 149/151 = NJW 1967, 213; BGHSt 35, 238/241), insbesondere dürfen die Urteilsfeststellungen nicht nach dem Akteninhalt ergänzt werden (BGHSt 35, 238/241; Löwe/Rosenberg/Hanack StPO 25. Aufl. § 337 Rn. 104 ff.; Kleinknecht/Meyer-Goßner StPO 44. Aufl. § 337 Rn. 23 m.w.N.; strittig, a.A. Peters Strafprozeß 4. Aufl. S.647).

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