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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 26.02.2001
Aktenzeichen: 2 ObOWi 22/01
Rechtsgebiete: StVZO


Vorschriften:

StVZO § 34
Je Einzelmessgerät ist bei einer Belastung von mehr als 2500 kg eine Toleranz von 100 kg vom angezeigten Meßwert abzuziehen, wenn die Überschreitung des zulässigen Gesamtgewichts einer Fahrzeugkombination unter Verwendung von Radlastmessern des Typs 100 der Firma Haenni ermittelt wird.
BayObLG Beschluss

2 ObOWi 22/01

26.02.01

Tatbestand

Das Amtsgericht verurteilte den Betroffenen, der im Wald geladenes Langholz transportiert hatte, wegen fahrlässigen Führens einer Fahrzeugkombination trotz Überschreitung des zulässigen Gesamtgewichts um 39,7 % in Tateinheit mit fahrlässigem Führen eines Kraftfahrzeugs mit Anhänger mit über 2 t zulässigem Gesamtgewicht trotz Überschreitung der zulässigen Achslast um 28,4 % zu einer Geldbuße von 1000 DM und verhängte ein Fahrverbot von einem Monat gegen ihn. Die auf die Verletzung sachlichen Rechts gestützte Rechtsbeschwerde des Betroffenen hatte Erfolg.

Aus den Gründen:

Das zulässige Rechtsmittel ist unbegründet; weder der Schuld- noch der Rechtsfolgenausspruch weist einen Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen auf. Der Senat nimmt zunächst Bezug auf die Ausführungen der Staatsanwaltschaft beim Rechtsbeschwerdegericht vom 15.1.2001; diese sind jedoch wie folgt zu ergänzen:

1. Dass das Amtsgericht zum Ausgleich etwaiger Messfehler bei der Wägung einen Toleranzwert von 2,7 % berücksichtigt hat, benachteiligt den Betroffenen nicht.

a) Ein Toleranzwert in dieser Höhe ist vom ermittelten Gesamtgewicht grundsätzlich nur dann abzuziehen, wenn das Gewicht eines Fahrzeugs mit mehr als zwei Achsen, wie es hier vom Betroffenen geführt wurde, auf einer stationären Waage ermittelt wird (Anlage 7 a zu den Richtlinien des Bayerischen Staatsministeriums des Innern für die polizeiliche Verkehrsüberwachung; vgl. auch OLG Düsseldorf VRS 64, 462 zur Ermittlung des Gesamtgewichts eines Sattelzuges).

Hier wurde die Wägung dagegen unter Verwendung geeichter Radlastmesser des Typs 100 der Firma Haenni durchgeführt; Zugmaschine und Anhänger - der vom Betroffenen verwendete Nachläufer ist ein Anhänger und bildet folglich mit dem ziehenden Fahrzeug einen Zug im Sinne von § 34 Abs. 6 StVZO (Rüth/ Berr/Berz Straßenverkehrsrecht 2. Aufl. § 34 StVZO Rn. 14, § 18 StVZO Rn. 13 m. w. N.) - wurden getrennt, aber in angekoppeltem Zustand gewogen. Grundsätzlich ist beim Einsatz des hier verwendeten Radlastmessers bei einer Belastung mit mehr als 2500 kg, wie sie hier vorlag, vom angezeigten Messwert zugunsten des Betroffenen ein Toleranzwert von 100 kg abzuziehen. Hierbei handelt es sich um die Verkehrsfehlergrenze, nämlich die höchstzulässige positive oder negative Abweichung des Messergebnisses vom richtigen Wert (§ 33 Abs. 1 Eichordnung). Die Verkehrsfehlergrenze beträgt das Doppelte der Eichfehlergrenze. Dies ergibt sich aus § 33 Abs. 4 Sätze 1 und 2 der Eichordnung und Nrn. 7, 8 und 8.2 der Anlage 9 i. V. m. Nrn. 2 bis 12 des Anhangs der Richtlinie 73/360/EWG vom 19.11.1973 (AB1. EG Nr. L 335; im folgenden nur noch Anhang). Der Radlastmesser Typ 100 der Firma Haenni zählt zu den Grobwaagen der Genauigkeitsklasse IIII (vgl. die Bauartzulassung vom 19.1.1978 der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt nebst Anlage vom gleichen Tag. Bei diesen beläuft sich die Eichfehlergrenze bei Belastungen über 2500 bis einschließlich 10000 kg auf 50 kg, nämlich 1 e, wobei e der Eichwert ist, der als der in gesetzlichen Masseeinheiten ausgedrückte, bei der Eichung der Waage verwendete Teilungswert einer vorhandenen... Teilung definiert ist (Nrn. 4.1.4 und 2.3.2.3.1 des Anhangs); der Teilungswert d entspricht bei der hier vorliegenden Analoganzeige dem kleinsten Skalenteilungswert (Nr. 2.3.2.1.1 des Anhangs), also 50 kg (vgl. S. 1 der Betriebsanleitung der Firma Haenni sowie die darin abgebildete Meßskala). Die Verkehrsfehlergrenze wird mit 2 e definiert (4.1.4 des Anhangs), woraus sich der oben genannte Wert von 100 kg ergibt. Dementsprechend ist in Anlage 7 b zu den Richtlinien des Bayerischen Staatsministeriums des Innern für die polizeiliche Verkehrsüberwachung angeordnet, dass bei der Wägung mit Radlastmessern der Firma Haenni zugunsten des Betroffenen ein Toleranzwert von 100 kg vom angezeigten Wert abzuziehen ist.

Da hier bei der Wägung der Zugmaschine (drei Achsen = sechs [Zwillings-] Räder) die Radlastmesser insgesamt sechsmal und bei der Wägung des Anhängers (zwei Achsen = vier [Zwillings-] Räder) insgesamt viermal eingesetzt wurden, waren vom ermittelten Gesamtgewicht der Zugmaschine nur 600 kg und von dem des Anhängers nur 400 kg abzuziehen. Dies entspricht den Ausführungen des vom Amtsgericht gehörten Sachverständigen.

Ein höherer Wert ist auch nicht deshalb zu berücksichtigen, weil der Nachläufer bei der Wägung angekuppelt war. Dies ist zulässig, wenn die Anhängegabel in der Anhängekupplung frei beweglich ist (vgl. Nr. 7 der Anlage 7 b zu den Richtlinien des Bayerischen Staatsministeriums des Innern für die polizeiliche Verkehrsüberwachung). Hiervon ist auszugehen, da es sich bei der Wägung um ein standardisiertes Messverfahren handelt, so dass Meßfehler nur dann zu erörtern sind, wenn sie konkret behauptet werden oder sich konkrete Anhaltspunkte für sie ergeben (vgl. OLG Celle NZV 1998, 256); dies ist nicht der Fall.

Statt dieser Werte (600 und 400 kg) hat das Amtsgericht zwar zu Unrecht unter Berücksichtigung eines Toleranzwerts von 2,7 % bei der Zugmaschine 848 kg und beim Nachläufer 706 kg von den gemessenen Werten abgezogen; dies gefährdet den Bestand des Urteils aber nicht, weil es den Betroffenen - erheblich - begünstigt.

b) Der vom Verteidiger herangezogenen Entscheidung des Oberlandesgerichts Stuttgart (NZV 1996, 417), nach der ein Toleranzwert von 5 % des Gesamtgewichts zu berücksichtigen sein soll, ist das Amtsgericht zu Recht nicht gefolgt. Das Oberlandesgericht Stuttgart (ähnlich offenbar OLG Koblenz - Beschluss vom 13.10.1997, 2 Ss 284/97, zitiert von OLG Karlsruhe VRS 98, 447/451) stützt sich auf den Toleranzenkatalog des Bundesministers für Verkehr vom 19.4.1984 MB1 19840 182 ff.), berücksichtigt dabei jedoch nicht den Regelungsgehalt dieser Richtlinien. In ihnen hat der Bundesminister für Verkehr Toleranzen festgelegt, die bei Fahrzeugprüfungen zur Erteilung der Allgemeinen Betriebserlaubnis nach § 20 StVZO eingeräumt werden bzw. bei der Prüfung von Fahrzeugen zur Erteilung der speziellen Betriebserlaubnis nach § 21 StVZO als Richtschnur dienen können. Sie betreffen die zulässigen Abweichungen der am Fahrzeug selbst ermittelten Messwerte von Sollwerten, sagen aber nichts dazu aus, welche Fehlerquellen etwa beim ordnungsgemäßen Betrieb von Fahrzeugwaagen zu berücksichtigen sind (ebenso OLG Karlsruhe VRS 98, 447 = DAR 2000, 418).

Im übrigen wäre das zulässige Gesamtgewicht selbst bei Berücksichtigung eines Toleranzwertes von 5 %, wie das Amtsgericht zutreffend ausgeführt hat, um mehr als 30 % (genau. 36,68 %) überschritten.

c) Die vom Verteidiger weiter noch genannten Entscheidungen sind nicht einschlägig: Der Beschluss des OLG Düsseldorf (VRS 82, 233) betrifft die Feststellung der Überladung mit einer nicht geeichten Waage; der Beschluss des Amtsgerichts Alsfeld (DAR 1999, 517) betrifft eine im Widerspruch zu eichrechtlichen Bestimmungen auf einer geneigten Fläche vorgenommene Wägung.

2. Auch die Rechtsfolgenentscheidung ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Zwar weist der Verteidiger zutreffend darauf hin, dass der Ansatz des Amtsgerichts - Geldbuße von 500 DM für die tateinheitlich begangenen Verstöße bei einem Ersttäter - im Hinblick auf § 1 Abs. 6 BKatV in der zur Tatzeit (1998) gültigen Fassung nicht ohne weiteres nachzuvollziehen ist. Angesichts der gravierenden, großenteils einschlägigen Vorahndungen des Betroffenen, seiner offensichtlichen Unbelehrbarkeit - er hat am 13.9.1999, also nach Erlaß des Bußgeldbescheids in der vorliegenden Sache und während des Laufs des amtsgerichtlichen Verfahrens, erneut einen Lkw unter massiver (39,4 %) Überschreitung des zulässigen Gesamtgewichts geführt - und des Grades seines Verschuldens ist aber im Ergebnis aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, dass das Amtsgericht gegen ihn die für fahrlässige Tatbegehung höchstmögliche Geldbuße (vgl. § 17 Abs, 1 und 2 OWiG) verhängt hat.

Von einer "unzulässigen Doppelverwertung" kann nach den Rechtsfolgenerwägungen des angefochtenen Urteils offensichtlich keine Rede sein. Danach hat das Amtsgericht die Überschreitung des zulässigen Gesamtgewichts um mehr als 30 % als solche gerade nicht als Gesichtspunkt für die Erhöhung der Regelbuße herangezogen.

Dass die Anordnung eines Fahrverbots, wenn - wie hier - ihre Voraussetzungen erfüllt sind, gegebenenfalls neben einer verschärften Geldbuße zulässig ist, entspricht den unbestrittenen Grundsätzen für die Bemessung der Rechtsfolgen; die dem widersprechende Auffassung des Verteidigers ist nicht nachzuvollziehen.

Ende der Entscheidung

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