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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 14.09.1999
Aktenzeichen: 2 ObOWi 447/99
Rechtsgebiete: OWiG, StPO, StVG


Vorschriften:

OWiG § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2
OWiG § 71
OWiG § 31 Abs. 3 Satz 1
OWiG § 79 Abs. 3
OWiG § 79 Abs. 5
OWiG § 46 Abs. 1
StPO § 344 Abs. 2 Satz 2
StPO § 267 Abs. 1 Satz 1
StPO § 267 Abs. 1 Satz 3
StPO § 473 Abs. 1 Satz 1
StVG § 24
StVG § 26 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerisches Oberstes Landesgericht

Beschluß

2 ObOWi 447/99

Der 2. Senat für Bußgeldsachen des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Krämer sowie der Richter Dr. Rohlff und Rittmayr

in dem Bußgeldverfahren

gegen

W. H.

wegen

Verkehrsordnungswidrigkeit

nach Anhörung der Staatsanwaltschaft

am 14. September 1999

einstimmig beschlossen:

Tenor:

I. Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Erlangen vom 7. Juni 1999 wird als unbegründet verworfen.

II. Der Betroffene hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

I.

Das Amtsgericht verurteilte den Betroffenen wegen fahrlässigen Nichteinhaltens des erforderlichen Sicherheitsabstandes zu einer Geldbuße von 300 DM und ordnete zugleich ein Fahrverbot von der Dauer eines Monats an.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen, mit der er die Verletzung formellen Rechts rügt. Er ist der Auffassung, das Amtsgericht habe zu Unrecht einen Beweisantrag auf Erholung eines Sachverständigengutachtens abgelehnt und damit zugleich seine Aufklärungspflicht verletzt. Außerdem hält er die Ordnungswidrigkeit für verjährt.

II.

Das gemäß § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 OWiG statthafte und auch im übrigen zulässige Rechtsmittel ist nicht begründet.

1. Die Verfolgung der dem Betroffenen angelasteten Ordnungswidrigkeit war entgegen der Auffassung der Verteidigung nicht bereits vor Erlaß des Bußgeldbescheides vom 3.9.1998, der am 9.9.1998 zugestellt wurde, verjährt.

Die dreimonatige Verjährungsfrist (§§ 24, 26 Abs. 3 StVG) begann am 27.5.1998 (Tatzeit) zu laufen (§ 31 Abs. 3 Satz 1 OWiG) und wurde am 15.7.1998 durch Anordnung der Anhörung unterbrochen. Dies folgt aus der Verfügung der Verfolgungsbehörde vom 17.11.1998 (Bl. 25 d.A.), mit der der zuständige Sachbearbeiter eine Fahrerermittlung angeordnet hat, weil der Anhörungsbogen an den Betroffenen vom 16.7.1998 nicht in Rücklauf gekommen sei. Als "Datum der Anhörung" (gemeint ist offensichtlich diejenige der Anordnung) wird zugleich der 15.7.1998 genannt. Dies wird bestätigt durch den vom Senat erholten EDV-Ausdruck, der als Anordnungsdatum ebenfalls den 15.7.1998 und als Datum des Ausdrucks des Anhörungsbogens den 16.7.1998 ausweist.

Unerheblich ist, ob der Anhörungsbogen den Betroffenen erreicht hat und ob es überhaupt zu einer Anhörung gekommen ist (BGH NStZ 1985, 545; OLG Hamm NStZ 1988, 137).

2. Die in zulässiger Weise (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 OWiG) erhobene Verfahrensrüge der unterlassenen Beweisaufnahme durch Erholung eines Sachverständigengutachtens ist nicht begründet.

Die Identifizierung eines Betroffenen anhand des bei der Verkehrsüberwachung gefertigten Frontfotos ist Sache des Tatrichters (BGHSt 30, 172, 177), der dazu grundsätzlich nicht der Mithilfe eines Sachverständigen bedarf. Dies gilt insbesondere dann, wenn - wie im vorliegenden Fall - das dem Senat aufgrund der Verfahrensrüge zugängliche Foto für eine Identifizierung uneingeschränkt geeignet ist. Das Amtsgericht hat daher zu Recht auf die eigene Sachkunde abgestellt und von der Heranziehung eines Sachverständigen abgesehen. Eine Verletzung der Aufklärungspflicht liegt darin nicht.

3. Der Betroffene hat im Rahmen der formellen Rüge ausgeführt, es mangele "im Urteil an jeglichen Angaben zu wesentlichen Identifizierungsmerkmalen des Betroffenen, so daß auch insoweit - inbesondere angesichts dessen äußerlicher Ähnlichkeit mit seinem Bruder - eine Fehlerhaftigkeit festzustellen" sei.

Es kann dahinstehen, ob darin tatsächlich eine Verfahrensrüge der mangelhaften Urteilsdarstellung gemäß § 267 Abs. 1 Satz 1 StPO (vgl. hierzu BGHR StPO § 267 Abs. 1 Satz 1 Sachdarstellung 6) oder eine Sachrüge liegt, mit der ebenfalls ein Darstellungsmangel beanstandet werden kann (vgl. hierzu LR/Hanack StPO 25. Aufl. § 337 Rn. 121; SK/Schlüchter StPO [Stand Mai 1995] § 267 Rn. 88). Keine der beiden Rügen kann im vorliegenden Fall zum Erfolg des Rechtsmittels führen.

Die Urteilsgründe entsprechen - wie die Staatsanwaltschaft zutreffend festgestellt hat - zwar nicht den vom Bundesgerichtshof (BGHSt 41, 376) aufgestellten Anforderungen, da der Tatrichter weder "wegen der Einzelheiten" gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO i.V.m. § 71 OWiG auf das bei den Akten befindliche Foto Bezug genommen noch eine bei Fehlen einer derartigen Verweisung notwendige präzise vergleichende Beschreibung vorgenommen hat.

Dieser Darstellungsmangel führt grundsätzlich zu einer Aufhebung des Urteils. Dabei geht es nicht um die Aufdeckung eines Rechtsfehlers, sondern um die tragfähige Grundlage des Urteils als Voraussetzung der revisionsrechtlichen Überprüfung eines etwaigen Fehlers (vgl. LR/Hanack aaO § 337 Rn. 121). Durch die Bezugnahme oder die genaue Beschreibung soll das Revisionsgericht in die Lage versetzt werden, die Eignung des Frontfotos für den allein vom Tatrichter vorzunehmenden Vergleich mit dem Erscheinungsbild des Betroffenen in der Hauptverhandlung zu überprüfen.

Die Besonderheit eines derartigen Darstellungsmangels hat aber zur Folge, daß eine Aufhebung des angefochtenen Urteils dann ausscheidet, wenn die revisionsrechtliche Überprüfung dennoch gewährleistet ist. Der Senat läßt die Frage unentschieden, ob und in welchem Umfang Erkenntnisse aus der Verfahrensrüge im Rahmen der sachlich-rechtlichen Rüge Berücksichtigung finden können (zust. BGH StV 1993, 176; abl. BGHSt 35, 238/241; Schlothauer StV 1993, 177). Zumindest in einem Fall der vorliegenden Art, in dem das Frontfoto nicht nur aufgrund der Verfahrensrüge der mangelnden Sachaufklärung zur Verfügung steht, sondern im Rahmen der Überprüfung dieser Rüge die generelle Eignung zum Zwecke der Identifizierung bereits ausdrücklich bejaht wurde, hält der Senat es für geboten, dies im Rahmen der Sachrüge zu berücksichtigen.

III.

Die angefochtene Entscheidung wird daher gemäß § 79 Abs. 5 OWiG verworfen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG.

Ende der Entscheidung

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