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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 31.07.2003
Aktenzeichen: 2Z AR 2/03
Rechtsgebiete: GVG, ZPO


Vorschriften:

GVG § 17a
ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 6
ZPO § 485
1. Ein formell rechtskräftiger Verweisungsbeschluss des Wohnungseigentumsgerichts, das seine Zuständigkeit verneint und die Sache an das Prozessgericht verweist, ist für dieses grundsätzlich bindend. Dies gilt auch im Fall eines selbständigen Beweisverfahrens. Nachträgliche Änderungen der den Rechtsweg begründenden Umstände sind unerheblich.

2. Die aufdrängende Wirkung des Verweisungsbeschlusses beschränkt sich grundsätzlich auf die Rechtswegfrage; innerhalb des Rechtsweges kann, etwa aus Gründen der sachlichen Zuständigkeit, weiterverwiesen werden.


Gründe:

I.

Die Antragsteller sind die Wohnungseigentümer einer Wohnanlage; sie haben beantragt, im selbständigen Beweisverfahren ein Sachverständigengutachten über Schäden zu erholen, die dadurch entstanden sein sollen, dass im Auftrag der Antragsgegnerin vor Balkonen an der Südseite der Wohnanlage ein Lastenaufzug aufgestellt worden ist.

Die Antragsgegnerin ist bei Antragstellung keine Wohnungseigentümerin gewesen; für sie war lediglich eine Eigentumsvormerkung im Grundbuch eingetragen.

Das Amtsgericht (Wohnungseigentumsgericht) hat mit Verfügung vom 27.1.2003 die Beteiligten darauf hingewiesen, dass eine Zuständigkeit des Wohnungseigentumsgerichts nicht bestehe, da die Antragsgegnerin noch nicht Wohnungseigentümerin sei.

Mit Beschluss vom 28.2.2003 hat sich das Amtsgericht (Wohnungseigentumsgericht) für sachlich unzuständig erklärt und das Verfahren an das Amtsgericht (Streitgericht) abgegeben. Der Beschluss wurde den Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten am 14.3.2003 förmlich zugestellt.

Mit Beschluss vom 28.3.2003 hat das Amtsgericht (Streitgericht) die Parteien darauf hingewiesen, dass das Amtsgericht sachlich nicht zuständig sei, weil die Mängelbeseitigungskosten nach der Behauptung der Antragsteller mehr als 5000 EUR betragen würden.

Mit Schriftsatz vom 14.4.2003 teilten die Antragsteller mit, dass die Antragsgegnerin nunmehr im Wohnungsgrundbuch als Eigentümerin eingetragen sei. Sie haben beantragt, das Verfahren an das Amtsgericht (Wohnungseigentumsgericht) zu verweisen.

Mit Beschluss vom 20.5.2003 hat das Amtsgericht (Streitgericht) sich für sachlich unzuständig erklärt und das Verfahren an das Amtsgericht (Wohnungseigentumsgericht) verwiesen, weil die Antragsgegnerin nunmehr Wohnungseigentümerin sei. Der Beschluss wurde den Parteien am 22.5.2003 formlos mitgeteilt.

Das Amtsgericht (Wohnungseigentumsgericht) hat am 1.7.2003 die Akten an das Amtsgericht (Streitgericht) mit dem Vermerk zurückgegeben, dass die Verweisung an das Amtsgericht (Streitgericht) bindend gewesen sei.

Das Amtsgericht (Streitgericht) hat am 3.7.2003 die Akten zur Entscheidung über die Zuständigkeit dem Bayerischen Obersten Landesgericht vorgelegt.

II.

1. Das Bayerische Oberste Landesgericht ist als das gemeinsame obere Gericht in entsprechender Anwendung von § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zur Entscheidung über den Zuständigkeitsstreit zwischen Prozessgericht und Wohnungseigentumsgericht berufen (BayObLG NZM 2000, 388; 2002, 461).

2. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Bestimmung des zuständigen Gerichts liegen derzeit nicht vor.

a) Nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO wird das zuständige Gericht dann bestimmt, wenn sich die Gerichte, deren Zuständigkeit in Frage kommt, rechtskräftig für unzuständig erklärt haben. Das für die Zuständigkeitsbestimmung nach 5 37'Abs. 1 ZPO erforderliche Gesuch liegt hier in der Vorlage durch das Amtsgericht (Streitgericht). Im Fall eines negativen Kompetenzkonflikts zwischen einem Gericht der streitigen Gerichtsbarkeit und einem für Wohnungseigentumssachen zuständigen Gericht der freiwilligen Gerichtsbarkeit ist in Bayern das Bayerische Oberste Landesgericht das gemeinsame übergeordnete Gericht (vgl. BayObLGZ 1990, 233/234 f. m. w. N.).

b) Eine rechtskräftige Unzuständigerklärung des Amtsgerichts (Streitgericht) liegt nicht vor. Dessen Abgabebeschluss unterliegt gemäß § 17a Abs. 4 Satz 3 GVG der sofortigen Beschwerde nach § 567 ZPO, da auf das Verhältnis von Prozessgericht und Wohnungseigentumsgericht die Bestimmungen der §§ 17a, 17b GVG entsprechend anzuwenden sind (BGHZ 130, 159/163; BGH NJW 2001, 2181; BayObLGZ 1991, 186 ff.; 1998, 111/113). Der Beschluss des Amtsgerichts (Streitgericht) hätte nach § 329 Abs. 3 ZPO allen Beteiligten/Parteien förmlich zugestellt werden müssen. Dies ist nach Aktenlage nicht geschehen. Die zweiwöchige Frist für die sofortige Beschwerde (§ 569 Abs. 1 ZPO) wurde somit nicht in Gang gesetzt.

Ob bei einem nicht verkündeten Beschluss, der nach § 329 Abs. 3 ZPO hätte zugestellt werden müssen, aber den Beteiligten/Parteien nur formlos mitgeteilt wurde, in entsprechender Anwendung von § 517 ZPO die Frist für die sofortige Beschwerde fünf Monate nach formloser Bekanntgabe beginnt oder nunmehr § 569 Abs. 1 Satz 2 ZPO entgegensteht, kann auf sich beruhen. Denn auch diese Frist wäre noch nicht abgelaufen.

III.

Für das weitere Verfahren wird bemerkt:

Die Regelungen in §§ 17 ff. GVG gelten für das selbständige Beweisverfahren entsprechend. Der Abgabebeschluss des Wohnungseigentumsgerichts vom 28.2.2003 hat zur Anhängigkeit des Verfahrens beim Amtsgericht (Streitgericht) geführt (§ 17b Abs. 1 Satz 1 GVG). Er ist für dieses Gericht damit nach § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG im Sinne einer so genannten aufdrängenden Wirkung bindend, d.h. die Bindung umfasst die Bejahung des Rechtsweges, in den verwiesen wird.

Der Beschluss wurde den Beteiligten/Parteien nach Gewährung rechtlichen Gehörs förmlich zugestellt und innerhalb der Frist des § 17a Abs. 4 Satz 3 GVG, § 45 Abs. 1 WEG, § 22 FGG nicht angefochten. Der Entscheidung fehlt auch nicht deswegen ausnahmsweise die Bindungswirkung, weil sie jeder gesetzlichen Grundlage entbehrt oder willkürlich ist (vgl. BGH,NJW-RR 1998, 1219; BGHIZ 144, 21). Sie enthält eine Begründung (§ 17a Abs. 4 Satz 2 GVG), wobei sich diese hier offenkundig dem Hinweis des Wohnungseigentumsgerichts vom 27.1.2003 entnehmen lässt. Die Beurteilung des Amtsgerichts, der Streit gehe nicht um Rechte und Pflichten der Wohnungseigentümer untereinander hinsichtlich des gemeinschaftlichen Eigentums, weil die Antragsgegnerin noch keine Wohnungseigentümerin sei, ist zutreffend.

Da gemäß § 17a,Abs. 2 Satz 3 GVG der Beschluss für das Gericht, an das der Rechtsstreit verwiesen worden ist, hinsichtlich des Rechtswegs bindend ist, ist es unerheblich, dass ein Antrag auf Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens nicht zur Rechtshängigkeit führt (vgl. Reichold in Thomas/Putzo ZPO 25. Aufl. § 486 Anm. 3), somit § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO an sich nicht gilt und sich nach der Verweisung durch das Wohnungseigentumsgericht an das Streitgericht die den Rechtsweg zum verweisenden Gericht begründenden Umstände nachträglich geändert haben.

Da der Abgabebeschluss nur hinsichtlich des Rechtswegs bindend ist, ist durch diesen nicht entschieden, ob hier das Amtsgericht (Streitgericht) oder das Landgericht sachlich zuständig ist (Hüßtege in Thomas/Putzo § 17a GVG Rn. 12).

Ende der Entscheidung

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