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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 12.09.2002
Aktenzeichen: 2Z BA 75/02
Rechtsgebiete: GBO, AGBG, BGB


Vorschriften:

GBO § 19
GBO § 20
AGBG § 9
AGBG § 1 Abs. 1
AGBG § 10 Nr. 4
BGB § 133
BGB § 167
BGB § 305 Abs. 1
BGB § 308 Nr. 4
BGB § 307 n.F.
Zur Frage, wie eine Vollmacht zur Änderung der Teilungserklärung samt Gemeinschaftsordnung auszulegen ist.
Gründe:

I.

Die Beteiligten sind die Wohnungs- bzw. Teileigentümer einer Wohnanlage. Die Beteiligten zu 2 bis 8 haben von der Beteiligten zu 1 ihre Wohneinheiten erworben. Die Beteiligte zu 1 ist im Teileigentumsgrundbuch als Teileigentümerin eines Kellerraumes eingetragen.

In sämtlichen Kaufverträgen zwischen der Beteiligten zu 1 und den übrigen Beteiligten ist folgende Klausel enthalten:

"Der Erwerber erteilt dem Veräußerer Vollmacht, die Teilungserklärung samt Gemeinschaftsordnung beliebig zu ändern und zu ergänzen, sowie sämtliche in diesem Zusammenhang erforderlichen oder zweckdienlichen Erklärungen abzugeben und entgegenzunehmen. Im Außenverhältnis ist diese Vollmacht unbeschränkt; im Innenverhältnis darf von der Vollmacht nur Gebrauch gemacht werden, wenn die Änderungen bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise Inhalt und Umfang des Sondereigentums oder von Sondernutzungsrechten des Erwerbers ohne seine Zustimmung nicht beeinträchtigen. Kosten dürfen dem Erwerber durch etwaige Änderungen nicht entstehen."

Weiter ist geregelt, dass die Vollmacht erlischt, wenn der Veräußerer das Eigentum an sämtlichen Einheiten übertragen hat, frühestens mit dem Vollzug der Teilungserklärung im Grundbuch. Von der Vollmacht kann nur vor dem beurkundenden Notar, seinem Vertreter oder Amtsnachfolger Gebrauch gemacht werden, die die im Innenverhältnis geltenden Beschränkungen zu überwachen haben.

Mit notarieller Urkunde vom 29.3.2001 hob die Beteiligte zu 1 im eigenen Namen und im Namen der übrigen Beteiligten aufgrund der vorgenannten Vollmacht das Sondereigentum an dem Kellerraum auf und teilte den Miteigentumsanteil auf die übrigen Miteigentumsanteile auf. Sie bewilligte und beantragte im Namen aller Beteiligten die Eintragung der Rechtsänderung im Grundbuch.

Das Grundbuchamt hat mit Zwischenverfügung vom 25.4.2001 die Nachgenehmigung der weiteren Beteiligten in der Form des § 29 GBO verlang~, da die erteilte Vollmacht nicht ausreichend sei.

Die als Erinnerung gegen die Zwischenverfügung bezeichnete Beschwerde hat das Landgericht mit Beschluss vom 13.6.2002 zurückgewiesen.

II.

Das zulässige Rechtsmittel ist begründet.

1. Am Verfahren beteiligt sind sämtliche Wohnungseigentümer, da diese in der notariellen Urkunde den Eintragungsantrag gestellt haben. Soweit der Notar in seinem Schreiben vom 3.4.2001 an das Grundbuchamt den Eintragungsantrag im Namen "nur des Bestellers/Erwerbers" gestellt hat, ist das keine Einschränkung. Vielmehr ist entsprechend dem Inhalt der Urkunde davon auszugehen, dass der Antrag im Namen all derer gestellt wurde, die in der Urkunde selbst den Antrag gestellt haben.

Dies konnte im Rubrum klargestellt werden.

2. Das Landgericht hat ausgeführt:

Die in den Kaufverträgen enthaltene Vollmacht genüge nicht dem das Grundbuchverfahren beherrschenden Bestimmtheitsgrundsatz. Eine Auslegung hinsichtlich der Kostentragung führe nicht zu einem zweifelsfreien und eindeutigen Ergebnis. Unklar sei, um welche Kosten es sich handele. Es ergebe sich aus der Urkunde nicht, ob es sich dabei lediglich um etwa anfallende Notar- bzw. Grundbuchgebühren handele oder ob damit auch die Kosten und Lasten des gemeinschaftlichen Eigentums im Sinne des § 16 Abs. 2 WEG gemeint seien.

Die Regelung bezüglich der Kosten betreffe auch nicht nur das Innenverhältnis. Die Abgrenzung zwischen Innen- und Außenverhältnis werde innerhalb eines Satzes durch mittels Strichpunkt getrennte Halbsätze vorgenommen. Im Anschluss daran finde sich die Regelung über die Kosten. Es sei nicht eindeutig feststellbar, ob dieser Satz lediglich eine Ergänzung der Beschränkung der Vollmacht im Innenverhältnis darstelle oder sich auf die Vollmacht insgesamt beziehe. Der Umfang der Vollmacht im Außenverhältnis sei deshalb nicht eindeutig und sicher auslegbar.

3. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand.

a) Die Vollmachten zur Abgabe von Eintragungsbewilligungen und Eintragungsanträgen hat das Rechtsbeschwerdegericht selbständig auszulegen, da es um die Wirksamkeit von Verfahrenshandlungen geht-(vgl. Demharter GBO 24. Aufl. § 78 Rn. 15 m. w. N.). Desgleichen hat der Senat die Rechtsfrage zu beurteilen, ob die Vollmachten dem das Grundbuchverfahren beherrschenden Bestimmtheitsgrundsatz (BayObLGZ 1993, 259/264; MittBayNot 1998, 180) genügen. Dabei ist auf Wortlaut und Sinn der Erklärung abzustellen, wie er sich für einen unbefangenen Beobachter als nächstliegende Bedeutung der Erklärung ergibt (Demharter § 19 Rn. 28, 29 m. w. N.).

b) Nach nächstliegender Auslegung ist die Vollmacht im Außenverhältnis unbeschränkt. Durch die Trennung zwischen Außen- und Innenverhältnis soll gerade erreicht werden, dass die von der Rechtsprechung (vgl. BayObLGZ 1993, 259; 1994, 244 und 302) geforderte Bestimmtheit der Vollmacht gewährleistet ist. Die Vollmacht ist zwar vom Satzaufbau her insofern unglücklich gefasst, als im zweiten Satz des zitierten Absatzes die Regelungen für das Außen- und Innenverhältnis durch einen Strichpunkt getrennt sind, während der dritte Satz, der die Kosten betrifft, als eigener Satz dargestellt ist. Aus dem Gesamtzusammenhang ergibt sich jedoch, dass zunächst das Außenverhältnis geregelt werden soll und dass die Beschränkungen nach dem Strichpunkt im zweiten Satz des zitierten Absatzes nur das Innenverhältnis betreffen sollen.

c) Da die Regelung über die Kostentragung nur das Innenverhältnis betrifft, bedarf es im vorliegenden Verfahren keiner Auslegung der Regelung über die Kostentragungspflicht.

d) Die Vollmacht ist auch nicht offensichtlich nach § 1 Abs. 1, § 10 Nr. 4, § 9 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2, § 24a Nr. 1 AGBG, Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB unwirksam. Die vom Senat (BayObLGZ 1994, 302/308) nicht abschließend entschiedene, vom LG Düsseldorf (Rpfleger 1999, 217) bejahte Frage, ob das AGBG (jetzt §§ 305 ff. BGB) auf Grundbuchvollmachten überhaupt anzuwenden ist, bedarf auch vorliegend keiner abschließenden Entscheidung. Angesichts der engen Bindungen im Innenverhältnis liegt nämlich trotz Unbeschränktheit im Außenverhältnis bei der konkret vorliegenden Vertragsgestaltung nach Auffassung des Senats kein offensichtlicher Verstoß gegen § 10 Nr. 4 AGBG vor. Insbesondere darf im Innenverhältnis bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise das Sondereigentum in Inhalt und Umfang ohne Zustimmung des Erwerbers nicht beeinträchtigt werden. Der Notar hat die Bindungen im Innenverhältnis zu überwachen. Der vorliegende Sachverhalt ist anders gelagert als der vom LG Düsseldorf (a.a.O.) entschiedene. Die Prüfungskompetenz des Grundbuchamts beschränkt sich auf offensichtliche Verstöße gegen das AGBG (Demharter § 19 Rn. 43), weil eine umfassende Überprüfung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen die Prüfungsmöglichkeiten des Grundbuchamts, wie sie von der Grundbuchordnung vorgegeben sind, übersteigen würden (Schöner/Stöber Grundbuchrecht 12. Aufl. Rn. 211; Demharter a.a.O. Rn. 41, 42; Bauer in Bauer/von OOefele GBO AT I Rn. 110 a.E.).

Ende der Entscheidung

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