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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 10.08.2000
Aktenzeichen: 2Z BR 10/00
Rechtsgebiete: WEG, FGG, ZPO


Vorschriften:

WEG § 45 Abs. 1
FGG § 22 Abs. 1
ZPO § 184
ZPO § 187
1. Die Beschwerdefrist des § 45 Abs. 1 WEG i.V.m. § 22 Abs. 1 FGG steht einer Notfrist im Sinn des § 187 Satz 2 ZPO gleich.

2. Im Geschäftslokal kann nicht ersatzweise zugestellt werden, wenn der Zustellungsempfänger nicht Bediensteter des Zustellungsadressaten ist, mag er von diesen auch stillschweigend bevollmächtigt sein, Zustellungen entgegenzunehmen.


BayObLG Beschluss

LG Nürnberg-Fürth 14'T 685/99 AG Nürnberg 1 UR II 77/98

2Z BR 10/00

10.08.00

Der 2. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung der Richter Demharter, Werdich und Dr. Delius am 10. August 2000 in der Wohnungseigentumssache wegen Herausgabe und anderem,

beschlossen:

Tenor:

I. Auf die sofortige weitere Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 10.Januar 2000 aufgehoben.

II. Die Sache wird zur Verhandlung und erneuten Entscheidung, auch über die Kosten der beiden Rechtsbeschwerdeverfahren, an das Landgericht zurückverwiesen.

III. Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 44000 DM festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragsteller sind die Wohnungseigentümer einer Wohnanlage; der Antragsgegner war vom 1.6.1994 bis zum 31.5.1997 Verwalter.

Die Antragsteller haben unter anderem beantragt, den Antragsgegner zur Herausgabe von Verwaltungsunterlagen zu verpflichten. Das Amtsgericht hat dem Antrag am 25.5.1998 stattgegeben. Der Beschluss ist dem Antragsgegner laut Postzustellungsurkunde am 29.5.1998 durch Ersatzzustellung an die Bedienstete St. im Geschäftslokal des Antragsgegners zugestellt worden. Am 8.12.1998 hat der Antragsgegner Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist beantragt und ausgeführt, dass er sodann Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts einlegen werde. Das Landgericht hat mit Beschluss vom 10.5.1999 den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und die sofortige Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Amtsgerichts vom 25.5.1998 verworfen. Der Senat hat diese Entscheidung durch Beschluss vom 9.9.1999 (NZM 2000, 245) aufgehoben und die Sache zur Verhandlung und erneuten Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen. Auf die Gründe dieses Beschlusses wird Bezug genommen. Das Landgericht hat durch Beschluss vom 10.1.2000 das Wiedereinsetzungsgesuch des Antragsgegners und dessen sofortige Beschwerde erneut verworfen. Dagegen richtet sich dessen sofortige weitere Beschwerde.

II.

Das Rechtsmittel hat Erfolg. Es führt wiederum zur Aufhebung der Entscheidung des Landgerichts und zur Zurückverweisung der Sache an dieses.

1. Das Landgericht hat ausgeführt: Aufgrund der uneidlichen Vernehmung der Zeugin St. stehe fest, dass der Beschluss des Amtsgerichts dem Antragsgegner am 29.5.1998 wirksam zugestellt worden sei. Die Zeugin sei nicht, wie in der Postzustellungsurkunde vermerkt, Bedienstete des Antragsgegners, wohl aber dessen gewillkürte Zustellungsbevollmächtigte gewesen. Die Zeugin habe angegeben, nicht nur Einschreibesendungen, sondern auch Zustellungen öfters für den Antragsgegner, der beim Eintreffen des Postbediensteten in der Regel noch nicht anwesend gewesen sei, entgegengenommen zu haben. Dies sei mindestens einmal in der Woche geschehen. Der Antragsgegner habe sie nicht ausdrücklich gebeten, für ihn Postsendungen entgegenzunehmen, habe aber auch nicht gesagt, dass sie dies nicht tun solle. Sie habe den Antragsgegner nicht gefragt, ob sie Sendungen für ihn entgegennehmen dürfe. Aufgrund dieser Aussage sei davon auszugehen, dass der Zeugin eine schlüssige Vollmacht zur Entgegennahme auch förmlich zuzustellender Sendungen erteilt worden sei. Der Antragsgegner könne sich nicht darauf berufen, der Zeugin keine ausdrückliche Vollmacht erteilt zu haben.

Förmliche Zustellungen könnten auch an einen Bevollmächtigten bewirkt werden. Die Notwendigkeit einer ausdrücklichen Bevollmächtigung sei weder aus den gesetzlichen Zustellungsvorschriften noch den materiellrechtlichen Bestimmungen über die Vollmacht begründbar. Gegen die Zulassung einer schlüssigen Bevollmächtigung spräche auch nicht die Bedeutung von Zustellungen, durch die eine Notfrist in Gang gesetzt werden solle und die daher nicht der Dispositionsfreiheit der Beteiligten unterlägen.

2. Die Entscheidung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

a) Der amtsgerichtliche Beschluss wurde ausweislich der Postzustellungsurkunde im Weg der Ersatzzustellung gemäß §§ 208, 184 ZPO dadurch zugestellt, dass der Postbedienstete, weil er in dem Geschäftslokal des Antragsgegners während der gewöhnlichen Geschäftsstunden keinen Vertretungsberechtigten erreicht habe, die Ausfertigung dort der Bediensteten St. übergeben hat. Ohne Rechtsfehler ist das Landgericht aufgrund der von ihm durchgeführten Beweisaufnahme durch Vernehmung der Zeugin St. zu dem Ergebnis gelangt, dass die Zeugin zu keiner Zeit Bedienstete im Geschäftslokal des Antragsgegners war. Damit ist die Zustellung als Ersatzzustellung unwirksam.

b) Eine Heilung der unwirksamen Ersatzzustellung gemäß § 187 ZPO scheidet wegen dessen Satz 2 aus. Die Beschwerdefrist des § 45 Abs. 1 WEG i.V.m. § 22 Abs. 1 FGG steht nämlich einer Notfrist im Sinn des § 187 Satz 2 ZPO gleich (BayObLGZ 1985, 20/22; BayObLG WuM 1995, 68/69).

Ohne Bedeutung ist, ob der Antragsgegner die Zeugin St., welche die Zustellung entgegengenommen hat, stillschweigend oder ausdrücklich zur Empfangnahme von Zustellungen ermächtigt hat. Das Landgericht nimmt aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme eine stillschweigend erteilte Vollmacht an. Auch wenn man von einer solchen ausgeht, hätten die Voraussetzungen für eine hier vorgenommene Ersatzzustellung nach § 184 ZPO nicht vorgelegen. Da die Zustellung nicht an die Zeugin St., sondern an den Antragsgegner persönlich adressiert war, kann die Zustellung auch nicht nach § 173 ZPO als wirksam angesehen werden (BayObLGZ 1985, 20/23 f.; vgl. Stein/Jonas/ Roth ZPO 21. Aufl. § 173 Rn. 1).

3. Eine Kostenentscheidung gemäß § 47 WEG ist für das Rechtsbeschwerdeverfahren nicht veranlaßt. Über die Kosten dieses und des vorangegangenen Rechtsbeschwerdeverfahrens wird das Landgericht zu entscheiden haben.

Die Geschäftswertfestsetzung für das Rechtsbeschwerdeverfahren beruht auf § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG.

Ende der Entscheidung

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