Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 07.11.2001
Aktenzeichen: 2Z BR 10/01
Rechtsgebiete: BGB, WEG


Vorschriften:

BGB § 242
WEG § 8 Abs. 1
Teileigentum läßt sich auch dadurch begründen, dass mit dem Miteigentumsanteil das Sondereigentum an einer erst noch zu errichtenden Tiefgarage verbunden wird.
Gründe:

I.

Die Antragsteller und der Antragsgegner sind die Wohnungs- und Teileigentümer einer Wohnanlage.

Der Antragsgegner war Alleineigentümer des Grundstücks, auf dem sich die Wohnanlage befindet. Er teilte dieses Grundstück im Jahr 1973 in Wohnungs- und Teileigentum auf. Dem Antragsgegner gehört das Teileigentum an den Tiefgaragenstellplätzen, auf die insgesamt 120/1000 Miteigentumsanteile entfallen.

In der Folgezeit veräußerte der Antragsgegner die Wohnungen. Da sich dabei herausstellte, dass am Erwerb der in der Planung und der Teilungserklärung vorgesehenen Tiefgaragenstellplätze kein Interesse bestand, strich er die Tiefgarage aus der Planung und errichtete lediglich die Wohngebäude.

Nach der Teilungserklärung sollten ferner auf der Fläche über der geplanten Tiefgarage acht Stellplätze errichtet werden; das Recht auf Vergabe von Sondernutzungsrechten an den Stellplätzen wurde dem Antragsgegner eingeräumt. Außerdem ist bestimmt, dass der Antragsgegner, soweit er Miteigentumsanteile verbunden mit Sondereigentum behält, mit diesen das Sondernutzungsrecht an oberirdischen Stellplätzen verbinden kann. In der Folgezeit errichtete der Antragsgegner sieben oberirdische Stellplätze, von denen er zwei gegen Entgelt an andere Wohnungseigentümer übertrug.

Nach der Gemeinschaftsordnung richtet sich die Pflicht zur Kosten- und Lastentragung nach dem Verhältnis der Miteigentumsanteile.

Die Antragsteller haben beantragt, den Antragsgegner für das Jahr 1994 zur Zahlung von Wohngeld in Höhe von 4537,24 DM nebst Zinsen zu verpflichten. Der Antragsgegner hat die Gegenanträge gestellt, die Antragsteller zu verpflichten, seinen Miteigentumsanteil gegen Zahlung des gemeinen Wertes zu übernehmen (Nr. I) und die Teilungserklärung dahingehend zu ändern dass die Miteigentumsanteile des Antragsgegners den Antragstellern im Verhältnis ihrer Miteigentumsanteile zugewiesen werden (Nr. II). Mit Teilbeschluß vom 26.2.1996 hat das Amtsgericht dem Antrag der Antragsteller stattgegeben und den Gegenantrag Nr. I abgewiesen. Die gegen den Teilbeschluss eingelegte sofortige Beschwerde hat der Antragsgegner wieder zurückgenommen. In der Folgezeit hat der Antragsgegner beim Amtsgericht seinen Gegenantrag Nr. II dahingehend abgeändert, dass die Antragsteller verpflichtet werden, seinen Miteigentumsanteil gegen Zahlung eines Betrages von 25000 DM zu übernehmen, hilfsweise die in der Gemeinschaftsordnung enthaltene Regelung für die Kosten- und Lastentragung dahingehend abzuändern, dass die Miteigentumsanteile des Antragsgegners von der Kostenlast freigestellt werden und die Kosten und Lasten den übrigen Miteigentümern nach dem Verhältnis ihrer Miteigentumsanteile auferlegt werden. Mit Beschluss vom 21.1.1998 hat das Amtsgericht die Gegenanträge abgewiesen. Hiergegen hat der Antragsgegner sofortige Beschwerde eingelegt. Seinen zuletzt gestellten Hauptantrag hat er im Beschwerdeverfahren dahin abgeändert, dass sein Miteigentumsanteil gegen Zahlung eines in das Ermessen des Gerichts gestellten Betrages, hilfsweise unentgeltlich, von den Antragstellern zu übernehmen sei. Das Landgericht hat am 18.12.2000 die sofortige Beschwerde zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde des Antragsgegners.

Die Verfahrensbevollmächtigten der Antragsteller haben gegen die Festsetzung des Geschäftswerts für das Beschwerdeverfahren durch das Landgericht auf 25000 DM im eigenen Namen Beschwerde eingelegt und eine Festsetzung des Geschäftswerts auf 50000 DM beantragt.

II.

A. Das Rechtsmittel des Antragsgegners ist überwiegend begründet.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Die Antragsteller seien nicht verpflichtet, den Miteigentumsanteil des Antragsgegners zu übernehmen. Die Errichtung der Tiefgarage sei nicht unmöglich. Die Tiefgarage könne auch jetzt noch errichtet werden, wenn dies dem Antragsgegner sachdienlich erscheine. Er müsse dafür lediglich eine neue Baugenehmigung beantragen. Das Anwartschaftsrecht des Antragsgegners an dem mit seinem Miteigentumsanteil verbundenen Sondereigentum bestehe somit fort; eine Übernahme der Miteigentumsanteile durch die anderen Wohnungseigentümer sei nicht erforderlich. Die jetzige Regelung erscheine auch nicht unbillig, da die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer einen Ausgleich für die Kosten, die durch die Fläche oberhalb der Tiefgarage entstünden (z.B. Grundsteuer, Pflege und Wartung, Oberflächenentwässerung), lediglich über den Kostenanteil des Antragsgegners erhalte. Dieser erhalte dafür die Einnahmen aus der Übertragung der Sondernutzungsrechte an den oberirdischen Stellplätzen. Bei dieser Sachlage könnten auch die Hilfsanträge keinen Erfolg haben.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung überwiegend nicht stand. Die Antragsteller sind nach § 242 BGB verpflichtet, daran mitzuwirken, dass der Miteigentumsanteil des Antragsgegners auf sie nach dem Verhältnis ihrer Miteigentumsanteile übertragen und dass das mit diesem Miteigentumsanteil verbundene Sondereigentum aufgehoben wird, was zur Folge hat, dass damit verbundene Sondernutzungsrechte entfallen. Das Rechtsmittel des Antragsgegners ist allerdings insoweit zurückzuweisen, als ein Wertausgleich durch die Antragsteller hierfür nicht zu entrichten ist. Außerdem hat der Antragsgegner die zur Herstellung des neuen Zustands entstehenden Kosten zu tragen.

a) Der im Ergebnis unangefochten gebliebene Teilbeschluss des Amtsgerichts vom 26.2.1996 Über den Gegenantrag Nr. I, die Antragsteller zu verpflichten, den Miteigentumsanteil des Antragsgegners gegen Zahlung des gemeinen Werts zu übernehmen, steht der Geltendmachung des jetzt noch anhängigen Gegenantrags, die Antragsteller zu verpflichten, den Miteigentumsanteil des Antragsgegners gegen Zahlung eines in das Ermessen des Gerichts gestellten Betrages, hilfsweise unentgeltlich zu übernehmen, nicht entgegen. Es kann offen bleiben, ob der Erlass eines Teilbeschlusses durch das Amtsgericht wegen des Gebots der Widerspruchsfreiheit von Teil- und Schlussentscheidung zulässig war. Jedenfalls ist er in Rechtskraft erwachsen (vgl. BGH NJW 1996, 1060 f.). Dabei handelt es sich aber nur um eine formelle Rechtskraft, weil das Amtsgericht im Teilbeschluss den Gegenantrag Nr. I seinem Inhalt nach als unzulässig abgewiesen hat (vgl. Zöller/Greger ZPO 22. Aufl. vor § 253 Rn. 24).

b) Das Teileigentum des Antragsgegners ist wirksam begründet worden. Nach den Bestimmungen des Wohnungseigentumsgesetzes kann Wohnungs- und Teileigentum auch in der Weise begründet werden, dass mit dem Miteigentumsanteil das Sondereigentum an Räumen in einem erst noch zu errichtenden Gebäude verbunden wird. Wirksamkeitsvoraussetzung für die Begründung von Wohnungseigentum ist damit nicht, dass Sondereigentum bereits entstanden ist. Das Sondereigentum entsteht dann erst mit der Fertigstellung des Gebäudes. Bis dahin besteht eine Anwartschaft auf Erlangung des Sondereigentums. Wird das Gebäude, gleichgültig aus welchen Gründen, nicht erstellt, bleibt das Wohnungseigentum auf Dauer in dem Zustand wirksam, in dem es sich bei der Grundbucheintragung befand, also der Substanz nach nur in dem eines Miteigentumsanteils am Grundstück (BGHZ 110, 36/39; Demharter NZM 2000, 1196 f. m. w. N.).

Es bestehen keine isolierten Miteigentumsanteile, also Miteigentumsanteile ohne zugehöriges Sondereigentum, die bereinigt werden müssten (vgl. BGH NJW 1995, 2851; BayObLG NZM 2000, 1234). Der Antragsgegner hat deshalb nicht einen aus dem Gemeinschaftsverhältnis hergeleiteten schuldrechtlichen Anspruch aus § 242 BGB auf Änderung der dinglichen Rechtslage.

c) Da ein Festhalten an der geltenden Regelung aber aus anderen Gründen grob unbillig wäre, besteht gleichwohl ein schuldrechtlicher Anspruch des Antragsgegners nach § 242 BGB darauf, dass sein Miteigentumsanteil unter Aufhebung des Sondereigentums den anderen Wohnungseigentümern anteilig zugeschlagen wird.

Fast 30 Jahre nach Begründung des Wohnungseigentums ist die Tiefgarage noch immer nicht errichtet. Der Antragsgegner hat eindeutig erklärt, vom Bau der Tiefgarage Abstand genommen zu haben; bereits in den jeweiligen Kaufverträgen über die Wohnungen hat er die Käufer darauf hingewiesen, dass er nicht die Absicht habe, die Tiefgarage noch zu errichten. Aus dem Verhalten der Antragsteller ergibt sich, dass von ihrer Seite kein Interesse am Bau der Tiefgarage besteht. Andererseits wird aber aufgrund des Kostenverteilungsschlüssels der Antragsgegner fortdauernd mit Kosten belastet, die allein durch die Gemeinschaft verursacht werden. Dies gilt im übrigen auch für die Kosten, die durch die Fläche über der Tiefgarage entstehen; diese steht im Gemeinschaftseigentum, auch soweit dem Antragsteller daran ein Sondernutzungsrecht eingeräumt ist. Der Senat hat zwar entschieden (ZMR 1999, 842), dass die Grenze der nicht mehr hinzunehmenden Benachteiligung eines Wohnungseigentümers noch nicht überschritten sei, wenn er 12 % mehr als bei einer von ihm für richtig gehaltenen Kostenverteilung zu zahlen habe. Der Unterschied zum vorliegenden Fall besteht aber darin, dass die für den Antragsgegner ungerechte Lasten- und Kostentragungsverpflichtung nicht etwa wegen nicht sachgerechter Festlegung der Miteigentumsanteile besteht, sondern den Antragsgegner eine Lasten- und Kostentragungsverpflichtung trifft, obwohl ihm tatsächlich auf Dauer weder Teil- noch Wohnungseigentum gehört, der Substanz nach also nur ein Miteigentumsanteil am Grundstück ohne Nutzungsmöglichkeit von Sondereigentum zusteht.

Bei dieser Sachlage hat der Antragsgegner ein berechtigtes Interesse daran, dass jedenfalls jetzt, fast 30 Jahre nach Begründung des Wohnungseigentums, der bestehende Zustand bereinigt und nicht für die Zukunft festgeschrieben wird. Eine Bereinigung ist nur in der Weise möglich, dass die Antragsteller daran mitwirken, die Miteigentumsanteile des Antragsgegners unter Aufhebung des dazu gehörenden Sondereigentums auf sie nach dem Verhältnis ihrer Miteigentumsanteile zu übertragen.

d) Es entspricht jedoch nicht billigem Ermessen, dass die Antragsteller hierfür einen Wertausgleich an den Antragsgegner entrichten. Der Antragsgegner hat selbst die dem jetzigen Zustand zugrundeliegende Regelung in der Teilungserklärung veranlasst. Es war seine wirtschaftliche Entscheidung, vom Bau der Tiefgarage abzusehen. Einen praktischen Vorteil durch die Übertragung der Miteigentumsanteile erhalten die Wohnungseigentümer nicht. Auch beim Verkauf der Wohnungen kommt es maßgeblich auf den Wert der Wohnung, nicht aber auf die Höhe der Miteigentumsanteile an. Mit der Erhöhung der Miteigentumsanteile steigt vielmehr die Kostenbelastung der übrigen Wohnungseigentümer.

Die zur Herstellung des neuen Zustands erforderlichen Maßnahmen sind mit nicht unerheblichen Kosten verbunden (vgl. Demharter NZM 2000, 1196/1201). Es erscheint billig, dass aus den oben genannten Gründen der Antragsgegner auch diese Kosten zu übernehmen hat.

e) Da dem Antragsgegner nach Bereinigung des jetzigen Zustands kein Teileigentum mehr gehört, kann ihm auch kein Sondernutzungsrecht mehr zustehen. Soweit die Sondernutzungsrechte an der Fläche über der Tiefgarage in der Vergangenheit nicht übertragen worden sind, können diese dem Antragsgegner künftig nicht mehr zustehen.

B. Das Rechtsmittel der Verfahrensbevollmächtigten der Antragsteller ist unbegründet. Für den Geschäftswert ist der Hauptantrag allein maßgebend, wenn nur über ihn entschieden wird. Eine Addition von Haupt- und Hilfsantrag findet jedoch statt, wenn auch über den Hilfsantrag entschieden wird, aber nur dann, wenn deren Gegenstände nicht identisch sind (Thomas/Putzo ZPO 23. Aufl. § 5 Rn. 6). Die Gegenstände des Antrags, die Antragsteller zu verpflichten, den Miteigentumsanteil des Antragsgegners gegen Zahlung eines in das Ermessen des Gerichts gestellten Betrages, hilfsweise unentgeltlich, zu übernehmen, sind identisch. Eine Addition findet deshalb insoweit nicht statt. Über den Hilfsantrag, die Gemeinschaftsordnung dahingehend abzuändern, dass die Miteigentumsanteile des Antragsgegners bei der Kostenverteilung außer Betracht bleiben und die an sich den Antragsgegner treffenden Kosten und Lasten den übrigen Miteigentümern nach dem Verhältnis ihrer Miteigentumsanteile auferlegt werden, wurde nicht entschieden. Eine Addition findet deshalb gleichfalls nicht statt. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren ist vom Landgericht im Ergebnis zu Recht auf 25000 DM festgesetzt worden. Wegen der Höhe des Betrages konnte das Landgericht von der Vorstellung des Antragsgegners hinsichtlich eines Wertausgleichs ausgehen, die er in seinem Antrag beim Amtsgericht zum Ausdruck gebracht hatte.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 WEG. Der Antragsgegner ist beim Amtsgericht insoweit unterlegen, als er zur Zahlung des verlangten Wohngeldes verpflichtet wurde. Seine Gegenanträge haben insoweit keinen Erfolg, als er in erster Linie für die Übertragung der Miteigentumsanteile auf die Antragsteller einen Wertausgleich verlangt hat. Es erscheint angemessen, die Gerichtskosten aller Rechtszüge jeweils zur Hälfte den Antragstellern als Gesamtschuldnern und dem Antragsgegner aufzuerlegen. Ferner erscheint es angemessen, von der Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten in allen Rechtszügen abzusehen. Die Kostenentscheidung im Beschluss des Amtsgerichts vom 14.11.1997 ist gegenstandslos.

Die Geschäftswertfestsetzung beruht auf § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG.

Ende der Entscheidung

Zurück