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Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 02.06.2004
Aktenzeichen: 2Z BR 10/04
Rechtsgebiete: BGB, FGG, WEG


Vorschriften:

BGB § 157
FGG § 27
WEG § 10
1. Verpflichten sich die Wohnungseigentümer schuldrechtlich zur Einräumung von Sondernutzungsrechten zum Zwecke der Errichtung von Garagen, so kann die Auslegung des Vertrags ergeben, dass auch eine Verpflichtung zur Mitwirkung bei der Eintragung der Vereinbarung in den Wohnungsgrundbüchern vereinbart ist.

2. Ein Zurückbehaltungsrecht kann im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht erstmals geltend gemacht werden.


Gründe:

I. Die Beteiligten sind zusammen mit anderen Personen Wohnungseigentümer einer Wohnanlage.

Die Begründung von Wohnungseigentum sollte zunächst durch einen Vertrag vom 26.9.1994 erfolgen. Das Landratsamt verweigerte jedoch dem diesem Vertrag zugrunde liegenden Bebauungsplanentwurf die Genehmigung. Nach Vorliegen eines neuen Bebauungsplanentwurfs änderten die Beteiligten und die übrigen Wohnungseigentümer am 14.2.1996 den ursprünglichen Vertrag ab. Unter anderem trafen sie in Nr. V eine Vereinbarung über die Errichtung von Garagen. Dort ist unter anderem Folgendes vorgesehen:

Nr. 5:

In Ergänzung der nach der Vorurkunde festzulegenden Gemeinschaftsordnung ist jedem der die Garagen bauenden Miteigentümer das ausschließliche Nutzungsrecht an der Garage und gemeinsamer Garagenzufahrt einzuräumen.

Nr. 7 enthält folgende Regelung:

In Ergänzung der nach der Vorurkunde festzulegenden Gemeinschaftsordnung wird vereinbart, dass die Miteigentümer ... (Antragsteller in diesem Verfahren) ab 1.1.1998 die Einräumung des ausschließlichen Nutzungsrechts an der in dem als Anlage 2 beigefügten Plan mit der Nr. 9 bezeichneten Gemeinschaftsfläche verlangen können. Sie haben dann an die Miteigentümergemeinschaft DM 200,-- pro Quadratmeter Grundstücksfläche zu bezahlen.

In einem Nachtrag zur Teilungserklärung vom 4.9.2002 verlangten die Antragsteller die Einräumung von Sondernutzungsrechten an der im Vertrag vom 14.2.1996 mit Nr. 9 bezeichneten Fläche. Dies soll in der Weise geschehen, dass jeder der beiden Antragsteller eine Teilfläche als alleiniges Sondernutzungsrecht bekommen und hierfür ausgehend von einer Einzelfläche von 60,5 m² einen Betrag von 883,81EURO zahlen soll. Außerdem begehren die Antragsteller die Eintragung der Änderung der Teilungserklärung durch die Zuweisung von Sondernutzungsrechten in die Wohnungsgrundbücher. Die Antragsgegnerinnen wurden bei diesem Vertrag vollmachtlos vertreten. Sie verweigern die Genehmigung.

Die Antragsteller haben beim Amtsgericht beantragt, die Antragsgegnerinnen zu verpflichten, einer Änderung der Teilungserklärung dahin zuzustimmen, dass ihnen die vorbezeichneten Sondernutzungsrechte eingeräumt werden, und zwar Zug um Zug gegen Zahlung von jeweils 883,81 EURO. Das Amtsgericht hat den Antrag mit Beschluss vom 26.2.2003 abgewiesen. Auf die sofortige Beschwerde der Antragsteller hat das Landgericht am 12.12.2003 den Beschluss des Amtsgerichts aufgehoben und die beantragte Verpflichtung ausgesprochen.

Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegnerinnen, mit der sie im Hauptantrag die Wiederherstellung der amtsgerichtlichen Entscheidung begehren und hilfsweise beantragen, die Verpflichtung der Antragsgegnerinnen nur Zug um Zug gegen die Bewilligung von Sondernutzungsrechten für die Antragsgegnerinnen auszusprechen.

II. Das zulässige Rechtsmittel ist nicht begründet.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Der Anspruch der Antragsteller auf Abänderung der Teilungserklärung ergebe sich aus dem Gemeinschaftsverhältnis der Wohnungseigentümer, welches Schutz-, Treue- und Mitwirkungspflichten begründe. Die Antragsteller hätten ein schützenswertes Interesse an der Änderung der Teilungserklärung samt deren grundbuchrechtlichen Eintragung, weil sie andernfalls von Rechtsnachfolgern der übrigen Wohnungseigentümer auf Unterlassung der Sondernutzung in Anspruch genommen werden könnten. Demgegenüber hätten die Antragsgegnerinnen nichts Wesentliches vortragen können, wodurch ihre Rechtsstellung als Wohnungseigentümer beeinträchtigt sein sollte, wenn die in der Nachtragsurkunde vereinbarte Sondernutzung im Grundbuch eingetragen werde. Die Antragsgegnerinnen würden außerdem treuwidrig handeln, wenn sie einerseits das Sondernutzungsrecht der Antragsteller nicht grundbuchmäßig absichern lassen wollten, gleichzeitig aber aus der Nachtragsurkunde ihre Rechte auf Zahlung der für diese Sondernutzung vorgesehenen Beträge geltend machen würden. Die Gegenleistung betrage unstreitig 883,81 EURO.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

a) Der Anspruch der Antragsgegnerinnen ergibt sich bereits aus der Nachtragsurkunde vom 14.2.1996. Das Landgericht hat sich mit der Auslegung nicht befasst. Der Senat kann deshalb diese Auslegung selbst vornehmen, da weitere tatsächliche Feststellungen hierzu nicht erforderlich sind (vgl. Keidel/Meyer-Holz FGG 15. Aufl. § 27 Rn. 49 m.w.N.).

Nach § 157 BGB sind Verträge so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte dies erfordern.

aa) Die Auslegung ergibt zunächst, dass die Antragsteller berechtigt sind, jeweils für sich ein einzelnes Sondernutzungsrecht zu verlangen. Zwar ist der Wortlaut der Urkunde insoweit nicht eindeutig, weil nicht zwischen den beiden Sondernutzungsrechten differenziert wird. Bei der Auslegung ist aber zu beachten, dass es sich bei der Vereinbarung in Nr. V.7 um eine Ergänzung zu den vorstehenden Regelungen über die Garagenerrichtung handelt. Dort ist in Nr. V.5 geregelt, dass die anderen Garagen bauenden Miteigentümer jeweils ein ausschließliches Sondernutzungsrecht an der Garage und der Garagenzufahrt erhalten sollen. Aus welchem Grund dies bei den Antragstellern anders sein soll, ist weder ersichtlich noch wird dies von den Antragsgegnerinnen aufgezeigt. Es ist auch allgemein üblich, dass bei einer Errichtung von Garagen auf Sondernutzungsflächen den jeweiligen Garagenbesitzern auch ein entsprechendes Sondernutzungsrecht alleine zugeordnet wird, soweit dies nach den baulichen Gegebenheiten und nach der Grundstückssituation möglich ist. Ein solches Vorgehen ist auch sachgerecht, da dadurch unnötiger Aufwand für die gemeinschaftliche Verwaltung und die Gefahr von Streitigkeiten vermieden werden. Demgegenüber tritt das von den Antragsgegnerinnen im Rechtsbeschwerdeverfahren hervorgehobene Interesse an einer gesamtschuldnerischen Haftung der Antragsteller für die Gegenleistung völlig in den Hintergrund. Es sind keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass bei Abschluss der Vereinbarung an eine mögliche Insolvenz der Antragsteller gedacht wurde oder dass hierfür Anhaltspunkte vorgelegen hätten. Darüber hinaus sind die übrigen Wohnungseigentümer hinreichend dadurch geschützt, dass die Antragsteller die Einräumung der Sondernutzungsrechte nur Zug um Zug gegen Zahlung verlangen können.

Ob die Vereinbarung vom 14.2.1996 möglicherweise dahin ausgelegt werden könnte, dass die Einräumung von Sondernutzungsrechten nur von beiden Antragstellern gemeinsam verlangt werden kann, um das einheitliche Bild der Anlage zu wahren, kann dahinstehen, da beide Antragsteller die Einräumung des Sondernutzungsrechts begehren.

bb) Die Antragsteller können auch die Bewilligung der Eintragung in den Wohnungsgrundbüchern verlangen. Bei einer interessengerechten Auslegung des Vertrags vom 4.2.1996 ergibt sich auch dieser Anspruch unmittelbar aus dem Vertrag. Dass die Eintragung sachdienlich ist, um die Bindungswirkung gegenüber einem Rechtsnachfolger nach § 10 Abs. 2 WEG herbeizuführen, kann nicht ernstlich zweifelhaft sein. Wie der Senat bereits in seiner Entscheidung vom 11.4.2001 (NZM 2001, 671/672) ausgesprochen hat, ist die Eintragung von Änderungen der Gemeinschaftsordnung im Grundbuch im Hinblick auf dessen Publizitätsfunktion wünschenswert und verstärkt zudem in der Praxis den Schutz des Berechtigten. Dass mit der Eintragung für die Antragsgegnerinnen Nachteile verbunden sind, haben diese weder aufgezeigt noch sind etwaige Nachteile sonst ersichtlich. Die Eintragung von Sondernutzungsrechten in den Wohnungsgrundbüchern ist auch durchaus üblich und entspricht damit der Verkehrssitte im Sinn des § 157 BGB. Dass in der Vereinbarung vom 14.2.1996 eine Eintragung der Sondernutzungsrechte nicht vereinbart wurde, kann damit erklärt werden, dass die endgültige Grundstücksplanung noch nicht feststand und die Sondernutzungsrechte für die Garagenerrichtung auch noch nicht fest vereinbart wurden, sondern den begünstigten Miteigentümern lediglich ein entsprechendes Forderungsrecht eingeräumt wurde. Eine Grundbucheintragung hätte auf dieser Basis noch nicht erfolgen können.

cc) Zu Recht rügt die Rechtsbeschwerde allerdings, dass das Landgericht die Zahlungsbeträge als unstreitig behandelt hat. Im Ergebnis hat die Rechtsbeschwerde jedoch damit keinen Erfolg, weil das Bestreiten unsubstantiiert ist. Der Vortrag vor dem Amtsgericht, dass der angegebene Zahlungsbetrag rein willkürlich sei und nicht auf einer amtlichen Vermessung der streitgegenständlichen Fläche basiere, ist zu unsubstantiiert, um eine Verpflichtung zu weiteren Ermittlungen nach § 12 FGG auszulösen. Die Antragsgegnerinnen haben insbesondere in keiner Weise dargetan, worauf sie den Vorwurf der Willkür stützen. Sie haben auch nicht ansatzweise vorgetragen, wie groß die Flächen ihrer Auffassung nach sind. Auf eine amtliche Vermessung haben die Antragsgegnerinnen ohnehin keinen Anspruch. Schon im Hinblick auf die Kosten einer Vermessung wäre von den Antragsgegnerinnen ein Vortrag dahin zu erwarten gewesen, dass eine Vermessung eine Flächenabweichung ergeben könnte, die den Zahlungsbetrag in einer Weise verändert, die den Aufwand für die Vermessung nicht als unverhältnismäßig erscheinen lässt. Die Antragsgegnerinnen wären hierzu auch unschwer in der Lage gewesen, da sie zur verfahrensgegenständlichen Fläche Zutritt hatten und nach Ausmessung eine überschlägige Flächenberechnung leicht hätten selbst vornehmen können.

b) Soweit der Hilfsantrag als echter Sachantrag anzusehen sein sollte, wäre er im Rechtsbeschwerdeverfahren unzulässig (Keidel/Meyer-Holz § 27 Rn. 3). Geht man dagegen davon aus, dass mit dem Hilfsantrag ein Zurückbehaltungsrecht geltend gemacht werden soll, so haben die Antragsgegnerinnen damit ebenfalls keinen Erfolg. Die Einrede des Zurückbehaltungsrechts kann nämlich in der Rechtsbeschwerdeinstanz nicht mehr erstmals erhoben werden (vgl. BGH NJW-RR 1993, 774/776 zum Revisionsverfahren). In den Tatsacheninstanzen wurde die Einrede nicht erhoben, insbesondere auch nicht im Schriftsatz vom 23.9.2003. Dort wurde ein behaupteter Anspruch der Antragsgegnerinnen nur im Zusammenhang mit einer Interessenabwägung erwähnt.

3. Es entspricht der Billigkeit, die unterlegenen Antragsgegnerinnen mit den Gerichtskosten zu belasten (§ 47 Satz 1 WEG). Im Hinblick auf die unterschiedlichen Entscheidungen der Vorinstanzen sieht der Senat von der Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten ab (§ 47 Satz 2 WEG).

Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG.



Ende der Entscheidung

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