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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 31.03.2004
Aktenzeichen: 2Z BR 11/04
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 21 Abs. 3
WEG § 29 Abs. 1
1. Die von dem teilenden Grundstückseigentümer in der Gemeinschaftsordnung getroffene Bestimmung, nach der die gesetzlich vorgesehene Bestellung eines Verwaltungsbeirats durch Mehrheitsbeschluss dahin eingeschränkt wird, dass ein Beschluss aller Wohnungseigentümer für erforderlich erklärt wird, kann auch bei größeren Eigentümergemeinschaften nicht als nichtig angesehen werden.

2. Durch die jahrelange Übung, einen Verwaltungsbeirat durch unangefochten gebliebenen Mehrheitsbeschluss zu bestellen, wird eine Vereinbarung, nach der hierfür die Zustimmung aller Wohnungseigentümer erforderlich ist, nur dann abgeändert, wenn angenommen werden kann, dass alle Wohnungseigentümer damit auch künftig einen Mehrheitsbeschluss ausreichen lassen wollen. Diese Annahme setzt voraus, dass den Wohnungseigentümern die abweichende Regelung der Gemeinschaftsordnung bekannt ist.

3. Dem Verwalter kann von den Wohnungseigentümern eine Sondervergütung bewilligt werden, die er nach der BRAGO abrechnen darf. Es ist auch nicht grundsätzlich ausgeschlossen, bei der Bewilligung einer Sondervergütung auf den Zeit- und Arbeitsaufwand des Verwalters abzustellen und einen bestimmten Stundensatz festzulegen. Ein durch Eigentümerbeschluss im Jahr 2003 bewilligter Stundensatz von 130 EUR für den Geschäftsführer einer Verwaltungsgesellschaft ist übersetzt und widerspricht den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung.

4. Widerspricht der in einem Eigentümerbeschluss bestimmte Stundensatz den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung, ist es nicht Sache des Gerichts festzulegen, welcher Stundensatz als angemessen anzusehen ist. Es ist vielmehr Sache der Wohnungseigentümer, den ihnen zustehenden Gestaltungsspielraum auszuüben, um eine sich der Höhe nach in angemessenem Rahmen haltende Sondervergütung zu beschließen.


Gründe:

I.

Der Antragsteller und die Antragsgegner sind die Wohnungseigentümer einer Wohnanlage, die von der weiteren Beteiligten verwaltet wird.

In § 14 der Gemeinschaftsordnung (GO) ist bestimmt:

Ein Verwaltungsbeirat wird nicht bestellt. Die Einsetzung eines Verwaltungsbeirates bedarf der Zustimmung aller Miteigentümer.

Im Verwaltervertrag ist die Vergütung wie folgt geregelt:

Die Vergütung der Verwalterin beträgt 4.794,79 EUR monatlich einschließlich der derzeit gesetzlichen Mehrwertsteuer, 16 %, insgesamt. Die Vergütung verteilt sich auf 300 Wohnungen und 269 Garagen wie folgt:

Je Wohnungseigentum 14,27 EUR,

je Stellplatz in der Tiefgarage 1,91 EUR.

...

Mit der Vergütung der Verwalterin sind alle betriebsintern entstehenden Aufwendungen der Verwalterin für den regelmäßigen Betriebsablauf abgegolten einschließlich der Durchführung einer Jahresversammlung der Wohnungseigentümer und des Versands der Niederschrift zu einer solchen Versammlung an alle Miteigentümer. Ausgenommen sind die Kosten, die der Verwalterin wegen der Geltendmachung von Wohngeldansprüchen im Zuge gerichtlicher Verfolgung entstehen. Dazu gehören insbesondere Kopier- und Schreibkosten. Dabei hat die Verwalterin darauf hinzuwirken, dass diese Kosten den jeweiligen Wohngeldschuldnern im gerichtlichen Verfahren überbürdet werden.

Sonderhonorare schuldet die Gemeinschaft nur aufgrund sachbezogener Einzelfallbeschlüsse einer Eigentümerversammlung.

Die Wohnungseigentümer fassten am 28.11.1996 folgenden Beschluss, der bestandskräftig wurde:

Die Verwalterin wird beauftragt und bevollmächtigt, künftig bei beachtlichen Verstößen gegen die Gemeinschaftsordnung, denen mindestens zwei Abmahnungen gegenüber dem gleichen Eigentümer vorauszugehen haben, gemeinsam mit dem Verwaltungsbeirat zu prüfen, ob die Ansprüche der Gemeinschaft gerichtlich durchgesetzt werden sollen. Für diesen Fall wird der Verwalterin Prozessvollmacht erteilt mit der Maßgabe, dass Anträge zu Gericht vom Verwaltungsbeirat mit unterzeichnet werden müssen.

In der Eigentümerversammlung vom 14.1.2003 beschlossen die Wohnungseigentümer unter anderem:

Tagesordnungspunkt (TOP) 6:

Mit Wirkung vom 14.1.2003 werden die Miteigentümer ... zu Mitgliedern des Verwaltungsbeirates bestellt. ... Rein vorsorglich wird festgelegt, dass diese drei Miteigentümer auch ansonsten die Rechte des Verwaltungsbeirates nach den gesetzlichen Vorschriften haben, die Tätigkeit der Verwaltung zu kontrollieren und die Zustimmung zu gefassten Beschlüssen auszuüben. Dies gilt auch dann, wenn ihre Stellung als Mitglieder des Verwaltungsbeirates förmlich bestritten würde.

TOP 7:

Der Beschluss der Versammlung vom 28.11.1996 ... wird in der Weise ergänzt, dass die Verwalterin berechtigt ist, in solchen Zusammenhängen, die vom Verwaltungsbeirat zustimmend beurteilt werden, Kosten gesondert zu berechnen nach folgenden Kostensätzen:

Stundensatz Geschäftsführer 130 EUR

Stundensatz Haustechniker 65 EUR

Sachbearbeiter 45 EUR

...

Der Antragsteller hat beantragt, die beiden Eigentümerbeschlüsse vom 14.1.2003 für ungültig zu erklären. Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 23.4.2003 den Antrag abgewiesen. Das Landgericht hat am 29.12.2003 den Beschluss des Amtsgerichts aufgehoben und die Eigentümerbeschlüsse für ungültig erklärt. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegner.

II.

Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Der Beschluss der Wohnungseigentümer (TOP 6), einen Verwaltungsbeirat zu bestellen, sei wegen Verstoßes gegen die Gemeinschaftsordnung für ungültig zu erklären. Wie das Bayerische Oberste Landesgericht in einem gleich gelagerten Fall mit Beschluss vom 21.10.1993 (NJW-RR 1994, 338) entschieden habe, sei die Regelung in der Gemeinschaftsordnung über den Verwaltungsbeirat wirksam. Diese sei auch nicht nachträglich abgeändert worden. Durch die jahrelange Übung, einen Verwaltungsbeirat durch unangefochten gebliebenen Mehrheitsbeschluss zu bestellen, werde eine Vereinbarung, nach der hierfür die Zustimmung aller Wohnungseigentümer erforderlich sei, nur dann abgeändert, wenn angenommen werden könne, dass alle Wohnungseigentümer damit auch künftig einen Mehrheitsbeschluss ausreichen lassen wollen; für eine solche Annahme, insbesondere dass sämtliche Wohnungseigentümer die vom Gesetz abweichende Bestimmung der Gemeinschaftsordnung über den Verwaltungsbeirat gekannt hätten, fehlten hier ausreichende Anhaltspunkte.

Auch soweit beschlossen worden sei, dass die namentlich bezeichneten Wohnungseigentümer die Rechte des Verwaltungsbeirats auch dann haben sollten, wenn ihre Stellung als Mitglieder des Verwaltungsbeirats förmlich bestritten werde, könne der Eigentümerbeschluss keinen Bestand haben. Eine solche faktische Verwaltungsbeiratsbestellung stelle eine unzulässige Umgehung der in der Gemeinschaftsordnung enthaltenen Regelung dar.

Auch der Eigentümerbeschluss zu TOP 7 sei für ungültig zu erklären. Es könne offen bleiben, ob dieser Beschluss schon deshalb nicht ordnungsmäßiger Verwaltung entspreche, weil sich die Verwalterin ursprünglich ohne Sonderhonorar zur Erfüllung der im Beschluss vom 28.11.1996 genannten Sonderaufgaben verpflichtet habe. Auch sei es äußerst zweifelhaft, ob bei der generell gefassten Regelung von einem "sachbezogenen Einzelfallbeschluss" im Sinn des Verwaltervertrags gesprochen werden könne.

Jedenfalls widerspreche der Eigentümerbeschluss deshalb ordnungsmäßiger Verwaltung, weil sich die Berechnung der Sondervergütung nicht im angemessenen Rahmen halte. Es solle nämlich nicht nach Pauschgebühren, sondern nach Stundensätzen abgerechnet werden. Dies habe für die Wohnungseigentümer den Nachteil, dass der eingesetzte Zeit- und Arbeitsaufwand kaum überprüfbar sei. Auch würden die Wohnungseigentümer dadurch unangemessen benachteiligt, dass keine Begrenzung nach oben vorgesehen sei. Ein gerichtliches Vorgehen wegen Verstößen gegen die Gemeinschaftsordnung werde häufig mit niedrigen Geschäftswerten verbunden. Es sei nicht ersichtlich, weshalb die Verwalterin besser gestellt sein sollte als ein Rechtsanwalt, der nach der BRAGO abrechne.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

a) Das Landgericht hat zu Recht den zur Gemeinschaftsordnung in Widerspruch stehenden Eigentümerbeschluss zu TOP 6 für ungültig erklärt.

(1) Im Beschlussanfechtungsverfahren nach § 43 Abs. 1 Nr. 4 WEG ist ein Rechtsschutzbedürfnis der Wohnungseigentümer im Regelfall nicht zu prüfen; für die Anfechtung genügt grundsätzlich das Interesse eines Wohnungseigentümers, eine ordnungsmäßige Verwaltung zu erreichen (BGH NJW 2003, 3124 f.).

(2) Die Anfechtung eines Eigentümerbeschlusses kann im Einzelfall rechtsmissbräuchlich sein (vgl. BayObLG NJW-RR 1994, 338 f.). Ein Rechtsmissbrauch liegt aber nicht schon dann vor, wenn der anfechtende Wohnungseigentümer durch den Eigentümerbeschluss keine Nachteile erleidet und sich nur auf sein Interesse beruft, eine ordnungsmäßige Verwaltung erreichen zu wollen.

(3) Die von dem teilenden Grundstückseigentümer in der Gemeinschaftsordnung getroffene Bestimmung, nach der die gesetzlich vorgesehene Bestellung eines Verwaltungsbeirats durch Mehrheitsbeschluss dahin eingeschränkt wird, dass ein Beschluss aller Wohnungseigentümer für erforderlich erklärt wird, kann auch bei größeren Eigentümergemeinschaften nicht als nichtig angesehen werden (BayObLG NJW-RR 1994, 338 f.).

(4) Die wirksam getroffene Vereinbarung über den Verwaltungsbeirat ist von den Wohnungseigentümern nachträglich nicht wieder abgeändert worden. Dies könnte nur durch eine Vereinbarung geschehen, also unter Mitwirkung sämtlicher Wohnungseigentümer. Eine solche ausdrückliche Vereinbarung liegt nicht vor.

(5) Durch die jahrelange Übung, einen Verwaltungsbeirat durch unangefochten gebliebenen Mehrheitsbeschluss zu bestellen, wird eine Vereinbarung, nach der hierfür die Zustimmung aller Wohnungseigentümer erforderlich ist, nur dann abgeändert, wenn angenommen werden kann, dass alle Wohnungseigentümer damit auch künftig einen Mehrheitsbeschluss ausreichen lassen wollen. Diese Annahme setzt voraus, dass den Wohnungseigentümern die abweichende Regelung der Gemeinschaftsordnung bekannt ist (BayObLG NJW-RR 1994, 338 f.). Rechtsfehlerfrei ist das Landgericht davon ausgegangen, dass ausreichende Anhaltspunkte für eine solche Annahme nicht vorliegen.

(6) Keinen Bestand haben kann auch der Teil des Eigentümerbeschlusses, in dem festgelegt wird, dass die drei namentlich bezeichneten Wohnungseigentümer die Rechte des Verwaltungsbeirats auch dann haben sollen, wenn ihre Stellung als Mitglieder des Verwaltungsbeirats förmlich bestritten wird. Zutreffend weist das Landgericht darauf hin, dass insoweit eine unzulässige Umgehung der in der Gemeinschaftsordnung getroffenen Regelung vorliegt.

b) Auch der Eigentümerbeschluss zu TOP 7 über die Bewilligung einer Sondervergütung ist für ungültig zu erklären.

(1) Es kann dahingestellt bleiben, ob die allgemeine Vergütung des Verwalters die Leistungen abdeckt, die aufgrund des Eigentümerbeschlusses vom 28.11.1996 zu seinem Pflichtenkreis gehören. Offen bleiben kann ferner, ob der Eigentümerbeschluss vom 28.11.1996 so auszulegen ist, dass die Verwalterin für die Durchführung der in diesem Beschluss genannten Aufgaben keine Sondervergütung erhalten soll.

(2) Jedenfalls hält sich die in dem angefochtenen Eigentümerbeschluss festgelegte Vergütung nicht mehr im angemessenen Rahmen und verstößt deshalb gegen die Grundsätze ordnungsmäßiger Verwaltung.

Als zulässig anzusehen ist eine Vergütung, die nach den sich am Wert des Gegenstands ausrichtenden Pauschgebühren der BRAGO berechnet (BGH NJW 1993, 1924 f.). Dadurch wird dem Verwalter der im Einzelfall schwer zu führende Nachweis seines Zeit- und Arbeitsaufwandes erspart, der zudem von den Wohnungseigentümern kaum überprüft werden könnte.

Nicht grundsätzlich ausgeschlossen ist eine Vergütungsregelung, die auf den Zeit- und Arbeitsaufwand abstellt und einen Stundensatz festlegt (BayObLG NJW-RR 1988, 847 f.). Die in dem angefochtenen Beschluss bestimmten Stundensätze sind nicht mehr als angemessen anzusehen. Dies zeigt ein Vergleich mit der Rechtsprechung zur Vergütung des anwaltlichen Berufspflegers vor Inkrafttreten des Berufsvormündervergütungsgesetzes (BVormVG). Damals wurde ein Stundensatz von ca. 200 DM für die Anwaltsstunde einschließlich Bürokosten und Mehrwertsteuer als angemessen angesehen (vgl. BayObLGZ 1992, 151/155). Ein Stundensatz von 130 EUR für den Geschäftsführer einer Hausverwaltungsgesellschaft ist - abgestellt auf den Zeitpunkt der Beschlussfassung - übersetzt (vgl. Gottschalg ZWE 2002, 200 f.). Das gleiche gilt für den Stundensatz von 65 EUR für einen Haustechniker und von 45 EUR für einen Sachbearbeiter.

(3) Eine Festlegung durch den Senat, welcher Stundensatz als angemessen anzusehen ist, ist nicht veranlasst. Es ist nur zu prüfen, ob der angefochtene Eigentümerbeschluss gegen die Grundsätze ordnungsmäßiger Verwaltung verstößt. Wie die Wohnungseigentümer ihren Gestaltungsspielraum ausüben, um eine sich der Höhe nach in angemessenem Rahmen haltende Sondervergütung zu beschließen, ist allein Sache der Wohnungseigentümer.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 WEG, die Geschäftswertfestsetzung auf § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG.



Ende der Entscheidung

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