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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 28.02.2001
Aktenzeichen: 2Z BR 113/00
Rechtsgebiete: WEG, ZPO


Vorschriften:

WEG § 7 Abs. 3
WEG § 7 Abs. 4
WEG § 15
WEG § 48 Abs. 3 Satz 1
ZPO § 551 Nr. 1
Der zivilprozessuale Grundsatz, daß diejenigen Richter entscheiden müssen, die der letzen mündlichen Verhandlung beiwohnten, gilt nicht WE-Verfahren.
BayObLG Beschluss

LG Landshut 60 T 3245/99; AG Freising 2 UR II 13/98

2Z BR 113/00

28.02.01

Der 2. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Reichold sowie der Richter Demharter und Lorbacher

am 28. Februar 2001

in der Wohnungseigentumssache

wegen Abgrenzung von Sondernutzungsrechten,

beschlossen:

Tenor:

I. Die sofortige weitere Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Landgerichts Landshut vom 27. September 2000 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass von den Gerichtskosten erster und zweiter Instanz je samtverbindlich die Antragsteller 2/3 und die Antragsgegner 1/3 zu tragen haben und dass außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten sind.

II. Die gerichtlichen und die außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens haben die Antragsteller als Gesamtschuldner zu tragen.

III. Der Geschäftswert wird für die erste und die zweite Instanz auf jeweils 4500 DM und für die Rechtsbeschwerdeinstanz auf 2800 DM festgesetzt. Insoweit werden die Geschäftswertfestsetzungen des Amtsgerichts Freising und des Landgerichts Landshut abgeändert.

Gründe

I.

Die Beteiligten sind die Wohnungseigentümer einer aus drei Wohnungen bestehenden Anlage. Je zur Hälfte gehören den Antragstellern die im Aufteilungsplan mit Nr. 3 bezeichneten Räume samt Garage und den Antragsgegnern, die die Anlage errichtet hatten, die im Aufteilungsplan mit Nr. 2 bezeichneten Räumlichkeiten. Nach § 1 Nr. 6 der Gemeinschaftsordnung (GO) vom 30.11.1990 steht den jeweiligen Eigentümern der Raumeinheit Nr. 2 das alleinige Recht zu, die Teile der Umgriffsfläche, welche nicht als Zugangs- oder Zufahrtsfläche, Platz für Müllbehälter, Teppichklopfplatz usw. benötigt werden, zu nutzen. Im 1. Nachtrag vom 1.4.1992 zur Teilungserklärung wurde die Gemeinschaftsordnung dahin abgeändert, dass den jeweiligen Eigentümern der Raumeinheit Nr. 3 das Recht zusteht, die nach dem der Urkunde beigefügten Plan grün dargestellte unbebaute Grundstücksfläche (ca. 100 m²) östlich des Wohngebäudes und südlich des Garagengebäudes unter Ausschluss der übrigen Eigentümer als Garten zu nutzen.

Die Beteiligten streiten um die Abgrenzung ihrer Nutzungsrechte. Die Antragsteller beanspruchen für sich das Sondernutzungsrecht mit einer westlichen Grenze unmittelbar an der östlichen Außenmauer des Wohngebäudes und mit einer südlichen Grenze über die verlängerte Gerade der Gebäudeaußenwand hinaus bis zur Höhe des Dachüberstands. Deshalb begehrten sie insoweit die Entfernung eines im südlichen Bereich von den Antragsgegnern errichteten Gartenzauns. Demgegenüber sind die Antragsgegner der Meinung, das Sondernutzungsrecht werde südlich des an der Ostfassade vorhandenen Erkervorbaus begrenzt durch eine vom bestehenden Dachüberstand gekennzeichnete, parallel zur Gebäudeaußenmauer verlaufende Gerade. Südlich verlaufe die Grenze dagegen in der Flucht zur Gebäudeaußenwand.

Das Amtsgericht hat in seinem Beschluss vom 9.11.1999 festgestellt, dass das Sondernutzungsrecht der Antragsteller an der westlichen Grenze entgegen dem der Nachtragsurkunde beigefügten Plan bis zur Hauswand und nicht nur bis zum Dachüberstand reicht; ferner hat es den Antrag auf Entfernung des Gartenzauns abgewiesen. Das Landgericht hat auf Beschwerde und Anschlussbeschwerde mit Beschluss vom 27.9.2000 entschieden, dass die Antragsgegner den Gartenzaun im südlichen Bereich zu entfernen haben; den Antrag auf Feststellung des Grenzverlaufs im westlichen Bereich unmittelbar an der Hauswand hat das Landgericht abgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Antragsteller.

II.

Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Die Grenze des Sondernutzungsrechts der Antragsteller verlaufe im westlichen Bereich nicht entlang der Hausmauer. Die Erklärungen in der maßgeblichen Notarsurkunde einschließlich der Einzeichnungen in dem beigefügten Plan seien der Auslegung zugänglich und auch bedürftig. Zwar habe der Dachüberstand laut Plan ein Ausmaß von nur 46 cm, während er nach der Bauausführung ca. 1,1 m betrage. Neben der Möglichkeit, dass die Linie nur versehentlich dem Dachüberstand entsprechend eingezeichnet worden sei, komme jedoch auch die Auslegung in Betracht, dass die Grenze des Sondernutzungsrechts der tatsächliche und den Beteiligten aus der Bauausführung bekannte Dachüberstand bilden solle. Nach dem Inhalt der beurkundeten Erklärung solle die Grenze gerade nicht entlang der Hausmauer, sondern entlang des Dachüberstands verlaufen. Einen Fehler des Notars bei der Einzeichnung der Grenzlinie anzunehmen, erscheine lebensfremd. Hinzu komme, dass die Hausmauer eine Terrassentür aufweise, die von dem Sondereigentum der Antragsgegner aus in den mit dem Sondernutzungsrecht belegten Gartenteil führe. Weniger bedeutsam sei dagegen das Verhalten der Antragsgegner, die an der Hausmauer einen Spalierbaum gepflanzt hätten, was auch mit deren Neigung zusammenhängen könne, sich in dem Anwesen möglichst viel Raum zur Nutzung anzumaßen. Gleiches gelte für den Zaunb4u der Antragsgegner im südlichen Grenzbereich nicht auf Höhe des südlichen Überstands, sondern bereits auf Höhe der südlichen Außenmauer. Gerade insoweit falle auf, dass der der Urkunde beigefügte Plan deutlich zwischen Dachüberstand und Hausmauer unterscheide. Etwas anderes ergebe sich auch nicht daraus, dass der Dachüberstand laut Plan nur 46 cm betrage. Vielmehr sei der tatsächliche Dachüberstand von 1,1 m, der den damals an der Beurkundung Beteiligten bekannt gewesen sein müsse, zugrunde zu legen. Ein solcher Streifen ergebe im Hinblick auf Baumassnahmen am Gemeinschaftseigentum durchaus Sinn.

2. Im Ergebnis hält die landgerichtliche Entscheidung der rechtlichen Überprüfung stand.

a) Die auf § 551 Nr. 1 ZPO gestützte Rüge der fehlerhaften Besetzung des Beschwerdegerichts in der dem Beschluss vorausgegangenen mündlichen Verhandlung vom 9.8.2000 geht fehl. Denn anders als im Zivilprozess ergehen Entscheidungen in Wohnungseigentumssachen nicht "aufgrund mündlicher Verhandlung". Es ist daher nicht erforderlich, dass die Entscheidung von den Richtern getroffen wird, die an der mündlichen Verhandlung teilgenommen haben (BayObLGZ 1990, 173/175; BayObLG Beschluss vom 23.1.2001, 2Z BR 116/00).

b) Gegenstand und Inhalt des den Antragstellern nach § 3 Abs. 1, § 5 Abs. 4, § 7 Abs. 3, Abs. 4 Nr. 1, § 8 Abs. 2 Satz 1 WEG als Eigentümern der Wohnung Nr. 2 eingeräumten Sondernutzungsrechts an der Gartenfläche ergeben sich aus der Eintragung im Grundbuch, welche Bezug nimmt auf die vertragliche Einräumung dieses Rechts. Das Rechtsbeschwerdegericht kann den Inhalt des Grundbuchs sowie die in der Eintragung zulässigerweise in Bezug genommene Eintragungsbewilligung samt Anlagen, insbesondere Lageplänen (dazu grundsätzlich Schneider Rpfleger 1998, 9/15), selbständig auslegen. Abzustellen ist grundsätzlich auf den Wortlaut und den Sinn der in Bezug genommenen Eintragungsbewilligung, wie sie sich für einen unbefangenen Betrachter als nächstliegende Bedeutung des Eingetragenen ergeben. Umstände außerhalb dieser Urkunden dürfen zur Ermittlung von Inhalt und Umfang eines Grundstückerechts nur insoweit herangezogen werden, als sie nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalls für jedermann ohne weiteres erkennbar sind (st. Repr.; siehe nur BayObLG ZMR 1999, 773; BayObLG Beschluss vom 5.1.2001, 2Z BR 125/00). Darauf, was der Bewilligende gewollt hat, kommt es nicht an (Demharter GBO 23. Aufl. § 19 Rn. 28, § 53 Rn. 4, § 78 Rn. 17). Deshalb verlangt es die Amtsermittlungspflicht (§ 43 Abs. 1 WEG, § 12 FGG), den zur Bestimmung des strittigen Rechts maßgeblichen Grundbuchinhalt festzustellen. Dazu sind im Regelfall die Grundakten beizuziehen (vgl. auch BayObLG NJW-RR 1996, 1038 f.). Jedoch liegt es in der Verantwortung des Instanzgerichts, welche Beweismittel es auswählt (Keidel/ Kayser FGG 14. Aufl. § 12 Rn. 175). Deshalb konnte das Landgericht hier anhand der vorgelegten Urkunden, namentlich der Teilungserklärung vom 30.11.1990 sowie deren Nachträge, und des insoweit damit in Einklang stehenden übereinstimmenden Vortrags der Beteiligten davon ausgehen, dass die Eintragungen im Grundbuch den aus den Urkunden ersichtlichen Bewilligungen entsprechen. Auch der Senat legt für die Bestimmung des Sondernutzungsrechts die Eintragungsbewilligungen samt Plananlagen zu den Urkunden vom 30.11.1990 und 1.4.1992 zugrunde. Soweit dem (nicht einschlägigen) 2. Nachtrag vom 4.5.1992 ein weiterer Lageplan mit der eingezeichneten gegenständlichen Sondernutzungsfläche beigefügt ist, entspricht dieser in dem hier strittigen Grenzverlauf dem Lageplan im 1. Nachtrag. Dass sich noch ein weiterer von den vorgelegten Kopien - abgesehen von der Einfärbung - abweichender Lageplan bei den Grundakten befindet, kann ausgeschlossen werden.

c) Das streitige Sondernutzungsrecht beschreibt sich danach als unbebaute Grundstücksfläche von ca. 100 m², welche durch eine auf dem der Urkunde beigefügten Plan grün dargestellte Linie umrissen wird. Dieser Plan weist für den strittigen westlichen Teil südlich des Erkers die Grenze nicht an der mit Strichelung gekennzeichneten östlichen Gebäudewand, sondern an der durch den Dachüberstand gekennzeichneten und weiter östlich verlaufenden Geraden aus. Damit deckt sich auch die Linienführung an der südlichen Grenze in der gedachten Verlängerung des Dachüberstands nach Osten hin. Weil die Auslegung nach objektiven Kriterien vorgenommen werden muss, ist es ohne ausschlaggebende Bedeutung, was die Erklärenden gewollt haben (Demharter aaO; Weitnauer/Lüke WEG 8. Aufl. § 10 Rn. 44). Auch auf die Vorstellungen des Urkundsnotars kommt es nicht an (BayObLG aaO). Lageplan und Beschrieb lassen sich hier ohne Widerspruch in Einklang bringen, zumal auch aus § 1 Nr. 6 GO ersichtlich ist, dass den Eigentümern des Wohnungseigentums Nr. 2.die Teile der Umgriffsfläche zur Sondernutzung zustehen sollen, welche nicht als gemeinschaftliche Flächen benötigt werden. Eine solche Umgriffsfläche ist der gegenständliche Grundstücksstreifen, der es zudem nach dem beigefügten Kellergrundriss dem Eigentümer des Wohnungseigentums Nr. 2 ermöglicht, die in der Schwimmhalle befindliche östliche Außentüre zu nutzen. Nächstliegende Bedeutung der in das Grundbuch eingetragenen Gemeinschaftsordnung ist darüber hinaus, dass der tatsächliche Dachüberstand von ca. 1,1 m des bei der maßgeblichen ersten Änderung der Teilungserklärung schon im wesentlichen fertiggestellten Gebäudes die Grenze bildet, nicht aber eine gedachte Linie entsprechend dem nach Plan vorgesehenen überstand von nur 46 cm. Denn der die Sondernutzungsfläche I beschreibende Plan enthält weder einen Maßstab noch sonstige Maßangaben. Dass schließlich im nordwestlichen Teil der Gartenfläche die Grenze zum Gebäude nicht anhand des Dachüberstands, sondern anhand anderer Kriterien wie Erker-Außenwand und östliche Mauerung des Treppenabgangs bestimmt wird, stellt keinen Widerspruch dar, sondern bietet sich nach dem Lageplan als nächstliegende Möglichkeit an.

Schließlich kann diese Auslegung auch nicht mit der Regelung zum Grenzverlauf im Norden der Sondernutzungsfläche in Frage gestellt werden. Während dort das Sondernutzungsrecht selbst durch ein Gehrecht der übrigen Wohnungseigentümer flächenmäßig eingeschränkt ist, betrifft die Regelung im westlichen Bereich nur die Grenzziehung. Dass im nördlichen Bereich unterhalb des dortigen Dachüberstands eine Fläche vorhanden gewesen wäre, die zur Wegeführung ausgereicht hätte, mag zutreffen. Das ist jedoch schon deshalb kein Argument gegen den Dachüberstand als Grenzlinie, weil es auch dort um die Abgrenzung zur Ungriffsfläche als Sondernutzungsfläche geht, die dem Eigentümer der Wohnung Nr. 2 zugewiesen ist. Insoweit bedurfte es für das Gehrecht einer gesonderten Vereinbarung entweder zu Lasten des einen oder aber zu Lasten des anderen Sondernutzungsberechtigten.

3. Der Senat ändert die Kostenentscheidungen der Vorinstanzen ab. In erster und zweiter Instanz ging es der Sache nach um zwei Grundstücksstreifen, deren Zugehörigkeit zur Sondernutzungsfläche der Antragsteller strittig war. Die Antragsteller haben hinsichtlich der einen - südlich gelegenen - kleineren Teilfläche mit ihrem Begehren, den Gartenzaun zu entfernen, obsiegt. Das Interesse der Beteiligten an der Zuordnung des westlichen - im übrigen größeren - Grundstücksstreifens ist wegen des dortigen Gebäudezugangs und der gärtnerischen Nutzungsmöglichkeiten höher zu veranschlagen. Es erscheint dem Senat deshalb angemessen, den Antragstellern 2/3 und den Antragsgegnern 1/3 der Gerichtskosten je samtverbindlich aufzuerlegen.

Bei den in erster und zweiter Instanz entstandenen Auslagen belässt es der Senat bei dem Grundsatz, dass jeder der Beteiligten seine außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen hat. Dies bietet sich gerade dann an, wenn, wie hier, in erster und zweiter Instanz gegensätzliche Sachentscheidungen, ergangen sind.

Für die Rechtsbeschwerdeinstanz ist es dagegen angemessen, dass die unterlegenen Antragsteller samtverbindlich auch den Antragsgegnern deren außergerichtliche Kosten zu erstatten haben.

4. Der nicht nach § 30 Abs. 1 KostO, sondern nach § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG festzusetzende Geschäftswert beläuft sich für die Rechtsbeschwerdeinstanz auf 2800 DM, für die vorangegangenen Instanzen auf jeweils 4500 DM. Auch wenn sich jeder starre Schematismus verbietet, kann doch neben anderen Faktoren der Grundstückswert einen wichtigen Anhaltspunkt für die Wertfestsetzung bilden. Im konkreten Fall ist dabei mindernd zu berücksichtigen, dass nicht das Eigentum, sondern nur die ausschließliche Nutzung der beiden Flächen von knapp 5 m² und rund 8 m² in Streit steht.

Ende der Entscheidung

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