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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 18.08.2004
Aktenzeichen: 2Z BR 114/04
Rechtsgebiete: WEG, ZPO


Vorschriften:

WEG § 28
ZPO § 253
1. Für die gerichtliche Geltendmachung einer Wohngeldforderung durch die Wohnungseigentümer ist es notwendig, aber auch ausreichend, dass die beteiligten Wohnungseigentümer so klar bezeichnet sind, dass keine Zweifel an ihrer Stellung und Identität aufkommen können und dass aus der Bezeichnung sich für jeden Dritten die Beteiligten ermitteln lassen. Eine Unrichtigkeit der zur Identifizierung der Wohnungseigentümer beigefügten Eigentümerliste kann im Allgemeinen in jeder Lage des Verfahrens berichtigt werden.

2. Soll eine Sonderumlage erhoben werden, setzt die Zahlungspflicht einen Eigentümerbeschluss über den Gesamtbetrag der Umlage und über dessen betragsmäßige Verteilung auf die einzelnen Wohnungseigentümer voraus. Fehlt der Verteilungsschlüssel, sind die Wohnungseigentümer zur Zahlung nicht verpflichtet.

3. Nimmt die Niederschrift über die Eigentümerversammlung zum Tagesordnungspunkt "Erhebung einer Sonderumlage" auf eine beiliegende Liste Bezug und verweist zudem auf die Einladung mit einem entsprechenden Vorschlag, kommen zur ergänzenden Auslegung des Beschlussinhalts grundsätzlich auch jene Unterlagen in Betracht.


Gründe:

I.

Die Beteiligten sind die Wohnungseigentümer einer Wohnanlage. Dem Antragsgegner gehören in der Anlage zwei Gewerbeeinheiten sowie sechs Tiefgaragenstellplätze.

Die Antragsteller, vertreten durch die Verwalterin, diese vertreten durch bevollmächtigte Rechtsanwälte, verlangen vom Antragsgegner rückständiges Wohngeld aus der Jahresabrechnung 1999 sowie Vorschusszahlungen für die Jahre 2000 und 2001 aus dem Wirtschaftsplan 2000, ferner eine Sonderumlage. Der geforderte Gesamtbetrag von 13.884,93 EURO setzt sich wie folgt zusammen:

aus der Jahresabrechnung für das Jahr 1999: 1.765,14 DM

aus dem Wirtschaftsplan für das Jahr 2000: 6.988,90 DM

aus dem fort geltenden Wirtschaftsplan 2000 für das Jahr 2001: 5.868,-- DM

aus dem bestandskräftigen Sonderumlagenbeschluss vom 18.4.2000 12.554,52 DM

27.176,56 DM = 13.884,93 EURO

Der Eigentümerbeschluss vom 18.4.2000 über die Sonderumlage (TOP 07.05) hat folgenden Wortlaut:

Die Eigentümerversammlung beschloss mit ... Miteigentumsanteilen dafür und ... Miteigentumsanteilen dagegen ... eine Sonderumlage in Höhe von DM 200. 000,-in zwei Raten abzurufen. Die Fälligkeit und Höhe der einzelnen Raten werden seitens der Verwaltung festgelegt und den jeweiligen Eigentümern rechtzeitig mitgeteilt.

Die maßgebliche Teilungserklärung ermächtigt den Verwalter mit Wirkung für und gegen alle Sondereigentümer und deren Rechtsnachfolger, die Beitreibung fälliger Leistungen zu besorgen und dazu Untervollmacht zu erteilen.

Das Amtsgericht hat dem Antrag mit Beschluss vom 27.1.2003 stattgegeben. Die sofortige Beschwerde des Antragsgegners hat das Landgericht am 30.7.2003 zurückgewiesen. Auf die sofortige weitere Beschwerde des Antragsgegners hat der Senat mit Beschluss vom 10.2.2004 den Beschluss des Landgerichts aufgehoben und die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Landgericht zurückverwiesen (2Z BR 230/03). Beanstandet hat der Senat neben der fehlenden Eigentümerliste, dass die Vorinstanzen die Vertretungsbefugnis der Verwalterin nicht geprüft haben. Das Landgericht hat nach mündlicher Verhandlung am 7.4.2004 die sofortige Beschwerde erneut mit Beschluss vom 13.4.2004 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde des Antragsgegners.

II.

Das Rechtsmittel des Antragsgegners ist teilweise begründet.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Für die Antragsteller liege eine Eigentümerliste vor. Die Verwalterin sei für die Antragsteller vertretungsbefugt. Das folge aus § 27 Abs. 2 Nr. 5 WEG und der einschlägigen Regelung in der Teilungserklärung. Ob in den mit den einzelnen Wohnungseigentümern abgeschlossenen Verwalterverträgen eine entsprechende Bevollmächtigung enthalten sei, spiele keine Rolle mehr.

Soweit der Antragsgegner Einwendungen gegen die Hausgeldabrechnung und die Vorschussanforderungen erhebe, könne er damit nicht gehört werden. Die maßgeblichen Beschlüsse der Wohnungseigentümer über die Jahresabrechnung und den Wirtschaftsplan hätte er anfechten müssen. Sollte dies geschehen sein, bildeten derartige Beschlussanfechtungen nicht den Gegenstand dieses Verfahrens.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält nicht in vollem Umfang der rechtlichen Nachprüfung stand.

a) Der Beschluss des Landgerichts enthält keine ausdrückliche Sachdarstellung, sondern nur einen unbeschränkten Verweis auf den Akteninhalt. Das entspricht nicht § 44 Abs. 4 Satz 2 WEG, § 25 FGG. Gleichwohl ist der Beschluss noch einer Überprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht zugänglich, weil er, wie schon die vorausgegangene vom Senat aufgehobene Entscheidung, ersichtlich von dem formal unstreitigen Zahlenwerk der Antragsteller in den Abrechnungen aufgrund der Eigentümerbeschlüsse vom 18.4.2000 sowie der Verwalterabrechnung zur Sonderumlage ausgeht.

b) Die Antragsbefugnis steht grundsätzlich demjenigen zu, der nach materiellem Recht Inhaber des geltend gemachten Anspruchs ist (Niedenführ/Schulze WEG 6. Aufl. § 43 Rn. 20). Das sind für Wohngeldforderungen die Wohnungseigentümer in ihrer Gesamtheit (BGHZ 111, 148), jedoch ausgenommen der Antragsgegner als Schuldner der Forderung. Die dem Beschluss des Landgerichts beigefügte Liste (dort S. 5 unten) weist auch den Antragsgegner aus. Dies kann berichtigt werden, indem der Antragsgegner aus der dem Beschluss des Landgerichts beigefügten Eigentümerliste herausgenommen wird (BGHZ 142, 290/292).

Die genaue Bezeichnung der Wohnungseigentümer ist u.a. erforderlich für die Individualisierung und Konkretisierung der Beteiligten bei der Einleitung des Verfahrens. Denn die Antragsschrift entspricht der Klageschrift im streitigen Verfahren. Deshalb ist § 253 Abs. 2 Nr. 1 ZPO entsprechend heranzuziehen. Insofern berücksichtigt die vom Landgericht verwendete aktuelle Liste (Stand: Februar 2004) nicht, dass es für die Beteiligteneigenschaft auf den Zeitpunkt der Verfahrenseinleitung, also März 2002, ankommt. Letztlich ist dieser Mangel ebenfalls nicht erheblich, weil für den Verfahrensantrag bereits die vereinfachte und unmissverständliche Kurzbezeichnung einer Wohnungseigentümergemeinschaft genügt, ohne dass alle Wohnungseigentümer einzeln und namentlich aufgeführt zu werden brauchen (BGH NJW 1977, 1686 f.; WE 1990, 84; Staudinger/Wenzel WEG Vorbem. zu §§ 43 ff. Rn. 24; jüngst BayObLGZ 2004,Nr. 30). Denn als Gläubiger sind die beteiligten Wohnungseigentümer unschwer und zweifelsfrei über das Wohnungsgrundbuch zu ermitteln; die Bezeichnung der Antragstellerseite kann auch im weiteren Verfahren, sofern notwendig, jederzeit ergänzt wie berichtigt werden.

c) Die Wohnungseigentümer werden durch die im Verfahren auftretenden anwaltlichen Bevollmächtigten wirksam vertreten, denen ihrerseits durch den Verwalter wirksam Vollmacht erteilt wurde. Dies folgt, wie das Landgericht rechtsfehlerfrei festgestellt hat, aus der Gemeinschaftsordnung (§ 8 Nr. 6 Satz 2). Die im Grundbuch als Inhalt des Sondereigentums eingetragene Vereinbarung der Wohnungseigentümer wirkt auch gegenüber Sonderrechtsnachfolgern (§ 10 Abs. 3 WEG).

d) Die Wohngeldforderungen für die Kalenderjahre 1999, 2000 und 2001 sind begründet (§ 16 Abs. 2 WEG i.V.m. § 28 Abs. 2 und Abs. 5 WEG). Ob die Beschlüsse über die Jahresabrechnung 1999 und den Wirtschaftsplan 2000 gerichtlich angefochten wurden, ist unerheblich. Denn erst eine rechtskräftige Ungültigerklärung nach § 23 Abs. 4 WEG i.V.m. § 45 Abs. 2 WEG hat deren rückwirkende Ungültigkeit zur Folge (BGHZ 106, 113/116). Dazu ist nichts ersichtlich.

Die Antragsteller können ihre Zahlungsansprüche für die Jahre 2000 und 2001 auf den Wirtschaftsplan 2000 stützen, für dessen Nichtigkeit keine Anhaltspunkte bestehen. Der Wirtschaftsplan enthält eine zulässige Fortgeltungsklausel für den Folgezeitraum bis zur Beschlussfassung über den neuen Wirtschaftsplan (vgl. BayObLG WuM 2003, 293; Niedenführ/Schulze § 28 Rn. 13). Die Antragsteller haben berücksichtigt, dass die Vorschusspflicht für das Jahr 2000 insoweit entfällt, als der sich aus der beschlossenen Jahresabrechnung für das maßgebliche Jahr ergebende Deckungsbeitrag die Vorschusssumme unterschreitet (BGHZ 131, 228/231; BayObLG NJW-RR 2001, 659; Palandt/Bassenge BGB 63. Aufl. § 28 Rn. 6). Hinsichtlich des offenen Rests kann die Forderung, auch wenn eine Jahresabrechnung vorliegt, weiter auf den Wirtschaftsplan gestützt werden (vgl. BGH NJW 1994, 1866/1867; OLG Hamm NZM 2000, 139/141; siehe auch Deckert ZMR 2004, 371 f.).

d) Keinen Bestand hat die landgerichtliche Entscheidung jedoch, soweit sie den Anspruch auf Zahlung der Sonderumlage bestätigt.

Ob die Sonderumlage auf der Grundlage des Eigentümerbeschlusses vom 18.4.2000 verlangt werden kann, lässt sich nicht abschließend feststellen. Der Beschluss weist in seinem Text zwar die Gesamtsumme des zu erhebenden Betrags aus und ist insoweit auch nicht nichtig; er enthält jedoch nicht den maßgeblichen Kostenverteilungsschlüssel und somit die den einzelnen Wohnungseigentümer treffende Kostenquote (vgl. BayObLG WuM 2003, 101; WuM 2003, 103; siehe auch BayObLG Beschluss vom 18.3.2004, 2Z BR 249/03 = WE 2004, 53). Fehlt diese und ist ihre Angabe nicht ausnahmsweise entbehrlich (BayObLG WuM 2003, 101/102), ist der Wohnungseigentümer auch ohne Ungültigerklärung des Umlagebeschlusses zur Zahlung nicht verpflichtet (BayObLG WuM 2003, 103).

Der Senat sieht sich an einer abschließenden Entscheidung dennoch gehindert, weil nicht auszuschließen ist, dass die Ausweisung der konkreten Zahlungspflicht des einzelnen Wohnungseigentümers schon im Beschlusstext selbst sich hier als entbehrlich erweisen kann. Dazu bedarf es jedoch noch weiterer tatsächlicher Aufklärung nach § 12 FGG, die der Senat als Rechtsbeschwerdegericht nicht leisten kann.

(1) Gemäß dem Protokoll der Eigentümerversammlung fand die Beschlussfassung zur Umlagenerhebung "laut beiliegender Liste zur Finanzierung" von verschiedenen, zuvor beschlossenen Sanierungsmaßnahmen statt. Es ist nicht auszuschließen, dass diese bisher nicht bei den Akten befindliche Liste auch Angaben über die Aufteilung des Sonderumlagenbetrags unter die Wohnungseigentümer enthält.

(2) Im Protokoll ist weiterhin festgehalten, dass mit der Einladung zur Versammlung der Vorschlag einer Sonderumlage zugesandt wurde. Es liegt nicht fern, dass die Einladung auch Angaben zur Kostenverteilung enthält. Unter bestimmten Umständen (siehe BayObLG ZMR 2003, 691) hat es der Senat für zulässig angesehen, zur Auslegung des Eigentümerbeschlusses ergänzend das Einladungsschreiben heranzuziehen.

Enthalten die vom Landgericht beizuziehenden Schriftstücke Angaben zur Kostenverteilung, dürfte es unter den gegebenen Umständen ausreichend sein, wenn lediglich der Verteilungsschlüssel angegeben ist und der Wohnungseigentümer hieraus den auf ihn entfallenden Teilbetrag durch eine einfache Rechenoperation ermitteln kann (BayObLG NZM 1998, 337; BayObLG FGPrax 1997, 19).

e) Den Ausspruch über die Verfahrenszinsen stellt der Senat entsprechend dem gesetzlichen Wortlaut klar (§ 288 Abs. 1 Satz 2, § 291 ZPO analog).

3. Eine Kostenentscheidung ist an dieser Stelle nicht veranlasst; sie ist dem Landgericht vorzubehalten, das überdies auch erneut über die Kosten des vorangegangenen Rechtsbeschwerdeverfahrens (2Z BR 230/03) zu befinden hat.

Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG.



Ende der Entscheidung

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