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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 08.03.2001
Aktenzeichen: 2Z BR 115/00
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 26
Entsprechend den für die Abberufung eines Verwalters geltenden Grundsätzen liegt ein gegen seine Wiederbestellung sprechender wichtiger Grund vor, wenn den Wohnungseigentümern unter Berücksichtigung aller, nicht notwendig vom Verwalter verschuldeter Umstände eine Fortsetzung der Zusammenarbeit mit ihm nicht mehr zugemutet werden kann, insbesondere weil das erforderliche Vertrauensverhältnis zerstört ist
BayObLG Beschluss

LG Nürnberg-Fürth 14 T 5525/00; AG Hersbruck UR II 9/00

2Z BR 115/00

08.03.01

Der 2. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Reichold sowie der Richter Werdich und Lorbacher am 8. März 2001

in der Wohnungseigentumssache

wegen Ungültigerklärung eines Eigentümerbeschlusses,

beschlossen:

Tenor:

I. Die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 10. Oktober 2000 wird zurückgewiesen.

II. Die Antragsgegnerin hat die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.

III. Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 13920 DM festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller und die Antragsgegnerin sind die Eigentümer einer aus drei Wohnungen und einem Teileigentum bestehenden Anlage. Der Antragsgegnerin gehört das Teileigentum Nr. 1, dem Antragsteller gehören die in der Teilungserklärung vom 19.1.1994 mit den Nrn. 2, 3 und 4 bezeichneten Wohnungen. Gemäß § 11 Abs. 3 der Gemeinschaftsordnung hat der Eigentümer der Einheit Nr. 1 in der Eigentümerversammlung drei Stimmen und jeder Eigentümer der Wohnungen Nr. 2 bis 4 eine Stimme.

Zwischen dem Antragsteller und der Antragsgegnerin traten Meinungsverschiedenheiten auf. Durch Beschluss des Amtsgerichts vom 13.11.1997 wurde die weitere Beteiligte, die Rechtsanwältin von Beruf ist, für die Zeit bis 31.12.2000 zur Verwalterin der Anlage bestellt. Im Juni 1999 beantragte der Antragsteller beim Amtsgericht, mehrere Eigentümerbeschlüsse für ungültig zu erklären, die mit den Stimmen der Antragsgegnerin in der Versammlung vom 20.5.1999 gefasst worden waren. In jenem Verfahren bestellte sich die weitere Beteiligte mit Schriftsatz vom 20.7.1999 als Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin und beantragte die Abweisung der Anträge des Antragstellers.

Am 15.3.2000 fand eine Eigentümerversammlung statt, an der der Antragsteller und die Antragsgegnerin teilnahmen. Als Tagesordnungspunkt (TOP) 5 wurde der Ablauf der Verwalterbestellung und die Neubestellung des Verwalters behandelt. Der Versammlungsniederschrift zufolge erklärte die weitere Beteiligte, ihre gerichtliche Bestellung laufe zum 31.12.2000 ab. Die Eigentümer hätten deshalb die Wahl, nunmehr einvernehmlich einen Verwalter zu bestellen oder erneut eine gerichtliche Entscheidung herbeizuführen. Die Antragsgegnerin stimmte für eine Neubestellung der weiteren Beteiligten bis zum 31.12.2005. Der Antragsteller enthielt sich der Stimme.

Der Antragsteller hat beim Amtsgericht beantragt, den Eigentümerbeschluss zu TOP 5 für ungültig zu erklären. Das Amtsgericht hat dem Antrag mit Beschluss vom 24.5.2000 stattgegeben. Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin hat das Landgericht am 10.10.2000 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich ihre sofortige weitere Beschwerde.

II.

Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Der Antrag auf Ungültigerklärung eines Eigentümerbeschlusses setze in der Regel nicht den Nachweis eines besonderen Rechtsschutzbedürfnisses voraus. Die Stimmenthaltung des Antragstellers dürfe nicht zu einem Verlust des Anfechtungsrechts führen. Offensichtlich sei er sich der Tragweite seiner Stimmenthaltung nicht bewusst gewesen.

Die weitere Beteiligte könne nicht für weitere fünf Jahre als Verwalterin der Anlage tätig sein. Die Gemeinschaft bestehe nur aus dem Antragsteller und der Antragsgegnerin. In einem früheren Verfahren habe die weitere Beteiligte mit Schriftsatz vom 20.7.1999 die Eigentümergemeinschaft und damit im Ergebnis allein die Antragsgegnerin gegen den Antragsteller vertreten. Dies könne nicht als Maßnahme ordnungsmäßiger Verwaltung angesehen werden, wenn eine Gemeinschaft nur aus zwei Mitgliedern bestehe. Denn in einem solchen Fall ergebe sich bei einem Verfahren der Gemeinschaft gegen eines ihrer Mitglieder faktisch ein Streitverhältnis zwischen zwei Personen.

Es liege auf der Hand, dass in einem solchen Fall das zwischen den Wohnungseigentümern und der Verwalterin erforderliche Vertrauensverhältnis zerstört sei.

Die Kammer gehe davon aus, dass die weitere Beteiligte ihren Verwalterpflichten ordnungsgemäß nachgekommen sei und dass sie sich nach wie vor um das Vertrauen des Antragstellers bemühe. Eine Verletzung vertraglicher Pflichten sei aber für die Störung des Vertrauensverhältnisses nicht erforderlich.

Die Antragsgegnerin könne sich nicht darauf berufen, dass der Schriftsatz vom 20.7.1999 zeitlich vor dem angefochtenen Eigentümerbeschluss liege. Die Zerstörung des Vertrauensverhältnisses wirke über den Zeitpunkt der Beschlussfassung hinaus fort.

2. Die angefochtene Entscheidung ist frei von Rechtsfehlern.

a) Das Rechtsschutzbedürfnis des Antragstellers für die Anfechtung des Eigentümerbeschlusses über die Verwalterbestellung hat das Landgericht zutreffend bejaht. Grundsätzlich reicht für die Anfechtung das Interesse eines Wohnungseigentümers aus, eine ordnungsmäßige Verwaltung zu erreichen (BayObLG WE 1995, 89/90 und st.Repr.; Staudinger/Wenzel WEG Vorbem. zu §§ 43 ff. Rn. 64). Deshalb kann in der Regel auch derjenige Wohnungseigentümer einen Beschluss anfechten, der in der Versammlung selbst zugestimmt hat (BayObLG NJW-RR 1997, 715/717 m.w.N.; BayObLGZ 1992, 79/83). Die Geltendmachung des Anfechtungsrechte kann allerdings im Einzelfall rechtsmissbräuchlich und damit unzulässig sein. Dies kommt hier jedoch schon deswegen nicht in Betracht, weil das Landgericht ohne Verfahrensfehler und damit für das Rechtsbeschwerdegericht bindend (§ 27 Abs. 1 Satz 2 FGG, § 561 Abs. 2 ZPO) festgestellt hat, dass der Antragsteller sich der Tragweite seiner Stimmenthaltung nicht bewusst gewesen sei.

b) Die Beschlussfassung über die Verwalterbestellung muss sich wie alle Verwaltungsmaßnahmen im Rahmen ordnungsmäßiger Verwaltung halten, darauf hat jeder einzelne Wohnungseigentümer. Nach § 21 Abs. 3, Abs. 4 WEG Anspruch. Die Bestellung eines Verwalters verstößt gegen diese Grundsätze, wenn ein wichtiger Grund vorliegt, der gegen die Wahl dieses Verwalters spricht (BayObLGZ 1997, 148/152). Ob ein wichtiger Grund vorliegt, ist sowohl eine Tat- als auch eine Rechtsfrage (BayObLG WUM 2000, 689; Staudinger/Bub § 26 Rn. 392).

(1) Die Tatsachenfeststellungen des Landgerichts sind rechtsfehlerfrei getroffen und damit für das Rechtsbeschwerdegericht bindend. Insbesondere hat das Landgericht berücksichtigt, dass als Grund gegen die Wiederbestellung eines Verwalters nur Tatsachen vorgebracht werden können, die im Zeitpunkt der Beschlussfassung bereits vorgelegen haben (BayObLG, Staudinger/Bub, jeweils aaO).

(2) Ob die festgestellten Umstände die Merkmale eines wichtigen Grundes erfüllen, ist eine Rechtsfrage, die der Nachprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht unterliegt. Entsprechend den für die Abberufung eines Verwalters geltenden Grundsätzen liegt ein gegen seine Wiederbestellung sprechender wichtiger Grund vor, wenn den Wohnungseigentümern unter Berücksichtigung aller, nicht notwendig vom Verwalter verschuldeter Umstände eine Fortsetzung der Zusammenarbeit mit ihm nicht mehr zugemutet werden kann, insbesondere weil das erforderliche Vertrauensverhältnis zerstört ist. Im Einzelfall können diese Voraussetzungen auch bei der nachhaltigen Störung des Vertrauensverhältnisses nicht nur zu der Gesamtheit der Wohnungseigentümer, sondern auch zu einzelnen Wohnungseigentümern oder einer Gruppe von ihnen gegeben sein (BayObLGZ 1998, 310/312 f. m.w.N.).

(3) Das Vorliegen eines wichtigen Grundes hat das Landgericht ohne Rechtsfehler bejaht. Dabei hat es zu Recht auf die Besonderheiten einer aus nur zwei Personen bestehenden Eigentümergemeinschaft abgestellt, bei der unterschiedliche Auffassungen über die Belange der Eigentümergemeinschaft stets auf einen Interessengegensatz zwischen den beiden Wohnungseigentümern hinauslaufen. Bei einer aus zwei Personen bestehenden Eigentümergemeinschaft wird das Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer, das der Verwalter wahrzunehmen hat, (BayObLGZ 1997, 148/153), beim Bestehen eines Interessengegensatzes in der Regel mit dem Interesse des einen Wohnungseigentümers übereinstimmen, dem Interesse des anderen aber zuwiderlaufen.

Diese besonderen Verhältnisse hat die weitere Beteiligte nicht berücksichtigt, als sie sich in einem Verfahren, betreffend die Ungültigerklärung von Eigentümerbeschlüssen mit Schriftsatz vom 20.7.1999 zur anwaltlichen Vertreterin der Antragsgegnerin bestellte, die die angefochtenen Beschlüsse mit den auf ihr Teileigentum entfallenden Stimmen allein gefasst hatte. Der Antragsteller hat entgegen dem nunmehrigen Vorbringen der Antragsgegnerin in jenem Verfahren mit Schriftsatz vom 16.8.1999 zum Ausdruck gebracht, dass er das Verhalten der weiteren Beteiligten als Parteinahme zugunsten der Antragsgegnerin empfinde. In Anbetracht dessen ist es aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, dass das Landgericht von einer Zerstörung des Vertrauensverhältnisses zwischen der Verwalterin und dem Antragsteller ausgegangen ist, die eine weitere Zusammenarbeit unzumutbar erscheinen lässt. Dabei hat das Landgericht zutreffend berücksichtigt, dass die Wiederbestellung der weiteren Beteiligten für den höchstzulässigen Zeitraum von fünf Jahren (§ 21 Abs. 2 Satz 2 WEG) gelten sollte (vgl. Staudinger/Bub § 26 Rn. 392).

3. Der Senat hält es für angemessen, der in allen Rechtszügen unterlegenen Antragsgegnerin die gerichtlichen und die außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens aufzuerlegen (§ 47 WEG).

Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird gemäß § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG auf 13920 DM festgesetzt; dies entspricht der vereinbarten Verwaltervergütung für den Zeitraum der Wiederbestellung und der Wertfestsetzung durch das Landgericht.

Ende der Entscheidung

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