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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 30.06.2004
Aktenzeichen: 2Z BR 116/04
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 287
§ 287 ZPO ist in einem Schadensersatzverfahren nach dem Wohnungseigentumsgesetz entsprechend anwendbar.
Gründe:

I. Die Antragstellerin begehrt von den Antragsgegnern Schadensersatz aus abgetretenem Recht.

Die Zedenten waren Wohnungseigentümer in einer Wohnanlage, deren übrige Wohnungseigentümer die Antragsgegner waren. Die Antragstellerin gewährte den Zedenten zwei Darlehen, die Not leidend geworden sind. Die Antragstellerin kündigte diese Darlehen mit Schreiben vom 19.11.1999 und betrieb anschließend die Zwangsvollstreckung. Wegen Wohngeldrückständen erwirkten die Antragsgegner einen bestandskräftigen Vollstreckungsbescheid über einen Hauptsachebetrag von 1.155,67 EURO nebst Zinsen, Kosten und Nebenforderungen gegen die Zedenten. Aufgrund dieses Vollstreckungsbescheids wurde eine Zwangssicherungshypothek am Wohnungseigentum der Zedenten eingetragen.

Mit notariellem Kaufvertrag vom 13.3.2001 verkauften die Zedenten das Wohnungseigentum zu einem Kaufpreis von 160.000 DM. Im Kaufvertrag ist unter anderem bestimmt, dass der Kaufpreis bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen auf ein Notaranderkonto einzuzahlen ist. Weiterhin ist in dem Vertrag bestimmt, dass eine Auszahlung seitens des Notars erst erfolgen dürfe, soweit feststehe, dass der hinterlegte Kaufpreis zur Lastenfreistellung aller grundbuchrechtlichen Belastungen ausreiche und der Antrag auf Zwangsversteigerung zurückgenommen worden sei mit einer entsprechenden Löschung in Abteilung 2 des Grundbuchs. Der Betrag von 160.000 DM wurde auf das Anderkonto einbezahlt.

Mit Schreiben vom 13.3.2001 teilte der Vertreter der Zedenten dem Antragsgegnervertreter mit, dass die Forderung der Wohnungseigentümer aus der Sicherungshypothek und dem Vollstreckungsbescheid bezahlt sei und bat um Herausgabe des Vollstreckungsbescheids. Diesen übersandte der Antragsgegnervertreter mit dem Bemerken, dass die Angelegenheit durch Zahlung erledigt sei. Nachdem der Zwangsversteigerungsvermerk im Grundbuch gelöscht war, bemühte sich die Antragstellerin mehrfach vergeblich, die Antragsgegner zur Abgabe einer Löschungsbewilligung hinsichtlich der Sicherungshypothek zu bewegen, da der Notar die Auszahlung von dem Anderkonto von einer entsprechenden Löschungsbewilligung abhängig machte.

Am 25.7.2001 forderte der Vertreter der Zedenten die Antragsgegner unter Fristsetzung bis zum 14.8.2001 auf, eine Löschungsbewilligung zu erteilen. In diesem Schreiben ist auch ausgeführt, dass sich die Antragstellerin gerichtliche Schritte und insbesondere die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen wegen der unberechtigten Verzögerung der Sache vorbehalte. Die Antragsgegner verweigerten die Abgabe der Löschungsbewilligung, da ein weiterer Zahlungsrückstand aufgelaufen sei. Nachdem auch dieser Rückstand ausgeglichen worden war, erteilten die Antragsgegner eine Löschungsbewilligung, die dem Notar am 15.2.2002 vorlag. Am 18.2.2002 übersandte der Notar einen Löschungsantrag an das Grundbuchamt. Am 29.5.2002 erfolgte die Löschung der Zwangssicherungshypothek. Am 2.8.2002 zahlte der Notar von dem Anderkonto den Kaufpreis von 160.000 DM auf ein Konto der Zedenten bei der Antragstellerin.

Die Antragstellerin hat beim Amtsgericht nach Antragsänderung beantragt, die Antragsgegner als Gesamtschuldner zu verpflichten, an die Antragstellerin 6.385,05 EURO nebst 5 % Zinsen über den Basiszinssatz aus 69.726,63 EURO seit 1.7.2002 und 10 EURO Grundbuchauszugskosten zu bezahlen. Der Schadensberechnung haben sie einen Zeitraum vom 15.6.2001 bis 1.8.2002 zugrunde gelegt und den Schaden aus einem Betrag in Höhe von 160.000 DM mit fünf Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz berechnet.

Das Amtsgericht hat den Antrag mit Beschluss vom 6.10.2003 abgewiesen. Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin hat das Landgericht am 8.4.2004 die Antragsgegner als Gesamtschuldner verpflichtet, an die Antragstellerin 3.088,37 EURO und 10 EURO Grundbuchauszugskosten zu bezahlen und die Beschwerde im Übrigen zurückgewiesen. Gegen diesen Beschluss richten sich die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegner und die Anschlussrechtsbeschwerde der Antragstellerin.

II. Die Rechtsmittel sind zulässig. Die sofortige weitere Beschwerde ist teilweise begründet. Die Anschlussrechtsbeschwerde ist unbegründet.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Der Antragstellerin stehe aus abgetretenem Recht ein Schadensersatzanspruch aus Verzug zu. Die Antragsgegner seien nach § 1144 BGB zur Erteilung der Löschungsbewilligung verpflichtet gewesen. Ein Zurückbehaltungsrecht habe ihnen nicht zugestanden. Aufgrund der Mahnung vom 25.7.2001 unter Fristsetzung bis 14.8.2001 hätten sich die Antragsgegner mit der Erteilung der Löschungsbewilligung seit 15.8.2001 in Verzug befunden. Dass sich nach vorliegender Löschungsbewilligung die Auszahlung des Kaufpreises weiter verzögert habe, sei den Antragsgegnern nicht anzulasten, da sie hierauf keinen Einfluss gehabt hätten und der lange Zeitablauf vom Vorliegen der Löschungsbewilligung bis zur Auszahlung nach Einschätzung der Kammer gemäß § 287 ZPO auch nicht geringer gewesen wäre, wenn die Antragsgegner die Löschungsbewilligung bereits bis zum 14.8.2001 erteilt hätten. Daher könne unterstellt werden, dass bei rechtzeitiger Erteilung der Löschungsbewilligung bis 14.8.2001 der Kaufpreis seitens des Notars bis zum 30.1.2002 auf ein Konto der Zedenten bei der Antragstellerin eingegangen wäre. Der Verzugsschaden der Zedenten entspreche entsprechend der von der Antragstellerin in Rechnung gestellten Zinsbelastung wegen des fehlenden Eingangs des Kaufpreises dem Zeitraum vom 31.1.2002 bis zum 2.8.2002. Dementsprechend sei den Zedenten entsprechend den Angaben des Zeugen aus einem Betrag von 69.726,63 EURO Zinsen mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz belastet worden. Dieser Betrag stehe für den Zeitraum vom 31.1.2002 bis 2.8.2002 den Zedenten und nach Abtretung der Antragstellerin als Schadensersatz zu. Die Kosten für die Erholung eines Grundbuchauszugs seien unstreitig.

Eine Verpflichtung des Notars zur Auszahlung des auf dem Anderkonto befindlichen Geldbetrags habe nicht bestanden, da der Kaufvertrag so auszulegen sei, dass die Freigabe nur erfolgen solle, wenn die Käufer lastenfreies Eigentum erwerben würden, was aber wegen der fehlenden Löschungsbewilligung nicht gewährleistet gewesen sei.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung weitgehend stand.

a) Die Rechtsbeschwerdeführer können sich nicht darauf berufen, dass der Notar auch ohne Vorliegen einer Löschungsbewilligung den auf dem Anderkonto befindlichen Betrag hätte auszahlen können und müssen. Dem steht die gegenteilige Auslegung des Kaufvertrags durch das Landgericht entgegen. Die Auslegung von Verträgen ist Sache des Tatrichters. Sie kann vom Rechtsbeschwerdegericht nach § 27 Abs. 1 FGG, § 559 ZPO nur darauf überprüft werden, ob sie nach den Denkgesetzen und der feststehenden Erfahrung möglich ist, mit den gesetzlichen Auslegungsregeln im Einklang steht, dem klaren Sinn und Wortlaut der Erklärung nicht widerspricht und alle wesentlichen Tatsachen berücksichtigt (vgl. statt aller Keidel/Meyer-Holtz FGG 15. Aufl. § 27 Rn. 49 m.w.N.).

Ein solcher Auslegungsfehler liegt nicht vor. Insbesondere entfernt sich das Landgericht mit seiner Auslegung nicht in unzulässiger Weise vom Wortlaut. Es ist rechtlich nicht zu beanstanden, dass das Landgericht den Gesamtinhalt der Urkunde herangezogen und auch darauf abgestellt hat, dass die Käufer verpflichtet waren, lastenfreies Eigentum zu verschaffen.

Die Antragstellerin oder die Zedenten trifft auch kein Mitverschulden nach § 254 BGB. Insbesondere ergibt sich die Anrechenbarkeit eines Mitverschuldens nicht aus § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB. Der Vertreter der Zedenten hat bereits mit Schreiben vom 25.7.2001 auf die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen wegen Verzögerung der Sache hingewiesen. Dass bei einem Immobilienkaufvertrag die Lastenfreistellung für die Auszahlung des Kaufpreises von Bedeutung sein kann, ist nahe liegend. Ein weiterer Hinweis war deshalb nicht erforderlich, zumal die Antragsgegner anwaltschaftlich vertreten waren.

b) Die Schadensberechnung durch das Landgericht ist bis auf einen Rechenfehler nicht zu beanstanden.

Das Landgericht hat rechtsfehlerfrei für die Schadensberechnung § 287 ZPO entsprechend herangezogen. Eine analoge Anwendung des § 287 ZPO im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit ist sachgerecht. Im Verfahren über Schadensersatzforderungen erfordert insbesondere § 12 FGG keine weitere Sachaufklärung als § 287 ZPO.

Das Ermessen des Landgerichts nach § 287 ZPO ist vom Rechtsbeschwerdegericht nur daraufhin nachprüfbar, ob das Beschwerdegericht Rechtsgrundsätze der Schadensbemessung verkannt oder seiner Schätzung unrichtige Maßstäbe zugrunde gelegt oder wesentliche Tatsachen außer Acht gelassen oder gegen Denkgesetze verstoßen hat (Reichold in Thomas/Putzo ZPO 25. Aufl. § 287 Rn. 11 m.w.N. zum Revisionsverfahren). Ein Ermessensfehlgebrauch ist nicht festzustellen. Das Landgericht musste einen fiktiven Geschehensablauf der Schadensberechnung zugrunde legen. Dabei ist es insbesondere nicht zu beanstanden, dass das Landgericht für die Schadensberechnung nur die Verzugsdauer zugrunde gelegt hat und nicht auch den Zeitraum, um den sich die Löschung nach Abgabe der Löschungsbewilligung verzögert hat. Diese Verzögerung ist den Antragsgegnern nicht zuzurechnen.

Dem Landgericht ist allerdings bei der endgültigen Berechnung ein Fehler unterlaufen. Das Landgericht stellt zunächst zutreffend fest, dass sich die Antragsgegner 184 Tage in Verzug befanden, was das Landgericht dann zutreffend auf den Zeitraum 31.1.2002 bis 2.8.2002 umgerechnet hat. Die Angabe 185 Tage dürfte insoweit auf einem Schreibfehler beruhen. Das Landgericht hat dann aber bei der Endberechnung statt des Zeitraums 31.1.2002 bis 30.6.2002 den Zeitraum 1.1.2002 bis 30.6.2002 zugrunde gelegt und unter Heranziehung des Zeitraums 1.7.2002 bis 2.8.2002 Zinsen für insgesamt 214 Tage zugesprochen. Bei richtiger Berechnung ergibt sich für den Zeitraum 31.1.2002 bis 30.6.2002 (= 151 Tage) bei einem Zinssatz von 7,57 % und einem Kapital von 69.726,63 EURO ein Zinsschaden von 2.183,63 EURO. Zuzüglich der Zinsen für den Zeitraum 1.7.2002 bis 2.8.2002 ergibt sich somit ein Gesamtzinsschaden von 2.654,54 EURO. Insoweit war die Entscheidung des Landgerichts abzuändern.

3. Es entspricht der Billigkeit (§ 47 WEG), die Gerichtskosten für alle Instanzen nach dem Maß des Obsiegens und Unterliegens zu verteilen und von der Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten abzusehen.

Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG.



Ende der Entscheidung

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