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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 02.09.1999
Aktenzeichen: 2Z BR 116/99
Rechtsgebiete: GBO, RPflG, GBBerG, BGB


Vorschriften:

GBO § 18
GBO § 71 Abs. 1
GBO § 75
GBO § 53 Abs. 1 Satz 2
GBO § 84
GBO § 84 Abs. 1
GBO § 84 Abs. 2 Buchst. b
RPflG § 11
GBBerG § 5
BGB § 875
BGB § 1093
BGB § 1093 Abs. 1 Satz 1
BGB § 242
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerisches Oberstes Landesgericht

Beschluß

2Z BR 116/99

LG Landshut 60 T 1600/99 AG - Grundbuchamt - Landau a.d. Isar

Der 2. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung der Richter Lehr, Demharter und Werdich

am 2. September 1999

in der Grundbuchsache

Löschung eines Wohnungsrechts

beschlossen:

Tenor:

Auf die weitere Beschwerde des Beteiligten werden der Beschluß des Landgerichts Landshut vom 5. Juli 1999 und die Zwischenverfügung des Amtsgerichts - Grundbuchamt - Landau a.d. Isar vom 1. Juni 1999 aufgehoben.

I.

Der Beteiligte ist Eigentümer eines Grundstücks, das in Abteilung II seit dem 6.6.1944 "für das Benefizium T." mit einem "Wohnungsrecht an einer Teilfläche von 0,0270 ha entsprechend der FlNr. 14a im Bestande vor Zurückführung auf das Liegenschaftskataster" belastet ist.

Der Beteiligte hat beantragt, das Recht zu löschen. Es sei inhaltlich unzulässig, weil die für die ausschließliche Benutzung in Betracht kommenden Räume nicht bestimmt bezeichnet seien; außerdem werde das Recht seit fünfzig Jahren nicht ausgeübt und könne auch in Zukunft nicht mehr ausgeübt werden, weil es einen Benefiziaten nicht gebe und auch nicht mehr geben werde; damit sei Verwirkung eingetreten.

Das Grundbuchamt hat den Eintragungsantrag durch Zwischenverfügung vom 1.6.1999 beanstandet und die Vorlage einer Löschungsbewilligung des Berechtigten verlangt. Der Beschwerde des Beteiligten hiergegen hat der Rechtspfleger nicht abgeholfen und die Sache dem Beschwerdegericht vorgelegt, das die Beschwerde durch Beschluß vom 5.7.1999 zurückgewiesen hat. Dagegen richtet sich die weitere Beschwerde des Beteiligten.

II.

Das Rechtsmittel hat Erfolg. Es führt aus formellen Gründen zur Aufhebung der Beschwerdeentscheidung und der Zwischenverfügung des Grundbuchamts.

1. Rechtlich zutreffend hat der Rechtspfleger die Beschwerde mit seiner Nichtabhilfeentscheidung unmittelbar dem Beschwerdegericht vorgelegt. Nach dem Wegfall der Durchgriffserinnerung gegen Rechtspflegerentscheidungen durch das am 1.10.1998 in Kraft getretene Dritte Gesetz zur Änderung des Rechtspflegergesetzes vom 6.8.1998 (BGBl. 1 S. 2030) findet in Grundbuchsachen gegen eine Zwischenverfügung des Rechtspflegers gemäß § 18 GBO die Beschwerde nach § 71 Abs. 1 GBO statt. Der Rechtspfleger kann der Beschwerde gemäß § 75 GBO abhelfen. Geschieht dies nicht, entscheidet über die Beschwerde das Landgericht als Beschwerdegericht. Für eine Abhilfeentscheidung des Grundbuchrichters ist nach der gesetzlichen Neuregelung der Anfechtung von Rechtspflegerentscheidungen kein Raum mehr (ebenso Budde in Bauer/von Oefele GBO § 75 Rn. 1; a.M. LG Meiningen ZfIR 1999, 326/327 f.; Kramer ZfIR 1999, 565/568; KEHE/Kuntze GBR 5. Aufl. § 75 Rn. 4; völlig verfehlt sind die Ausführungen bei KEHE/Herrmann § 18 Rn. 62).

Richtig ist, daß vor der Änderung des § 11 RPflG durch das Gesetz vom 6.8.1998 überwiegend die Meinung vertreten wurde, die in § 75 GBO vorgesehene Abhilfebefugnis des Grundbuchamts beziehe sich nur auf die Abhilfe durch den Grundbuchrichter. Dies hatte seinen Grund darin, daß § 75 GBO auf die Beschwerde abstellt und bisher gegen die Entscheidung des Rechtspflegers nicht die Beschwerde sondern die Erinnerung gemäß § 11 RPflG a.F. zulässig war. Die Abhilfebefugnis des Rechtspflegers ergab sich ausschließlich aus dieser Bestimmung. Nunmehr ist gegen die Entscheidung des Rechtspflegers unmittelbar die Beschwerde gegeben; damit kommt auch die Abhilfebefugnis des Grundbuchamts gemäß § 75 GBO nur dem Rechtspfleger zu, der, wenn er entscheidet, das Grundbuchamt ist. Für eine Abhilfeentscheidung des Grundbuchrichters fehlt es an einer Rechtsgrundlage.

2. Das Landgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt: Das Recht laste an dem Benefiziatenhaus; es scheitere nicht an mangelnder Bestimmtheit, weil ein Wohnungsrecht auch an einem ganzen Gebäude bestehen könne. Das Vorbringen des Beteiligten, das Recht sei verwirkt, weil es seit fünfzig Jahren nicht ausgeübt werde, könne nicht zur Löschung führen, weil selbst § 5 GBBerG bei überholten Dienstbarkeiten zugunsten natürlicher Personen von einem Zeitraum von 110 Jahren ausgehe.

3. Die Entscheidung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die Zwischenverfügung kann aus formellen Gründen keinen Bestand haben.

Das Grundbuchamt hat in seiner Zwischenverfügung die Vorlage einer Löschungsbewilligung gemäß § 19 GBO verlangt. Es geht von dem Bestehen des Rechts aus und hält eine Löschung nur durch Aufgabe gemäß § 875 BGB für möglich, deren Eintragung grundbuchrechtlich eine Bewilligung des Berechtigten gemäß § 19 GBO zur Voraussetzung hat. Auf der Grundlage dieser Rechtsansicht hätte der Eintragungsantrag abgewiesen werden müssen. Eine Zwischenverfügung scheidet nämlich dann aus, wenn ein Mangel vorliegt, der nicht mit rückwirkender Kraft beseitigt werden kann. Dies ist der Fall, wenn die zur Eintragung erforderliche Eintragungsbewilligung des unmittelbar Betroffenen noch nicht erklärt ist (ständige Rechtsprechung des Senats, z.B. BayObLG MittBayNOt 1990, 307; OLG Zweibrücken OLGZ 1991, 153; Demharter GBO 22. Aufl. § 18 Rn. 8, 12; KEHE/Herrmann § 18 Rn. 16). Dies trifft auf die vom Grundbuchamt verlangte Zwischenverfügung zu. Sie und die sie bestätigende Entscheidung des Landgerichts können daher keinen Bestand haben.

III. Für das weitere Verfahren wird bemerkt:

1. Der Beteiligte hat verlangt, das Wohnungsrecht als inhaltlich unzulässig zu löschen. Bei dem insoweit in Betracht kommenden Verfahren handelt es sich um ein Amtsverfahren (§ 53 Abs. 1 Satz 2 GBO). Für eine Zwischenverfügung ist damit kein Raum, weil diese einen Eintragungsantrag zur Voraussetzung hat, der bei einer Eintragung vom Amts wegen nicht erforderlich ist.

Inhaltlich unzulässig ist eine Eintragung auch dann, wenn der Inhalt des Rechts nicht ausreichend bestimmt ist und auch im Weg der Auslegung nicht bestimmt werden kann (allgemeine Meinung, z.B. Demharter Rn. 49, KEHE/Eickmann Rn. 18, jeweils zu § 53). Richtig ist, daß bei einem Wohnungsrecht gemäß § 1093 BGB, das sich nur auf Teile des Gebäudes erstreckt, diese Teile (Räume) im einzelnen angegeben werden müssen (Demharter Anhang zu § 44 Rn. 29 m.w.N.). An einer solchen Angabe fehlt es hier. Die nächstliegende Bedeutung der Eintragung ist jedoch in einem solchen Fall die, daß sich das Wohnungsrecht auf das gesamte oder alle vorhandenen Gebäude erstreckt. § 1093 Abs. 1 Satz 1 BGB sieht ein Wohnungsrecht mit diesem Inhalt ausdrücklich vor. Dann bedarf es keiner Bezeichnung der von der ausschließlichen Benutzung durch den Wohnungsberechtigten erfaßten Räume (BayObLG NJW-RR 1988, 982).

2. In Betracht kommt im Hinblick auf das Löschungsverlangen des Beteiligten auch eine Löschung des Wohnungsrechts als gegenstandslos gemäß § 84 GBO. Auch dieses Verfahren ist ein Amtsverfahren (§ 84 Abs. 1 GBO) und schließt damit den Erlaß einer Zwischenverfügung aus. Die Eintragung kann aus rechtlichen (§ 84 Abs. 2 Buchst. a GBO) oder aus tatsächlichen Gründen (§ 84 Abs. 2 Buchst. b GBO) gegenstandslos sein.

a) Eine Gegenstandslosigkeit aus rechtlichen Gründen liegt unter anderem dann vor, wenn der Berechtigte weggefallen ist (vgl. Demharter Rn. 6, Kohler in Bauer/von Oefele Rn. 8, jeweils zu § 84). Unter diesem Gesichtspunkt ist der Sachvortrag des Beteiligten zu bewerten, es gebe keinen Benefiziaten mehr. Dazu ist zu sagen, daß Berechtigter nicht ein bestimmter Benefiziat ist sondern das Benefizium T. Bei diesem handelt es sich um eine Katholische Benefizium- oder Pfründestiftung gemäß Art. 30 Abs. 1 Satz 2 des Bayerischen Stiftungsgesetzes - BayStG - i.d.F. vom 7.3.1996 (GVBl S. 126) und damit um eine juristische Person des öffentlichen Rechts, deren Inhaber oder Begünstigter die Katholische Pfarrkuratie M. ist. Diese hat in der Vergangenheit grundbuchrechtliche Erklärungen verbunden mit einer stiftungsaufsichtlichen Genehmigung (vgl. Art. 32, 33 BayStG) durch die Bischöfliche Finanzkammer abgegeben. Von einem Wegfall des Berechtigten kann damit nicht ausgegangen werden, weil es keine Anhaltspunkte für ein Erlöschen der Stiftung (vgl. Art. 15 BayStG) gibt.

b) Eine Gegenstandslosigkeit aus tatsächlichen Gründen kann dann in Betracht kommen, wenn das Recht auf Dauer nicht ausgeübt werden kann. Daß eine Dienstbarkeit, um eine solche handelt es sich bei dem Wohnungsrecht, längere Zeit nicht ausgeübt wurde, macht die Ausübung noch nicht; auf Dauer unmöglich (BayObLGZ 1986, 218/221). Weil Berechtigter das Benefizium T. ist, kann es nicht entscheidend darauf ankommen, ob es einen Benefiziaten gibt oder in Zukunft noch geben kann. Der Inhalt des Rechts ist nicht darauf beschränkt, daß das Wohnungsrecht nur durch einen Benefiziaten ausgeübt werden kann. Es sind keine Anhaltspunkte dafür vorhanden, daß das Wohnungsrecht durch die Pfarrkuratie M. als Inhaberin oder Begünstigte nicht ausgeübt werden kann. Im übrigen muß die Unmöglichkeit der Rechtsausübung auf einer Veränderung des Grundstücks beruhen; ein bloß in der Person des Berechtigten liegendes dauerndes Ausübungshindernis genügt dagegen nicht (Demharter Rn. 14, Kohler in Bauer/von Oefele Rn. 17, jeweils zu § 84 und jeweils mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen). Schließlich ist auch unter dem vorgetragenen Gesichtspunkt der Verwirkung eine Ausübung des Wohnungsrechts nicht dauernd ausgeschlossen. Die Verwirkung ist Ausfluß des Grundsatzes von Treu und Glauben (vgl. § 242 BGB), der das gesamte Recht, einschließlich des Sachenrechts beherrscht (siehe dazu Palandt/Heinrichs BGB 58. Aufl. § 242 Rn. 87 f.). Ein dingliches Recht als solches unterliegt jedoch nicht der Verwirkung (Palandt/Heinrichs § 242 Rn. 107 mit Rechtsprechungsnachweisen). Der Ausübung des Rechts im einzelnen können aber unter dem Gesichtspunkt des § 242 BGB Schranken gesetzt sein (vgl. BGH NJW 1960, 673). Auch unter dem Gesichtspunkt einer Verwirkung wird somit eine Löschung des Wohnungsrechts wegen Gegenstandslosigkeit nicht in Betracht kommen.

Ende der Entscheidung

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