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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 30.01.2003
Aktenzeichen: 2Z BR 121/02
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 14 Nr. 1
WEG § 22 Abs. 1
Die Feststellung, ob eine bauliche Veränderung für einen Wohnungseigentümer nachteilig ist, beurteilt sich wesentlich nach tatsächlichen Gesichtspunkten.
Gründe:

I.

Die Antragstellerin i ist Wohnungseigentümerin in einer Wohnanlage. Diese befindet sich auf einem größeren Grundstück parkartigen Charakters und besteht aus einem Verbund von vier Wohnhäusern (sogenannter Viererriegel) und einem Verbund von drei Wohnhäusern (sogenannter Dreierriegel). Der Antragstellerin gehört das im Viererriegel befindliche Wohnhaus, welches dem Dreierriegel am nächsten liegt. Die Antragsgegner sind die Wohnungseigentümer des Dreierriegels, von dem bisher erst zwei Wohnhäuser errichtet sind.

§ 6 Abs. 1 der maßgeblichen Gemeinschaftsordnung (GO) lautet folgendermaßen:

Der Wohnungseigentümer ist berechtigt, sein Haus, sein Sondereigentum sowie die seiner alleinigen Sondernutzung unterliegende Fläche, ferner das in seinem Haus sowie im Bereich dieser Sondernutzungsfläche befindliche gemeinschaftliche Eigentum ... nach Belieben zu nutzen, wie dies ein Alleineigentümer im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuches tun könnte, soweit sich nicht Beschränkungen aus dem Gesetz oder dieser Teilungserklärung ergeben.

Unter § 7 GO (Instandhaltung, Instandsetzung und anderes) ist in Abs. 4 geregelt, dass der Wohnungseigentümer an der Außengestaltung des jeweiligen Gebäudes keine Änderungen vornehmen darf, soweit hierdurch die einheitliche Gestaltung des jeweiligen Gesamtgebäudes gestört würde. § 8 Abs. 1 GO berechtigt den Wohnungseigentümer zu baulichen Veränderungen innerhalb seines Hauses.

Nach der aus dem Jahr 1977 stammenden Teilungserklärung war vorgesehen, dass die Garagen innerhalb des Baukörpers der Wohnhäuser errichtet werden sollten. Dies wurde jedoch nur bei den Häusern des Viererriegels verwirklicht, nicht aber bei den beiden bislang errichteten Häusern des Dreierriegels. Versuche, für diese Häuser frei stehende Garagen zu errichten, lösten mehrere gerichtliche Streitigkeiten aus. In diesem Zusammenhang beschlossen die Wohnungseigentümer am 22.7.1993, dass die eigenen Angelegenheiten des Dreier- und des Viererriegels jeweils unabhängig voneinander geregelt werden können.

In der Eigentümerversammlung vom 22.7.1993 hatten zuvor die Wohnungseigentümer des Dreier- wie des Viererriegels gemeinsam die Errichtung von drei zusammengebauten Einzelgaragen unmittelbar an der Grenze zu einem Nachbargründstück beschlossen. Dieses Vorhaben scheiterte daran, dass der Eigentümer des Nachbargrundstücks die erforderliche Zustimmung verweigerte, worauf das wegen Beschlussanfechtung geführte wohnungseigentumsrechtliche Verfahren erledigt erklärt wurde. Der Rechtsvorgänger der Antragstellerin hatte bei einem Augenscheinstermin am 9. 7.1997 sinngemäß erklärt, er habe nichts dagegen, wenn die Rechtsvorgängerin der Antragsgegner zu 1 eine Garage an deren Haus bekäme.

In einer Versammlung der Wohnungseigentümer des Dreierriegels am 16.11.2000 wurde der Antrag der Antragsgegner zu 1 auf Errichtung einer Doppelgarage auf deren Sondernutzungsfläche gebilligt. Diese Garage ist mittlerweile dort, wo auch die Rechtsvorgängerin der Antragsgegner zu 1 bauen wollte, errichtet.

Die Antragstellerin hat, soweit für das Rechtsbeschwerdeverfahren noch von Bedeutung, beim Amtsgericht beantragt, die Antragsgegner zu 1 zu verpflichten, das ohne eine Zustimmung aller Wohnungseigentümer errichtete Garagenbauwerk zu beseitigen.

Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 3.12.2001 diesen Antrag abgewiesen. Das Landgericht hat die sofortige Beschwerde der Antragstellerin am 14.10.2002 zurückgewiesen. Gegen diesen Beschluss wendet sich die Antragstellerin mit ihrer sofortigen weiteren Beschwerde.

II.

Das zulässige Rechtsmittel ist unbegründet.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Die Antragstellerin besitze gegen die Antragsgegner keinen Anspruch auf Beseitigung der Doppelgarage. Ob sie an eine Zustimmung ihrer Rechtsvorgängerin gebunden sei, könne dahinstehen, ebenso wie die Frage offen bleiben könne, ob durch die Gemeinschaftsordnung die gesetzliche Regelung des § 22 Abs. 1 WEG wirksam abbedungen sei. Denn selbst wenn man davon ausgehe, für bauliche Veränderungen sei grundsätzlich die Zustimmung aller Wohnungseigentümer, auch derer des Viererriegels, erforderlich, so fehle es der Antragstellerin hier doch an einer Beeinträchtigung über das Maß des § 14 Nr. 1 WEG hinaus. Der durchgeführte Augenschein habe ergeben, dass sich der Garagenbau in das Landschaftsbild einfüge und vom Anwesen der Antragstellerin aus die Sicht auf den Garagenbau nahezu verdeckt sei. Angesichts der Weitläufigkeit der Wohnanlage und der deutlichen Abgrenzung zwischen Dreier- und Viererriegel könne eine optische Beeinträchtigung der Antragstellerin durch das Bauwerk ausgeschlossen werden. Akustische Beeinträchtigungen über das Maß dessen hinaus, was bei einer Garage innerhalb des Baukörpers zu erwarten wäre, seien nicht zu befürchten. Auch Verstöße gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften seien nicht erkennbar. Selbst wenn der Teilungserklärung mit den dort vorgesehenen integrierten Garagen Vereinbarungscharakter zukäme, müsste die Antragstellerin Veraänderungen dulden, durch die sie nicht beeinträchtigt sei.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

a) Der Entscheidung steht nicht bereits der durch Zurückweisungsbeschluss des Senats vom 18.1.1995 (2Z BR 118/94 = WE 1995, 377) rechtskräftige Beschluss der Kammer vom 30.9.1994 entgegen. Zum einen fehlt es an der Identität des Streitgegenstands, zum anderen war die Antragstellerin als Wohnungseigentümerin im Viererriegel an jenem Verfahren, das von anderen Wohnungseigentümern des Dreierriegels betrieben wurde nicht beteiligt. Schon deshalb ist sie nicht an die damalige Entscheidung gebunden(vgl. § 45 Abs. 2 Satz 2 WEG; Palandt/ Bassenge BGB 61. Aufl. § 45 WEG Rn. 7).

b) Bei dem Garagenbau außerhalb des Wohngebäudes handelt es sich nicht um die erstmalige Herstellung des ursprünglichen, nämlich nach der Teilungserklärung vorgesehenen Zustands, weil damals eine gebäudeintegrierte Garage vorgesehen war. Es liegt vielmehr eine bauliche Veränderung vor, für die § 22 Abs. 1 WEG gilt (siehe etwa OLG Düsseldorf WE 1998, 187). Auf die Frage, ob die Antragstellerin aufgrund der Teilungserklärung einen Anspruch auf die erstmalige Herstellung eines ordnungsmäßigen Zustands von Gemeinschaftseigentum hätte (vgl. etwa BayObLG ZMR 2001, 469), kommt es nicht an.

Nach herrschender Rechtsprechung bedarf die Zustimmung zur baulichen Veränderung nicht der Form eines Eigentümerbeschlusses (§ 23 WEG; BayObLG ZWE 2001, 609; Palandt/Bassenge § 22 WEG Rn. 14); sie kann formlos, auch konkludent, erteilt werden. An die formlose Zustimmung ist grundsätzlich auch ein Rechtsnachfolger gebunden (OLG Hamm WE 1996, 351 f.; Niedenführ/Schulze WEG 6. Aufl. § 22 Rn. 12 m. w. N.). Ob die Voraussetzungen hier gegeben sind, konnte das Landgericht zu Recht offen lassen. Denn auf eine Zustimmung der Antragstellerin kommt es nicht an, weil diese nicht über das Maß des § 14 WEG hinaus beeinträchtigt ist (vgl. § 22 Abs. 1 Satz 2 WEG).

c) Unter Nachteil ist jede nicht ganz unerhebliche Beeinträchtigung zu verstehen. Aber nicht jede Veränderung, etwa des optisch-architektonischen Erscheinungsbilds, stellt bereits eine das Maß des § 14 Nr. 1 WEG übersteigende Beeinträchtigung dar (BayObLG WuM 1995, 449; NJW-RR,1993, 337; Staudinger/Bub WEG § 22 Rn. 75 m. w. N.). Entscheidend ist, ob sich nach der Verkehrsanschauung ein Wohnungseigentümer in einer entsprechenden Lage verständlicherweise beeinträchtigt fühlen kann (siehe BGHZ 116, 392/396). Dies ist nach den fehlerfrei getroffenen und daher für den Senat nach § 27 Abs. 1 Satz 2 FGG, § 559 Abs. 2 ZPO (n.F.) bindenden Feststellungen des Landgerichts nicht der Fall.

Das Landgericht hat bei der Augenscheinseinnahme (§ 15 Abs. 1, FGG § 372 Abs. 2 ZPO) festgestellt, dass vom Wohnhaus der Antragstellerin und von ihrem Sondernutzungsbereich aus der Blick auf die Garage, bedingt durch die Weitläufigkeit der Anlage und die deutliche Abgrenzung zwischen Dreier- und Viererriegel infolge der vorhandenen Bepflanzung, nahezu verdeckt ist. Sonstige Beeinträchtigungen, etwa akustischer Art, hat es nicht festgestellt. Auch die Antragstellerin führt solche nicht auf. Soweit sie den "parkähnlichen Charakter" des Grundstücks beeinträchtigt sieht, steht dies im Gegensatz zu der gerichtlichen Feststellung, dass sich der Garagenbau in das Landschaftsbild einfügt. Zudem steht die Garage an der nördlichen Grundstücksgrenze im Bereich einer befestigten Pkw-Zufahrt.

Die Teilungserklärung erweitert nicht die Rechte der Antragstellerin auf eine Beteiligung bei baulichen Veränderungen anderer Wohnungseigentümer. Eine Regelung, die es den Wohnungseigentümern grundsätzlich verbieten würde, auf dem Grundstück bauliche Veränderungen vorzunehmen, ist in der Teilungserklärung ohnehin nicht vorhanden und insbesondere auch nicht aus der Beschreibung des Sondereigentums ("Garage - im Erdgeschoss") zu entnehmen.

Allerdings kann die Teilungserklärung in Abweichung von § 22 Abs. 1 WEG (siehe etwa BayObLGZ 2001, 41; BayObLG ZMR 2001, 829 sowie Niedenführ/Schulze § 22 R n. 30 m. w. N.) bestimmen, dass kein Wohnungseigentümer die äußere Gestalt des Bauwerks oder von in gemeinschaftlichem Eigentum stehenden Bauteilen ändern darf. Dann kommt es für die Zustimmungspflicht nicht darauf an, ob die Veränderung für einen Wohnungseigentümer nachteilig ist (BayObLG WuM 1996, 487; WuM 2002, 949). Die maßgebliche Teilungserklärung enthält zugunsten der Antragstellerin jedoch keine Regelung, die deren Zustimmung zu baulichen Maßnahmen am Gemeinschaftseigentum auch ohne nachteilige Veränderungen erfordern würde. Zwar schreibt § 7 Abs. 4 GO vor, dass der Wohnungseigentümer an der Außengestaltung des jeweiligen Gesamtgebäudes keine Änderungen vornehmen dürfe, soweit hierdurch die einheitliche Gestaltung des jeweiligen Gesamtgebäudes gestört würde, und dass die Farbe des Außenanstrichs einheitlich bleiben müsse. Ob die Klausel für die Neuerrichtung eines Gebäudes Gültigkeit hat, ist ihrem Wortlaut nach zweifelhaft, bedarf jedoch keiner Entscheidung. Denn im Zusammenhang mit der Regelung zur Zweckbestimmung der Gebäude (§ 2 GO) ergibt sich schon, dass sich die Klausel nur auf den jeweiligen Gebäudekomplex bezieht. Die Antragstellerin ist jedoch nicht Wohnungseigentümerin im Gebäudeteil mit dem Garagenneubau. Schließlich folgt aus § 6 Abs. 1 GO, dass die Wohnungseigentümer ihr Verhältnis untereinander weitgehend dem von Nachbarn annähern wollten (siehe z.B. BayObLGZ 2001, 41; BayObLG ZMR 2001, 472). Auch dies spricht eher gegen als für die Auffassung der Antragstellerin, auf die Errichtung der Garage selbst dann Einfluss nehmen zu können, wenn diese für sie ohne nachteilige Auswirkungen ist.

3. Dem Senat erscheint es nach § 47 WEG angemessen, der in allen Rechtszügen unterlegenen Antragstellerin die gerichtlichen Kosten für das Rechtsbeschwerdeverfahren aufzuerlegen und anzuordnen, dass sie auch den Antragsgegnern zu 1 die angefallenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten hat.

Die Geschäftswertfestsetzung beruht auf § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG.

Ende der Entscheidung

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