Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 22.11.2001
Aktenzeichen: 2Z BR 125/01
Rechtsgebiete: FGG, WEG, ZPO


Vorschriften:

FGG § 20a Abs. 2
FGG § 27 Abs. 2
FGG § 29
WEG § 45 Abs. 1
ZPO § 319
Zur Frage, unter welchen Vorraussetzungen in Wohnungseigentumssachen die Bekanntmachung eines Berichtigungsbeschlusses eine neue Rechtsmittelfrist in Lauf setzt.
Gründe:

I.

Die Antragsteller und die Antragsgegner sind die Wohnungserbbauberechtigten einer aus Reihenhäusern bestehenden Wohnanlage. Diese wies seit ihrer Errichtung Baumängel auf; Nachbesserungsversuche schlugen fehl. Gemäß bestandskräftigem Eigentümerbeschluss vom 7.12.1995 sollten auf der Grundlage eines bestimmten Sachverständigengutachtens Sanierungsarbeiten am Außenverputz durchgeführt werden. Diese wurden schließlich im Mai 1998 begonnen. Am 28.7.1998 beschlossen die Wohnungserbbauberechtigten gewisse Abweichungen vom ursprünglichen Sanierungsplan. Die Antragsgegner weigerten sich zunächst, die Sanierungsarbeiten ausführen zu lassen, weil sie die beschlossenen für ungenügend hielten. Die Antragsgegner zu 1 und 5 fochten deshalb auch den Eigentümerbeschluss vom 28.7.1998 gerichtlich an, blieben damit jedoch in allen Instanzen ohne Erfolg. Die abschließende Entscheidung des Senats stammt vom 2.12.1999 (2Z BR 161/99 = NJW-RR 2000, 606).

Mit Anträgen vom 7.9. und 14.10.1998 haben die Antragsteller von den Antragsgegnern verlangt, die Durchführung der von der Hausverwaltung vergebenen Sanierungsarbeiten zu dulden und den damit befassten Unternehmern den notwendigen Zutritt zu gewähren. In der mündlichen Verhandlung vom 22.3.2000 vor dem Amtsgericht haben die Antragsgegner mit Ausnahme der Antragsgegner zu 3 die Abweisung des Duldungsantrags begehrt. Mit Beschluss vom 1.8.2000 hat das Amtsgericht den Antrag abgewiesen. Gleichfalls abgewiesen hat das Amtsgericht einen im selben Verfahren gestellten Antrag der Antragsgegner zu 3 auf Feststellung, dass die Gemeinschaft der Wohnungserbbauberechtigten ihnen gegenüber keine Schadensersatzansprüche wegen Mehrkosten bei der Sanierung besitze.

Gegen diesen Beschluss richteten sich sofortige Beschwerden der Antragsteller sowie der Antragsgegner zu 3. Nachdem die Sanierungsarbeiten an der Wohnanlage am 31.1.2001 abgeschlossen waren, haben die Antragsteller im Beschwerdeverfahren die Hauptsache für erledigt erklärt. Die Antragsgegner haben dem nicht widersprochen.

Das Landgericht hat mit Beschluss vom 11.6.2001 den Beschluss des Amtsgerichts aufgehoben und festgestellt, dass den Antragstellern keine Schadensersatzansprüche gegen die Antragsgegner zu 3 wegen der durch die Bauverzögerung entstandenen Mehrkosten für die Fassadensanierung zustehen. Unter Nr. III b seiner Entscheidung hat das Landgericht angeordnet, dass die Antragsgegner zu 1, 2, 4 und 5 als Gesamtschuldner den Antragstellern die Hälfte der außergerichtlichen Kosten erster Instanz zu erstatten haben; diesen Ausspruch hat es mit Beschluss vom 10.7.2001 dahingehend berichtigt, dass die angeordnete Kostenerstattung beide Instanzen betrifft.

Der ursprüngliche Beschluss vom 11.6.2001 wurde den Antragsgegnern zu 2 und 5 am 22.6.2001, der Berichtigungsbeschluss vom 10.7.2001 den Antragsgegnern zu 2 am 13.7.2001 und den Antragsgegnern zu 5 am 25.8.2001 zugestellt. Mit sofortigen weiteren Beschwerden der Antragsgegner zu 2 vom 30.7.2001 und der Antragsgegner zu 5 vom 8.8.2001 wenden sich diese nunmehr gegen die Auferlegung außergerichtlicher Kosten in der Beschwerdeinstanz.

II.

1. Die Rechtsmittel der Antragsgegner zu 2 und 5 sind zulässig (§ 43 Abs. 1, § 45 Abs. 1 WEG, § 20a Abs. 2, § 27 Abs. 2, § 29 Abs. 1, 2 und 4 FGG).

a) Ihrem Wortlaut nach richten sich die Rechtsmittel gegen den Berichtigungsbeschluss der Beschwerdekammer vom 16.7.2001. Ein solches Rechtsmittel erwiese sich zwar in entsprechender Anwendung von § 319 Abs. 3 ZPO in Wohnungseigentumssachen als statthaft (BGHZ 106, 370 = NJW 1989, 1281; Staudinger/Wenzel WEG § 44 Rn. 59; § 45 Rn. 31), hat zum Gegenstand der Überprüfung jedoch nur die Zulässigkeit der Berichtigung, nicht aber ihre inhaltliche Richtigkeit (BayObLG,NJW-RR 1997, 57; Zöller/Vollkommer ZPO 22. Aufl. § 319 Rn. 26; Thomas/Putzo ZPO 23. Aufl. § 319 Rn. 9). Weil sich der Umfang der Beschwer hinsichtlich der Kostenentscheidung für die Antragsgegner zu 2 und 5 erst aus dem Berichtigungsbeschluss mit hinreichender Deutlichkeit ergab, ist davon auszugehen, dass sich die Rechtsmittel gegen die Auferlegung der außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens und somit gegen den Inhalt der landgerichtlichen Kostenentscheidung wenden.

b) Die zweiwöchige Frist für die Einlegung der sofortigen weiteren Beschwerde ist gewahrt.

Allerdings wirkt die Berichtigung nach § 319 ZPO auf den Zeitpunkt der Beschlussbekanntmachung (vgl. § 16 FGG) zurück. Die Zustellung des Berichtigungsbeschlusses setzt deshalb grundsätzlich keine neue Rechtsmittelfrist in Lauf; maßgeblich ist vielmehr die Zustellung der unberichtigten Beschlussfassung (BGH NJW 1999, 646/647, 1995, 1033; BGHZ 89, 184). Ausnahmsweise beginnt allerdings dann mit der Bekanntgabe des Berichtigungsbeschlusses eine neue Rechtsmittelfrist zu laufen, wenn die Ausgangsentscheidung insgesamt nicht klar genug war, um die Grundlage für die Entschließungen und das weitere Handeln der Beteiligten und für eine Entscheidung des Rechtsmittelgerichts zu bilden; denn die Unrichtigkeit einer Entscheidung darf sich nicht dahin auswirken, dass die Möglichkeit eines Beteiligten, ein Rechtsmittel einzulegen, beeinträchtigt oder gar vereitelt wird (BGHZ 113, 228/231; siehe auch Zöller/Vollkommer § 319 Rn. 25). Dem liegt die Überlegung zugrunde, dass Verfahrensregeln nicht um ihrer selbst willen, sondern wesentlich im Interesse der Beteiligten geschaffen sind, für die sie nicht zu Fallstricken werden dürfen (BGH NJW 1999, 647). Der Senat hält hier auch unter Berücksichtigung der Verfahrensbesonderheiten im Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit eine solche Ausnahme für gegeben. Die angefochtene Entscheidung betraf mehrere teils anwaltlich nicht vertretene Beteiligte. Die Verfahrenslage mit Erledigung der Duldungsanträge und erfolgreichem Gegenantrag der Antragsgegner zu 3 war weder klar noch überschaubar. Aus der Begründung zur Kostenentscheidung konnten die Antragsgegner zu 2 und 5 zwar unschwer entnehmen, teilweise zu einer außergerichtlichen Kostenerstattung herangezogen worden zu sein. Dass diese auch die außergerichtlichen Kosten der zweiten Instanz umfasste, erschloss sich aber allein aus einem die maßgebliche Begründung abschließenden Satz, der seinerseits keine Entsprechung in der ursprünglichen, in vier Unterpunkte aufgeteilten Kostenentscheidung fand. Stellt erst die Berichtigung das volle Ausmaß des Unterliegens klar, so kann für die Anfechtung jedenfalls dann auf den Berichtigungsbeschluss abgestellt werden, wenn die Unrichtigkeit vorher für den Beteiligten nicht offenkundig war; gerade das Ausmaß des Unterliegens kann nämlich für den Entschluss, ein Rechtsmittel einzulegen, bestimmend sein (Zöller/Vollkommer aaO Rn. 25a).

c) Im übrigen folgt die Zulässigkeit der sofortigen weiteren Beschwerde aus § 20a Abs. 2, § 27 Abs. 2 FGG. Diese Bestimmungen gelten auch in Wohnungseigentumssachen (BayObLGZ 1991, 203) und auch dann, wenn sich die Hauptsache nur teilweise erledigt hat und es um die Anfechtbarkeit der Kostenentscheidung hinsichtlich des erledigten Teils geht (BayObLG WE 1989, 209; OLG Düsseldorf ZMR 1993, 581/583 f.; Keidel/Kahl FGG 14. Aufl. § 27 Rn. 9).

2. Die Rechtsmittel bleiben in der Sache erfolglos.

a) Das Landgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, eine teilweise Erstattung außergerichtlicher Kosten zugunsten der Antragsteller auch in der Beschwerdeinstanz anzuordnen, ausgeführt:

Das bloße Unterliegen bilde dafür zwar keinen ausreichenden Grund. Aus der Sicht zu Beginn des Verfahrens könne die Rechtsverteidigung auch nicht als mutwillig bezeichnet werden. Jedenfalls nach der Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts vom 2.12.1999 habe den Antragsgegnern aber klar sein müssen, dass die Sanierung, wie von der Mehrheit bestandskräftig beschlossen, durchzuführen und zu dulden sei. Spätestens zu diesem Zeitpunkt habe die Aussichtslosigkeit ihrer Verteidigung auf der Hand gelegen. Daraus hätten sie jedoch keine Konsequenzen gezogen, sondern noch vor dem Amtsgericht Abweisung der Anträge verlangt. Es erscheine wegen der zusätzlich angefallenen Verfahrenskosten angebracht, dass sie den Antragstellern die Hälfte der außergerichtlichen Kosten beider Instanzen erstatteten.

b) Die Entscheidung des Landgerichts ist rechtlich nicht zu beanstanden.

Bei der auf § 47 WEG beruhenden Kostenentscheidung handelt es sich um eine Ermessensentscheidung des Tatrichters, die vom Rechtsbeschwerdegericht nur auf ihre Gesetzmäßigkeit überprüft werden kann (§ 27 FGG, § 561 Abs. 2 ZPO), d.h. ob von ungenügenden oder verfahrenswidrig zustande gekommenen Feststellungen ausgegangen, wesentliche Umstände außer Betracht gelassen oder gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstoßen wurde oder ob der Tatrichter von seinem Ermessen einen dem Sinn und Zweck des Gesetzes zuwiderlaufenden oder die Grenzen des eingeräumten Ermessens überschreitenden und damit rechtlich fehlerhaften Gebrauch gemacht hat (ständige Rechtsprechung; siehe etwa Weitnauer/Hauger WEG 8. Aufl. § 47 Rn. 10). Derartige Mängel weist die landgerichtliche Kostenentscheidung nicht auf. Zwar sieht der Senat im allgemeinen keinen Anlaß, eine Erstattung außergerichtlicher Kosten anzuordnen, wenn die Entscheidungen der Instanzgerichte voneinander abweichen (siehe etwa BayObLG WuM 1991, 632; Bärmann/Pick/Merle WEG 8. Aufl. § 47 Rn. 38). Das Landgericht hat jedoch ermessensfehlerfrei aus dem Beschluss des Senats vom 2.12.1999 die Folgerung gezogen, die Antragsgegner zu 2 und 5 hätten die Aussichtslosigkeit ihrer Verteidigung gegen die Duldungsanträge erkennen müssen. Die Antragsgegner zu 2 und 5 haben sich nämlich trotz grundsätzlichen Einverständnisses mit einer Sanierung gemäß ihren Erklärungen in der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht am 22.3.2000 und trotz des ihnen bekannten Anerkenntnisses der Beteiligten zu 3 dazu entschlossen, Abweisungsanträge zu stellen. Ihr Verhalten im Verfahren ist auch angesichts ihrer schriftlichen Äußerungen im Anschluss an die mündliche Verhandlung folgerichtig und belegt ihre grundsätzlich ablehnende Haltung gegen die anstehende Sanierung. Dass bei "richtiger" Entscheidung das Verfahren schon erstinstanzlich beendet worden wäre, kann nicht ausschlaggebend sein. Denn die Entscheidung des Amtsgerichts entsprach gerade dem, was die Antragsgegner zu und 5 verfahrensmäßig begehrt und auch materiell gewollt hatten.

3. Es entspricht billigem Ermessen, den unterlegenen Antragsgegnern zu 2 und 5 die Gerichtskosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens aufzuerlegen (§ 47 Satz 1; vgl. auch § 421 BGB). Der Senat hält es ferner für angemessen, eine außergerichtliche Kostenerstattung anzuordnen (§ 47 Satz 2 WEG).

Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG und bemisst sich nach der Höhe der halben Anwaltskosten des Beschwerdeverfahrens, die der Senat überschlägig mit 2100 DM geschätzt hat.

Ende der Entscheidung

Zurück