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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 17.11.2004
Aktenzeichen: 2Z BR 127/04
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 16 Abs. 2
WEG § 23 Abs. 1
WEG § 23 Abs. 4
1. Nach Invollzugsetzung der Wohnungseigentümergemeinschaft hinzutretende werdende Wohnungseigentümer haften auch nicht in entsprechender Anwendung von § 16 Abs. 2 WEG für Verbindlichkeiten, die noch vor ihrem Eigentumserwerb begründet und fällig geworden sind.

2. Ein bestandskräftiger Beschluss der Wohnungseigentümer zu einer Sonderumlage unter Zugrundelegung eines unrichtigen Kostenverteilungsschlüssels ist nicht nichtig.


Gründe:

I.

Die Antragsteller und der Antragsgegner sind Wohnungs- und Teileigentümer einer Wohnanlage. Der Antragsgegner war zunächst teilender Eigentümer der Wohnanlage. Die Aufteilung in Wohnungseigentum wurde am 30.4.1996 in das Grundbuch eingetragen. Die erste weitere Eigentümerin nach dem Antragsgegner wurde am 2.9.1996 als Eigentümerin der Einheit Nr. 19 ins Grundbuch eingetragen. Im Jahr 2000 war der Antragsgegner noch als Eigentümer der Wohneinheiten Nr. 5, Nr. 10, Nr. 12, Nr. 13, Nr. 15 und Nr. 16 im Grundbuch eingetragen. Die Wohneinheit Nr. 13 wurde mit Kaufvertrag vom 24.2.2000 veräußert, die Auflassungsvormerkung für den Erwerber am 27.3.2000 eingetragen. Die Wohneinheiten Nr. 15 und Nr. 16 wurden mit Kaufvertrag vom 6.2.1997 veräußert, die jeweiligen Auflassungsvormerkungen für den Erwerber am 4.3.1997 ins Grundbuch eingetragen.

Durch bestandskräftigen Eigentümerbeschluss wurde für das Jahr 2000 eine monatliche Wohngeldvorauszahlung festgelegt. Für die Wohneinheiten Nr. 5, Nr. 10, Nr. 12, Nr. 13, Nr. 15 und Nr. 16 ergaben sich folgende monatliche Zahlungen:

Einheit Nr. 5: 219,30 DM

Einheit Nr. 10: 255 DM

Einheit Nr. 12: 258, 40 DM

Einheit Nr. 13: 172,72 DM

Einheit Nr. 15: 159,80 DM

Einheit Nr. 16: 244,80 DM.

Der Erwerber der Einheiten Nr. 15 und 16 hat das Wohngeld für die Monate Februar bis Dezember 2000 bezahlt. Der Erwerber der Einheit Nr. 13 hat auf die Wohngeldzahlungen für die Monate Oktober bis Dezember 2000 einen Betrag von 506,94 DM geleistet. Der Antragsgegner hat insgesamt Wohngeld in Höhe von 9.781,80 DM bezahlt. Für die Wohneinheiten Nr. 5, Nr. 10, Nr. 12, Nr. 13, Nr. 15 und Nr. 16 verblieb daher für das Jahr 2000 ein unbeglichener Restbetrag in Höhe von 1.314,06 DM.

Mit bestandskräftigem Eigentümerbeschluss vom 4.7.2000 wurde eine Sonderumlage in Höhe von 18.000 DM beschlossen, die nach Miteigentumsanteilen umgelegt werden sollte. Für die Wohneinheiten Nr. 5, Nr. 10, Nr. 12 und Nr. 13 ergab sich hieraus ein Gesamtbetrag in Höhe von 4.158 DM. Die Zahlungen für die Wohneinheiten Nr. 15 und Nr. 16 wurden vom Erwerber übernommen.

Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 15.1.2004 den Antragsgegner antragsgemäß zur Zahlung von 2.797,82 EURO (entspricht 1.314,06 DM plus 4.158 DM) nebst Zinsen verpflichtet. Das Landgericht hat mit Beschluss vom 10.5.2004 die sofortige Beschwerde des Antragsgegners zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde des Antragsgegners.

II.

Das zulässige Rechtsmittel ist nicht begründet.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Der Antragsgegner sei nach § 16 Abs. 2 WEG in Verbindung mit den Beschlüssen der Eigentümerversammlungen vom 15.10.1999 und vom 10.12.1999 zur Zahlung des restlichen Wohngeldes für das Jahr 2000 für die Einheiten Nr. 5, Nr. 10, Nr. 12, Nr. 13, Nr. 15 und Nr. 16 in Höhe von 1.314,06 DM, sowie nach § 16 Abs. 2 WEG in Verbindung mit dem bestandskräftigen Eigentümerbeschluss vom 4.7.2000 zur Zahlung des noch ausstehenden Anteils an der Sonderumlage für die Wohneinheiten Nr. 5, Nr. 10, Nr. 12 und Nr. 13 in Höhe von insgesamt 4.158 DM verpflichtet, da er als Eigentümer dieser Wohneinheiten im Jahr 2000 im Grundbuch eingetragen gewesen sei. Die Grundsätze der sogenannten "werdenden Eigentümergemeinschaft" seien insoweit nicht anwendbar, da die Erwerber der Einheiten Nr. 13, Nr. 15 und Nr. 16 die Kaufverträge für diese Einheiten erst abgeschlossen hätten, als die Eigentümergemeinschaft bereits in Vollzug gesetzt gewesen sei. Auch eine entsprechende Anwendung dieser Grundsätze aus dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben scheide aus, da der Antragsgegner seinerseits auf Grund schuldrechtlicher Vereinbarungen gegen die Erwerber vorgehen könne. Im Übrigen sei der Antragsgegner ausweislich der notariellen Kaufverträge für die Einheiten Nr. 13, Nr. 15 und Nr. 16 ausdrücklich auf seine Haftung für Wohngeldzahlungen bis zur Eigentumsumschreibung hingewiesen worden.

Bezüglich der Verteilung der Sonderumlage liege ein bestandskräftiger Beschluss vor, der als Einzelfallregelung selbst dann nicht nichtig sei, wenn er gegen die Vorgaben der Teilungserklärung verstoßen sollte.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

a) Der Antragsgegner ist gemäß § 16 Abs. 2 WEG in Verbindung mit den entsprechenden Eigentümerbeschlüssen zur Zahlung des restlichen Wohngeldes für das Jahr 2000, sowie der restlichen Sonderumlage als eingetragener Eigentümer der Wohneinheiten Nr. 5, Nr. 10, Nr. 12, Nr. 13, Nr. 15 und Nr. 16 verpflichtet.

Eine Wohnungseigentümergemeinschaft ist rechtlich in Vollzug gesetzt, wenn die Wohnungsgrundbücher angelegt und mindestens zwei Wohnungseigentümer eingetragen sind (BayObLGZ 1990, 101). Dies ist mit der Eintragung der ersten weiteren Eigentümerin nach dem Antragsgegner am 2.9.1996 geschehen. Die neuen Erwerber der Einheiten Nr. 13, Nr. 15 und Nr. 16 konnten daher nicht mehr Mitglieder einer werdenden Eigentümergemeinschaft werden (BayObLG NZM 2002, 300). Vor ihrer Eintragung im Grundbuch als Eigentümer sind die Erwerber lediglich "werdende Wohnungseigentümer", die auch nicht in entsprechender Anwendung von § 16 Abs. 2 WEG für Verbindlichkeiten haften, die noch vor ihrem Eigentumserwerb begründet und fällig geworden sind (BGHZ 107, 285 = BGH NJW 1989, 2697). Auch wenn auf Grund entsprechender vertraglicher Vereinbarungen bereits Besitz, Nutzen und Lasten der Wohneinheiten auf Erwerber vor deren Eigentumseintragung übergehen, wirkt diese Vereinbarung nur im Verhältnis zwischen Veräußerer und Erwerber. Der Grundsatz von Treu und Glauben gebietet keine entsprechende Anwendung von § 16 Abs. 2 WEG, da der hiernach haftende eingetragene Eigentümer seinerseits Regress bei dem Erwerber nehmen kann. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass es ein Erwerber in der Hand hat, durch Nichtzahlung des Kaufpreises den Eigentumsübergang hinauszuzögern.

b) Das Landgericht hat ohne Rechtsverstoß und damit für den Senat bindend (§ 27 Abs. 1 Satz 2 FGG i.V.m. § 559 ZPO) festgestellt, dass für das Jahr 2000 für die Wohnungen Nr. 5, Nr. 10, Nr. 12, Nr. 13, Nr. 15 und Nr. 16 an Wohngeld ein Restbetrag von 1.314,06 DM und an Sonderumlage ein Restbetrag von 4.158 DM offen geblieben ist. Insbesondere ist bei Feststellung dieser Beträge das rechtliche Gehör für den Antragsgegner nicht verletzt worden. Die zuletzt vom Antragsteller vorgenommene Berechnung im Schriftsatz vom 11.4.2003 ist dem Antragsgegner seit der Übergabe im Verhandlungstermin vom 29.4.2003 vor dem Amtsgericht bekannt. Mit seinen erst im Rechtsbeschwerdeverfahren vorgetragenen Einwendungen zu den Berechnungsgrundlagen kann der Antragsgegner nicht mehr gehört werden, da im Rechtsbeschwerdeverfahren neue Tatsachenfeststellungen nicht zulässig sind.

Für die Restzahlungsverpflichtung kann es dahingestellt bleiben, ob und welche Tilgungsbestimmungen der Antragsgegner bei seinen Zahlungen für das Jahr 2000 getroffen hat, da jedenfalls die genannten Restbeträge für die betroffenen Wohneinheiten offen geblieben sind.

c) Der Eigentümerbeschluss vom 4.7.2000 zur Sonderumlage ist bestandskräftig. Es kann offen bleiben, ob in der Gemeinschaftsordnung ein anderer Kostenverteilungsschlüssel, etwa nach der unterschiedlichen wirtschaftlichen Nutzung der getrennten Gebäude, festgelegt worden ist. Der Eigentümerbeschluss über die Umlegung nach Miteigentumsanteilen ist als Festsetzung einer einmaligen Sonderumlage möglicherweise vereinbarungswidrig, aber nicht nichtig (BayObLG NJW-RR 2001, 1020).

3. Es erscheint nach § 47 WEG angemessen, dem insoweit in allen Rechtszügen unterlegenen Antragsgegner in der Rechtsbeschwerdeinstanz die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Antragsgegner aufzuerlegen.

Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG.

Ende der Entscheidung

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