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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 08.09.2000
Aktenzeichen: 2Z BR 13/00
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 14 Nr. 1
WEG § 22 Abs. 2
Ein Fenster darf nicht vergrößert werden, wenn dadurch erheblich mehr Lärmimmissionen und Gerüche in den bisher weitgehend abgeschirmten Garten der Wohnanlage dringen.
BayObLG Beschluß

LG München I - 1 T 17655/99; AG München 483 UR II 445/99

2Z BR 13/00

08.09.00

Der 2. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung der Richter Demharter, Werdich und Dr. Delius

am 8. September 2000

in der Wohnungseigentumssache

wegen Ungültigerklärung eines Eigentümerbeschlusses,

beschlossen:

Tenor:

I. Die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegner gegen den Beschluß des Landgerichts München I vom 4. Januar 2000 wird zurückgewiesen.

II. Die Antragsgegner haben als Gesamtschuldner die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.

III. Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 5000 DM festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Antragsteller und die Antragsgegner sind die Wohnungs- und Teileigentümer einer Anlage, die aus 22 Wohnungen und vier Läden besteht; die weitere Beteiligte ist die Verwalterin. Der Antragsteller zu 1 ist Eigentümer einer Wohnung im vierten Obergeschoß, der Antragsteller zu 2 einer solchen im ersten Obergeschoß; dem Wohnungseigentümer A. gehören unter anderem die vier Läden im Erdgeschoß. Der Laden Nr. 3 wird zum Betrieb eines Friseursalons genutzt.

In der Eigentümerversammlung vom 18.5.1999 behandelten die Wohnungseigentümer zu Tagesordnungspunkt (TOP) 7 den Antrag des Wohnungseigentümers A., auf der Gartenseite des Ladens Nr. 3 das kleine Oberlicht durch ein größeres Fenster ersetzen zu dürfen. Der Versammlungsniederschrift zufolge stimmten zehn Wohnungseigentümer für den Antrag; die beiden Antragsteller stimmten dagegen.

Der Antragsteller zu 1 hat beim Amtsgericht mit einem am 15.6.1999 eingegangenen Schriftsatz beantragt, diesen Eigentümerbeschluss für ungültig zu erklären. Der Schriftsatz bezeichnet den Wohnungseigentümer A. als Antragsgegner. Mit Schriftsatz vom 17.6.1999 hat der Antragsteller zu 1 erklärt, der Antrag richte sich gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer mit Ausnahme etwaiger weiterer Antragsteller.

Der Antragsgegner zu 2 hat ebenfalls beantragt, den Eigentümerbeschluss zu TOP 7 für ungültig zu erklären. Das Amtsgericht hat den Anträgen mit Beschluß vom 26.8.1999 stattgegeben. Die sofortige Beschwerde der Antragsgegner hat das Landgericht am 4.1.2000 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde.

II.

Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Die mit dem für ungültig erklärten Eigentümerbeschluss genehmigte bauliche Veränderung beeinträchtige die Antragsteller über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus und hätte daher nur einstimmig beschlossen werden können. Durch die Vergrößerung des Fensters werde die Gesamtansicht des Anwesens auf der Gartenseite in optischer Hinsicht nachteilig verändert. Aus den vorgelegten Lichtbildern sei ersichtlich, dass auf der gartenseitigen Fassade im Erdgeschoß neben den Türen nur schmale Lüftungsfenster angebracht seien, ausgenommen ein großes Fenster im Laden Nr. 2. Trotz dieses einen großen Fensters werde die Gartenfront des Gebäudes im Erdgeschoß maßgeblich durch die erheblich zahlreicheren schmalen Lüftungsfenster geprägt. Diese Einheitlichkeit würde durch den Einbau eines weiteren großen Fensters gestört und optisch nachteilig verändert.

Jedenfalls seien die Antragsteller durch die mit dem vergrößerten Fenster geschaffene Möglichkeit einer intensiveren Nutzung des Ladens Nr. 3 maßgeblich beeinträchtigt. Der Laden bestehe aus zwei Räumen. Der zur Gartenseite gelegene Raum mit dem schmalen Lüftungsfenster habe sich allenfalls zum Lager- oder Personalraum geeignet. Durch die Vergrößerung des Fensters könne er anders und intensiver genutzt werden, etwa als zweiter Verkaufs- und Geschäftsraum. Bei einem Friseurladen liege es nahe, dass dieser Raum dann auch zur Kundenbedienung ausgerüstet und genutzt werde. Dies bedeute nach dem gewöhnlichen Gang der Dinge einen erhöhten Kundenkreis und eine Vermehrung der damit verbundenen Belästigungen, insbesondere durch vermehrtes Kommen und Gehen, Geräusche und Gerüche.

2. Die angefochtene Entscheidung hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

a) Das Landgericht hat zu Recht die Anträge auf Ungültigerklärung des Eigentümerbeschlusses zu TOP 7 für zulässig erachtet. Entgegen der Meinung der Rechtsbeschwerde hat der Antragsteller zu 1 noch innerhalb der Anfechtungsfrist des § 23 Abs. 4 Satz 2 WEG klargestellt, dass sich sein Antrag gegen sämtliche Wohnungseigentümer richtet, soweit sie nicht ebenfalls den Eigentümerbeschluss angefochten haben (vgl. § 43 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 4 Nr. 2 WEG).

Der Antrag des Antragstellers zu 2 bezeichnet als Antragsgegner die übrigen Wohnungseigentümer mit Ausnahme des Antragstellers zu 1. Entgegen der Meinung der Rechtsbeschwerde war dies ausreichend, denn das Gericht hat nach Maßgabe der gestellten Anträge von Amts wegen festzustellen, wer an dem Verfahren zu beteiligen ist (BayObLGZ 1972, 246/249 f.; Staudinger/Wenzel WEG Vorbem. zu §§ 43 ff. Rn. 24). Im übrigen genügt es, dass der Eigentümerbeschluss, der für ungültig erklärt werden soll, ausreichend bestimmt bezeichnet ist.

b) Aus der Versammlungsniederschrift geht hervor, dass sich die Mehrheit der Wohnungseigentümer für eine Genehmigung der Veränderung des Fensters ausgesprochen hat. Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde bedurfte es nicht einer Feststellung des Versammlungsleiters, dass der Antrag des Wohnungseigentümers A. angenommen war; denn einer solchen Feststellung kommt grundsätzlich keine ausschlaggebende Bedeutung zu (BayObLGZ 1999, 149/152 m.w.N.).

c) Die Ersetzung eines schmalen Oberlichtfensters durch ein größeres Fenster hat das Landgericht zutreffend als bauliche Veränderung des Gemeinschaftseigentums im Sinn von § 22 Abs. 1 WEG angesehen (vgl. BayObLG WuM 1998, 116 und ZMR 1999, 781); davon gehen auch die Antragsgegner aus. Entscheidend kommt es somit darauf an, ob dadurch die Rechte anderer Wohnungseigentümer, insbesondere der Antragsteller, über das in § 14 Nr. 1 WEG bestimmte Maß hinaus beeinträchtigt werden; dann bedarf die Maßnahme der Zustimmung aller Wohnungseigentümer und kann nicht mit Mehrheit beschlossen werden. Unter einem Nachteil im Sinn von § 14 Nr. 1 WEG ist jede nicht ganz unerhebliche Beeinträchtigung zu verstehen (BayObLG aaO und st. Rspr.).

d) Die Feststellung, ob ein Nachteil gegeben ist, der die Zustimmung aller Wohnungseigentümer zu einer baulichen Veränderung erforderlich macht, liegt weitgehend auf dem Gebiet tatrichterlicher Würdigung. Sie kann vom Rechtsbeschwerdegericht nicht auf ihre sachliche Richtigkeit, sondern nur darauf überprüft werden, ob ihr Ergebnis auf einem Rechtsfehler beruht (§ 27 Abs. 1 Satz 2 FGG, § 561 Abs. 2 ZPO; BGHZ 116, 392/396; BayObLG WuM 1996, 487 und st. Rspr.). Dies ist nicht der Fall.

(1) Eine Beeinträchtigung im Sinn von § 14 Nr. 1 WEG kann auch in einer nachteiligen Veränderung des optischen Gesamteindrucks der Anlage bestehen (vgl. BayObLG WuM 1996, 487 und NZM 1998, 775/776). Das Landgericht hat anhand der von den Beteiligten vorgelegten Lichtbilder und Pläne festgestellt, dass die Vergrößerung des Oberlichtfensters zu einer Beeinträchtigung des optischen Erscheinungsbilds der gartenseitigen Fassade des Gebäudes führt. Die Bilder und Pläne, die das Landgericht in der mündlichen Verhandlung mit den Beteiligten erörtert hat, boten eine ausreichende Grundlage für die Würdigung durch das Beschwerdegericht; weiterer Ermittlungen, insbesondere des von den Antragsgegnern angeregten Augenscheins bedurfte es daher nicht (vgl. BayObLG NZM 1998, 980/981; ZMR 1999, 580). Die Antragsgegner können keinen Erfolg damit haben, dass sie der tatsächlichen Würdigung des Landgerichts widersprechen und diese durch ihre eigene ersetzt wissen wollen (vgl. BayobLG WE 1997, 275/276 und ZMR 1999, 580/581).

(2) Die Beeinträchtigung anderer Wohnungseigentümer kann sich auch aus einer intensiveren Nutzung eines Wohnungs- oder Teileigentums ergeben, die durch die bauliche Maßnahme ermöglicht wird (BayObLGZ 1992, 358/360). Das Landgericht hat eine solche Beeinträchtigung bejaht, weil der zur Gartenseite gelegene Raum des Ladens Nr. 3 wegen der geringen Beleuchtung und Belüftung durch das vorhandene schmale Oberlichtfenster bisher nur als Lager- oder Personalraum nutzbar ist und der Einbau eines größeren Fensters eine Einbeziehung in den Verkaufs- oder Geschäftsbereich ermöglicht. Entgegen der Meinung der Rechtsbeschwerde kommt es nicht darauf an, dass die Gesamtfläche des gewerblich nutzbaren Teileigentums unverändert bleibt. Bei der bisherigen Nutzung als Lager- und Personalraum war die Gartenseite der Wohnanlage weitgehend von den Geräusch- und Geruchsemmissionen des Friseurbetriebs abgeschirmt. Die Vergrößerung des Fensters ermöglicht nicht nur eine intensivere Nutzung des zur Gartenseite gelegenen Raums, sondern läßt auch die damit verbundene Geräusch- und Geruchsentwicklung in erhöhtem Maß nach außen in den Garten der Wohnanlage dringen. Außerdem wird der Garten in erhöhtem Maß einsehbar. Auch dies ist ein Nachteil, den die Antragsteller nicht hinzunehmen brauchen (vgl. BayObLG WuM 1998, 116).

3. Dem Senat erscheint es angemessen, den in allen Rechtszügen unterlegenen Antragsgegnern die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens aufzuerlegen (§ 47 WEG).

Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird übereinstimmend mit der Wertfestsetzung der Vorinstanzen auf 5000 DM festgesetzt (§ 48 Abs. 3 Satz 1 WEG).

Ende der Entscheidung

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