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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 05.09.2002
Aktenzeichen: 2Z BR 130/01
Rechtsgebiete: BGB, WEG


Vorschriften:

BGB § 242
BGB § 1004
WEG § 22 Abs. 1
WEG § 15 Abs. 3
WEG § 14 Nr. 1
Dem Anspruch eines Wohnungseigentümers auf Beseitigung einer ihn beeinträchtigenden baulichen Veränderung des Gemeinschaftseigentums kann der den Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegenstehen.
Gründe:

I.

Der Antragsteller und die Antragsgegnerin sind die Wohnungseigentümer zweier aneinander gebauten Einfamilienhäuser auf einem großen Grundstück. Das Wohnungseigentum wurde durch Teilungserklärung vom Dezember 1972 nebst einer Änderung vom November 1974 begründet. Das näher an der Straße liegende ältere Haus gehört der Antragsgegnerin, das nachträglich angebaute straßenfernere dem Antragsteller. Ursprünglich war an das Haus der Antragsgegnerin zwischen Windfang und nordwestlicher Grundstücksgrenze eine Garage angebaut. Nach Errichtung des dahinter liegenden Hauses wurden das Garagentor und die Rückwand der Garage entfernt. Die Zufahrt zur Garage neben dem hinteren Haus führte also durch den Rest der Garage des Vorderhauses. Die Zufahrt von der Straße bis zur Garage des Antragstellers steht im gemeinschaftlichen Eigentum. Am Vorplatz vor seiner Garage sowie an der Gartenfläche um sein Haus steht dem Antragsteller das Sondernutzungsrecht zu, ebenso der Antragsgegnerin an der Gartenfläche um ihr Haus. Seit Errichtung des hinteren Hauses verlangte der Eigentümer des im Nordwesten angrenzenden Grundstücks die Entfernung der Mauer des Garagenrests und Kürzung des Garagendachs.

Da die Beteiligten, insbesondere die Antragsgegnerin, auf das Verlangen nicht eingingen, wurden sie vom Nachbarn auf Beseitigung verklagt und schließlich durch Urteil des Oberlandesgerichts vom 28.7.1992 verurteilt, die auf der Grenze stehende Seitenwand der ehemaligen Garage bis zur Höhe von 1,50 m und die Dachplatte auf eine Entfernung von 2 m von der Grenze abzubrechen. Die Beteiligten konnten sich nicht darauf einigen, in welcher Form und durch welches Unternehmen die Abbrucharbeiten auszuführen seien. Als dann der Nachbar durch Beschluss des Landgerichts vom 26.8.1993 zur Ersatzvornahme ermächtigt wurde, erteilte die Antragsgegnerin dem von ihr ausgewählten Bauunternehmer den Auftrag, der auch die Errichtung einer Stahlsäule zum Abstützen des Dachrestes umfasste.

Im November 1993 beantragte die Antragsgegnerin beim Wohnungseigentumsgericht, den Antragsteller zur Zustimmung zu den von ihr in Auftrag gegebenen Arbeiten und zur Zahlung des auf ihn entfallenden Kostenanteils zu verpflichten. Das Amtsgericht verpflichtete den hiesigen Antragsteller mit Beschluss vom 16.6.1994, seine Zustimmung zu den in Auftrag gegebenen Arbeiten mit Ausnahme der Errichtung der Stahlsäule zu erteilen und 5090,76 DM an die Antragsgegnerin zu zahlen. Dieser Beschluss wurde rechtskräftig.

Mit Schriftsatz vom 28.8.1994 hat der Antragsteller daraufhin beim Wohnungseigentumsgericht beantragt, die Antragsgegnerin zu verpflichten, die Stahlstützsäule auf ihre Kosten zu beseitigen. Mit Beschluss vom 31.5.1995 hat das Amtsgericht den Antrag abgewiesen, da die Säule nicht entfernt werden könne, ohne eine andere Art der Abstützung anzubringen oder den Dachrest weiter zu kürzen. Hierzu könne das Gericht aber keine Anordnung treffen; insoweit müssten sich die Beteiligten einigen.

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers hat das Landgericht nach mehrfachen Versuchen einer gütlichen Einigung, nach Durchführung eines Augenscheins und nach Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Statik des derzeitigen Zustands des Restdaches mit Beschluss vom 25.7.2001 zurückgewiesen.

Dagegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde des Antragstellers, mit der er seinen Antrag auf Beseitigung der Stützsäule nach Anbringung einer anderen Stützkonstruktion oder hilfsweise nach weiterer Kürzung des Daches weiterverfolgt.

II.

Die sofortige weitere Beschwerde des Antragstellers ist zulässig, aber unbegründet.

1. Das Rechtsmittel ist zulässig. Die Zweifel der Antragsgegnerin, ob die Rechtsbeschwerdeschrift von Rechtsanwalt S. oder dem in derselben Kanzlei tätigen Rechtsbeistand S. unterzeichnet ist, sind unbegründet.

Die sofortige weitere Beschwerde ist nur dann nach § 29 Abs. 1 Satz 2 FGG formwirksam eingelegt, wenn die Beschwerdeschrift von einem Rechtsanwalt unterzeichnet wurde. Der Rechtsanwalt muss nicht bei dem Rechtsbeschwerdegericht zugelassen sein, es genügt die Zulassung bei irgendeinem deutschen Gericht (Bassenge in Bassenge/Herbst/Roth FGG/RPflG 9.Aufl. § 29 FGG Rn. 5). Die Unterzeichnung der Rechtsbeschwerdeschrift durch einen Rechtsbeistand genügt nicht (Kahl in Keidel/Kuntze/ Winkler FGG 14.Aufl. § 29 Rn. 15).

Entgegen den Zweifeln der Antragsgegnerin ist der Senat davon überzeugt, dass die Rechtsbeschwerdeschrift vom 16.8.2001 von Rechtsanwalt S. und nicht vom Rechtsbeistand S. unterzeichnet ist. Zum einen befinden sich in den Akten Schriftsätze, vom Rechtsbeistand S. unterzeichnet sind, so etwa vom 20.7.2001, 31.1.2002, 8.3.2002. Die Unterschrift unter diesen Schriftsätzen unterscheidet sich deutlich von der Unterschrift unter der Rechtsbeschwerdeschrift. Zum anderen hat Rechtsanwalt S. mit Schriftsatz vom 18.7.2002 die Unterschrift unter der Rechtsbeschwerdeschrift vom 16.8.2001 als die seinige anerkannt. An dieser Erklärung zu zweifeln hat der Senat keinen Anlass.

2. Das Landgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt:

Die Stützsäule beeinträchtige den Antragsteller beim Ein- und Ausfahren aus seiner Garage und von seiner Sondernutzungsfläche, da durch sie die Engstelle am Ort der früheren Garage verlängert werde; die Zufahrt weite sich nicht sofort nach Passieren des Windfangs am Haus der Antragsgegnerin, sondern erst nach Vorbeifahren an der Stützsäule. Die Engstelle sei dadurch statt etwa 3 m etwa 5 m lang. Diese Beeinträchtigung des Antragstellers sei jedoch bei objektiver Betrachtung nicht so schwerwiegend, dass zu ihrer Beseitigung Baumaßnahmen mit einem Kostenaufwand von mindestens 7500 DM gerechtfertigt wären. Der Augenschein habe ergeben, dass die engste Stelle der Zufahrt nicht im Bereich der Stützsäule, sondern an der Stelle liege, wo der Windfang am Haus der Antragsgegnerin beginne. Die lichte Weite zwischen dem Windfang und der Gartenmauer betrage lediglich 2,48 m, der Abstand zwischen Stützsäule und Gartenmauer hingegen 2,97 m. Es sei deshalb deutlich schwieriger, den Windfang zu passieren als die Stützsäule. Es bestehe auch keine Notwendigkeit, bereits auf Höhe der Stützsäule nach rechts zu schwenken, um zum rechten Garagentor am Haus des Antragstellers zu gelangen; denn der Raum hinter der Stützsäule sei dazu ausreichend. Nach den Vorschlägen des vom Antragsteller befragten Architekten fielen für eine weitere Kürzung des Dachrestes Kosten zwischen 7500 und 8000 DM an; außerdem müsste bei Kürzung des Daches ,die Mauer des Windfangs mit einem wasserabweisenden Anstrich versehen werden. Die Anbringung einer schrägen Abstützung würde sogar über 12000 DM kosten. Ob die vom Architekten zugrundegelegten Preise realistisch seien, könne dahinstehen; jedenfalls ergebe sich ein Kostenaufwand, der in keinem Verhältnis zum Ausmaß der Beeinträchtigung stehe.

3. Die Entscheidung des Landgerichts hält im Ergebnis der rechtlichen Nachprüfung stand.

a) Die Errichtung der Stützsäule unter dem Restdach der ehemaligen Garage stellt eine bauliche Veränderung des gemeinschaftlichen Eigentums dar. Denn durch die Umgestaltung der Garage zu einer Durchfahrt zu Haus und Garage des Antragstellers ist daraus zwingend gemeinschaftliches Eigentum geworden (§ 5 Abs. 2 WEG). Ob die Errichtung der Stützsäule über eine ordnungsmäßige Instandhaltung oder Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums hinausgeht, haben die Vorinstanzen nicht geprüft. Die Frage kann letztlich unentschieden bleiben, wenn auch eine Verneinung nahe liegt. Denn die Entfernung der Grenzmauer und die Kürzung des ursprünglichen Garagendaches erforderten für das Restdach Abstützungsmaßnahmen irgendeiner Art, um einen ordnungsmäßigen Zustand herzustellen.

b) Unterstellt man, dass die Stützsäule eine bauliche Maßnahme im Sinn von § 22 Abs. 1 Satz 1 WEG darstellt, weil sie über eine ordnungsmäßige Instandhaltung oder Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums hinausgeht, ist die Zustimmung des Antragstellers nach § 22 Abs. 1 Satz 2 WEG nur dann entbehrlich, wenn er dadurch in seinen Rechten nicht über das in § 14 WEG bestimmte Maß hinaus beeinträchtigt wird. Auch diese Frage haben die Vorinstanzen nicht ausdrücklich geprüft. Das Landgericht bejaht zwar zu Recht eine Beeinträchtigung des Antragstellers, nimmt aber zu deren Ausmaß nicht ausdrücklich Stellung. Auch hier ist es nicht offensichtlich, dass eine über § 14 WEG hinausgehende Beeinträchtigung vorliegt. Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts, an die der Senat gebunden ist, bewirkt die Stützsäule keine zusätzliche Verengung der Durchfahrt, sondern verlängert lediglich die Engstelle von 3 m auf 5 m. Der Rangierraum für den Antragsteller wird von etwa 16 m auf etwa 14 m, also lediglich um 2 m, in der Länge verringert, wobei noch zu berücksichtigen ist, dass die abgetrennten 2 m lediglich eine Breite von etwa 4,5 m haben, während der übrige Rangierraum eine Breite von nahezu 6 m aufweist. Dass diese Beschränkungen über das hinausgehen, was bei einem geordneten Zusammenleben der Beteiligten unvermeidlich ist, kann nicht ohne weiteres angenommen werden. Letztlich muss aber auch diese Frage vom Senat nicht endgültig entschieden werden.

c) Wenn die Zustimmung des Antragstellers zur Errichtung der Stützsäule nach § 22 Abs. 1 Satz 2 WEG erforderlich ist - dass er zur Zustimmung nicht verpflichtet ist, steht durch den Beschluss des Amtsgerichts vom 16.6.1994 rechtskräftig fest -, hat der Antragsteller grundsätzlich nach § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB, § 15 Abs. 3, § 14 Nr. 1 WEG einen Anspruch auf Beseitigung. Doch wird ein solcher Beseitigungsanspruch beschränkt durch den Einwand des Rechtsmissbrauchs bzw. der unzulässigen Rechtsausübung nach § 242 BGB (vgl. BayObLG NZM 1998, 980/981). Zutreffend hat das Landgericht festgestellt, dass das geringe Maß der Beeinträchtigung des Antragstellers zu dem erheblichen finanziellen Aufwand für eine Ersatzlösung in einem Missverhältnis steht. Dies allein reicht jedoch grundsätzlich nicht aus. Doch unter den besonderen Umständen des vorliegenden Falls hat das Landgericht zu Recht die Voraussetzungen eines Rechtsmissbrauchs bejaht. Denn es kommt hinzu, dass irgend eine bauliche Maßnahme zur Erhaltung eines ordnungsgemäßen Zustands notwendig wäre, die ebenfalls Beeinträchtigungen mit sich bringen kann. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass sich der Antragsteller im Herbst 1993 einer einvernehmlichen Lösung durch Beharren auf der Auftragserteilung an das von ihm ausgewählte Bauunternehmen und vor allem durch Verweigerung der nach dem Gesetz geschuldeten Kostenbeteiligung entzog. Angesichts der drohenden Zwangsvollstreckung durch den Nachbarn blieb der Antragsgegnerin damit keine andere Möglichkeit, als eigenmächtig die dem Nachbarn gegenüber geschuldeten Arbeiten in Auftrag zu geben und für das Restdach eine dauerhafte Lösung zu finden. Dass sie dabei die für sie kostengünstigste Variante wählte, kann ihr bei der Ungewissheit, ob sich der Antragsteller angemessen an den Kosten beteiligen werde, und angesichts der geringen Beeinträchtigung der Rechte des Antragstellers grundsätzlich nicht zum Vorwurf gemacht werden.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 WEG. Dass der Antragsteller als Unterliegender die Gerichtskosten trägt, entspricht der Billigkeit. Die Erstattung der außergerichtlichen Kosten anzuordnen, erscheint bei den gegebenen Umständen ausnahmsweise nicht angemessen.

Die mit dem Landgericht übereinstimmende Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG.

Ende der Entscheidung

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