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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 20.11.2003
Aktenzeichen: 2Z BR 133/03
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 15 Abs. 2
WEG § 21 Abs. 4
WEG § 23 Abs. 4
Wird der Antrag eines Wohnungseigentümers, gegen eine vereinbarungswidrige Nutzung der Gartensondernutzungsfläche einzuschreiten, von den Eigentümern abgelehnt, besteht in der Regel ein Rechtsschutzbedürfnis für die Anfechtung des Eigentümerbeschlusses. Ein derartiger Beschluss entspricht nicht ordnungsmäßiger Verwaltung und ist deshalb für ungültig zu erklären.
Gründe:

I.

Die Antragstellerin war zusammen mit ihrem Ehemann, der am 28.7.2003 verstorben und von ihr allein beerbt worden ist, Eigentümerin einer Eigentumswohnung. Nunmehr ist sie deren Alleineigentümerin. Die Antragsgegner sind die übrigen Wohnungseigentümer der Wohnanlage, die von der weiteren Beteiligten verwaltet wird.

Gemäß der Teilungserklärung ist den Eigentümern der Erdgeschosswohnungen der ausschließliche Gebrauch der unmittelbar vor den Wohnungen liegenden Terrassen- und Gartenflächen eingeräumt. In § 4 Abs. 3 der Gemeinschaftsordnung (GO) ist hierzu u.a. geregelt:

Soweit Gartenanteile Sondernutzungsrechten unterliegen, ist ihre Gestaltung nur als Ziergarten zulässig.

Die Eigentümer der Wohnung Nr. 8 hatten sich seit längerem darum bemüht, von den übrigen Wohnungseigentümern die Genehmigung für das Aufstellen eines Gerätehäuschens mit dem Grundriss 2 x 2 m auf ihrer Gartensondernutzungsfläche zu erhalten. Im Jahr 1990 lehnten die Wohnungseigentümer eine derartige Genehmigung ab. Im Jahr 1992 beschlossen die Wohnungseigentümer, die Errichtung eines Gerätehauses mit der Größe von ca. 4 m² und der Höhe von ca. 2 m zu genehmigen. Dieser Eigentümerbeschluss wurde auf Antrag der Antragstellerin und ihres Ehemanns rechtskräftig für ungültig erklärt. In der Folgezeit errichteten die Rechtsnachfolger der damaligen Eigentümer der Wohnung Nr. 8 auf ihrer Gartensondernutzungsfläche ein Gartenhäuschen mit den Maßen 1,5 m lang, 1,2 m breit und 1,6 m hoch.

Der Antrag der Antragstellerin und ihres Ehemanns, die Eigentümerversammlung möge die Entfernung des Gartenhäuschens bei Wohnung Nr. 8 beschließen, wurde am 16.4.2002 zu TOP 7 mit 30 gegen 1 Stimme abgelehnt.

Den Antrag, diesen Eigentümerbeschluss für ungültig zu erklären, hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 2.10.2002 abgewiesen. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin und ihres Ehemanns dagegen hat das Landgericht am 26.5.2003 mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Antrag als unzulässig abgewiesen werde. Dagegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Antragstellerin.

II.

Das zulässige Rechtsmittel ist begründet; es führt zur Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen und zur Ungültigerklärung des angefochtenen Eigentümerbeschlusses.

1. Das Landgericht hat ausgeführt: Den Antragstellern fehle für die Anfechtung des Eigentümerbeschlusses das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis, so dass ihr Anfechtungsantrag bereits unzulässig sei. Der Eigentümerbeschluss erschöpfe sich in der Ablehnung des Antrags auf Beseitigung des Gartenhäuschens; eine sachliche Regelung sei damit nicht verbunden worden. Es liege deshalb ein sog. Nichtbeschluss vor, der keinerlei Rechtswirkungen auslöse. Das eigentliche Rechtsschutzziel der Antragsteller, die Beseitigung des Gartenhäuschens zu erreichen, werde durch den angefochtenen Eigentümerbeschluss nicht behindert. Der Eigentümerbeschluss beinhalte auch nicht zugleich die Genehmigung der Errichtung des Gartenhäuschens.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

a) Die Ansicht des Landgerichts, für die Anfechtung eines ablehnenden Eigentümerbeschlusses, eines sog. Nichtbeschlusses, fehle das Rechtsschutzbedürfnis, ist überholt. Der Bundesgerichtshof hat am 23.8.2001 (BGHZ 148, 335 = NJW 2001, 3339 = ZMR 2001, 809) entschieden, dass in Abweichung von der bisherigen Rechtsprechung, auch des Bayerischen Obersten Landesgerichts, einem negativen Abstimmungsergebnis Beschlussqualität zukommt. Dem hat sich der Senat angeschlossen (BayObLGZ 2002, 20/25). Das Rechtsschutzbedürfnis für die Anfechtung eines solchen Beschlusses kann im Allgemeinen nicht verneint werden. Hier kommt hinzu, dass die Antragstellerin vom Eigentümer der Wohnung Nr. 8 die Beseitigung des Gartenhäuschens verlangt. Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Senats stände der ablehnende Eigentümerbeschluss dem Beseitigungsverlangen im Wege (BayObLGZ 2002, 247/249; Senatsbeschlüsse vom 9.10.2003, Az. 2Z BR 131/03 und vom 30.10.2003, Az. 2Z BR 119/03).

Dies wäre nur dann nicht der Fall, wenn der Eigentümerbeschluss vom 16.4.2002 zu TOP 7 dahin auszulegen wäre, dass die Eigentümer beschlossen haben, zwar als Gemeinschaft nichts gegen das Gartenhäuschen unternehmen zu wollen, den Antragstellern aber nicht die Geltendmachung eines individuellen Beseitigungsverlangens abzuschneiden. Die gebotene objektive Auslegung des Eigentümerbeschlusses "aus sich heraus" bietet keinen Anhaltspunkt für ein Verständnis des Beschlusses in diesem Sinn. Auch kein Verfahrensbeteiligter hat offenbar den Eigentümerbeschluss in diesem Sinn verstanden.

b) Der aufgezeigte Rechtsfehler erfordert keine Zurückverweisung der Sache an das Landgericht. Vielmehr kann der Senat selbst in der Sache entscheiden, weil keine ergänzenden Feststellungen zu treffen sind.

Der angefochtene Eigentümerbeschluss ist für ungültig zu erklären (§ 23 Abs. 4 Satz 1 WEG), weil er nicht ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht. Nach der Gemeinschaftsordnung dürfen die Gartensondernutzungsflächen nur als Ziergarten genutzt werden. Damit ist die Aufstellung eines Gartenhäuschens ohne Rücksicht auf die Abmessungen mit der vereinbarten Nutzung des gemeinschaftlichen Eigentums unvereinbar. Das einem Wohnungseigentümer an einer Gartenfläche eingeräumte Sondernutzungsrecht berechtigt und verpflichtet diesen, die Fläche allein zu unterhalten und ordnungsmäßig instand zu halten. Das Sondernutzungsrecht beinhaltet die Befugnis, die Fläche gärtnerisch zu gestalten (BayObLG NJW-RR 1987, 846) oder zu Erholungszwecken zu nutzen. Diese Befugnis umfasst grundsätzlich auch eine Nutzung in der Form des Anlegens von Gemüsebeeten oder des Anpflanzens von Obstbäumen und Sträuchern. Die Nutzungsbefugnis ist hier durch die Bestimmung in der Gemeinschaftsordnung dadurch eingeschränkt, dass die zur Sondernutzung zugewiesene Gartenfläche nur als Ziergarten genutzt werden darf (vgl. § 15 Abs. 2 WEG).

Unter einem Ziergarten versteht der Senat, abgrenzend von einem Nutzgarten, eine dahingehend kultivierte Fläche, dass sie ausschließlich "schmückt" (s. zur Begriffsbestimmung Der Große Duden Herkunftswörterbuch Stichwort "Zier"), d.h. der optischen Erbauung dient (BayObLG Beschl. v. 23.10.2003, 2Z BR 63/03). Mit dieser eingeschränkten Nutzungsbefugnis verträgt sich die Errichtung eines Garten- oder auch eines Kinderspielhäuschens nicht. Ein Beschluss, der ein Einschreiten gegen eine solche vereinbarungswidrige Nutzung ablehnt, entspricht folglich nicht ordnungsmäßiger Verwaltung (§ 21 Abs. 4 WEG).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 WEG, die Festsetzung des Geschäftswerts auf § 48 Abs. 3 WEG.



Ende der Entscheidung

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