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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 08.09.2004
Aktenzeichen: 2Z BR 136/04
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 10 Abs. 1
WEG § 15 Abs. 1
Bei der Auslegung des Umfangs eines Sondernutzungsrechts ist auf den Wortlaut und den Sinn der in Bezug genommenen Eintragungsbewilligung, wie er sich für einen unbefangenen Betrachter als nächstliegende Bedeutung ergibt, abzustellen. Dabei ist auch der übrige Inhalt der in Bezug genommenen Teilungserklärung oder Gemeinschaftsordnung zu berücksichtigen. Umstände außerhalb der Grundbucheintragung sind zur Ermittlung von Inhalt und Umfang eines Sondernutzungsrechtes insoweit heranzuziehen, als sie nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalls für jedermann ohne weiteres erkennbar sind.
Gründe:

I.

Die Beteiligten sind die Wohnungseigentümer einer Wohnanlage, die aus einem so genannten Vorderhaus und einem Hinterhaus besteht. Der Antragstellerin gehört das Hinterhaus (Wohnung Nr. 18).

Zwischen der im Westen gelegenen Rückfront des Vorderhauses und der gegenüber liegenden Ostfront des Hinterhauses befindet sich eine Hoffläche. Eine weitere Fläche liegt im Westen des Hinterhauses. Im Süden der beiden Häuser befindet sich ein schmaler Grundstücksstreifen, der sich über die gesamte Grundstückslänge erstreckt. Die Westfront des Vorderhauses verläuft nicht wie die Ostfront des Hinterhauses in gerader Linie, sondern ist im Nordwesten auf eine Breite von rund 2 m rund 7 m zurückversetzt.

In der Gemeinschaftsordnung vom 20.5.1983 in Verbindung mit dem zweiten Nachtrag dazu vom 31.7.1984 heißt es:

Dem jeweiligen Eigentümer der Wohnung Nr. 18 wird eingeräumt das unentgeltliche Sondernutzungsrecht an der gesamten zwischen Vorder- und Hinterhaus gelegenen Hoffläche abzüglich eines 5 m breiten Grundstücksstreifens entlang der gesamten Rückfront des Vorderhauses.

Eine zeichnerische Darstellung des Sondernutzungsrechtes ist der Gemeinschaftsordnung als Anlage nicht beigefügt.

Die Antragsgegner sind der Auffassung, dass das Sondernutzungsrecht nur die zwischen Vorder- und Hinterhaus gelegene Fläche abzüglich eines 5 m breiten Grundstücksstreifens entlang der gesamten Rückfront des Vorderhauses umfasse.

Die Antragstellerin hat die Feststellung beantragt, dass die Sondernutzungsfläche die Fläche des Gemeinschaftseigentums umfasst, welche 5 m hinter der westlichen Rückfront des Vorderhauses beginnt und an der westlichen Grundstücksgrenze hinter dem Hinterhaus endet, wobei jeweils die gesamte Grundstücksbreite umfasst wird. Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 24.10.2003 dem Antrag stattgegeben. Das Landgericht hat am 17.5.2004 auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegner zu 1 bis 3 den Beschluss des Amtsgerichts aufgehoben und den Feststellungsantrag abgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Antragstellerin.

II.

Das Rechtsmittel ist begründet.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Aufgrund der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur Auslegung von Grundbucherklärungen müsse davon ausgegangen werden, dass die Auffassung der Antragstellerin nach dem Wortlaut der Gemeinschaftsordnung nicht "für jedermann erkennbar" sei. Der Wortlaut der Gemeinschaftsordnung spreche eindeutig für die Auslegung der Antragsgegner.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

a) Die Vereinbarung eines Sondernutzungsrechts kann nach § 5 Abs. 4, § 10 Abs. 2, § 15 Abs. 1 WEG durch Eintragung in das Grundbuch zum Inhalt des Sondereigentums gemacht werden. Zur näheren Bezeichnung des Gegenstands und des Inhalts des Sondereigentums kann nach § 7 Abs. 3 WEG auf die Eintragungsbewilligung Bezug genommen werden. Das gilt mithin auch für Umfang und Inhalt eines Sondernutzungsrechts, das durch Eintragung zum Inhalt des Sondereigentums werden soll. Der das Grundbuchrecht beherrschende Bestimmtheitsgrundsatz verlangt, dass die Eintragungsbewilligung die Fläche, an der ein Sondernutzungsrecht bestehen soll, klar und bestimmt bezeichnet. An diese Bezeichnung sind die gleichen Anforderungen zu stellen wie bei sonstigen einen Grundstücksteil betreffenden Eintragungen. Demnach gilt für die Einräumung von Sondernutzungsrechten nichts anderes als für den Gegenstand von Sondereigentum. Abzustellen ist auf den Wortlaut und den Sinn der in Bezug genommenen Eintragungsbewilligung, wie er sich für einen unbefangenen Betrachter als nächstliegende Bedeutung ergibt. Umstände außerhalb der Grundbucheintragung dürfen zur Ermittlung von Inhalt und Umfang eines Sondernutzungsrechts nur insoweit herangezogen werden, als sie nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalls für jedermann ohne weiteres erkennbar sind. Darauf, was der Bewilligende gewollt hat, kommt es nicht an (BayObLG ZMR 2003, 758 m.w.N.). Die Erkennbarkeit für jedermann verlangt nicht Erkennbarkeit durch Einsicht in das Grundbuch und die Grundakten, vielmehr bezieht sie sich auch auf andere Erkenntnismittel, wie etwa Feststellung des bestehenden Zustands im Zeitpunkt der Eintragung (BayObLG DNotZ 1989, 568 f.).

b) Nach der Gemeinschaftsordnung umfasst das Sondernutzungsrecht die gesamte Hoffläche zwischen Vorder- und Hinterhaus abzüglich eines 5 m breiten Grundstücksstreifens entlang der gesamten Rückfront des Vorderhauses.

Die nächstliegende Bedeutung dieser Formulierung geht dahin, dass die Trennlinie durchgehend zwischen den beiden Sondernutzungsrechten 5 m entfernt von der Rückfront des Vorderhauses verlaufen soll, und zwar auch an der Nord-West-Stelle, an der das Vorderhaus zurückversetzt ist. Es wäre nämlich nicht einleuchtend, wenn auch an dieser Stelle von der Rückfront des Vorderhauses ausgehend 5 m abgemessen würden und dann ein Sondernutzungsrecht der Antragstellerin auf eine Länge von rund 2 m direkt an der Nordseite des Vorderhauses gelegen bestünde.

Weiter wird ein unbefangener Betrachter davon ausgehen, dass die Trennlinie zwischen den beiden Sondernutzungsflächen im Süden des Grundstücks eine gedachte Verlängerung der beiden Häuserfronten bilden soll, so dass sich die Trennung auch auf den im Süden gelegenen Grundstücksstreifen bezieht.

Zutreffend hat das Amtsgericht aber auch die im Westen gelegene Hoffläche als zum Sondernutzungsrecht der Antragstellerin zugehörig angesehen. Im zweiten Nachtrag zur Gemeinschaftsordnung heißt es nämlich, dass sowohl die im Vorderhaus als auch die im Hinterhaus gelegenen Wohnungs- und Teileigentumseinheiten, soweit sie das Gemeinschaftseigentum betreffen, selbständige wirtschaftliche Einheiten bilden sollen. Hiervon ausgehend wäre es wenig verständlich, wenn die das Hinterhaus umfassende Grundstücksfläche nicht zum Sondernutzungsrecht der Antragstellerin gehören würde und die Regelung in der Gemeinschaftsordnung über die Sondernutzungsrechte nicht als Trennlinie zwischen den gesamten Grundstücksflächen, sondern nur als Trennlinie der zwischen Vorder- und Hinterhaus gelegenen Hoffläche angesehen würde. Für die Richtigkeit dieser Lösung spricht auch die im zweiten Nachtrag zur Gemeinschaftsordnung enthaltene Regelung, nach der die Räum-, Kehr- und Streupflicht der Hofzufahrt bis hin zum Beginn des Sondernutzungsrechts beim jeweiligen Eigentümer der Wohnung Nr. 18 liegt. Diese Bestimmung ergäbe keinen Sinn, wenn jedenfalls die im Süden gelegene Hoffläche nicht zum Sondernutzungsrecht der Antragstellerin gehören würde.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 WEG, die Geschäftswertfestsetzung auf § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG.



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