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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 28.03.2001
Aktenzeichen: 2Z BR 138/00
Rechtsgebiete: WEG, BGB


Vorschriften:

WEG § 10 Abs. 2
WEG § 15 Abs. 1
BGB § 873 Abs. 2
Stellplatzverlegungen setzen sowohl eine schuldrechtlichen als auch eine dingliche Einigung aller Wohnungseigentümer voraus, wobei die dingliche Einigung formfrei möglich ist.
Bayerisches Oberstes Landesgericht BESCHLUSS

Der 2. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Reichold sowie der Richter Dr. Delius und Lorbacher

am 28. März 2001

in der Wohnungseigentumssache

pp.

wegen Verpflichtung zur Abgabe einer Willenserklärung,

beschlossen:

Tenor:

I. Auf die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegner zu 1 werden der Beschluß des Landgerichts Augsburg vom 16. November 2000 und der Beschluß des Amtsgerichts Augsburg vom 17. Januar 2000 dahingehend abgeändert, daß die Antragstellerin verpflichtet ist, gemäß der schuldrechtlichen Vereinbarung vom 5. Februar 1993 ihre Einigung über die Verlegung des Stellplatzes Nr. 2 östlich neben Stellplatz Nr. 7 zu erklären und die Eintragung im Grundbuch zu bewilligen.

II. Die Antragstellerin hat die Gerichtskosten aller Rechtszüge und die außergerichtlichen Kosten des Antragsgegners zu 2 im Beschwerdeverfahren zu tragen. Von der Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten im übrigen wird abgesehen.

III. Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 15.000 DM festgesetzt.

I.

Die Antragstellerin, die Antragsgegner zu 1 und die weiteren Beteiligten waren bei Einleitung des Verfahrens am 31.7.1997 die Wohnungseigentümer einer Wohnanlage. Die Antragsgegner zu 1 verkauften ihre Wohnung, für die ein Sondernutzungsrecht an dem Pkw-Stellplatz Nr. 2 im Grundbuch eingetragen ist, an den Antragsgegner zu 2; dieser wurde am 12.2.1998 als neuer Eigentümer im Grundbuch eingetragen.

Am 5.2.1993 fand eine außerordentliche Eigentümerversammlung statt, an der sämtliche Wohnungseigentümer teilnahmen oder vertreten waren. In der Sitzungsniederschrift heißt es:

Einziger Tagespunkt Verlegung des Parkplatzes 2. Der Parkplatz wird verlegt neben Platz 7. Die Gerätehütte wird ... abgerissen. Im Trockenraum entsteht ... ein Hausmeisterraum. Der Vorschlag des ..., eine Gemeinschaftsaktion zur Erstellung der neuen Grünfläche zu starten, wird angenommen. Der teilweise verfaulte Zaun wird mitsamt der Hütte in Eigenleistungen entfernt. Die Notarkosten trägt die Gemeinschaft. Raum für Hausmeister wird von ... erstellt.

Beschluß:

Aufgrund der Eigentümerversammlung bevollmächtigen wir den Verwalter ..., die entsprechenden nötigen Handlungen grundbuchmäßig vorzunehmen.

Einstimmig.

Der "Beschluß" wurde in der Folgezeit in tatsächlicher Hinsicht ausgeführt; eine Eintragung der Änderung im Grundbuch wurde bislang nicht vorgenommen. Im Jahr 1995 kam es zwischen der Antragstellerin und den Antragsgegnern zu 1 zum Streit darüber, wer für die aufgrund der durchgeführten Maßnahmen entstandenen Kosten aufzukommen hat; gegen die Verlegung des Stellplatzes als solche erhob auch die Antragstellerin keine Einwendungen.

Die Antragstellerin hat beantragt, es den Antragsgegnern zu und zu 2 zu untersagen, ein Kraftfahrzeug auf dem Platz abzustellen, auf den der Stellplatz Nr. 2 verlegt worden ist. Die Antragsgegner zu 1 haben den Gegenantrag gestellt, die Antragstellerin zu verpflichten, einer Änderung der Teilungserklärung bezüglich des verlegten Stellplatzes zuzustimmen und alle notwendigen Erklärungen für eine Eintragung der Änderung der Teilungserklärung im Grundbuch abzugeben. Das Amtsgericht hat mit Beschluß vom 17.1.2000 den Antrag und den Gegenantrag abgewiesen. Das Landgericht hat am 16.11.2000 die sofortige Beschwerde der Antragsgegner zu 1 und die Anschlußbeschwerde der Antragstellerin zurückgewiesen. Gegen diesen Beschluß richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegner zu 1.

II.

Das Rechtsmittel ist begründet.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Das Rechtsschutzbedürfnis für den Gegenantrag sei gegeben, obwohl die Antragsgegner zu 1 ihre Wohnung veräußert hätten; der Gegenantrag sei aber unbegründet. Durch den bestandskräftigen Eigentümerbeschluß vom 5.2.1993 sei die Antragstellerin zwar schuldrechtlich, nicht aber dinglich an die Verlegung des Parkplatzes gebunden. Eine Einigungserklärung sei nämlich nur dann nicht mehr einseitig widerruflich, wenn sie in der Form des § 873 Abs. 2 BGB abgegeben sei. Daran fehle es hier. Solange die Antragstellerin ihre Bewilligung nicht erteile, könne der Beschluß vom 5.2.1993 dinglich nicht vollzogen werden.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die Antragstellerin ist verpflichtet, gemäß der schuldrechtlichen Vereinbarung vom 5.2.1993 ihre Einigung über die Verlegung des Stellplatzes Nr. 2 östlich neben Stellplatz Nr. 7 zu erklären und die Eintragung im Grundbuch zu bewilligen.

a) Durch den Eigentumsübergang während des Verfahrens verloren die Antragsgegner zu 1 ihr Gegenantragsrecht nicht; § 265 ZPO ist entsprechend anzuwenden (BayObLG NJW-RR 1991, 351 f.; Senatsbeschluß vom 2.3.2001 - 2Z BR 127/00).

b) Die Wohnungseigentümer haben am 5.2.1993 eine wirksame schuldrechtliche Vereinbarung über die Verlegung des Stellplatzes Nr. 2 geschlossen.

(1) Die Verlegung eines Sondernutzungsrechtes an einem Stellplatz kann schuldrechtlich nur durch Vereinbarung gemäß § 10 Abs. 1 WEG vorgenommen werden. Das gilt auch dann, wenn das Sondernutzungsrecht wie hier in der Teilungserklärung begründet wurde, weil die Teilungserklärung ab dem Zeitpunkt, ab dem sie von dem teilenden Eigentümer nicht mehr einseitig abgeändert werden kann, einer Vereinbarung gleichsteht (BGH WuM 2000, 682 f.).

(2) Eigentümerbeschlüsse und Vereinbarungen der Wohnungseigentümer sind "aus sich heraus", objektiv und normativ auszulegen. Umstände außerhalb des protokollierten Beschlusses oder der Vereinbarung dürfen nur herangezogen werden, wenn sie nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalles für jedermann ohne weiteres erkennbar sind, z.B. weil sie sich aus dem übrigen Versammlungsprotokoll ergeben (BGH WPM 1998, 2336/2338). Unter Anwendung dieser Rechtsgrundsätze ergeben Sinn und Zweck des im Protokoll vom 5.2.1993 Niedergelegten, daß die Wohnungseigentümer u.a. "beschlossen" haben, den Stellplatz Nr. 2 zu verlegen und den Verwalter zu bevollmächtigen, "die entsprechenden nötigen Handlungen grundbuchmäßig vorzunehmen".

Die Antragstellerin ist der Auffassung, der "Beschluß" sei unwirksam, weil er mit Ausnahme der Notarkosten keine Regelung darüber enthalte, wer die Kosten der beschlossenen Maßnahmen zu tragen habe. Dem kann nicht gefolgt werden. Der "Beschluß" über die Verlegung des Stellplatzes steht und fällt seinem Inhalt nach nicht mit einer Regelung der Kostenfrage. Unerheblich ist ein in der Eigentümerversammlung vom 5.2.1993 möglicherweise geäußerter Wille der Beteiligten über die Kostentragungspflicht, da dieser mit Ausnahme der Notarkosten in der Sitzungsniederschrift keinen Niederschlag gefunden hat.

(3) In der Eigentümerversammlung waren unstreitig alle Wohnungseigentümer anwesend oder vertreten; der "Beschluß" wurde einstimmig gefaßt. Da die Wohnungseigentümer eine Abänderung der in der Teilungserklärung niedergelegten Regelung hinsichtlich eines Sondernutzungsrechts beschließen wollten und beschlossen haben, liegt der Sache nach eine Vereinbarung über die Abänderung der Teilungserklärung vor (BayObLG Rpfleger 1979, 108; Palandt/Bassenge BGB 60. Aufl. § 10 WEG Rn. 7 m.w.N.).

c) Ein im Grundbuch eingetragenes Sondernutzungsrecht ist weder ein dingliches noch ein grundstückgleiches Recht, sondern ein schuldrechtliches Gebrauchsrecht. Mit der Eintragung im Grundbuch bewirkt es allerdings eine Inhaltsänderung aller Wohnungseigentumsrechte, so daß hierzu gemäß § 877 BGB in entsprechender Anwendung des § 873 BGB die dingliche Einigung aller Wohnungseigentümer erforderlich ist (BGH WPM 2000, 682/684). Demzufolge ist auch die Einigung aller Wohnungseigentümer erforderlich, wenn wie hier das eingetragene Sondernutzungerecht für den Stellplatz Nr. 2 abgeändert und die Änderung mit der Wirkung des § 10 Abs. 2 WEG im Grundbuch eingetragen werden soll.

d) Die Einigung ist formfrei, vgl. §§ 877, 873 Abs. 1, § 925 Abs. 1 BGB, § 4 Abs. 2 WEG. Die Abgabe der erforderlichen Einigungserklärungen kann in der Vereinbarung der Wohnungseigentümer vom 5.2.1993 gesehen werden. Ein entsprechender Wille der Wohnungseigentümer ergibt sich zumindest aus dem Umstand, daß sie den Verwalter bevollmächtigt haben, "die entsprechenden nötigen Handlungen grundbuchmäßig vorzunehmen". Nach §§ 877, 873 Abs. 2 BGB sind vor der Eintragung die Beteiligten an die Einigung nur gebunden, wenn die Erklärungen notariell beurkundet oder vor dem Grundbuchamt abgegeben oder bei diesem eingereicht sind oder wenn der Berechtigte dem anderen Teil eine den Vorschriften der Grundbuchordnung entsprechende Eintragungsbewilligung ausgehändigt hat. Daran fehlt es hier; die Antragstellerin konnte somit ihre Einigungserklärung einseitig widerrufen.

e) Aufgrund der wirksamen schuldrechtlichen Vereinbarung vom 5.2.1993 ist die Antragstellerin allerdings verpflichtet, ihre Einigungserklärung über die Inhaltsänderung aller Wohnungseigentumsrechte hinsichtlich der Verlegung des Stellplatzes Nr. 2 abzugeben. Eine solche Verpflichtung ergibt sich wiederum aus dem Umstand, daß die Wohnungseigentümer am 5.2.1993 den Verwalter bevollmächtigt haben, "die entsprechenden nötigen Handlungen grundbuchmäßig vorzunehmen". Diese Erklärung schließt zugleich die Verpflichtung ein, alles zu tun, um eine Eintragung der Änderung des Sondernutzungsrechts in das Grundbuch herbeizuführen. Aus dem gleichen Grunde ist die Antragstellerin verpflichtet, die Eintragung der Änderung im Grundbuch zu bewilligen.

f) Hinzuweisen ist darauf, daß allein die der Antragstellerin auferlegte Verpflichtung zur Abgabe der oben genannten Willenserklärung zur Eintragung der Veränderungsvereinbarung nicht genügt. Dazu bedarf es vielmehr der Bewilligung aller Wohnungseigentümer, die in der Form des § 29 Abs. 1 Satz 1 GBO nachgewiesen werden muß. Ob die Verpflichtung der Antragstellerin durch den vorliegenden Beschluß den grundbuchrechtlichen Anforderungen an den Bestimmtheitsgrundsatz genügt, braucht hier nicht entschieden zu werden. Der gestellte Antrag und der Akteninhalt lassen eine weitergehende Präzisierung der ausgesprochenen Verpflichtung der Antragstellerin nicht zu.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 WEG, die Geschäftswertfestsetzung auf § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG.

Ende der Entscheidung

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