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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 22.11.2001
Aktenzeichen: 2Z BR 140/01
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 24
Ein Wohnungseigentümer kann vorsorglich alle Eigentümerbeschlüsse anfechten, sofern ihm die Niederschrift über die Eigentümerversammlung vor Ablauf der Anfechtungsfrist nicht zugeht.
Gründe:

I.

Die Antragstellerin und die Antragsgegner sind die Wohnungseigentümer einer Wohnanlage, die von der weiteren Beteiligten verwaltet wird.

Am 27.3.2000 fassten die Wohnungseigentümer mehrere Beschlüsse. Die Antragstellerin hat am 27.4.2000 folgende Anträge gestellt:

Soweit die Beschlüsse der WEG v. 27.3.2000 hinsichtlich den bisherigen Anfechtungen der Jahre 96 bis 98 eine überholende Kausalität induzieren, werden diese jedenfalls angefochten.

Darüber hinaus ist die Einzelabrechnung 1999 schon insoweit fehlerhaft, als u.a. die gezahlten Wohngelder nicht voll erfasst sind und auch die früheren Einwendungen einfach übergangen wurden; ähnliches gilt für das Streichen der Treppenhäuser und den sonstigen mir nicht bekannten Beschlüsse.

Der genaue Umfang der Anfechtung kann erst nach Erhalt des Protokolls, das mir bis heute vorenthalten wurde, angegeben werden, ebenso der Geschäftswert.

Im Verlauf des Verfahrens hat die Antragstellerin außerdem beantragt, die weitere Beteiligte zu verpflichten, ihr Einsicht in die Abrechnungsunterlagen zu gewähren.

Das Amtsgericht hat am 20.2.2001 die Anträge abgewiesen. Das Landgericht hat durch Beschluss vom 17.8.2001 die sofortige Beschwerde der Antragstellerin zurückgewiesen. Dagegen richtet sich deren sofortige weitere Beschwerde.

II.

Das Rechtsmittel hat teilweise Erfolg.

Das Landgericht hat unter weitgehender Bezugnahme auf die Entscheidung des Amtsgerichts ausgeführt: Aus dem Anfechtungsschreiben gehe nicht hervor, dass vorsorglich alle Beschlüsse angefochten werden sollten, da ausdrücklich eine Beschränkung vorgenommen worden sei. Mit der erforderlichen Bestimmtheit könne nur die Anfechtung der Einzelabrechnung 1999 entnommen werden. Für eine Fehlerhaftigkeit der Abrechnung lägen keine Anhaltspunkte vor. Die Antragstellerin habe vorgetragen, eine Zahlung vom 31.5.2000 sei nicht berücksichtigt worden. Dies sei aber bei einer Beschlussfassung am 27.3.2000 nicht möglich gewesen.

Ein Anlass, gerichtliche Hilfe in Anspruch zu nehmen, bestehe hinsichtlich des Antrags auf Gewährung von Einsicht in die Abrechnungsunterlagen nicht, weil die Antragstellerin selbst ausführe, ihr sei die Einsicht in die Unterlagen angeboten worden.

2. Die Entscheidung hält nicht in vollem Umfang der rechtlichen Nachprüfung stand.

a) Die Wirksamkeit der Beschwerdeentscheidung wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass der Beschluss nur von zwei Richtern unterschrieben ist und von einem zugleich für den wegen Urlaubs an der Unterschriftsleistung verhinderten dritten Richter. Der Senat hat entschieden, dass die Unterschrift eines Richters ausreicht, um die Herkunft des Beschlusses zu verbürgen und sicherzustellen, dass es sich nicht nur um einen Entwurf handelt (Beschluss vom 20.8.2001, 2Z BR 102/01 m. w. N.).

b) Die Abweisung des Antrags auf Einsicht in die Abrechnungsunterlagen für 1999 ist nicht frei von Rechtsfehlern. Die Antragstellerin hat in der Beschwerdebegründung vom 24.6.2001 zwar ausgeführt, die Einsichtnahme sei ihr von der weiteren Beteiligten zugesagt worden. In unmittelbarem Anschluss daran hat sie aber auch ausgeführt, die "jetzige Weigerung" stehe im Widerspruch dazu. Der Sachvortrag der Antragstellerin ist nur so zu verstehen, dass die Einsicht zunächst zugesagt, dann aber doch nicht gewährt wurde. Die weitere Beteiligte ist diesem Sachvortrag nicht entgegengetreten. Sie ist daher nicht nur im Hinblick auf ihre Zusage, sondern auch deshalb zur Gewährung der Einsicht zu verpflichten, weil grundsätzlich jeder Wohnungseigentümer einen Anspruch auf Einsicht in die Abrechnungsunterlagen hat und dieser Anspruch auch noch nach der maßgebenden Eigentümerversammlung bestehen kann (BayObLGZ 1978, 231/233 f.; Bärmann/Pick/Merle WEG 8. Aufl. § 28 Rn. 84).

c) Die Abweisung der Übrigen Anträge der Antragstellerin ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

Es ist allgemein anerkannt, dass ein Wohnungseigentümer, dem die Niederschrift über die Eigentümerversammlung vor Ablauf der Anfechtungsfrist nicht zugegangen ist, vorsorglich alle in der Versammlung gefassten Eigentümerbeschlüsse anfechten kann (BayObLGZ 2000, 340/342). Soweit der Verwalter, was in der Regel der Fall ist, aufgrund der Gemeinschaftsordnung oder des Verwaltervertrags zur Versendung einer Niederschrift über die Eigentümerversammlung verpflichtet ist, hat dies mindestens eine Woche vor Ablauf der Anfechtungsfrist des § 23 Abs. 4 WEG zu geschehen (BayObLG WE 1991, 204). Häufig wird diese Verpflichtung von den Verwaltern missachtet. Dies hat zur Folge, dass insbesondere von Wohnungseigentümern, die an der Versammlung nicht teilgenommen haben, vorsorglich alle ihnen nicht bekannten Eigentümerbeschlüsse angefochten werden. Soweit dann die Anfechtung nach Vorliegen der Niederschrift auf einzelne Eigentümerbeschlüsse beschränkt wird, ist es regelmäßig geboten, dem Verwalter die durch die zunächst weitergehende Anfechtung entstandenen Kosten wegen Verletzung seiner Verwalterpflichten aufzuerlegen (BayObLG WE 1991, 229; Bärmann/Pick/Merle § 24 Rn. 108).

Zu Recht sind die Vorinstanzen zu dem Ergebnis gelangt, dass dem Anfechtungsschreiben der Antragstellerin nicht mit der erforderlichen Sicherheit entnommen werden kann, dass sämtliche Eigentümerbeschlüsse vorsorglich angefochten werden sollten. Die Anfechtung wurde vielmehr eingeschränkt, ohne dass Inhalt und Umfang der Einschränkung ("soweit die Beschlüsse ... hinsichtlich der bisherigen Anfechtungen... eine überholende Kausalität induzieren") festgestellt werden können.

d) Ein zweifelsfreier Wille zur Anfechtung kann dem Schreiben der Antragstellerin nur insoweit entnommen werden, als es um die "Einzelabrechnung 99" geht. Davon ist das Landgericht ohne Rechtsfehler ausgegangen. Die Anfechtung hat es insoweit zu Recht für unbegründet erachtet. Denn die Antragstellerin beanstandet, dass eine Zahlung, die von ihr nach der Beschlussfassung geleistet worden sei, keine Berücksichtigung gefunden habe. Zutreffend weist das Landgericht darauf hin, dass dies nicht möglich war.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 WEG. Es erscheint angemessen, der Antragstellerin trotz ihres, allerdings nur geringfügigen, Obsiegens die gesamten Gerichtskosten aufzuerlegen, von der Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten für das Rechtsbeschwerdeverfahren jedoch abzusehen.

Die Geschäftswertfestsetzung beruht auf § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG.



Ende der Entscheidung

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