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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 23.10.2003
Aktenzeichen: 2Z BR 141/03
Rechtsgebiete: BGB, WEG


Vorschriften:

BGB § 276
WEG § 10
Ist nach der Gemeinschaftsordnung die schriftliche Zustimmung des anderen Wohnungseigentümers erforderlich, wenn die Eigentumswohnung vermietet werden soll, so darf diese nur aus wichtigem Grund versagt werden. Verweigert der andere Wohnungseigentümer ohne wichtigen Grund die Zustimmung, so kann dies Schadensersatzansprüche aus positiver Forderungsverletzung (Pflichtverletzung) auslösen.
Gründe:

I.

Die Antragstellerin ist die Tochter der Antragsgegner. Sie und ihre Eltern bilden die Wohnungseigentümer einer Wohnanlage. Der Antragstellerin gehört die Dachgeschosswohnung mit einer Wohnfläche von 112 m² nebst Keller, einem Nebenraum und einer Garage, die ihr im Weg der vorweggenommenen Erbfolge übertragen worden war. Die Antragsgegner sind die Eigentümer der Erdgeschosswohnung samt Nebenräumen.

Die Gemeinschaftsordnung vom 22.4.1996 sieht in § 2 Abs. 3 vor, dass die schriftliche Zustimmung des anderen Wohnungseigentümers erforderlich ist, wenn eine Eigentumswohnung vermietet oder für andere als Wohnzwecke verwendet werden soll, und dass die Zustimmung nur aus einem wichtigen Grund versagt werden darf.

Die Beteiligten sind zerstritten. Die Antragstellerin zog mit ihrer Familie aus der Dachgeschosswohnung aus und beabsichtigte, sie an die Interessentin S. zu vermieten. Dem stimmten die Antragsgegner nicht zu. Die Antragstellerin hat beim Amtsgericht zunächst beantragt, die Antragsgegner zu verpflichten, einer Vermietung der Wohnung an Frau S. zuzustimmen. Weil Frau S. Ende Juli/Anfang August 2002 ihre Absicht, die Wohnung anzumieten, aufgab und schließlich absagte, hat die Antragstellerin gegen die Antragsgegner entgangenen Mietzins für die Monate April bis September 2002 als Schadensersatz in Höhe von 3.807,90 EUR zuzüglich Zinsen geltend gemacht. Das Amtsgericht hat dem Antrag mit Beschluss vom 20.12.2002 in der Hauptsache stattgegeben. Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegner änderte das Landgericht den Beschluss des Amtsgerichts dahin ab, dass die Antragsgegner verpflichtet werden, an die Antragstellerin unter Berücksichtigung ersparter Abnutzung Mietausfall für die Monate Juli bis September 2002 in Höhe von 1.803,69 EUR zuzüglich Zinsen zu zahlen. Hiergegen richten sich die sofortigen weiteren Beschwerden der Antragstellerin und der Antragsgegner. Die Antragstellerin verlangt weiterhin Schadensersatz für den gesamten Zeitraum April bis September 2002 in voller Höhe, während die Antragsgegner eine vollständige Abweisung des Antrags begehren.

II.

Beide Rechtsmittel erweisen sich als unbegründet.

1. Das Landgericht hat ausgeführt: Der Antragstellerin stehe erst ab Juli 2002 entgangener Mietzins als Schadensersatz zu. Die Antragsgegner seien verpflichtet gewesen, jedenfalls im Juni 2002 der Wohnungsvermietung zuzustimmen. Ihre unberechtigte Weigerung sei eine positive Vertragsverletzung. Die Vermietung durch die Antragstellerin sei generell zulässig und die Antragsgegner seien nicht berechtigt gewesen, Frau S. als Mieterin abzulehnen. Ein wichtiger Grund habe nicht vorgelegen. Auf dem früher von Frau S. bewohnten Grundstück habe zwar Unordnung geherrscht. Diesen Ablehnungsgrund hätten die Antragsgegner aber erst nach Abschluss des Zeitraums, für den Schadensersatz verlangt werde, geltend gemacht. Im Übrigen sei nicht zu erwarten gewesen, dass sich Frau S. im Haus der Beteiligten ebenso unordentlich verhalte. Schließlich hätte sie auf dem allein genutzten Gelände niemanden gestört und habe das Mietobjekt in tadellosem Zustand übergeben. Frau S. wäre auch bereit gewesen, Mietzins und Nebenkosten, wie von der Antragstellerin verlangt, zu bezahlen. Abzuziehen seien nur ersparte Abnutzungen in Höhe von 25 EUR monatlich. Die Interessentin hätte ab April 2002 den Mietvertrag abgeschlossen, wenn die Antragsgegner zugestimmt hätten. Sie habe sich erst Ende Juli/ Anfang August 2002 entschlossen, ihr jetzt bewohntes Haus zu erwerben. Dazu wäre es nicht gekommen, wenn sie zuvor die Wohnung hätte anmieten können.

Für die Zeit vor Juli 2002 entfalle ein Schadensersatzanspruch jedoch deshalb, weil die Antragstellerin erst Anfang Juni 2002 die vorgesehene Mieterin mit Wohnanschrift genau genug bezeichnet habe, so dass die Antragsgegner in der Lage gewesen seien, vorher Erkundigungen einzuziehen und zu prüfen, ob ein wichtiger Grund für die Verweigerung der Zustimmung vorlag.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

a) Es ist zulässig, als Inhalt des Sondereigentums zu vereinbaren, dass die übrigen Wohnungseigentümer zur Vermietung der Eigentumswohnung schriftlich zustimmen müssen (§ 10 Abs. 2 WEG; siehe BGHZ 37, 203; BayObLGZ 1982, 9/12 f.; Niedenführ/ Schulze WEG 6. Aufl. § 12 Rn. 3; Pick in Bärmann/Pick/Merle WEG 9. Aufl. § 13 Rn. 71 und § 12 Rn. 64). Die Zustimmung darf dann allerdings nur aus wichtigem Grund versagt werden. Dies folgt hier unmittelbar aus der Gemeinschaftsordnung, kann aber auch aus § 12 Abs. 2 Satz 1 WEG (Pick in Bärmann/ Pick/Merle § 12 Rn. 64) oder § 242 BGB (BayObLGZ 1987, 289, 296/297) hergeleitet werden. Wird die Zustimmung pflichtwidrig versagt, kann dem betroffenen Wohnungseigentümer daraus ein Schadensersatzanspruch aus Pflichtverletzung (positiver Forderungsverletzung) erwachsen (Pick in Bärmann/Pick/Merle § 12 Rn. 39; siehe auch BayObLG DWE 1984, 60). Als wichtiger Grund gemäß § 12 Abs. 2 Satz 1 WEG kommen nur solche Umstände in Betracht, aus denen sich ergibt, dass der Erwerber erkennbar rechtlich geschützte Gemeinschaftsinteressen verletzen werde. Dies lässt sich dahin näher eingrenzen, dass die Unzumutbarkeit des Eintritts des Erwerbers in die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ihre Ursache in der Person des Erwerbers haben muss. Ob dies uneingeschränkt auf den Fall der bloßen Gebrauchsüberlassung auf Zeit zu übertragen ist, mag zweifelhaft sein (BayObLGZ 1987, 289, 296/297), bedarf hier aber keiner abschließenden Klärung. Denn ein wichtiger Grund für die Versagung der Zustimmung lag weder in der Person der in Aussicht genommenen Mieterin noch in anderen Umständen vor.

(1) Das Landgericht hat nach Einvernahme mehrerer Zeugen rechtsfehlerfrei und damit für den Senat bindend (§ 559 ZPO, § 27 Abs. 2 FGG) festgestellt, dass in der Person der vorgesehenen Mieterin S. ein wichtiger Grund für die Versagung der Zustimmung nicht zu erblicken war. Sein aus der Beweisaufnahme gezogener Schluss, die Interessentin wäre zur vertragsgemäßen Nutzung des Mietobjekts willens und in der Lage gewesen, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Soweit die Antragsgegner die Unordnung im Außengelände der früheren Wohnung als Umstand für die Versagung der Zustimmung heranziehen, hat sich das Landgericht hiermit ausführlich auseinander gesetzt und nachvollziehbar begründet, weshalb eine vergleichbare Unordnung in der Eigentumswohnung nicht zu erwarten gewesen wäre. Auch wenn sich der gegenteilige Schluss ziehen ließe, würde dies dem Rechtsmittel der Antragsgegner nicht zum Erfolg verhelfen.

Schließlich hat das Landgericht auch den Umstand, dass Frau S. gemeinsam mit drei Kindern eingezogen wäre, angesichts der Wohnungsgröße zutreffend nicht als Grund erachtet, der einer Zustimmung entgegengestanden hätte.

(2) Ohne Rechtsfehler hat das Landgericht schließlich auch Gründe, die ihre Ursache außerhalb der in Aussicht genommenen Mieterin haben, nicht als solche angesehen, die zur Verweigerung berechtigten. Denn die Interessen der Zustimmungsberechtigten wären durch die beabsichtigte Vermietung nicht erheblich beeinträchtigt gewesen. Insbesondere war es den Antragsgegnern zumutbar, auch mit einer fremden Familie unter einem Dach zu wohnen.

Werden in dem Vertrag über die Begründung von Wohnungseigentum Wohnungseigentumsrechte als Wohnung bezeichnet, so handelt es sich um eine Zweckbestimmung mit Vereinbarungscharakter gemäß § 5 Abs. 4, § 10 Abs. 1 Satz 2, § 15 Abs. 1 WEG. Der Wohnzweck umfasst jedenfalls auch das Vermieten auf Dauer (BayObLG ZMR 2003, 693; NJW 1992, 917 f.). Nichts anderes gilt hier. Aus § 2 Nr. 3 der Gemeinschaftsordnung ergibt sich zudem eindeutig, dass eine Vermietung, also eine Gebrauchsüberlassung des Wohnraums an Dritte auf Zeit, grundsätzlich zulässig sein sollte.

Einen gegen die Zustimmung zur Vermietung sprechenden wichtigen Grund stellt es nicht dar, dass bisher keine Messeinrichtungen für die getrennte Erfassung von Verbrauchskosten vorhanden sind. Die Gemeinschaftsordnung enthält für die Abrechnung von Gemeinschaftskosten in § 6 Nr. 3 und Nr. 4 Regelungen, die sich an die gesetzlichen Vorgaben in § 16 Abs. 2 WEG und die Heizkostenverordnung anlehnen. Es ist nicht ersichtlich, dass diese Regelungen infolge einer Vermietung den Erfordernissen der Wohnungseigentümergemeinschaft nicht mehr gerecht werden und die Interessen der Zustimmungsberechtigten dadurch erheblich beeinträchtigt wären. Überdies hat die Antragstellerin ihre grundsätzliche Bereitschaft bekundet, getrennte Gebrauchserfassungsgeräte zu installieren. Es ist Sache der Wohnungseigentümer, sich entsprechend zu einigen. Soweit die Antragsgegner der Antragstellerin vorwerfen, in der Vergangenheit Wohngeld verspätet oder gar nicht entrichtet zu haben, besteht kein sachlicher Zusammenhang mit der Frage, ob der ausgewählte Mietinteressent, dessen eigene finanzielle Leistungsfähigkeit nicht in Zweifel steht, für den anderen Wohnungseigentümer zumutbar ist.

b) Ohne Rechtsfehler hat das Landgericht einen Schadensersatzanspruch der Antragstellerin grundsätzlich bejaht, für den Zeitraum vor dem 1.7.2002 aber verneint. Im Zivilrecht gilt ein objektiver Verschuldensmaßstab, so dass eine Pflichtverletzung ein Verschulden indiziert. Dies gilt auch im vorliegenden Fall. Weil es zwar nicht ausschließlich, wohl aber wesentlich auf Umstände in der Person des in Aussicht genommenen Mieters ankommt, die für die Versagung der Zustimmung aus wichtigem Grund von Bedeutung sind, ist es ähnlich wie bei der Stellung eines Nachmieters (dazu Palandt/Weidenkaff BGB 62. Aufl. § 537 Rn. 8) unerlässlich, dem anderen Wohnungseigentümer die Möglichkeit zu eigener Nachforschung einzuräumen. Dazu ist die Mitteilung der Wohnanschrift regelmäßig eine unverzichtbare Voraussetzung. Nur aufgrund einer Namensliste mit Angaben zur Erwerbstätigkeit und zum Familienstand ist der Zustimmungsberechtigte in der Regel nicht in der Lage, sich von den in Betracht kommenden, ihm unbekannten Personen ein unabhängiges Bild zu machen. Entbehrlich war dies auch nicht deshalb, weil die Antragsgegner bereits zuvor grundsätzlich zu erkennen gegeben hätten, einer Vermietung nicht zustimmen zu wollen. Ersichtlich sollte noch nicht abschließend "das letzte Wort" unter den Beteiligten gewechselt gewesen sein. So hat dies auch die Antragstellerin selbst verstanden, weil sie sonst nicht einige Zeit später um eine Zustimmung zur Vermietung nachgesucht hätte.

c) Der vom Landgericht vorgenommene Abzug für ersparte Abnutzungen ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, ebenso wenig das dafür gewählte Schätzverfahren. Denn den Umfang der erforderlichen Ermittlungen bestimmt das Gericht der freiwilligen Gerichtsbarkeit gemäß § 12 FGG nach pflichtgemäßem Ermessen (Keidel/Schmidt FGG 15. Aufl. § 12 Rn. 18). Es hält sich im Rahmen des richterlichen Ermessens, anstelle eines Sachverständigengutachtens angesichts der geringfügigen Beträge eine Schätzung nach dem Rechtsgedanken des § 287 ZPO vorzunehmen.

d) Die Kostenentscheidung des Landgerichts stellt eine Ermessensentscheidung dar und lässt keinen Rechtsfehler erkennen.

3. Dem Senat erscheint es nach § 47 WEG angemessen, die Gerichtskosten gegeneinander aufzuheben und es beim Grundsatz zu belassen, dass jeder Beteiligte seine außergerichtlichen Kosten selbst trägt.

Die Geschäftswertfestsetzung beruht auf § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG.



Ende der Entscheidung

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