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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 17.10.2001
Aktenzeichen: 2Z BR 147/01
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 14 Nr. 1
WEG § 22 Abs. 1
Eine auf dem Flachdach einer Garage installierte Photovoltaikanlage mit dem Umfang 0,8 m² muß keine die übrigen Wohnungseigentümer beeinträchtigende bauliche Veränderung sein.
Gründe:

I.

Die Beteiligten sind die Wohnungs- und Teileigentümer einer Wohnanlage. Den Antragstellern gehört eine Wohnung und eine Garage. sie errichteten auf dem Flachdach ihrer Garage eine etwa 0,8 m² große Phbtovoltaikanlage mit einem Neigungswinkel von etwa 15 Grad.

In der Eigentümerversammlung vom 7.12.1999 wurde ihr Antrag, "Zustimmung zur Errichtung und Betreibung der Solaranlage" auf dem Flachdach ihrer Garage abgelehnt.

Die Antragsteller sind der Meinung, einer solchen Zustimmung bedürfe es nicht. Sie haben beantragt, den Eigentümerbeschluss für ungültig zu erklären und festzustellen, dass die Photovoltaikanlage keiner Zustimmung der übrigen Wohnungs- und Teileigentümer bedarf. Das Amtsgericht hat am 28.2.2001 dem Antrag auf Ungültigerklärung unter Nr. 1 und dem Feststellungsantrag unter Nr. 2 stattgegeben und den Antragsgegnern unter Nr. 3 die gesamten Kosten auferlegt. Das Landgericht hat durch Beschluss vom 29.8.2001 die Anträge abgewiesen. Dagegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Antragsteller.

Das Rechtsmittel hat Erfolg.

II.

1. Das Landgericht hat ausgeführt: Der Antrag auf Ungültigerklärung des Eigentümerbeschlusses vom 7.12.1999 sei mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig, weil sich der Eigentümerbeschluss in der Ablehnung des Antrags erschöpfe und keine Regelung enthalte. Der Feststellungsantrag sei unbegründet. Bei der Anlage handle es sich um eine bauliche Veränderung, mit der eine Beeinträchtigung verbunden sei. Ob eine Beeinträchtigung vorliege, sei nicht nur nach ästhetischen, sondern auch nach bauphysikalischen Grundsätzen zu beurteilen. Die Kammer neige dazu, eine ästhetische Beeinträchtigung für unmaßgeblich zu erachten. Entscheidend sei jedoch, dass nicht völlig unerhebliche Eingriffe am Dach der Garage und der Außenmauer vorgenommen worden seien. Dies müssten die Wohnungseigentümer nicht hinnehmen.

2. Die Entscheidung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

a) Im Vordergrund steht beim Begehren der Antragsteller der Feststellungsantrag. Der Antrag auf Ungültigerklärung hat daneben keine selbständige Bedeutung. Wenn die Antragsteller nämlich keiner Zustimmung bedürfen, dann kommt dem Eigentümerbeschluss, durch den ihr Antrag auf Zustimmung abgelehnt wurde, keine rechtliche Bedeutung zu.

b) Der Feststellungsantrag der Antragsteller hat Erfolg. Bei der Photovoltaikanlage handelt es sich ohne Zweifel um eine bauliche Veränderung des gemeinschaftlichen Eigentums im Sinn des § 22 Abs. 1 Satz 1 WEG, die Über eine ordnungsmäßige Instandsetzung oder Instandhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums hinausgeht. Durch die Errichtung der Anlage waren Eingriffe in das Dach und die Außenwand der Garage erforderlich, die gemäß § 5 Abs. 2 WEG im gemeinschaftlichen Eigentum stehen (vgl. BayObLG ZMR 2000, 471).

Die Zustimmung anderer Wohnungseigentümer zu der Maßnahme ist insoweit nicht erforderlich, als durch die Veränderung deren Rechte nicht über das in § 14 Nr. 1 WEG bestimmte Maß hinaus beeinträchtigt werden,(§ 22 Abs. 1 Satz 2 WEG). Unter einer Beeinträchtigung im Sinn des § 14 Nr. 1 WEG ist jede nicht nur ganz geringfügige Beeinträchtigung zu verstehen, die auch in einer nachteiligen Veränderung des optischen Gesamteindrucks der Wohnanlage liegen kann (allg.M.; ständige Rechtsprechung des Senats; vgl. BayObLG aaO).

(1) Ob eine optische Beeinträchtigung vorliegt, hat in erster Linie der Tatrichter zu entscheiden (BayObLG aaO; OLG Zweibrücken ZMR 1999, 855).

Das Amtsgericht hat eine optische (ästhetische) nachteilige Veränderung des Gemeinschaftseigentums durch die bauliche Veränderung verneint. Das Landgericht kommt, auch bei Berücksichtigung einer möglichen Blendwirkung durch die Photovoltaikanlage zum selben Ergebnis, ohne die Frage ausdrücklich entschieden zu haben. ob eine optische Beeinträchtigung vorliegt, kann anhand der zahlreichen bei den Akten befindlichen Lichtbilder abschließend beurteilt werden; die Einnahme eines Augenscheins ist dazu nicht zwingend erforderlich (vgl. BayObLG NZM 1998, 980 f.; OLG Hamm NJW-RR 2000, 1401). Die Lichtbilder vermitteln einen Eindruck von der Größe der Anlage, die auf der am weitesten von den Wohngebäuden entfernten Garage und daher nicht unmittelbar vor den Fenstern der Wohnungen angebracht ist. Sie bestätigen die von beiden Tatsacheninstanzen getroffene Beurteilung, dass eine nachteilige optische Beeinträchtigung nicht vorliegt.

(2) Das Landgericht hat eine Beeinträchtigung im Sinn des § 14 Nr. 1 WEG allein darin gesehen, dass durch die Befestigung der Anlage auf dem Dach und die Zuführung eines Kabels durch die Außenwand der Garage in das Dach und die Außenwand eingegriffen wurde. Diese Beurteilung beruht auf einem Rechtsfehler. Die Anbringung einer fingerdicken Bohrung durch die Außenwand kann ebenso wenig das Maß des § 14 Nr. 1 WEG überschreiten wie die Notwendigkeit, zur Befestigung der Anlage auf dem Dach Bohrungen anzubringen. Diese Maßnahmen können so vorgenommen werden, dass ein Schaden am Gemeinschaftseigentum, insbesondere durch Eindringen von Feuchtigkeit, ausgeschlossen ist. Dabei ist von besonderer Bedeutung, dass es sich bei dem Flachdach der Garage um ein einfach aufgebautes Flachdach handelt. Die Antragsteller haben vorgetragen, die Anlage sei nach vorheriger Abstimmung mit dem die Dachabdichtung der Garagen ausführenden Unternehmen vorgenommen worden. Die Antragsgegner treten diesem Sachvortrag nicht entgegen und lassen offen, ob das Dach zum Zweck der Befestigung der Anlage durchbohrt oder nur angebohrt wurde. Bei sachgerechter Durchführung der Befestigungsmaßnahmen, von der auszugehen ist, kann damit eine Beeinträchtigung im Sinn des § 14 Nr. 1 WEG ausgeschlossen werden.

(3) Aus der Gemeinschaftsordnung können die Antragsgegner nichts für ihren Rechtsstandpunkt ableiten.

Soweit in § 2 Abs. 5 WEG für "Durchbrüche durch Mauern, die im gemeinschaftlichen Eigentum stehen", die Zustimmung des Verwalters für erforderlich erklärt wird, betrifft dies nicht den Fall der Errichtung der Photovoltaikanlage. Bei dieser handelt es sich nicht um einen Mauerdurchbruch. Bei der Anbringung von Bohrungen handelt es sich nicht um einen Mauerdurchbruch im Sinn dieser Bestimmung der Gemeinschaftsordnung, was sich schon daraus ergibt, dass die Zustimmung vom Verwalter nur erteilt werden muss, wenn ein Sachverständiger festgestellt hat, dass die Stabilität des Gebäudes nicht gefährdet wird.

Das in § 4 Abs. 2 der Gemeinschaftsordnung ausgesprochene Verbot, "die im Gemeinschaftseigentum stehenden Räume des Gebäudes und das Grundstück nicht eigenmächtig" zu verändern, erstreckt sich nicht auf bauliche Veränderung des gemeinschaftlichen Eigentums, die nach § 22 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 14 Nr. 1 WEG keiner Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer bedürfen. Dies ist hier der Fall.

3. Es erscheint angemessen, die Gerichtskosten des Verfahrens den Antragsgegnern aufzuerlegen und von der Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten abzusehen (§ 47 WEG).

Den Geschäftswert setzt der Senat für die Beschwerdeverfahren in Übereinstimmung mit der Geschäftswertfestsetzung durch das Amtsgericht auf 2000 DM fest. Das Interesse der Gesamtheit der Beteiligten an der Entscheidung ist nicht niedriger zu bewerten (§ 48 Abs. 3 Satz 1 WEG).

Ende der Entscheidung

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