Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 18.07.2002
Aktenzeichen: 2Z BR 148/01
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 16 Abs. 2
WEG § 28 Abs. 2
WEG § 28 Abs. 5
Die Wohngeldschuld eines Wohnungseigentümers entsteht erst, wenn die Eigentümergemeinschaft über Einzelwirtschaftspläne oder über Jahreseinzelabrechnungen beschließt.
Gründe:

I.

Der Antragsteller, die Antragsgegner und die weiteren Beteiligten sind die Wohnungseigentümer einer aus mehreren Gebäuden bestehenden größeren Wohnanlage, die Anfang der 70er Jahre errichtet wurde. Die Wohnungen haben eine Fußbodenheizung, die sowohl den Fußboden als auch die darunter liegende Zimmerdecke erwärmt. Die Wohnräume waren ursprünglich mit Teppichboden ausgestattet.

Die Antragsgegner verlegten nach Erwerb ihrer Wohnung im Frühjahr 1996 in den Wohnräumen Parkett und in Diele und Küche Fußbodenfliesen. Der Antragsteller, der Eigentümer einer grundrissgleichen Wohnung unter der Wohnung der Antragsgegner ist, hat beim Amtsgericht beantragt, die Antragsgegner zu verpflichten, Parkett- und Fliesenböden in ihrer Wohnung zu entfernen und an deren Stelle einen der Baubeschreibung von 1970 entsprechenden Bodenbelag aufzubringen, so dass eine Trittschalldämmung von 10 dB eingehalten werde. Der Antragsteller trug vor, dass die Parkett- und Fliesenböden zu einer unerträglichen Schallübertragung und zu einer erhöhten Wärmeabstrahlung an den Zimmerdecken führten.

Die Antragsgegner haben der Voreigentümerin den Streit verkündet; diese ist auf Seiten des Antragstellers dem Verfahren beigetreten.

Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 22.2.2000 den Anträgen im wesentlichen entsprochen und mit Beschluss vom 21.1.2000 gemäß den Angaben des Antragstellers den Geschäftswert auf 150000 DM festgesetzt.

Die sofortige Beschwerde der Antragsgegner hat das Landgericht unter Festsetzung des Geschäftswerts auf 150000 DM mit Beschluss vom 13.11.2001 zurückgewiesen.

Die Antragsgegner haben mit Schriftsatz vom 28.1.2002 Beschwerde gegen die Festsetzung des Geschäftswerts durch das Landgericht eingelegt. Sie halten das maßgebliche Interesse für geringer und vor allem unter Hinweis auf die hohen Kosten der zahlreichen Gerichtsgutachten den Geschäftswert für überhöht.

Mit Teilabhilfebeschluss vom 13.5.2002 hat das Landgericht den Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren auf 53500 EUR festgesetzt und der weitergehenden Beschwerde nicht abgeholfen. Der Antragsteller hält diesen Geschäftswert für zu niedrig, weil der Wert seiner Wohnung vom Landgericht zu niedrig angesetzt worden sei.

II.

Die nach § 31 Abs. 3, § 14 Abs. 4, 5 KostO zulässige Erstbeschwerde gegen die Festsetzung des Geschäftswerts für das Beschwerdeverfahren ist teilweise erfolgreich.

1. Das Landgericht hat in der Teilabhilfeentscheidung ausgeführt:

Der Geschäftswert bestimme sich gem. § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG nach dem Interesse der Beteiligten an der Entscheidung. Dieses werde beim Antragsteller durch das Interesse an der Beseitigung der Lärmbeeinträchtigung aus der Wohnung der Antragsgegner bestimmt. Ausgehend von einem Verkehrswert der Wohnung des Antragstellers von etwa 250000 EUR und einer Wertminderung durch die Beeinträchtigung von 15 % bis 20 % ergebe sich ein materielles Interesse des Antragstellers von 40000 EUR. Beim Interesse der Antragsgegner sei von den Kosten auszugehen, die für die Parkett- und Fliesenböden angefallen seien, und von den Kosten für die Einbringung ordnungsgemäßer Bodenbeläge. Nach den vorgelegten Kostenaufstellungen und Kostenvoranschlägen ergebe sich ein Betrag von etwa 13500 EUR. Dementsprechend werde das Interesse aller Beteiligten auf 53500 EUR geschätzt. Die Voraussetzungen für eine Herabsetzung des Geschäftswerts nach § 48 Abs. 3 Satz 2 WEG lägen nicht vor.

2. Der Teilabhilfebeschluss des Landgerichts hält nicht in vollem Umfang der Nachprüfung stand.

a) Zutreffend ist der Ausgangspunkt der Überlegungen des Landgerichts, dass es gemäß § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG auf das Interesse aller Beteiligten an der Entscheidung ankommt. Nicht zu beanstanden ist auch die Bewertung der Interessen von Antragsteller und Antragsgegner. Nach den zu den Akten gegebenen Unterlagen erscheint ein Verkehrswert von 250000 EUR für die Wohnung des Antragstellers realistisch. Das Ausmaß der Wertminderung hat das Landgericht eher zu niedrig angenommen, da es die höhere Wärmeabstrahlung an der Zimmerdecke in der Wohnung des Antragstellers nicht berücksichtigt hat; doch wirkt sich das im Endergebnis nicht aus.

Auch die Schätzung der Kosten für die Verlegung der Parkett- und Fliesenböden, für deren Entfernung und für die Verlegung neuer Bodenbeläge ist im Ergebnis nicht zu beanstanden, weil sich auch bei Berücksichtigung der tatsächlichen Kosten für die Neuverlegung und der Eigenleistungen der Antragsgegner ein Betrag von über 10000 EUR ergibt.

Ob das Landgericht das Interesse aller Beteiligten durch ein Zusammenzählen der für den Antragsteller und die Antragsgegner ermittelten Werte zutreffend angenommen hat, kann offen bleiben. Jedenfalls erscheint bei Berücksichtigung des Interesses aller Beteiligten ein Geschäftswert in der angenommenen Größe angemessen.

b) Entgegen der Ansicht des Landgerichts erscheint es dem Senat aber geboten, nach § 48 Abs. 3 Satz 2 WEG den Geschäftswert zu ermäßigen, weil die aufgrund eines Geschäftswerts von 53500 EUR berechneten Kosten zum Interesse der Antragsgegner nicht in einem angemessenen Verhältnis stehen.

Dass die Vorschrift des § 48 Abs. 3 Satz 2 WEG nur in Verfahren auf Ungültigerklärung von Eigentümerbeschlüssen großer Eigentümergemeinschaften anwendbar wäre, kann dem Wortlaut nicht entnommen werden. Vielmehr ist eine Herabsetzung in jedem Wohnungseigentumsverfahren zu prüfen. Diese Prüfung ergibt im vorliegenden Fall, dass die Kostenbelastung der Antragsgegner bei Zugrundelegung eines am Interesse aller Beteiligten ausgerichteten Geschäftswerts einen Wert überschreiten würde, der den Zugang zu den Gerichten einschließlich der Rechtsmittelgerichte in unzumutbarer Weise erschweren würde. Denn die Antragsgegner müssten Gerichtskosten einschließlich der Auslagen für die zahlreichen Sachverständigengutachten in Höhe von über 11000 EUR und Rechtsanwaltskosten von deutlich über 20000 EUR tragen.

Unter Berücksichtigung der Interessen der beteiligten Rechtsanwälte an einer angemessenen Vergütung erscheint es dem Senat geboten, den Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren auf 30000 EUR zu ermäßigen.

c) Da die gleichen Überlegungen auch für den Geschäftswert im ersten Rechtszug maßgebend sind, ändert der Senat nach § 31 Abs. 1 Satz 2 KostO den Geschäftswert von Amts wegen ab.

3. Nach § 31 Abs. 4 KostO fallen für das Verfahren vor dem Senat keine Gebühren an; eine Kostenerstattung findet nicht statt. Folglich ist auch kein Geschäfts- oder Gegenstandswert festzusetzen.

Ende der Entscheidung

Zurück