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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 19.03.2003
Aktenzeichen: 2Z BR 150/01
Rechtsgebiete: WEG, ZPO


Vorschriften:

WEG § 23 Abs. 4
ZPO § 91a
Der Antrag, die übrigen Wohnungseigentümer zu verpflichten, einer Sanierungsmaßnahme zuzustimmen, erledigt sich in der Hauptsache, wenn zwischenzeitlich saniert wurde.
Gründe:

I.

Der Antragsteller und der Antragsgegner sind die Wohnungseigentümer einer Wohnanlage, die von der weiteren Beteiligten verwaltet wird. Der Miteigentumsanteil des Antragstellers beträgt 3/9, der des Antragsgegners 6/9.

Ende des Jahres 1999 befand sich das Gebäude in einem sanierungsbedürftigen Zustand. Am 27.12.1999 nahm der Sachverständige für Schäden an Gebäuden Dipl.-Ing. H. zusammen mit dem Antragsteller eine Besichtigung des ersten Obergeschosses und des Dachgeschosses vor. Das Ergebnis des Ortstermins legte der Sachverständige H. in einem Schreiben vom 3.1.2000 an den Antragsteller nieder. Der Sachverständige schlug in diesem Schreiben als Sanierungsmaßnahmen vor:

- Abbruch Dachstuhl mit Mauerwerk bis OK-Decke über 1. OG, - Sanierung der Auflager der Balkendecke über 1. OG, - Neuaufbau des Außenmauerwerkes im DG mit Einbau von Stahlbetonringankern, - Neuerstellung des Dachstuhles mit neuer Dachhaut und Spenglerarbeiten.

Am 23.5.2000 fand eine Eigentümerversammlung statt. Im Einladungsschreiben war als Tagesordnungspunkt 1 angegeben:

Beschlussfassung über das bereits vorliegende Sanierungskonzept des Dipl.-Ing. H. vom 27.12.1999 u.a. bezüglich der Sanierung des Anwesens wie vorgetragen, auf welches auch der Sachverständige V. verweist.

Der Antragsteller stellte den Antrag, das Gebäude entsprechend dem Vorschlag des Sachverständigen H. zu sanieren. Dieser Antrag wurde mit der gemäß Teilungserklärung nach Miteigentumsanteilen berechneten Stimmenmehrheit des Antragsgegners abgelehnt.

Der Antragsteller führte in der Folgezeit Baumaßnahmen durch. Dabei errichtete er ein Dachgeschoss, dessen Bau bereits von seinem Rechtsvorgänger begonnen, aber nicht fachgerecht fertiggestellt wurde. Zwischen den Beteiligten besteht Streit darüber, ob das Dachgeschoss in dieser Form nach der Teilungserklärung zulässig ist. Der zunächst gegebene Sanierungsbedarf ist durch den Dachgeschossaufbau weggefallen. Die Baumaßnahmen waren spätestens zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 12.3.2001 abgeschlossen.

Der Antragsteller hat beim Amtsgericht beantragt, den Beschluss über die Ablehnung seines Sanierungsantrags für ungültig zu erklären. Die in erster Instanz weiter gestellten Anträge sind für das Rechtsbeschwerdeverfahren nicht mehr von Bedeutung.

Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 4.1.2001 den Antrag abgewiesen. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde hat das Landgericht mit Beschluss vom 6.9.2001 als unbegründet zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde des Antragstellers.

II.

Das zulässige Rechtsmittel führt zur Abänderung der landgerichtlichen Entscheidung dahin, dass die Erstbeschwerde als unzulässig verworfen wird, im Übrigen ist es erfolglos.

1. Die Verwalterin ist nach § 43 Abs. 4 Nr. 2 WEG Verfahrensbeteiligte, nicht Antragsgegnerin. Der Senat kann das Rubrum entsprechend berichtigen (vgl. BayObLG WuM 2001, 956).

2. Das Rechtsmittel ist zulässig.

Im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung kann es offen bleiben, ob eine Erledigung der Hauptsache im Beschwerdeverfahren eingetreten ist, da dies auf die Zulässigkeit der sofortigen weiteren Beschwerde keinen Einfluss hat (vgl. BayObLG ZMR 2001, 366).

3. Das Landgericht hat ausgeführt:

Ein Antrag auf Ungültigerklärung eines Beschlusses, durch den ein Antrag abgelehnt wurde, sei unzulässig. Der Antrag sei umzudeuten in einen Antrag auf Zustimmung zu dem vom Antragsteller zur Beschlussfassung vorgelegten Sanierungskonzept.

Dieser Antrag sei jedoch nicht begründet. Der Antragsteller habe keinen Zustimmungsanspruch, da das vom Antragsteller vorgelegte Sanierungskonzept nicht der Teilungserklärung in Verbindung mit den dieser beigefügten Plänen entspreche. Der Antragsteller habe in der mündlichen Verhandlung selbst erklärt, dass die von ihm durchgeführten Umbaumaßnahmen dem von ihm vorgelegten Sanierungskonzept entsprächen.

4. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

a).Die Auffassung des Landgerichts zur Nichtanfechtbarkeit von Beschlüssen, durch die ein Antrag abgelehnt worden ist, entsprach der damaligen Rechtsprechung des Senats. Der Senat hat jedoch diese Rechtsansicht zwischenzeitlich aufgegeben und sich der Meinung des Bundesgerichtshofs (NJW 2001, 3339) angeschlossen, wonach auch ein Negativbeschluss angefochten werden kann (BayObLG WuM 2002, 330). Die Rechtsbeschwerde hat sich der Umdeutung des Antrags durch das Landgericht angeschlossen und beantragt, die Ersetzung der Zustimmung des Antragsgegners, hilfsweise die Verpflichtung des Antragsgegners, die Zustimmung zu den Sanierungsmaßnahmen zu erteilen.

Der Senat hat das Rechtsschutzziel selbständig festzustellen und den Antrag interessengerecht auszulegen (BGH NZM 2002, 995/996). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Stellung eines bestimmten Antrags in einem Beschwerdeverfahren in Wohnungseigentumssachen nicht erforderlich ist. Erkennbar muss lediglich der Wille des Beschwerdeführers sein, die Überprüfung einer bestimmten Entscheidung durch das Beschwerdegericht herbeizuführen (vgl. BayObLG ZMR 2002, 945).

Ob der Eigentümerbeschluss vom 23.5.2000, durch den der Antrag, das Gebäude entsprechend dem Sachverständigenvorschlag zu sanieren, abgelehnt wurde, dem Antrag auf Zustimmung zu einer solchen Sanierung entgegenstehen könnte, braucht nicht entschieden zu werden. Denn das Zustimmungsverlangen ist wegen der eingetretenen Hauptsacheerledigung unzulässig geworden.

b) Das Landgericht hätte die Beschwerde als unzulässig verwerfen müssen, da spätestens während des Beschwerdeverfahrens wegen der Erledigung der Hauptsache das Rechtsschutzbedürfnis des Antragstellers weggefallen ist (vgl. BayObLG WuM 1992, 644/645; Demharter ZMR 1987, 201/203).

(1) Erledigung der Hauptsache tritt im Wohnungseigentumsverfahren ein, wenn der Antrag nach der Verfahrenseinleitung durch ein tatsächliches Ereignis gegenstandslos wird und die Fortführung des Verfahrens keinen Sinn mehr hat, d.h. wenn der Verfahrensgegenstand durch ein Ereignis, das eine Änderung der Sach- und Rechtslage herbeiführt, entfällt (st. Rspr. des Senats vgl. z.B. ZMR 2001, 986 = NZM 2001, 1043).

(2) Das Rechtsschutzbedürfnis des Antragstellers an der begehrten Entscheidung ist spätestens am 12.3.2001 weggefallen. Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Landgerichts, die auch von der Rechtsbeschwerde insoweit nicht in Zweifel gezogen werden, war zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht der ursprüngliche Schadenszustand beseitigt. Damit war der vom Sachverständigen vorgeschlagenen Sanierung die Grundlage entzogen. Die Maßnahme, zu der der Antragsteller die Zustimmung begehrt, kann nicht mehr ausgeführt werden.

(3) Ein Rechtsschutzbedürfnis ergibt sich für den Antragsteller auch nicht daraus, dass der Antragsgegner mit den durchgeführten Maßnahmen nicht einverstanden ist und sich nach eigenem Vortrag dagegen in einem noch anhängigen Verfahren wendet. Die vom Antragsteller durchgeführten Maßnahmen sind nämlich nicht identisch mit dem Sanierungsvorschlag, der zur Abstimmung gestellt war. Die Annahme des Landgerichts, der tatsächlich hergestellte Zustand sei mit dem Sanierungskonzept identisch, beruht auf einer nicht erschöpfenden Würdigung der vorliegenden Tatsachen (BayObLG WE 1991, 50). Der Rückschluss von den tatsächlich durchgeführten Maßnahmen auf den Beschlussgegenstand kann nicht gezogen werden.

Das Landgericht stützt seine Auffassung ausschließlich auf eine Äußerung des Antragstellers in der mündlichen Verhandlung vom 12.3.2001, das zur Beschlussfassung vorgelegte Sanierungskonzept entspreche den tatsächlich durchgeführten Umbaumaßnahmen. Aus den vorgelegten Lichtbildern ergibt sich, dass Maßnahmen durchgeführt wurden, die über eine bloße Sanierung hinausgehen. Vor allem hat es das Landgericht unterlassen, vom Wortlaut des Eigentümerbeschlusses auszugehen. Dieser ist allerdings insofern nicht sehr ergiebig, als dort lediglich von einem Vorschlag "H." die Rede ist. Der Vorschlag ist im Protokoll nicht näher-bezeichnet. Es erweist sich deshalb als notwendig, ausnahmsweise Umstände außerhalb des protokollierten Beschlusses heranzuziehen. Bei der Auslegung von Eigentümerbeschlüssen ist zwar grundsätzlich nur auf das Versammlungsprotokoll abzustellen (vgl. BGHZ 139, 288/ 291; BayObLG WE 1991, 50). Der Senat hält es jedoch im vorliegenden Fall für zulässig, ergänzend auf das Einladungsschreiben abzustellen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Eigentümergemeinschaft nur aus zwei Personen besteht und sich der abgelehnte Antrag in der alsbaldigen Durchführung der beabsichtigten Maßnahme erschöpfte. Den Beteiligten war aufgrund des Einladungsschreibens klar, um welchen Sanierungsvorschlag "H." es ging. In der Einladung zur Eigentümerversammlung war nämlich das Sanierungskonzept vom 27.12.1999 genannt, wobei zwischen den Beteiligten Einigkeit darüber besteht, dass damit das Schreiben des Sachverständigen vom 3.1.2000, betreffend den Ortstermin vom 27.12.1999, gemeint war. Dieses Schriftstück nennt aber nicht die vom Antragsteller durchgeführten Maßnahmen, sondern nur einige Sanierungsvorschläge. Wie es zu der Äußerung des Antragstellers in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht gekommen ist, vermag der Senat nicht nachzuvollziehen, zumal auch das Landgericht ausgeführt hat, der Antragsteller habe bereits früher bestritten, dass der Sanierungsvorschlag des Sachverständigen den von ihm eingereichten Bauplänen entsprochen habe. Der Senat sieht sich in seiner Auslegung bestätigt durch die Ausführungen der Beteiligten im Rechtsbeschwerdeverfahren. Auch die Beschwerdeerwiderung weist darauf hin, dass der Antragsteller weiterhin die Zustimmung zum Sanierungskonzept H. vom 27.12.1999 fordere. Das entspricht auch wörtlich dem vom Antragsteller im Rechtsbeschwerdeverfahren gestellten Antrag. Darüber hinaus weist der Antragsteller selbst darauf hin, es sei unzutreffend, dass das Landgericht die Baupläne, das Sanierungskonzept und die durchgeführten Maßnahmen gleichstelle. Der komplette Neubau eines Dachgeschosses nach einem neuen Bauplan war im Sanierungskonzept H. nicht erwähnt.

Daraus ergibt sich, dass die vom Antragsteller durchgeführten Maßnahmen nicht mit denen identisch sind, die Gegenstand des Beschlusses waren.

Da somit der Ablehnungsbeschluss eine konkrete andere Maßnahme zum Gegenstand hatte, entfaltet er für die durchgeführten Maßnahmen keine Bindungswirkung.

5. Es entspricht der Billigkeit, den in allen Instanzen unterlegenen Antragsteller mit den Gerichtskosten und den außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu belasten (§ 47 WEG).

6. Der Geschäftswert ist auf 100000 EUR festzusetzen (§ 48 Abs. 3 Satz 1 WEG). Die Kosten einer Sanierungsmaßnahme bilden zwar einen Anhaltspunkt für die Festsetzung des Geschäftswerts. Im vorliegenden Fall ist jedoch ein geringerer Wert anzusetzen, weil die Notwendigkeit der Sanierung zwischen den Beteiligten unstreitig war.

Die Festsetzung des Geschäftswerts durch das Landgericht ist dementsprechend gemäß § 31 Abs. 1 Satz 2 KostO abzuändern.

Das Amtsgericht hat den Geschäftswert für den ersten Rechtszug nicht festgesetzt. Dies wird nachzuholen sein. Der Senat ist zwar zur Abänderung, nicht aber zur bisher unterbliebenen Festsetzung des Geschäftswerts einer Vorinstanz befugt (BayObLG WE 1983, 60; Beschluss des Senats vom 20.2.2003 - 2Z BR 5/03).

Ende der Entscheidung

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